Spanien: "Papierlose" im Streik

diverse 12.02.2008 13:49 Themen: Antirassismus Soziale Kämpfe Weltweit
Mehr als 100 in der Gewerkschaft der ArbeitsImmigrantInnen (SOI) organisierte ErntehelferInnen befinden sich in einen unbefristeten Streik. Sie fordern Verbesserungen der direkten Lebensumstände bei der Saisonarbeit sowie die Anerkennung der "sin papeles" (Papierlose) generell. Inormationen, Kontakte...
Der am 04.Februar von zunächst 50 SaisonarbeiterInnen begonnene Streik für Legalisierung und bessere Lebens,-und Arbeitsbedingungen wächst und umfasst jetzt mehr als 100 ImmigrantInnen. Die Streikenden sind sämtlich Mitglieder der Gewerkschaft der ArbeitsImmigrantInnen (Sindicato Obrero Inmigrante, SOI). 45 von ihnen befinden sich in Jaén, Andalusien, einem Zentrum der Olivenernte, indem bereits seit zwei Jahren die menschenunwürdige Behandlung der immigrantischen ErntehelferInnen und faschistische Übergriffe angeprangert werden: siehe
Spanische Oliven und Faschismus
 http://de.indymedia.org/2008/01/204739.shtml
Spanien: Hungerstreik gegen Rassismus
 http://de.indymedia.org/2008/01/205622.shtml
Die Forderungen der Streikenden, die derzeit über Telefon und Internet mit SaisonarbeiterInnen an anderen Ernteorten koordiniert und allen "sin papeles" (Papierlosen) mitgeteilt werden, siehe in der Presseerklärung vom 04. 02 weiter unten.

Die Streikenden betonen, dass es sich bei ihrem Protest um eine pazifistische Aktion handelt. Die Mehrzahl der streikenden ImmigrantInnen ist so gut wie mittellos, da der Lohn bei der Erntehilfe quasi nur aussreicht, das tägliche Überleben zu sichern; an Rücklagen ist nicht zu denken und wer dennoch etwas übrig hat, schickt es nach Hause, an die zurückgebliebenen Familien.

Die Streikenden hoffen mit ihrer Aktion wichtige Veränderungen in der AusländerInnenpolitik und im Verhalten der Arbeitgeber bewirken zu können. "Die Lage in unseren Heimatländern ist schlimm und es ist für uns sehr schwer, unsere Familien dort zu unterstützen und gleichzeitig hier in Spanien ums tägliche Überleben zu kämpfen. Viele von uns sind bereits länger als zwei Jahre hier, trotzdem haben wir nicht erreicht, Papiere oder Rechte zu erhalten. Die Leute irren wenn sie behaupten, wir würden den SpanierInnen die Arbeit wegnehmen oder Probleme verursachen. Was wir wollen, ist als Personen behandelt werden und ein menschenwürdiges Leben führen können. Es ist nicht unsere Schuld, dass wir auf der Strasse schlafen müssen, wenn niemand uns Wohnraum vermietet oder angemessene Unterkünfte zur Verfügung gestellt werden, weil man uns wegen unserer Herkunft oder Hautfarbe diskriminiert".

Die streikenden ImmigrantInnen weisen daruf hin, dass es das Wichtigste ist, an die Orte des Geschehens zu kommen und gemeinsam mit ihnen, die angeklagten Umstände zu dokumentieren und zu verändern, indem der Streik direkt unterstützt wird. Für die ökonomische Hilfeleistung haben ImmigrantInnen und SpanierInnen einen Widerstandsfond eingerichtet, damit der unbefristete Streik auch tatsächlich aufrechterhalten werden kann, die Bankverbindung ist:
Caja Rural de Jaén (España) - Konto: 3067-0122-61-2154827816. Mit dem Geld wollen die Streikenden überlebensnotwenige Dinge wie Essen, Decken und Medikamente finanzieren sowie die Streikkosten (Flugblätter und Plakate und andere organisatorische Notwendigkeiten) decken; was ev. übrigbleibt soll unter den Streikenden aufgeteilt werden, da viele von ihnen die einzige fianzielle Möglichkeit zur Sicherung der Existenzgrundlagen ihrer Familien in den Herkunftsländern sind."Wir wollen, dass die Verwendung des Geldes transparent ist, deshalb werden wir regelmässig über Einnahmen und Ausgaben berichten.

