Mumia kämpft für ein neues Verfahren

Berliner Bündnis Freiheit für Mumia Abu-Jamal 13.02.2008 00:05 Themen: Antirassismus Indymedia Medien Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Mumia Abu-Jamal kämpft seit langer Zeit für ein neues Verfahren. 2007 sprach er hierüber in einem Interview mit Margaret Prescod in der KPFK Radioserie von „Sojourner Truth“. Nachzulesen geht das unter  http://www.mumia-hoerbuch.de/mumiadeutsch.htm#interviewmumiadt
Seit 1981 ist er politischer Gefangener in Pennsylvenia, USA.
Mumias erstes Verfahren 1982

Mumia Abu-Jamal wurde 1982 nicht zum Tod verurteilt, weil ihm ein Mord an einem Polizisten bewiesen wurde. Der Staatsanwaltschaft gelang es damals lediglich, die Jury erfolgreich zu manipulieren und zu beeinflussen.
Seit den Anhörungen unter Richter Sabo von 1997 ist z.B. klar, dass zwei der Hauptbelastungszeugen gar nicht vor Ort waren. Seit 2006 ist bekannt, das der damals unter Eid aussagende Polizist in Bezug auf die angebliche Tatwaffe (eine 38er Kaliber, die Patrone in der Leiche des Polizisten war eine 44er...) einen Meineid geschworen hat (siehe einige Photos von Polakoff auf  http://www.abu-jamal-news.com/ ).
Die rassistische Beeinflussung bei der Auswahl der Jury veranlasste sogar Bundesrichter Yohn bereits 2001, dass Todesurteil aufzuheben.
Mumias erster Prozess 1982 war eine Farce. Er hatte keinen Anwalt seiner Wahl und war die meiste Zeit selbst vom Verfahren ausgeschlossen. Staatsanwalt McGill beging zahlreiche Rechtsbrüche, so u.a., als er der Jury in der Schuldfindungsphase den Ratschlag gab, im Zweifel erstmal Mumia schuldig zu sprechen, "... da er ja noch Berufung nach Berufung hätte..." Juristisch gilt auch in den USA genau das Gegenteil. Ein Angeklagter ist zumindest in der Theorie solange unschuldig, bis ihm das Gegenteil über jeden Zweifel hinaus bewiesen ist. Hier hätte ein Richter einschreiten müssen, hätte es irgendwelche "rechtmäßigen" Grundlagen in diesem Verfahren gegeben.
Dass das von dem Polizeibruderschaftsmitglied der F.O.P. und bekennenden Rassist Richter Alfred Sabo nicht getan wurde, verwundert Mumias Unterstützer_innen nicht. Hatte er doch während des Verfahrens gesagt, er werde "ihnen helfen, den Nigger zu grillen..."
Nach juristischen Maßstäben hätte Mumia nie verurteilt werden können. Spätestens seit 1997 ist dies bekannt und hätte schon längst einen neuen Prozess erforderlich gemacht.

Aber dieses Verfahren ist kein juristisches sondern ein politisches.

