Bonn: Hochschulrat gestoppt

Freie Bildung Bonn 06.02.2008 14:35 Themen: Bildung Soziale Kämpfe
Erfolgreicher Protest gegen Hochschulrat:
Studierende stürmen Festsaal. Sitzung abgegebrochen, Rektorat besetzt.
Polizei versucht sich in Einschüchterung.
Am heutigen Mittwoch, dem 06.02., wollte sich der so genannte Hochschulrat der Universität Bonn zu seiner konstituierenden Sitzung treffen. Die Sitzung sollte planmäßig um 10:00 Uhr beginnen und im Festsaal des Universitäts-Hauptgebäudes stattfinden. Auch NRW-Innovationsminister Pinkwart (FDP), Erfinder des Hochschulrats und Vater der Studiengebühren, wurde erwartet.

Schon ab 9:00 Uhr wurde das Gebäude von einigen Dutzend Studierenden und Beschäftigten umstellt, sowie von einigen Gewerkschaftern, die sich mit dem Protest solidarisierten. Auf zahlreichen Transparenten war „Hochschulrat stoppen!“, „Arbeitsplätze sichern“, „Wo sind unsere Studiengebühren?“ und Anderes zu lesen.

Ziel des Protests ist die Rücknahme des Hochschulfreiheitsgesetzes, der Erhalt von Arbeitsplätzen und Fächern sowie ein Ende der Studiengebühren.

Verlauf der Aktion
Es gelang den Studierenden, den Beginn der Sitzung durch Absperren vieler Eingänge zu verzögern. Vor dem Festsaal hatten sich inzwischen über 100 Menschen versammelt, die die Sitzung verhindern wollten. Als sich unter dem Druck der aufgebrachten Menge die Tür öffnete, strömten die Menschen in den Festsaal, aus dem sich die ersten Hochschulräte schnell verabschiedeten.
Daraufhin wurde von den Aktivisten das Rektorat besetzt. Hinter einer der Türen versteckten sich die Mitglieder des Hochschulrats. Minister Pinkwart, der in Universitätsnähe im Auto wartete, sagte seine Teilnahme an der Veranstaltung kurzfristig ab. Die Urkunden der Ernennung als Hochschulratsmitglieder konnten wegen des Lärms vom Ministerialbeamten nicht überreicht werden. Zunächst suchte das Rektorat nach einer Ausweichmöglichkeit für die Durchführung der Veranstaltung.

Nach einer Stunde der Besetzung wurde die konstituierende Sitzung des Hochschulrats allerdings komplett vertagt.

Sebastian Kohl von der Pressegruppe der Freien Bildung Bonn meint dazu:
„Am Aschermittwoch ist der Spaß vorbei! Mit unserem heutigen Protest haben wir Studierende deutlich gemacht, dass der Hochschulrat an unserer Universität nicht willkommen ist. Aber allein dabei kann es nicht bleiben: Auch in Zukunft wird der Hochschulrat von den Studierenden der Universität Bonn nicht geduldet werden!“

Polizeischikanen
Nachdem das Ziel der Aktion erreicht war zogen die Besetzer friedlich aus dem Rektorat ab. Währenddessen trafen etwa 25 Einsatzwagen der Kölner Polizei ein. Auf dem Weg zu einer Kundgebung auf dem Münsterplatz wurde eine Frau von mehreren Polizeibeamten aus dem spontanen Demonstrationszug herausgegriffen. Ihr wurde das Fotografieren von Polizisten vorgeworfen. Die Polizeibeamten wollten die junge Frau wegtragen, wurden jedoch vom Demonstrationszug daran gehindert. Einer der vermummten, behelmten Beamten versuchte demonstrativ, der Gefangenen die Hand zu verletzen, um sie zum Mitkommen zu nötigen. Daraufhin wurden die zahlreichen Journalisten aufmerksam und filmten den betreffenden Polizeibeamten, damit er später identifiziert werden könnte. Kurz darauf wurde die junge Frau ohne Aufnahme ihrer Personalien freigelassen, der Druck der Öffentlichkeit wirkte.

Als der Zug fünf Minuten später den Münsterplatz erreichte, versuchten die Polizeibeamten einzelne Kleingruppen aus der Versammlung zu ziehen und Personen festzunehmen. Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist der Pressegruppe nicht bekannt, ob oder wie viele Personen von der Polizei inhaftiert wurden.

Sebastian Kohl von der Pressegruppe der Freien Bildung kritisiert:
„Diese Aktion verlief von unserer Seite aus vollkommen friedlich. Es bestand kein Anlass für ein solches Vorgehen der Polizei: Unseres Wissens nach ist zu keinem Zeitpunkt Sachbeschädigung von einem der Teilnehmer begangen worden. Hier wird versucht, die Studierenden einzuschüchtern und ihren Protest zu kriminalisieren. Dieser Versuch ist aber zum Scheitern verurteilt. Wir erwägen derzeit unsererseits, die versuchte Körperverletzung durch den Polizeibeamten rechtlich zu verfolgen.“


Pressegruppe der Freien Bildung Bonn


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Anhang:
Warum sind wir gegen den Hochschulrat?
Der Hochschulrat ist de facto die neue Leitung der Universität Bonn. In ganz NRW lösen Hochschulräte den jeweiligen Senat in seiner Leitungsfunktion ab, wie es das neue Hochschulfreiheitsgesetz vorsieht. Der Hochschulrat besteht laut Gesetz mehrheitlich aus Menschen, die nicht an der Universität arbeiten. An der Uni Bonn sind sieben der zehn Mitglieder „Externe“.

