Opfer rassistischer Polizeigewalt in Freiburg verurteilt

ProzessbeobachterInnen 03.02.2008 02:01 Themen: Antirassismus Repression
 Am 25. Januar wurde am Freiburger Amtsgericht das Opfer eines Polizeihundeeinsatzes wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Bedrohung zu 50 Tagessätzen à 10 € verurteilt. Dieser Fall hat schon letztes Jahr im April für einiges Aufsehen gesorgt. Der Mann nigerianischer Herkunft hatte die Polizei am 7. April 2007 selbst gerufen, um einer „verwirrten“ Frau zu helfen. Die eintreffenden Beamten wollten den Anrufer dann nicht gehen lassen. Nun behaupten sie, sie wollten „nur“ seine Personalien aufnehmen, während er bestreitet, jemals nach seinem Ausweis gefragt worden zu sein. Als das Opfer dann auf die andere Straßenseite zu seinem 8-jährigen Sohn wollte, rangen ihn Polizisten zu Boden und hetzten ihren Hund auf ihn. Er erzählt, dieser Einsatz sei mit den Worten „Friss den Neger“ eingeleitet worden. Die Narben der Hundebisse sind bis heute zu sehen. Doch laut Amtsrichter war der Einsatz „erforderlich, geeignet und gerechtfertigt“. Die Polizei und der Amtsrichter bestritten, dass dem Ganzen ein rassistisches Motiv zu Grunde lag. Somit ist die Polizei jetzt „rehabilitiert“ und allein das Opfer wird bestraft.
Inhalt
Vorgeschichte
Erster und zweiter Prozesstag
Dritter Prozesstag
Presse-Reaktionen
Exkurs: Richter Leipold
Ergänzungen

 1. Vorgeschichte

Am 7.April 2007 (Ostersamstag) wurde in Freiburg ein Mann mit deutscher Staatsangehörigkeit und nigerianischer Herkunft von einem Polizeihund mehrfach gebissen. Dies obwohl er selbst die Polizei angerufen hatte, um einer, wie sich später herausstellte, „verwirrten“ Frau zu helfen.Der Fall wurde einige Zeit später von TV-Südbaden und «Der Sonntag» thematisiert. Auch das freie Radio in Freiburg («Radio Dreyeckland») interviewte den Mann und übertrug Ausschnitte von einer Pressekonferenz Ende Mai 2007.

Die Herkunft des vom Polizeihund Gebissenen ist in diesem Fall wichtig. Seine Hautfarbe ist schwarz, die deutsche Polizei steht seit Jahren unter Verdacht, unterschiedliche Vorgehensweisen zu wählen, wenn sie es offen erkennbar mit andersfarbigen Menschen zu tun hat.

Seit ein paar Jahren hat sich das Polizeivorgehen in Freiburg massiv verschärft. Vorbei sind die Jahre der „Deeskalationsstrategie“. Diese Verschärfung dokumentiert ein Dossier zur Polizeirepression in Freiburg.

Im Falle der Polizeihundattacke erstattete der Geschädigte O. wenige Tage nach dem Angriff Anzeige bei der Polizei. Dies ließ die Polizei jedoch nicht auf sich sitzen, da sie vor allem auch in den bürgerlichen Medien massiv unter Druck geraten war. Gegen O. wurde seinerseits wegen „Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte“, „Bedrohung“ und „falscher Verdächtigungen“ ermittelt. Ein Polizist gab nämlich bei seiner Vernehmung an, O. hätte ihn nach den Bissen mit den Worten „Du bist tot!“, bedroht. Der Strafbefehl erfolgte am 27. August 2007: O. erhielt eine Verwarnung und eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen à 15 € – allerdings unter Vorbehalt. Nach einem Jahr Bewährungszeit wäre er ohne Geldstrafe davongekommen. Dagegen legte O. Einspruch ein.

Letzte Woche kam es dann zur mehrtätigen Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht in Freiburg. Die Ermittlungen der Landespolizeidirektion gegen vier PolizeibeamtInnen waren schon vor ein paar Monaten eingestellt worden. Eine Beschwerde dagegen lehnte die Generalstaatsanwaltschaft in Karlsruhe ab.

