Neue Verhaftungswelle im Baskenland

Ralf Streck 12.02.2008 09:51 Themen: Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Der spanische Ermittlungsrichter Baltasar Garzón geht weiter gegen die baskische Linke vor. Am Montag ließ der Richter des Nationalen Gerichtshofs bei 19 Durchsuchungen erneut 14 Führungspersonen der linken Unabhängigkeitsbewegung verhaften. Sie gehörten zum Teil der Kommunistischen Partei der Baskischen Territorien (EHAK) und der 80jährigen Traditionspartei Baskisch-Patriotische Aktion (EAE-ANV) an, deren Aktivitäten er am Freitag "vorläufig" suspendieren ließ (2). Sie dienten der 2003 in Spanien verbotenen Partei Batasuna (Einheit) als "Tarnorganisationen" und somit den "Zielen" der Untergrundorganisation ETA, behauptet er. Noch vor einem Jahr, unter dem Eindruck einer Waffenruhe der ETA, hatte er keine Hinweise für ein Verbot gesehen.
Den Verhafteten wirft er meist Mitgliedschaft in der ETA vor. Unter ihnen befanden sich auch Führungsmitglieder von Batasuna, die seit der großen Verhaftungsaktion im Oktober 2007 bisher nicht inhaftiert wurden. Bei drei Personen steht die Verhaftung direkt in Beziehung zu einer Pressekonferenz am Sonntag, in der sie zu einem Generalstreik am kommenden Donnerstag aufriefen.

Das Vorgehen des Richters reiht sich in den Generalangriff der sozialistischen Regierung auf die baskische Unabhängigkeitsbewegung nach dem gescheiterten Friedensprozess im vergangenen Sommer ein. Durchsucht wurden auch Parteilokale von EHAK und EAE-ANV, die nun geschlossen wurden. Beiden Parteien können nicht an den Parlamentswahlen am 9. März teilnehmen. Mit den Verhaftungen und Veboten, wollen sich die Sozialisten, wie mit dem absurden Ergebnis im ersten großen Massenprozess gegen baskische Organisationen gegenüber der PP profilieren. Die hatte den Friedensprozess abgeleht und die PSOE fuhr den wegen ihrer Unnachgiebigkeit und aus Angst vor der starken Rechten an die Wand.

Am Sonntag ließ Garzón auch eine Demonstration in Bilbao verbieten, mit der die beiden Parteien gegen den Wahlausschluss demonstrieren wollten. Trotz des Verbots versammelten sich Tausende, um ihren Protest gegen den "Ausnahmezustand" auf die Straße zu tragen, den Madrid über das Baskenland verhängt habe. Nach einem Sitzstreik vor einer Polizeisperre, wurden Demonstranten von der baskischen Polizei mit Gummigeschossen angegriffen, die an einer anderen Stelle den Marsch fortsetzen wollten. Straßenschlachten waren die Folge. Hunderte Müllcontainer wurden zu Barrikaden umfunktioniert und Autos und Busse quergestellt.

Unklar ist, ob Garzón überhaupt rechtmäßig handelt, denn die sozialistische Regierung hat parallel beim Obersten Gerichtshof Verbotsverfahren gegen die Parteien eingeleitet. Der Gerichtshof hatte sich den Anträgen auf Suspendierung der Aktivitäten und Schließung der Parteillokale aber verweigert. Ausdrücklich begründete er im Fall von EHAK gestern, dass die sofortige Suspendierung der Aktivitäten "ungerechtfertigt" ist. Sogar dieser von der PP bestimmte Gerichtshof will als einzige Maßnahme EHAK nur die öffentlichen Mittel entziehen. Die Gelder könne man, falls das Verbotsverfahren negativ ausgehen würde, nachreichen.