Die immigrantischen ErntehelferInnen von Jaén und anderen Monokulturen des spanischen Obst,-und Gemüse(export)markts verfolgen mit dem Streik eine über Spanien hinausreichende Veränderung der AusländerInnen,-und Asylpolitik Europas. "ImmigrantInnen, die keine Vereinigung oder Gewerkschaft kennen, können sich mit der SOI in Verbindung setzen, um Dokumente zu erhalten, die ihre Teilnahme an dem Streik rechtfertigen (Kontakt siehe unten); die aktive Mitgliedschaft in einer spanischen Gewerkschaft macht die Abschiebung papierloser Personen praktisch unmöglich. Es wird ausserdem geraten, zunächst die SOI zu kontaktieren, um den Anfahrtsweg aufzuzeichen und eine Repression von Regierungsseite zu vermeiden".

"Wir rechnen mit Eurer/Ihrer Unterstützung und bedanken uns an dieser Stelle für die bereits erhaltene zahlreiche Unterstützung aus sehr unterschiedlichen Orten der Welt, denn wir können nicht allen sofort antworten.

Alle für Einen/Eine und Einer/Eine für alle!

Unterzeichnet:
Sindicato Obrero Inmigrante (SOI)
C/ Millán de Priego 35, bajo.
23004 Jaén
 sindicato.soi@gmail.com
SprecherInnen:
Guillermo Ramírez (Kolumbien):
+34 678 406 602
Abdelati Regani (Marokko):
+34 625 918 052
Serigne Modou (Senegal):
Hibrahima Sakho (Senegal)
+34 697 801 604

Der Streik wurde inzwischen durch die Unterschriften von ca.1500 EinwohnerInnen von Jaén unterstützt.

KOMMUNIQUE DER GEWERKSCHAFT IMMIGRIETER ARBEITER/INNEN (SOI) -
UNBEFRISTETER STREIK DER PAPIERLOSEN SAISONARBEITR/INNEN
Jaén, 04 Februar 2008
Genossinnen und Genossen: Am heutigen 04. Februar haben 33 Saisionarbeiter ohne Papiere ("sin papeles") der Gewerkschaft immigrierter ArbeiterInnen einen unbefristeten Streik begonnen. Nach Ablauf des Tages hatten sich diesem bereits weitere 21 Personen angeschlossen.
Parallel zu diesem Streik hat unser Genosse Jesús Hidalgo einen Hungerstreik für die Rechte der ImmigrantInnen bei der Olivenernte in Jaén wiederaufgenommen. Mit diesem unbefristeten Streik wollen wir unsere Rechte, wie sie jedem andere menschlichen Wesen zustehen, einfordern:

Die Errichtung einer neuen Unterkunft in der Hauptstadt Jaén, die menschenwürdige Bedingungen aufweist und in der Innenstadt liegt sowie die Anpassung an diese Bedingungen in der gesamten, restlichen Provinz

Die Vermehrung der Anzahl von Plätzen und Unterkünften in der Provinz. Gegenwärtig existieren in den 98 Gemeinden nur 20 Unterkünfte. Wir fordern daher eine Anhebung auf verfügbare 3000 Plätze und Unterkünfte.

Hinsichtlich der Unternehmerschaft fordern wir, dass in einem Abkommen als deren Pflicht verankert wird, den von ihnen unter Vertrag genommenen ArbeiterInnen Wohnraum zur Verfügung zu stellen, da diese Saisonkräfte und mehrheitlich mittellos sind. .

Wir verlangen, dass den in unserer Provinz lebenden SaisonarbeiterInnen ohne Papiere ("sin papeles") eine zeitlich begrenzte Genehmigung zur Arbeitssuche erteilt wird, damit sie nicht irregulär bleiben müssen und schnell von den sie benötigenden Arbeitgebern unter Vertrag genommen werden können.

Die Beendigung von Kontingentierungen indem Menschen ohne Papiere, die jahrelang in unserem Land von Ernte zu Ernte wandern, keine Möglichkeit gegeben wird, ihre Situation zu legalisieren. 90% der Saisonarbeiterinnen bei der gegenwärtigen Olivenernte sind irregulär .

- RESPEKTIERUNG DER SITUATION DER "SIN PAPELES" IM ALLGEMEINEN -

1. Eine respektvolle Behandlung seitens der Unternehmer gegenüber den ArbeitsmigrantInnen

2. Wir fordern unser Recht auf eine normale Wohnung wie alle anderen. Dass die EinwohnerInnen, die vermietbaren Wohnraum zur Verfügung haben, diesen auch an "Papierlose" vermieten. Würdige Wohnungen für alle.