Noch ein paar Vorbemerkungen zu dem leitenden Richter der Verhandlung, Andreas Leipold. Dieser Richter am Amtsgericht Freiburg war durch ein anderes Verfahren ein paar Monate zuvor bereits aufgefallen. Hier hatte er zwei Polizeibeamte freigesprochen, die in zivil einen Mazedonier zusammengeschlagen hatten. Leipold hatte in diesem Fall die Ermittlungsarbeit der Polizei kritisiert und die Angaben des Opfers in Zweifel gezogen. Die teilweise bereits vom Dienst suspendierten Polizisten wurden damit rehabilitiert. Wenn man die Zeitungsartikel (siehe Kapitel 5) über diesen Fall liest, lassen sich einige Parallelen zu dem „neuen“ Fall ziehen.

 2. Erster und zweiter Prozesstag

Die Darstellung der Ereignisse vom 7. April 2007. bilden den zentralen Punkt des Prozesses. Die Staatsanwaltschaft ermittelt im Wesentlichen aufgrund der Aussagen der Polizeibeamten; die Aussagen von Herrn O. als Polizeigeschädigtem widersprechen diesen.

Schon die ersten Fragen an Herrn O. von Richter und Staatsanwalt machen hellhörig. Er wird zunächst nach seiner Einreise nach Deutschland gefragt, seinem darauf folgenden Asylantrag und nach dem Zeitpunkt, seit dem er „Deutscher“ sei. Die Relevanz dieser Fragen für die Verhandlung erschließt sich lediglich den Honoratioren.

Dann schildert O. seine Sicht der Geschehnisse. Daraufhin appeliert der Richter, noch bevor irgendwelche Zeugen vernommen werden, an den Angeklagten den Einspruch doch zurückzunehmen, da die Aktenlage deutlich sei: Keine der ZeugInnen stütze seine Version. Ein Rückzug kommt jedoch für den Angeklagten nicht in Frage.

Dann wird mit der ZeugInnenbefragung begonnen. Insgesamt werden über zwei Verhandlungstage sieben PolizistInnen und zehn „zivile“ ZeugInnen vernommen. Keiner der „zivilen“ ZeugInnen, war jedoch von Anfang bis Ende des Geschehens vor Ort. Zuerst werden die unmittelbar am Einsatz beteiligten PolizistInnen befragt. In Anwesenheit ihres Chefes, dem Revierleiter Süd in Freiburg, und Beamten der Landespolizeidirektion versuchen sie natürlich ein gutes Bild abzugeben. Ihre Aussagen widersprechen sich, vielleicht auch deshalb, insgesamt nur in sehr wenigen Punkten. Nach ihren Angaben hat sich folgendes ereignet: Ein („schwer verständlicher“, „radebrechend“) Anrufer habe bei der Polizei gemeldet, es habe eine Schießerei in einer Gaststätte gegeben, eventuell mit Verletzten. Dieser Anrufer gibt sich beim Eintreffen der Polizei sofort zu erkennen, die Polizei sieht neben ihm eine „völlig hysterische“, „psychisch labile“ Frau, die erkennbar unter Alkohol steht. Das Ganze spielt sich vor einer Gaststätte ab. Zugleich kommt ein Mann aus dieser Gaststätte heraus, um der Polizei anzudeuten, in der Kneipe sei keine Straftat geschehen, „es sei nichts passiert“. Dies hat aber anscheinend nur ein Polizist (der Hundeführer) mitbekommen, dieser sagt auch aus, dass er den Informanten für glaubwürdig hielt.

O. soll nicht eingesehen haben, dass er seine Personalien angeben müsse, den Sohn von O. habe keiner der Beamten auf der anderen Straßenseite gesehen, auch hätten sie nicht gehört, dass O. zu ihm wolle. Ein Polizist sagt aus, O. hätte gesagt, er sei „illegal“ in Deutschland. Das Wort „illegal“ wollen auch noch weitere PolizistInnen gehört haben. Dies mag vielleicht ein Indiz dafür sein, wieso die Polizei mit solch einer Brutalität gegen O. vorging.