Durch den Hochschulrat öffnet die Landesregierung die Tore der Universitäten noch mehr für den ungezügelten Einfluss der Wirtschaft. Nach der Einführung zuerst der Studien- und dann zusätzlich der Ausländergebühren an der Uni Bonn, nach Einführung der billigeren Bachelorstudiengänge und nach Jahren des Stellenabbaus und der Mittelkürzung in NRW ist dies ein neuer Schlag für die Studierenden: Interessenvertreter wie der Chief Human Resources Officer der Deutschen Telekom AG, Lothar Harings oder der Bonner Investor Jörg Haas haben in Zukunft das letzte Wort über Finanzen und Richtlinien der Universität.
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Ergänzungen

Gratulation!

dn 06.02.2008 - 15:08
Sehr geile Aktion! Ob Bonn, Bochum oder Münster - Hochschulräte blockieren überall! Für offene und demokratische Unis!

Strakes Pressecho!

mein name 07.02.2008 - 12:51
Über die Aktion wurde viel in den Medien berichtet. Zum einen in den lokalen Zeitungen (Express, GA, BR), aber auch im WDR gab es einen Beitrag.
Leider wurde auf die angebliche Zerstörung, auf die die Uni in ihrer PM hinweißt, stark eingegangen, die Gründe für den Protest wurden oft nur nebenbei erwähnt. Übringens wollen mehrere Zeugen gesehen haben, wie ein Student von einem Sentor gewürgt wurde!


Im Bonner Express schafft es die Aktion immerhin auf die Tilelseite:

Bonn- Protest gegen Studiengebühren
Randale! 100 Studenten stürmten Uni-Festsaal
Von I. KLINGELHÖFER und E. PAUL
1968 waren es linke Kampfgesänge, 2008 ist es Reggae! Rund 100 Studenten stürmten am Mittwoch den Festsaal der Uni, versammelten sich zum Sit-In im Vorraum des Rektorbüros und skandierten Protestparolen gegen Elite-Unis und Studiengebühren.
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Zwei Gruppen der Bonner Hundertschaft, zehn Motorradcops – insgesamt 40 Polizisten waren im Einsatz. Dazu die Landeseinsatzbereitschaft aus Köln: Weitere 30 Mann für den Fall, dass die Studentenproteste eskalierten.

Gegen 10 Uhr schlug der Uni-Hausmeister Alarm. Studenten würden versuchen, eine Feierstunde des Hochschulrates zu stören. Die Studentengruppe wummerte gegen die Tür des Festsaals. Als die mit Krach aufsprang, wurde der Hausmeister regelrecht überrannt. Zwei Türen und Möbel gingen zu Bruch.

Polizeisprecherin Daniela Lindemann: „Nach dem Eintreffen der Einsatzkräfte, die gleich mit mehreren Streifenwagen anrückten, konnten weitere Auseinandersetzungen verhindert werden.“

Im Festsaal sollten die Mitglieder des neuen Hochschulrates begrüßt werden. NRW-Minister Andreas Pinkwart wollte ihnen die Urkunden überreichen – als er aber auf der Anfahrt über die Ausschreitungen informiert wurde, drehte er um.

Studiengebühren, mehr Macht für das Rektorat, weniger Geld für die Uni, die neuen Gremien. „Das kommt hier alles zusammen“, erklärt Uni-Sprecher Dr. Andreas Archut. „Der Hochschulrat ist dabei so ein Symbol. Er ist ein neues Organ, das die Kontrollaufgaben des Ministeriums übernommen hat.“

Kritik der Studentengruppe: In dem Rat sind unter anderem zwei Vertreter aus Bonner Konzernen, T-Mobile und Post. Archut: „Das interpretieren die so, dass wir uns unter den Einfluss der Wirtschaft begeben.“

Nach dem Sturm des Festsaals blockierten die Studenten den Vorraum des Rektorbüros, in das sich Rektor Professor Matthias Winiger mit einem Teil der Festgesellschaft geflüchtete hatte. Von draußen erklang Reggae-Musik.

Unter den Augen der Polizei verließen die Demonstranten nach zirka zwei Stunden unbehelligt die Uni. Vor dem Gebäude skandierten sie dann ihre Protestparolen, hielten Transparente mit „Offene Uni statt geschlossene Elite“ hoch, feierten ihren Erfolg. Dann zogen sie zum Münsterplatz.

Dort begann sich die Versammlung nach 15 Minuten aufzulösen – als plötzlich eine Einsatzhundertschaft um die Ecke bog, Greiftrupps bildete und Jagd auf die Studis machte. Doch die hatten sich schon verstreut.

Die Uni-Leitung erstattete Strafanzeige, Ermittlungen wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch laufen.

Uni Bonn: Hochschulrat vertrieben

sozialbetrug 09.02.2008 - 16:33
Am heutigen Mittwoch haben ca. 150 Studentinnen und Studenten gegen den Hochschulrat (neues höchstes Gremium der Unis in NRW, in denen kein Studi mehr sitzt, in dem dafür Lobbyisten u.a. aus der Wirtschaft die Interessen ihrer Konzerne an den Unis vertreten können) und Studiengebühren sowie für den Erhalt kleinerer Fächer demonstriert. Durch die katastrophale Unterfinanzierung der Uni Bonn drohen kleineren Fächern weitere Sparmaßnahmen bis zu deren Abschaffung!
 http://sozialbetrug.org/thread.php?postid=100289#post100289

Studentenforum
 http://sozialbetrug.org/board.php?boardid=26

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