3. Wir fordern "Papiere für alle", denn keine Papiere zu besitzen bedeutet, dass niemand unsere Rechte weder als Personen noch als ArbeiterInnen respektiert und es bedeutet den Missbrauch von Arbeitsrechten oder z.B. keinen Zugang zu haben, zu akademischen;- oder Bildungsformationen.

4. Abschaffung des (spanischen) AusländerInnengesetzes (ley de extranjería). Wir fordern, dass die neue Gesetzgebung zur Regulierung der Migrationsmassen den Artikel 13 der Universellen Menschenrechtserklärung und die spanische Verfassung (die aktuell durch das besagte Gesetz ebenfalls verletzt wird) erfüllt und dass in keinster Weise ein Basisrecht der Personen durch Repression und eine Kriminalisierung der arbeitenden Personen ausgebremst wird sondern dass die soziale,- und Arbeitsintegration bestmöglichst vorangebracht wird. .

5. Wahlrecht für alle immigrierten Personen
Wir fordern alle dazu auf, gegenüber den autonomen und staatlichen Verwaltungen von Jaén diesbezügliche Erklärungen zu machen. Ebenso rufen wir alle Kollektive, Assoziationen vonImmigrantInnen, Gewerkschaften, bei anderen Ernten arbeitenden ArbeitsmigrantInnen und Einzelpersonen generell dazu auf, sich ebenfalls in einem unbefristeten Streik zusammenzuschliessen und, wie wir, für sich selbst zu arbeiten, für die Selbstorganisierung ohne Abhängigkeit von einem "Chef".

Wir wollen uns integrieren, wenn sie uns aber alle Türen versperren, wie sollen wir dies dann können? Integration ist nicht möglich, wenn wir nicht eine normalisierte Situation in den Bereichen Verwaltung und Arbeit teilen.

Unser Leitspruch lautet: Eine/r für alle und alle für eine/n! Das Problem eines Genossen/einer Genossin ist auch das Problem aller! Schliesse Dich an!

Unterzeichnet von Sindicato Obrero Inmigrante (SOI) (Gewerkschaft der immigrierten ArbeiterInnen):
 sindicato.soi@gmail.com

SprecherInnen: siehe oben

AKTUELLES STATEMENT DER INITIATIVE QUEDA LA PALABRA ZU DEM STREIK

Die pazifistische Aktion für die Rechte der ArbeitsimmigrantInnen bei der Olivenernte in Jaén geht weiter mit einem unbefristeten Streik und der Fortsetzung des unbefristeten Hungerstreiks, den ich (Jesus Hidalgo) am 14. Januar begonnen und seit einer Woche unterbrochen hatte.

Die Mehrzahl der ersten 33 in Streik getretenen Personen besitzt keine Papiere, vor Kurzem jedoch wurden die Artikel des "illegalen" AusländerInnengesetzes in Hinsicht Versammlungsfreiheit,Recht auf Bildung von Assoziationen und gewerkschaftliche Organisierung verbessert und die Besagten als Mitglieder der Gewerkschaft der ArbeitsmigrantInnen wollen nun als Konsequenz hiervon ihr Recht zu streiken ausüben.

Dieser Streik wird historisch sein, denn wir wissen, dass wir ihn nicht beenden werden, ehe nicht die genannten Ziele erreicht sind und wir meinen, dass es der erste Streik von papierlosen ArbeitsimmigrantInnen in Spanien und in Europa ist. Mit ihm klagen die "sin papeles" ihren Status der Illegalität gegenüber den restlichen ArbeiterInnen an und dass sie darüber hinaus seitens des Staats und der Unternehmerschaft am meisten prekarisiert werden.

Die Ziele des Streiks sind (u.a.)...

1. Den Mitgliedern des Provinzforums für Immigration von Jaén nahezulegen, sich den gerechten Forderungen, die wir seitens der Gewerkschaft der ArbeitsimmigrantInnen, der Menschenrechtsplattform von Jaén und der Initiative "Queda la Palabra" seit zwei Jahren hinsichtlich der Verletzungen der elementarsten Menschenrechte der SaisonarbeiterInnen bei der Olivenernte erheben, zu entsprechen.

2. Eine Kettenreaktion unserer SaisonarbeitsgenossInnen bei anderen Ernten auszulösen, dass sie sich dem unbefristeten Streik anschliessen und aufhören, sich den Verwaltungen und ungerechten Arbeitgebern zu unterwerfen.