Die PolizistInnen geben an, sich – aufgrund seiner Körpergröße – von O. bedroht gefühlt zu haben. Eine Abwehrbewegung wird als Angriff gewertet. Insgesamt vier PolizistInnen wollen den Mann nicht „unter Kontrolle“ bekommen haben, weshalb der Hund eingesetzt wird. Der Hundeführer sagt auch aus, er habe O. als dieser schon auf dem Boden lag und der Hund auf ihm war, mehrere Male mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Der Grund sei gewesen, dass O. eine Bewegung gemacht habe, die er als Griff nach seiner Dienstwaffe interpretierte.Nach dem Hundeangriff habe der Hundeführer zu O. gesagt, er solle auf die andere Straßenseite gehen. Dort hätte er immer wieder seinen eingetroffenen Bekannten die Bisswunden gezeigt und die Polizistin beschuldigt, sich rassistisch geäußert zu haben. Der Hundeführer sagt auch aus, dass O. auf ihn gezeigt und ihn mit den Worten „Du bist tot!“ bedroht habe.

Die Ungereimtheiten, die sich aus den Äußerungen der PolizistInnen ergeben, wollen weder der Staatsanwalt noch der Richter bemerken. Die der rassistischen Äußerung „Friss den Neger“ beschuldigte Polizistin will keiner ihrer Kollegen während des Hundeangriffs wahrgenommen haben. Sie sagt jedoch aus, dass sie direkt hinter einem Kollegen stand. Dieser will sie aber die ganze Zeit nicht bemerkt haben.

Der Hundeführer hetzte den Hund auf O., obwohl er wusste, dass in der Gaststätte kein Verbrechen stattgefunden hat. Die Behauptung anderer PolizistInnen und auch des Staatsanwalts, dass O. durch sein Verhalten in den Status eines Verdächtigen aufrückte, kann also nicht zutreffen. Als der Hundeführer aussagt, O. sei viermal gebissen worden, dieser aber nachweist, „nur“ dreimal gebissen worden zu sein, erwidert der Polizist, man müsse die Hundebisse nicht immer sehen. Der Richter stimmt zu.

Nach der Darstellung der PolizistInnen ging es nur um eine Identitätsfeststellung. Wieso hat man O. dann aber nach den Hundebissen auf die andere Straßenseite geschickt und ihm nicht seine Papiere abgenommen? Man hat ihn nicht einmal erneut danach gefragt. Ein „ziviler“ Zeuge sagt aus, dass er den Eindruck hatte, die Beamten hätten nach dem Angriff gemerkt, dass sie etwas falsch gemacht haben. Deswegen hätten sie sich auch nach dem Angriff erstmal zurückgezogen.

Nach den ersten zwei Polizeizeugen versucht der Richter dann nochmal O. davon zu überzeugen den Einspruch gegen seinen Strafbefehl zurückzuziehen, da niemand seine Version bestätigen könne. Auch der Staatsanwalt Bezzel erneuert: Dies sei die letzte Gelegenheit, er werde sonst noch eine ganz andere Strafe fordern und fragt O.: „Glauben Sie wirklich, Sie können hier was gewinnen?“. Nachdem der Verteidiger Freispruch oder Einstellung des Verfahrens fordert, bekräftigt der Staatsanwalt: Daran sei „nicht im Traum zu denken“, vor allem nicht nach den „Vorwürfen, die sich die Polizei hat gefallen lassen müssen“.

Die Zeugin, die am meisten mitgekriegt hatte und sich noch am Ort des Geschehens bei der Polizei über den Hundeinsatz beschwerte, stützt in vielen Punkten die Version des Angeklagten. Dies könnte auch der Grund sein, dass der Richter es ihr sehr schwer macht. Frau L. sagt aus, dass sie hörte wie O. zur Polizei sagte, er wolle rüber zu seinem Sohn. Außerdem erzählt sie, dass O. sich bloß gegen die Angriffe der Polizei gewehrt habe und selbst nicht gewaltätig gewesen sei. Sie habe auch gesehen, wie die Leine des Hundes losgelassen wurde, als O. schon am Boden lag. Sie habe daraufhin gerufen: „Er liegt ja schon am Boden“. Sie hatte mehrmals ihren Unmut gegen das Verhalten der Polizei geäußert. Die beschuldigte Polizistin soll zu ihr gesagt haben: „Lass mich meine Arbeit machen!“