Mumia wurde verurteilt, weil er gerade in den späten 70ern sehr exponiert gegen staatlichen Rassismus, Polizeigewalt und Repression berichtet hat (und das bis heute fortsetzt, siehe  http://www.mumia-hoerbuch.de/mumiaselbst.htm ). Für seine journalistische Arbeit erhielt er bereits in den 70ern von der bürgerlichen Tageszeitung "Philadelphia Inquirer" den Ehrennamen "Voice of the voiceless", d.h. Stimme der Unterdrückten. Er war 1981 Vorsitzender der „Black Journalist Association“.
Ende der 70er wurde Philadelphia von Bürgermeister Frank Rizzo regiert. Der ehemalige Polizeichef ließ keine Gelegenheit aus, mit Hetze und Polizeigewalt seine Vorstellungen von weißer Vormachtstellung im damals zu 44% schwarz bevölkerten Philadelphia Ausdruck zu verleihen. Dafür geriet er immer wieder in Kritik. Er bedrohte u.a. Mumia direkt, als er vor einer Pressekonferenz auf ihn zeigte und sagte: "... Die Leute glauben, was sie sagen. Das muss aufhören. Ich werde noch in meiner Amtszeit dafür sorgen, dass sie zur Verantwortung gezogen werden." Das Mumia ferner seit seinem 15. Lebensjahr eine Akte beim FBI hat oder am Tatort des 9.12.1981 bereits nach 20 Minuten die politische Polizei anwesend war, sind nur einige weitere Details, die deutlich machen, wie politisch der Fall damals war.
Auch heute birgt Mumias Fall eine Menge politischen Sprengstoff.
Aktuell regiert Ed Rendell als Governeur in Pennsylvenia. Er war 1982 Oberster Chefankläger in Philadelphia und somit Dienstherr von Staatsanwalt McGill. Vor einigen Jahren wurde ein internes Trainingsvideo von Staatsanwalt McMahon veröffentlicht, in welchem angehenden Staatsanwälten genau erklärt wurde, wie z.b. Schwarze aus einer Jury auszusieben sind. Sollte Mumia jetzt ein neues Verfahren bekommen, wären auch diese Details Bestandteil. Es verwundert also nicht, das Ed Rendell seit einiger Zeit bereits seine Vorfreude bekundet, den Hinrichtungsbefehl für Mumia zu unterschreiben, den er sich so sehnlich vom 3. Bundesberufungsgericht erhofft. (1)

Mumia selbst will in einem neuen Verfahren aufzeigen, wie in den USA Nicht-Weiße und Arme behandelt werden und entweder als Arbeitssklaven mit Langzeitverurteilungen (ca. 2,3 Millionen Gefangene) in der privaten Gefängnisindustrie landen, oder auch in extremer Isolation auf ihre Ermordung warten (aktuell ca. 3200 Gefangene). Eines ist den allermeisten dieser Gefangenen gemeinsam: Sie hatten keine adäquaten Rechtsbeistand, weil sie ihn sich privat nicht leisten konnten. Die juristische "Schuldfrage" spielt meistens keine Rolle vor Gericht. Die in letzter Zeit vom Bundesstaat New Jersey ins Gespräch gebrachte "Reform", Todesstrafe in Lebenslänglich ohne Möglichkeit auf Entlassung umzuschreiben, dient lediglich dem Erhalt des Status Quo in den USA: Rassismus und Klassenjustiz.
Auch die am 9.02.2008 vom Nebraska Surpreme Court veröffentlichte Entscheidung, den elektrischen Stuhl als "menschenunwürdige Hinrichtungsmethode" abzuschaffen, ändert daran nichts.
Der Kampf um Mumias Freiheit richtet sich auch gegen die Todesstrafe und darüber hinaus für eine grundsätzliche Umwälzung der bestehenden Verhältnisse. Dafür hat Mumia eine Menge Unterstützung überall auf der Welt.
Ein neues Verfahren für Mumia wäre hierbei ein großer Schritt nach vorne. Dass dieses nicht automatisch "fair" ist, liegt auf der Hand. Aber im Unterschied zu 1982 hätte Mumia dieses Mal ein qualifiziertes Anwaltsteam sowie eine starke Unterstützer_innenbewegung an seiner Seite. Sowohl im Gerichtssaal als auch bei öffentlicher Berichterstattung könnte also viel besser als 1982 versucht werden, "Fairness" durchzusetzen.
Das Ziel ist ganz klar: Freiheit für Mumia Abu-Jamal!
Darüber hinaus geht es um die Abschaffung der Todesstrafe weltweit, gegen die privatisierte Gefängnisindustrie in den USA (und deren Ausbau in Europa), gegen staatlichen Rassismus und für eine grundsätzliche emanzipatorische Umwälzung der bestehenden Verhältnisse.