Die genannten ArbeiterInnen haben sich nach und nach unseren Kollektiven angeschlossen und sind bislang die Einzigen, die ihre Stimme erheben und seit Beginn der Ernte kontinuierlich ihre Rechte fordern, den Protest fortsetzen und das Geschehen bei vorherigen Ernten anklagen. Diese von der Ungerechtkeit, die von den Unternehmern, sämtlichen Verwaltungen (zentral, autonom und lokal), der Unterlassung und Passivität der Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und "NGO´s" sowie dem Vergessen der EinwohnerInnen begangen wird, direkt Betroffenen haben entschieden, in die notwendige Veränderung einzugreifen und wegen und für diese, Forderungen zu erheben.

Es jedoch nötig, dass alle, die diese Forderungen für gerecht erachten, sich über alle möglichen Instanzen an diesen Anklagen beteiligen.
Bislang haben 12 internationale BeobachterInnen den Verlauf der jetzigen Olivenernte verfolgt. Ihre Dokumentation über die Situation der ImmigrantInnen in der Provinz Jaén wird der UNO übergeben werden.

Mit der heutigen Pressekonferez hat eine Bewegung der am meisten Benachteiligten ihren Anfang genommen..., am schlimmsten Benachteiligte, die aufhören sich der Macht des Kapitalismus zu unterwerfen, der Macht des Gelds und der Rechtelosigkeit. Der Unterschied zwischen Gerechten und Ungerechten wird für alle offensichtlich und eindeutig werden.

Jesús Hidalgo
Colectivo por la Justicia y los Derechos de las Personas "Queda la Palabra"
(Kollektiv für Gerechtigkeit und Rechte der Personen "Es bleibt das Wort)
 jesus.quedalapalabra@gmail.com
 quedalapalabra@gmail.com
Zum inzwischen abgebrochenen Solidaritätshungerstreik siehe:
 http://de.indymedia.org/2008/01/205622.shtml

übersetzt von tierr@
www.tierrabloggospace.de
(work in progress)

Am 23. Februar wird es in Spanien zu einer koordinierten Demonstration unter dem Motto "Weil wir das Recht darauf haben, Rechte zu besitzen" geben. Ein Interview (in Spanisch) mit dem Koordinator der Föderation der Assoziation von ImmigrantInnen und Flüchtlingen,Víctor Sáez, gibt es unter:  http://www.fferine.org/

Infos siehe auch:
 http://www.no-racism.net/article/2360/

Ein Audio in diesem Zusammenhang kann angehört werden auf:
 http://www.masvoces.org/spip.php?article1623

Artikel über Internierungslager im spanischen Staat:
 http://masvoces.org/spip.php?article1476

Mehr über die Situation der WanderarbeiterInnen:
Apartheid ist "ein warmes Bett"
 http://de.indymedia.org/2007/01/167253.shtml

3.Treffen für ImmigrantInnenrechte
 http://de.indymedia.org/2007/11/200946.shtml


WEITERE LINKS:

Das panoptische Gehirn der Festung Europa
 http://de.indymedia.org/2007/11/199949.shtml
Borderline-Europe- Menschenrechte ohne Grenzen e.V.
 http://borderline-europe.de/
 http://no-racism.net
www.transfronterizo.net
frontexwatch - deutschsprachige Seite, noch im Aufbau:
 http://frontex.antira.info
Planet Antira
frontex auf dem europäischen polizeikongreß
www.euro-police.noblogs.org
Frontex-Artikel:
Frontex sorgt für Tausende Tote
 http://de.indymedia.org/2007/12/203719.shtml
Frattini: Frontex ab 2008 in lybischen Gewässern
 http://fortresseurope.blogspot.com/2005/12/frattini-desde-2008-frontex-en-las.html
Anti-Frontex: International
 http://de.indymedia.org/2007/11/199544.shtml
Frontex mit neuen Zielen
 http://de.indymedia.org/2007/03/169470.shtml
Videos und immer aktuelle Informationen zur europäischen Festungspolitik gibt es z.B. auf:
www.fortresseurope.blogspot.com
(für die mehrsprachige Seite werden auch ÜbersetzerInnen gesucht, hauptsächlich von Italienisch und auch Englisch in Deutsch; Kontakt:
 g.delgrande@redattoresociale.it
 gabriele_delgrande@yahoo.it

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Ergänzungen