Das geschah aber nicht, weil der Gerichtshof plötzlich seine Meinung geändert hat, sondern mit Blick auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Denn dort wird das Verbot von Batasuna geprüft. Strassburg fordert für derlei harte Eingriffe in die Demokratie, wie Parteiverbote, ein besonnenes und kein übereiltes Vorgehen. Straßburg sieht schon im Fall Batasuna ausreichend Hinweise, dass damit gegen Grundrechte verstoßen wurde, weshalb die Klage der Partei, die Frankreich legal ist, angenommen wurde.

© Ralf Streck, 12.02.2008


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Ergänzungen

Weitere Verhaftungen im Spanischen Staat

RHI 12.02.2008 - 11:36
Fünf Genossen der Roten Hilfe International verhaftet

Am frühen Morgen wurden heute fünf Genossen der Roten Hilfe International verhaftet. Zwei in Galizien: Luis Fernandez und Carlos Cela; zwei weitere in Euskadi: Fernando Rodriguez und Erlantz Cantabrana und in Madrid Juan Maria Olarieta, alle Mitglieder der RHI und der letztere zudem ein bekannter Anwalt, der in den letzten Jahren viele kommunistische und antifaschistische Gefangenen verteitigte.

Nach den Berichten der bürgerlichen Presse, stehen diese Verhaftungen im Zusammenhang mit der Verhaftungswelle gegen GenossInnen der PCE (r) und GRAPO vergangenen Juni in Barcelona. Der Umstand das alle Verhafteten Teil der RHI sind, lässt für uns keinen Zweifel daran, dass der Staat die RHI in ihrer Aufgabe der Unterstützung und Solidarität der politischen Gefangenen, zum schweigen bringen will. So wie er Parteien verbietet, systemkritische Kommunikationsmedien schliesst, kriminalisiert die Klassenkämpfe und verfolgt jetzt auch die Solidarität und die Aufdeckung staatlicher Folter und Terrors, die wie als RHI seit Jahren betreiben. Eine Aufgabe der öffentlich stark wahrgenommenen Anklage gegen die Repression, die wir zusammen mit den Bewegungen des Klassenkampfes, den die jetzt Verhafteten mit entwickelt haben, auf der Strasse geführt haben.
Sie kriminalisieren uns, sie klagen uns als „Terroristen“ an, sie wollen uns die Flügel stutzen... Es kann nicht verwundern, dass in den vergangenen Monaten alle jetzt Verhafteten direkte oder indirekte Drohungen erhalten haben (anonyme Karten, Wandbilder, Kriminalisierung durch die bürgerlichen Medien).
Jetzt, auch wenn der Schlag der Repression unsere Antirepressions-Organisation selbst trifft, müssen wir unsere Stimme klar und laut gegen die Hetze gegenüber unserer Aufgabe erheben. Wir enthüllen offen alle diese verdeckten Operationen, die die Stimmen der Solidarität mit dem Widerstand zum Verschweigen bringen wollen, und die
die Wirklichkeit in den spanischen Knästen und die Schwierigkeit mit welcher sich dieser räuberische und selbsternannte „Rechtsstaat“aufrecht erhalten kann, verbergen wollen. Wir werden uns nicht verstecken das was wir für staatlichen Terror des spanischen Faschismus halten, aufzuzeigen und zu denuzieren.

Wir fordern die unverzügliche Freilassung aller unserer verhafteten Genossen. Wir wissen nicht wo sie sich befinden und was ihnen vorgeworfen wird. Laut den Sprachrohren der Konterrevolution werden sie für „Rekrutierung von Mitgliedern“ und “Geldbeschaffung“ im Dienste der GRAPO angeklagt. Nie waren sie weiter von der Wahrheit entfernt! Denn das Geld der RHI ist für die Deckunkg der Bedürfnisse der politischen Gefangenen in den Knästen bestimmt. Und wir erlangen es durch den Verkauf unserer Materialien, Veranstaltungen, sozialen Anlässen, Sammlungen und diversen Aktivitäten, die Unterstützung jener nutzend, welche solidarisch mit den Gefangenen sind. Jede andere Darstellung ist Lüge und einfache Kriminalisierung. Wir klagen energisch und ohne Schönfärberei die Guardia Civil, die Audienca Nacional und das
Innenministerium an, eine Verleumdnungskampagne gegen unsere Organisation zu führen.
Wir fordern die aktive Solidarität von allen UnterstützerInnen und GenossInnen von sozialen und klassenkämpferischen Bewegungen, politischen Organisationen, etc für unsere gefangenen Genossen der RHI.
Ersticken wir das Gift der bürgerlichen Information im Keim, für demokratische und soziale Freiheiten! Für die Versammlungsfreiheit und um unsere militante Aufgabe der Antirepression zu verteidigen!