Weitere Quellen und Infos:

 http://de.indymedia.org/2007/11/200552.shtml ( ausführlicher indymedia-Artikel, Nov. 2007 )
 http://www.prisonradio.org/mumia.htm ( regelmäßige Audioveröffentlichungen von Mumia )
 http://www.abu-jamal-news.com/ ( Journalisten für Mumia, USA, englisch )
 http://www.free-mumia.ch.vu ( Schweizer Mumia-Unterstützer_innen )
 http://www.mumia-hoerbuch.de/bundnis.htm ( Berliner Bündnis Freiheit für Mumia )
 http://www.mumia.org//freedom.now/ ( New York Coalition to free Mumia Abu-Jamal )
 http://libertad-mumia.blogspot.com/ ( Barcelona, Mumia Unterstützer_innen )
 http://meckiemessermuzak.blogsport.de/2007/10/10/free-mumia-and-the-rest-will-follow/
(Soli-CD zum freien Download und weiterverteilen )
 http://www.againstthecrimeofsilence.de/ (umfangreiche Materialiensammlung, deutsch & englisch )

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Anmerkung:
(1) Die Hintergründe des 26 jährigen Falles von Mumia Abu-Jamal füllen inzwischen mehrere Bände (z.B. "Wettlauf gegen den Tod", Michael Schiffmann, Promedia 2006 oder das gleichnamige CD-Hörbuch).
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Ergänzungen

Schreibt ihm & bereitet euch vor

Mumia-Hörbuchgruppe 13.02.2008 - 18:00
Schreibt Mumia!

Internationale Post stellt einen starken Schutz für ihn da, zeigt es den Zensurbeamt_innen und dem Gericht doch, wie stark sie unter öffentlicher Beobachtung stehen. Laut Mumias Anwalt kann das Einfluss auf die anstehende Gerichtsentscheidung haben.
Die Adresse:

Mumia Abu-Jamal
AM 8335
SCI Greene Prison
175 Progress Drive
Waynesburg
PA 15370
USA

Tragt euch in e-mail Notfall Liste ein:  free.mumia@gmx.net

Sobald die Gerichtsentscheidung kommt, kann so schnell informiert und mobilisiert werden. Außerdem werden darüber einmal im Monat sämtliche neuen Infos über Mumia und die Kampagne verschickt.
Sollte irgendetwas anderes als ein neues Verfahren entschieden werden, ist Mumias Leben wieder akut in Gefahr! Es gibt dann zwar noch mehrere formale juristische Schritte, aber eine mögliche Freiheit von Mumia rückt damit in noch weitere Ferne, als sie es ohnehin schon ist. Und einer drohenden Hinrichtung ist er dann sehr viel näher als im Augenblick.

Freiheit für Mumia Abu-Jamal!

Beteiligt euch an den Berliner Demos für Andrea, Christian und für die Freiheit politischer Gefangener im März 2008!

Free Mumia! Free Andrea und Christian!

Fight repression! 13.02.2008 - 19:18
Auf Mumias Gerichtsentscheidung vorbereiten:  http://www.mumia-hoerbuch.de/text/DayAfter.pdf

Am 8.März: Freiheit für Anrea!
 http://www.freeandrea.de.vu

Freiheit für Christian:  http://freechristian.gulli.to/

Weg mit den Unterdrückungsparagraphen 129, 129 a & b und welche Folgebuchstaben auch immer noch dazukommen...  http://einstellung.so36.net/de/303

aktuelles Interview mit Mumia auf IPS News

Kurt 15.02.2008 - 20:35
Heute (15.03.08) erschien auf IPS News auf Englisch ein Interview mit Mumia Abu-Jamal, indem es um einen neues Verfahren, den Alltag von Isolationhaft, die Todesstarfe und die sozialen Hintergründe und um Mumias Verbindungen in die schwarze Befeiungsbewegung geht.

 http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=41202

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@wayne — John