Der Richter zeigt ihr den Bericht von TV-Südbaden, in dem auch sie zu sehen ist. Er fragt sie, ob es nicht sein könne, dass sie das mit dem Sohn erst im Nachhinein, zum Beispiel bei der Pressekonferenz oder anlässlich der Aufnahme, erfahren habe. Sie bejaht dies, meint aber, dass sie sich ganz sicher sei, dass O. gerufen habe, dass er „rüber“ wolle. Damit ist für den Richter wohl klar, dass das mit dem Sohn eine „Schutzbehauptung“ O.s ist.L. sagt aber auch aus, dass sie nicht gehört habe, dass die Polizei nach den Personalien von O. gefragt hätte, obwohl ein Polizist aussagt, dass er vier- bis fünfmal danach gefragt habe.

Alle ZeugInnen (außer den PolizistInnen) sagen aus, dass O. sich nur gewehrt habe, und dass er die PolizistInnen nicht angegriffen habe. Alle fanden den Hundeeinsatz unnötig und schockierend. Einige sagen auch aus, dass O. auf die andere Straßenseite gezeigt habe, und dass O. bereits am Boden lag als der Hund losgelassen wurde. Niemand der ZeugInnen habe die vermeintliche Drohung von O. Richtung Hundeführer gehört – lediglich der „bedrohte“ Polizist will eine Drohung vernommen haben.

Interessanterweise ist der ermittelnde Polizist in dem Fall auch als Zeuge geladen. Er ermittelte gegen die Polizei sowie gegen O. Gleich zu Beginn stellt er klar, dass er weg von der „Basis“ sei und somit „neutral“. Am Schluss lässt er den Korpsgeist in den Reihen der Freiburger Polizei erahnen: „Manchmal muss man auch ein Verfahren gegen Polizisten zu Ende führen.“

Nach der Befragung aller geladenen Zeugen, verkündet der Richter seine Entscheidung über die Zulassung von R., dem Sohn O.s, als Zeugen. Der Sohn hatte an dem Tag alles mitbekommen und hätte Auskunft darüber geben können, ob er Anstalten gemacht hat, zu seinem Vater auf die andere Straßenseite zu gelangen, ob sein Vater zu ihm rüber wollte, ob O. aggressiv gegenüber den BeamtInnen war und ob er den Ausruf „Du bist tot!“ gehört hat. Doch der Richter scheint dies alles nicht für wichtig zu erachten. Er lehnt R. als Zeugen ab, da dies nach bisheriger Beweisaufnahme nicht „sachdienlich“ sei.

 3. Dritter Prozesstag

Am letzten Verhandlungstag (25. Januar 2007) werden die Plädoyers gehalten. Das Plädoyer des Staatsanwaltes Bezzel, welches der Richter bei seiner Urteilsverkündung als „ausgewogen und detailliert“ bezeichnen wird, folgt im Wesentlichen den Äußerungen der PolizistInnen. Wo es gerade passt, zieht er einen „zivilen“ Zeugen heran. Für den Staatsanwalt ist klar, O. hat aktiv Widerstand geleistet und einen Polizisten bedroht. Das Polizeigesetz und das StGB legten gerade bei einem derartigen Einsatzverlauf fest, dass die Polizei sich strafbar mache, falls sie anders gehandelt hätte. Die Identitätsfeststellung und der Hundeeinsatz seien notwendig gewesen, da die Polizei vor Ort nicht genau gewusst habe, „was los war“. Wegen des Anrufes habe sie von einem Schusswaffengebrauch ausgehen müssen. Diese Behauptung wurde aber im Prozess von dem Hundeführer und einem weiteren Zeugen widerlegt, da ein Mann zu der Polizei gesagt habe, dass in der Gaststätte „nichts wäre“.