Freiheit für die Verhafteten Genossen der RHI!!!
Weg mit den Anti-Terror-Gesetzen!!!
Audienca Nacional auflösen!!!

23. Januar 2008
Komitees für einen Rote Hilfe International von Katalonien, Euskal Herria, Galizien, Madrid, Asturien, Andalusien, Leon, Burgos, Frankreich und Italien

Durchsuchungen gehen weiter

Ralf 13.02.2008 - 08:34
In der Nacht wurden weitere Büros von EAE-ANV in Barakaldo durchsucht. Die Verhafteten müssen heute vor dem Sonderrichter aussagen. Gestern wurden die zugelassenen Parteien zu den Wahlen im Staatsanzeiger veröffentlicht und da man EHAK und EAE pünktlich vorher noch schnell ausgeschlossen hat, wird keine baskische Partei zu den spanischen Parlamentswahlen antreten, die für ein vereintes, unabhängiges und sozialistisches Baskenland eintritt.
Batasuna hat ein Kommunique veröffentlicht. Sie gesteht ein, dass die Verhaftungen ihr Schaden zufügen, doch sie versichert, dass man sich neu organisieren werde.  http://www.gara.net/paperezkoa/20080213/62605/es/La-Mesa-Nacional-anima-decir-stop-estado-excepcion Die Partei ruft auf sich am Generalstreik morgen "gegen den Ausnahmezustand" im Baskenland zu beteiligen
Interessant ist vor dem Hintergrund, dass ja der Kosovo am Sonntag wohl seine Unabhängigkeit erklärt hat sicher auch der Text, der die Lage der beiden Zonen vergleicht.  http://de.indymedia.org/2008/01/206451.shtml Von der BRD.... wird die Unabhängigkeit des Kosovos ja unterstützt.

Guardia Civils wegen Folter vorgeladen

Ralf Streck 13.02.2008 - 08:55
Acht Guardia Civils wurden wegen Folter an einem mutmaßlichen ETA Mitglied vorgeladen. Alles spricht dafür, dass die beiden Basken nach ihrer Verhaftung schwer gefoltert wurden. Einer musste sogar ins Krankenhaus gebracht werden und landete auf der Intensivstation.

Die Version der Guardia, verbreitet durch den sozialistischen Innenminister, er habe sich bei der Festnahme gewehrt und sich darüber die schweren Verletzungen zugezogen, wurde nicht nur von Zeugen widersprochen. Igor Portu nahm nach der Verhaftung noch an der Durchsuchung seiner Wohnung teil. Dabei ging es ihm den Umständen entsprechend gut und die schweren Verletzungen wurden ihm offensichtlich erst in den Stunden danach zugefügt, während er sich in der gefürchteten Kontaktsperre in den Händen der Guardia Civil befand.
 http://www.gara.net/paperezkoa/20080213/62586/es/Un-magistrado-Donostia-imputa-torturas-ocho-guardias-civiles

Danke auch an die RHI für die Ergänzung.