Die Polizei musste also nicht von einem Verbrechen ausgehen. Die ganzen Ausführungen des Staatsanwalts klingen wie eine Lobeshymne auf die Polizei: „Jede Polizei in einem anderen Land macht das genauso“ und „ich muss ganz ehrlich sagen, zwei- bis dreimal muss die Polizei nicht fragen, ich hätte nicht so viel Geduld gehabt“. „Herrschaftszeiten hatten die eine Geduld.“ „Irgendwann ist Schluss, Feierabend.“

Laut Bezzel sei der Hundeeinsatz „geeignet“ gewesen, um die „Störung der öffentlichen Sicherheit wiederherzustellen“. Eine reine Weigerung der Identitätsfeststellung, welche ja noch nicht einmal bewiesen wurde, ist also schon eine Störung der öffentlichen Sicherheit. „Hier wird hoheitliche Gewalt eingesetzt, um eine Störung zu beseitigen.“ Er fügt hinzu: „Der Einsatz war verhältnismäßig.“ Denn die Polizei müsse sich nicht „auf einen ungewissen Kampf einlassen“ (vier PolizistInnen gegen einen Mann). Die Polizei „muss ein Mittel finden, das Erfolg verspricht“. Obwohl die Bedrohung „Du bist tot“ nur der „bedrohte“ Polizist selbst gehört haben will, ist Bezzel sicher, dass dies stattgefunden hat. Denn, so die Begründung, dieser Polizist hätte sich bei seiner Zeugenaussage auch selbst belastet, da er zugegeben hat, O. mehrfach geschlagen zu haben. Bezzel lässt völlig außer Acht, dass niemand die Bedrohung gehört hat, obwohl zu dem Zeitpunkt mehrere Personen anwesend waren und auch um O. herumstanden.

Dass O. sich mit der ganzen Geschichte an die Öffentlichkeit gewendet hat, war dem Staatsanwalt und auch dem Richter ein Dorn im Auge. Das merkte man in dem Prozess deutlich. Auch gegenüber dem Publikum, welches bis auf anwesende PolizistInnen den Verlauf des Prozesses sehr kritisch beäugte, tat der Richter seinen Unmut kund. Schon am ersten Tag ermahnte er das Publikum keine Kommentare abzugeben. Am zweiten Verhandlungstag drohte der Richter dann einem Mann Ordnungsgeld an, als dieser den Kopf geschüttelt hatte. Das „öffentliche Galama“ und die „Wiederholung von falschen Behauptungen“ bewertet Bezzel strafverschärfend. Die Polizistin wäre wegen den Vorwürfen noch nach neuneinhalb Monaten „fix und fertig“. Somit fordert er eine Strafe von 50 Tagessätzen à 10€.

Der Verteidiger ist sich aber sicher, dass es für diesen Polizeieinsatz keine Rechtsgrundlage gibt. Eine Verurteilung sei deswegen „völlig daneben“. Desweiteren meint er, die Polizisten mussten ja aussagen, sie hätten nach den Personalien von O. gefragt, um sich selber zu schützen. Sie wussten aber auch, dass kein Vebrechen vorlag und sie wären trotzdem so massiv gegen O. vorgegangen. Alle „zivilen“ ZeugInnen haben ausgesagt, dass O. nicht aggressiv gegnüber der Polizei war. Alle haben den Hundeeinsatz als nicht gerechtfertigt wahrgenommen. Deswegen verstößt der Hundeeinsatz gegen den „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“. Außerdem stellt der Verteidiger fest: „Wir [Bürger] haben auch Rechte, wir müssen uns der Staatsgewalt nicht total beugen.“ Für den Verteidiger ist eine Verurteilung „eine schreiende Ungerechtigkeit“.

Das letzte Wort hat O., er appelliert an das Gericht. Er stehe zu dem, was er gesagt habe, das Geschehen sei genauso abgelaufen. „Ich sage die Wahrheit. Ich habe einem Menschen Hilfe geleistet. Ich habe nichts getan, ich habe nur geholfen“. „Und das Ergebnis ist jetzt: wegen Widerstand gegen Staatsgewalt angeklagt.“ Für ihn ist das ein Signal an alle, die Zivilcourage zeigen wollen sich künftig nicht so zu verhalten. Er stellt auch die Frage in den Raum was passiert wäre, „wenn ich gestorben wäre?“ Er führt dann noch aus, wie er und sein Sohn immer noch unter der ganzen Geschichte leiden und sich deswegen in psychologischer Behandlung befinden.