Generalstreik im Baskenland

Ralf 15.02.2008 - 13:52
Nach den Ausschlüssen baskischer Parteien vor den spanischen Parlamentswahlen am 9. März streikten am Donnerstag zehntausende Basken. Der Ermittlungsrichter Baltasar Garzón hatte die Aktivitäten von zwei Linksparteien "vorläufig" suspendiert. Mit dem Streik, den die spanische Regierung als "illegal" bezeichnete, sollte der "verdeckte Ausnahmezustand" angeprangert werden, den Madrid über die Basken verhängt habe.
Von offizieller Seite wurde von einem "unbedeutenden Streik" gesprochen, dabei ging in einigen Regionen praktisch nichts mehr. Vor allem in der Provinz Gipuzkoa, wo die linke baskische Unabhängigkeitsbewegung ihre Hochburg hat. Bei den Kommunalwahlen im Mai erhielten illegalisierte Listen hier die meisten Stimmen.
Das galt in Städten wie Hernani, Tolosa oder Renteria. Schulen, Geschäfte, Kneipen und Fabriken blieben geschlossen. Auch in der Metropole Donostia - San Sebastian war der Streik deutlich spürbar. Am Mittag versammelten sich allein in den vier großen Städten 40.000 Menschen zu Demonstrationen. Die Polizei nahm 24 Personen fest, die sich zumeist auf Zugstrecken oder Straßen angekettet hatten. 12 davon sind noch inhaftiert. Es wurden auch brennende Barrikaden errichtet, ein Autobus und mehrere Autos eines Renault-Händlers abgebrannt.
Die unterschiedliche Beteiligung liegt daran, dass nur die verbotenen Parteien und die ihnen nahe stehende Gewerkschaft LAB zum Streik aufriefen. Die übrigen Parteien kritisieren zwar die Verbote und das Parteiengesetz, auf das diese zurückgehen, rechnen sich aber vor den Wahlen aus, welchen Zuwachs an Sitzen das für sie bedeutet.
Die spanische Regierung hat derweil ein Schreiben an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg geschickt, der nun das Verbot der Partei Batasuna (Einheit) im Jahr 2003 prüft. Darin wird erklärt, die in Frankreich legale Partei "identifiziere sich mit der Terrororganisation ETA". Das erstaunt, schließlich behauptet man sonst, Batasuna sei ein Teil der ETA. Anfang der Woche wurden 13 Batasuna verhaftet und wegen Mitgliedschaft angeklagt werden. Die Verbote von Hunderten Wählerlisten und Parteien werden seither damit begründet, dass es sich um Tarnorganisationen von Batasuna handeln soll.
© Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 15.02.2008

Zwei Festnahmen in Frankreich

http://de.reuters.com 16.02.2008 - 14:18
Zwei Festnahmen in Frankreich wegen Eta-Anschlags

Paris - Die französische Polizei hat Ermittlerkreisen zufolge zwei Männer festgenommen, die Ende 2006 in einen Anschlag der baskischen Separatistenorganisation Eta auf den Flughafen von Madrid verwickelt gewesen sein sollen.

Die beiden Verdächtigen seien einer Eliteeinheit und Anti-Terror-Spezialisten am Freitagabend im Südwesten Frankreichs ins Netz gegangen, sagte eine mit dem Vorfall vertraute Person. Zum Zeitpunkt ihrer Festnahme seien die Männer nicht bewaffnet gewesen. Ihre Personalien würden überprüft.

Bei dem Anschlag kamen zwei Menschen ums Leben.

Verschärfter Ausnahmezustand im Baskenland

Raul Zelik 20.02.2008 - 23:14
Der Konflikt um das Baskenland: Vor den Parlamentswahlen Anfang März nimmt die Repression gegen baskische Organisationen und Medien zu

Der gewalttätige baskische Konflikt, der bis in die 1930er Jahre zurückreicht, bedarf einer politischen Lösung. Die schien im Juni 2007 schon greifbar nahe. Vor den Parlamentswahlen am 9. März setzt die spanische Regierung indes wieder auf verschärfte Repression.
Schon bevor der spanische Ermittlungsrichter Baltasar Garzón vergangene Woche seine neuen Verbote verkündete, war die Liste der illegalisierten baskischen Organisationen und Medien erschreckend lang. Illegal waren unter anderem: die Partei Batasuna, die Wahllisten Euskal Herritarrok (Baskische Bürger), Herritarren Zerenda (Bürgerprogramm), Aukera Guztiak (Alle Optionen) sowie mehrere hundert Kommunallisten, die Fraktion im Regionalparlament Sozialista Abertzaleak (Baskische Sozialisten), die Jugendorganisationen Haika, Segi und Jarrai, die Batasuna-nahen Netzwerke KAS und Ekin, die Solidaritätsgruppen Gestoras pro Amnestia und Askatasuna, die Zeitschrift Ardi Beltza, das Radio Egin Irratia sowie die Tageszeitungen Egin und Egunkaria.

Pünktlich vor den Parlamentswahlen am 9. März hat Garzón nun zwei weitere Parteien auf die Liste gesetzt. In den nächsten drei Jahren dürfen die republikanisch-baskische Acción Nacionalista Vasca (ANV) und die kommunistische Partei EHAK nicht politisch auftreten. Und in diesem Fall wirkt die richterliche Begründung noch dünner als sonst. Von einer Illegalisierung EHAKs, die 2002 von Gewerkschafterinnen gegründet wurde, war so lange keine Rede, wie man die kleine Linkspartei für eine Abspaltung Batasunas hielt. In Madrid hoffte man offensichtlich auf einen Zerfall der baskischen Linken. Als EHAK dann jedoch 2004 darauf hinwies, dass die Gewalt im Baskenland nicht nur von der ETA, sondern auch von Madrid ausgehe und sich den Wählern der illegalisierten Partei Batasuna zur Verfügung stellte, hieß es plötzlich, EHAK sei eine Vorfeldorganisation der ETA.

Zapatero: repressiv und dialogbereit

Noch extremer gelagert ist der Fall der baskisch-republikanischen Traditionspartei Acción Nacionalista Vasca (ANV). Bataillone der ANV, die während des spanischen Bürgerkriegs an der Koalitionsregierung in Madrid beteiligt war, hatten nach der Niederlage im Baskenland in Asturien und Katalonien weiter gegen den Putsch gekämpft. Die Franco-Diktatur zerschlug die Partei fast vollständig, so dass ihr Beitritt zur (als Volksfront gegründeten) Koalition Herri Batasuna / Unidad Popular 1978 eher symbolischen Charakter besaß. Erst im Mai 2007 trat die ANV aus ihrem langen Schattendasein wieder hervor.

Als Madrid erneut Hunderte von Wahllisten illegalisierte, schlossen sich Batasuna-Anhänger zur Bildung von ANV-Listen zusammen. Die Zapatero-Regierung traf daraufhin einen für ihre gesamte Baskenpolitik typischen Beschluss: Die Repression wurde fortgeführt, gleichzeitig versuchte man sich als dialogbereit zu profilieren, indem man eine winzige Tür offen ließ. Am Ende waren die ANV-Listen in 130 von 250 Gemeinden verboten, darunter in fast allen größeren Städten. Die ANV selbst jedoch blieb – vorübergehend – legal. Das Wahlergebnis schließlich war bemerkenswert: Die ANV eroberte in 24 von 120 Gemeinden, in denen sie legal antreten durfte, den Bürgermeisterposten.

Diese Verbotspolitik ist nur ein Aspekt des Ausnahmezustandes, den der spanische Staat im Zusammenhang mit dem baskischen Konflikt verhängt hat. Reihenweise werden Gesetze ganz nach politischer Opportunität ausgelegt. Die 700 baskischen Gefangenen, von denen heute fast ein Drittel nicht mehr aus der ETA, sondern aus politischen und sozialen Bewegungen stammt, werden dadurch regelrecht zu Geiseln gemacht.

Bei einigen Dutzend Gefangenen, die nach einer alten Strafvollzugsordnung verurteilt wurden, wurde die Haft auf Grundlage der sogenannten »Parot-Doktrin« unlängst neu berechnet und nachträglich um mehr als zehn Jahre verlängert. Als Begründung für die Regelung wurde ein Einzelfall herangezogen: Es sollte verhindert werden, dass das französisch-baskische ETA-Mitglied Henri Parot, der wegen zahlreicher Mordanschläge verurteilt wurde, nach 17 Jahren wieder aus der Haft freikommt.

Die neue Doktrin gilt jedoch auch für Gefangene, die weder Morde noch Körperverletzungen begangen haben. So wurde der Journalist Inaki Gonzalo Casal beispielsweise Mitte der 1990er Jahre wegen gefälschter Papiere, ETA-Mitgliedschaft, Waffenbesitzes und drei Sprengstoffanschlägen – die so angelegt waren, dass sie niemanden verletzten – zu mehr als 70 Jahren Haft verurteilt. Bei Antritt seiner Strafe musste Gonzalo Casal davon ausgehen, etwa 15 Jahren absitzen zu müssen und den Rest durch gute Führung und das Absolvieren von Studiengängen abgelten zu können. Nach der »Parot-Doktrin« muss er nun 30 Jahre in Haft bleiben.

Außer Kraft gesetzt ist bei baskischen Gefangenen auch das verbriefte Recht, in der Nähe der Herkunftsorte inhaftiert zu werden, und – was noch schlimmer wiegt – die Unversehrtheit von Leib und Leben. Fast wöchentlich berichten Betroffene von Folterungen durch die Guardia Civil. Die dabei angewandten Methoden sind denen im irakischen Gefängnis von Abu Ghoreib auffallend ähnlich: Schlafentzug, das Auslösen von Erstickungszuständen (indem Gefangene in Badewannen getaucht oder ihnen Plastiktüten übergestülpt werden), sexuelle Demütigungen, die Vergewaltigung mit Gegenständen etc. Peio Aierte, Sprecher der baskischen Anti-Folter-Organisation TAT spricht in diesem Zusammenhang von 7000 Folterfällen seit der Einführung der Demokratie 1976. Seiner Einschätzung zufolge sorgen Polizei, Justiz und Gerichtsmedizin dafür, dass Misshandlungen straffrei bleiben. »Es gibt ein System, in dem die Folter kalkuliert zum Einsatz kommt«, so Aierte. »Die Misshandlungen sind so angelegt, dass sie kaum sichtbare Spuren hinterlassen. Psychisch jedoch wirken sich die angewandten Methoden auf die Betroffenen besonders brutal aus.«

In der spanischen Öffentlichkeit werden solche Vorwürfe einfach ignoriert. Der Chef der PSOE-Fraktion im Autonomieparlament José Antonio Pastor spricht – wie fast alle spanischen Politiker – »von ETA-Propaganda«, die den Staat diffamieren solle. Außerdem dürften sich Gruppen, die Bombenanschläge auf Flughäfen politisch rechtfertigten, nicht wundern, wenn sie hart bestraft werden. »Batasuna hat es sich selbst zuzuschreiben, wenn sie verboten sind. Sie müssen sich nur wie alle Demokraten vom Terrorismus lossagen, dann können sie auch legal aktiv werden. Es gibt schließlich eine ganze Reihe baskischer Parteien, die legal für die Unabhängigkeit eintreten.«

Volksabstimmung ist verboten

Doch die allgemein verbreitete These, dass nur Unterstützer der ETA Repression zu spüren bekommen, entspricht keineswegs der Wahrheit. 2003 wurde die als parteiübergreifend anerkannte baskischsprachige Tageszeitung Egunkaria verboten. Der Chefredakteur der Zeitung, die u. a. von der baskischen Autonomieregierung finanziert wird, berichtete danach, er sei von der spanischen Polizei schwer gefoltert worden. Im vergangenen Herbst drohte Madrid dem baskischen Ministerpräsidenten Juan José Ibarretxe mit strafrechtlicher Verfolgung, falls er seine Ankündigung wahr mache und im Oktober 2008 ein Referendum über den Status des Baskenlandes abhalte. Eine derartige Volksabstimmung ist nach spanischem Recht illegal. Und vor knapp vier Wochen traf es sogar den Präsidenten des Regionalparlaments. Juan María Atutxa, als baskischer Innenminister als Hardliner des Anti-ETA-Kampfs verschrien, wurde verurteilt, weil er sich als Präsident des Autonomieparlaments geweigert hatte, die Fraktion der baskischen Linken im Parlament aufzulösen.

Die Kriminalisierung politischer Aktivität hat Ausmaße erreicht, die denen während der Franco-Diktatur nicht mehr nachstehen. So wurden vergangenes Wochenende erneut 13 Batasuna-Sprecher verhaftet, darunter auch der ehemalige Europaabgeordnete Karmelo Landa, der am Vortag zu einem Generalstreik aufgerufen hatte. Die meisten Demonstrationen der letzten Tage wurden verboten. Doch das erwünschte Ergebnis stellt sich nicht ein. Obwohl Batasuna seit 2003 in Spanien verboten ist und auf der europäischen Anti-Terror-Liste steht, ist sie in weiten Teilen des Baskenlandes besser verankert als viele parlamentarischen Parteien. Die Partei hat es sogar geschafft, trotz der Illegalisierung bei allen Wahlen seit 2003 präsent zu sein – entweder indem man zur Wahl einer anderen Linkspartei aufrief oder aber die Abgabe eigener Stimmzettel organisierte. Diese Stimmen werden zwar als ungültig registriert und spielen dementsprechend bei der Sitzverteilung keine Rolle, doch Bürgerkommissionen zählen die Stimmen. Das Ergebnis ist bemerkenswert: Konstant zwölf bis 15 Prozent der baskischen Wählerschaft hält Batasuna die Treue. Anders als früher, als die Unabhängigkeitsbewegung nach ETA-Anschlägen immer wieder herbe Wahlverluste einstecken musste, scheint ihre Anhängerschaft heute kaum noch zu bröckeln.

Vor diesem Hintergrund muss man sich fragen, was Madrid mit seiner Verbotspolitik eigentlich beabsichtigt. Zur Bekämpfung von Terroranschlägen trägt die Linie mit Sicherheit nicht bei. Der Ausschluss eines ganzen Bevölkerungsteils von den Wahlen verstärkt nur die sowieso verbreitete Überzeugung, dass es mit den demokratischen Rechten der Basken nicht weit her ist. Und genau dieses Gefühl dient der ETA als Legitimation für ihre blutigen Anschläge.

Kein Bruch mit der Franco-Diktatur

Noch im Juni 2007, also ein halbes Jahr nach dem verheerenden ETA-Anschlag auf dem Flughafen Madrid, führte die Zapatero-Regierung mit ETA und Batasuna Geheimgespräche in einer nicht genannten europäischen Hauptstadt. Bei den Gesprächen akzeptierte die baskische Unabhängigkeitsbewegung den von europäischen Regierungen vorgelegten Vermittlungsvorschlag, der den blockierten Verhandlungsprozess in Gang setzen sollte. Es war die Zapatero-Regierung, die mit Verweis auf das Madrider Attentat ablehnte. Das mag nachvollziehbar klingen, doch ETA hatte angeboten, sich zur Selbstentwaffnung zu verpflichten, wenn die spanische Regierung im Gegenzug einem politischen Abkommen zustimme. »Wir haben der PSOE angeboten, sie bei einer zweiten Demokratisierung zu begleiten«, erklärte der Batasuna-Sprecher Pernando Barrena kurz vor seiner Verhaftung. »Es hat in Spanien nach Franco keinen wirklichen Bruch mit der Diktatur gegeben. Die alten Eliten haben in Justiz, Politik und Polizeiapparaten weiter eine zentrale Rolle gespielt. Vor allem jedoch hat man der baskischen Bevölkerung das Recht vorenthalten, selbst über ihr politisches System zu entscheiden. Die Region wurde administrativ geteilt und uns ein Autonomiestatut aufgezwungen, das die Entscheidungsmacht in Madrid belässt. Wir wollen, dass die Menschen im Baskenland selbst entscheiden können – ohne gewalttätigen Druck durch die ETA oder den spanischen Staat.« Nach den letzten Verboten scheint die Tür für eine solche Lösung zugeschlagen. Zwar wird viel darüber spekuliert, ob Ministerpräsident Zapatero nur deshalb Härte zeigt, weil er die Parlamentswahlen gewinnen will und nichts in der spanischen Öffentlichkeit so gut ankommt wie Härte gegenüber der baskischen Unabhängigkeitsbewegung. Doch sehr begründet ist die Hoffnung nicht. In den vergangenen 30 Jahren haben sich die spanischen Sozialisten in der Baskenfrage nicht wesentlich von der rechten PP unterschieden – bis hin zum Aufbau von Todesschwadronen unter Ministerpräsident Felipe González in den 1980er Jahren. Bleibt als vager Hoffnungsschimmer für die Region nur das von der Autonomieregierung für Oktober angekündigte Referendum, von dem niemand weiß, ob es je stattfinden wird. Madrid hat dem baskischen Ministerpräsidenten Ibarretxe mit der Auflösung seiner Regierung gedroht, falls das Referendum eine Unabhängigkeit des Baskenlandes zur Wahl stellt. Zudem wird ein beträchtlicher Teil der Unabhängigkeitsbefürworter ein Referendum, das die ETA einseitig zum Gewaltverzicht auffordert, kaum akzeptieren. Und völlig ungeklärt ist auch, was mit der Bevölkerung der Provinz Navarra / Nafarroa passiert. Die Region, die als historisches Kernland des Baskenlandes gilt, wurde durch das Autonomiestatut von 1978 per Dekret abgetrennt, ohne dass alternative Modelle zur Wahl gestellt worden wären. Die Situation ist komplex und verfahren. Einen Ausweg könnte nur ein Abkommen nach nordirischem Vorbild aufzeigen. Doch diese simple Erkenntnis scheint in Spaniens Gesellschaft nicht mehrheitsfähig zu sein.

Der Schriftsteller Raul Zelik bereist seit 1986 regelmäßig das Baskenland und veröffentlichte 2007 den Roman »Der bewaffnete Freund« über den baskischen Konflikt.

Friedensdemonstration nach Attentat

http://www.euronews.net/ 01.03.2008 - 12:12
Friedensdemonstration in Spanien nach ETA-Attentat

Nach dem Bombenanschlag auf ein Büro der regierenden Sozialistischen Partei im nordspanischen Derio sind am Abend Menschen zu einer Friedensdemonstration und einer Schweigeminute zusammengekommen.

Bei dem Attentat in der baskischen Ortschaft war niemand verletzt worden. Allerdings mussten zwei Frauen wegen eines Panikanfalls behandelt werden. Dutzende Bewohner des Hauses, in dem sich das Parteibüro befindet, mussten ihre Wohnungen verlassen. Wegen der Druckwelle entstand erheblicher Sachschaden. Es war bereits das zweite Attentat der ETA innerhalb einer Woche.

Die Untergrundorganisation hat zur Enthaltung und zu einem Boykott der Parlamentswahlen am 9. März aufgerufen,

um sich dem politischen und juristischen Druck au Madrid zu widersetzen, so die ETA.

Bisherige Umfragen sehen Regierungschef José Luiz Zapatero mit 5 Prozentpunkten vor seinem konservativen Konkurrenten Mariano Rajoy. Analysten aber rufen zur Vorsicht auf, denn bei den letzten vier Wahlen stimmten die Umfragen nicht mit dem späteren Wahlergebnis überein. Indessen wird der Ton zwischen den beiden Kandidaten immer schärfer.

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wiedergewählt werden

alerta antifascista 12.02.2008 - 20:25
denen gehts nur drum, wiedergewählt zu werden, und das lassen sie sich ne menge kosten...