Eine Stunde später verkündet der Richter das Urteil „Im Namen des Volkes....“ „Ich schliesse mich der Begründung und dem Inhalt des ausgewogenen und detaillierten Plädoyers des Staatsanwaltes an.“ O. wird verurteilt wegen Widerstand und Bedrohung zu 50 Tagessätzen à 10 €. Der Richter findet es „ungeheuerlich“, was der Verteidiger hier als rechtliche Interpretation anbiete. Seiner Meinung nach, gebe es keine „willkürliche Staatsgewalt“, wie der Verteidiger zuvor behauptete.Der Hundeeinsatz, „ja der hat schockiert, aber alle, auch die Polizei, aber er war erforderlich, geeignet und gerechtfertigt“. Den Antrag des Staatsanwaltes findet er „maßvoll“, den Kläger „uneinsichtig“. Außerdem würde sich dieser “als Opfer eines rassistischen Angriffs“ gerieren, gerade auch in den Medien. Der Richter bekräftigt: „Bei anderer Hautfarbe hätte die Polizei genauso gehandelt.“ Die Worte „Friss den Neger“ hätte niemand gehört und würden von der beschuldigten Polizistin auch „glaubhaft bestritten“. Mit diesen Aussagen und dem Urteil hat der Richter die Polizei wieder „rehabilitiert“ und den Versuch unternommen, den Druck, der auf der Polizei in Freiburg wegen diesem und anderen Fällen lastet, zu mindern.

O. hat bereits Berufung gegen das Urteil eingelegt. Die Polizei in Freiburg muss sich also weiter öffentliche Kritik anhören und kann diesen Fall nicht so schnell wie manch anderen ad acta legen.

 4. Presse-Reaktionen

Auch in der Öffentlichkeit wird das Urteil kritisch hinterfragt. So stellt das Freiburger Friedensforum in einer Pressemittelung den Fall in den Kontext anderer rassistischer Polizeiübergriffe. Auch TV-Südbaden berichtet ausführlich über den Prozess.

Wir dokumentieren zwei Artikel der Badischen Zeitung zum Prozess:



Badische Zeitung, vom 23. Januar 2008

Der helfen wollte, steht vor Gericht

Gestern begann der Prozess gegen einen Deutschen aus Nigeria

Von unserem Redakteur Gerhard M. Kirk

Der Fall hat etwas von einer klassischen Tragödie. Ein Mann will einer Frau helfen, die augenscheinlich in Not ist. Er ruft die Polizei zu Hilfe, will ihr aber seine Personalien nicht geben. Es kommt zu lautstarken Auseinandersetzungen, Handgreiflichkeiten auch. Der Mann wird von einer Polizeihündin gebissen. Er bekommt einen Strafbefehl wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Dagegen legt er Einspruch ein. Gestern begann nun im Freiburger Amtsgericht der Prozess gegen den aus Nigeria stammenden Deutschen.

Es steht Aussage gegen Aussage. Der 43-Jährige erzählt: Am Karsamstag 2007 alarmiert er spätabends über sein Handy die Polizei, eine in Tränen aufgelöste Frau habe von einer Schießerei in einer Gaststätte an der Ecke Eschholz-/Ferdinand-Weiß-Straße berichtet. Als zwei Streifenwagen ankommen, gibt er sich als Anrufer zu erkennen, weigert sich aber, seine Personalien anzugeben, und will zu seinem neunjährigen Sohn auf die andere Straßenseite. Daran versuchen ihn die Polizisten zu hindern, beharren auf den Angaben zur Person. Der Mann befreit sich aus dem Polizeigriff, fragt immer wieder „Was hab’ ich gemacht?“ . Dann habe er gehört, wie die beteiligte Polizistin zu einem Kollegen gesagt habe: „Hol mal den Hund!“ Und: „Friss den Neger!“ Er versucht sich vor den Bissen der Hündin zu schützen. Schließlich habe er einen Schlag mit einer Pistole in den Nacken bekommen.

Dagegen sagen die drei Polizeiobermeister und die Polizeiobermeisterin, die als erste nach dem Anruf vor der Gaststätte angekommen sind, übereinstimmend aus: Sie seien von einem Tötungsdelikt ausgegangen und hätten wissen wollen, mit wem sie es da zu tun hatten. Der Anrufer jedoch habe sich geweigert, Angaben zu machen, und weggehen wollen. „Da haben wir versucht, ihn unter Kontrolle zu bringen — was nicht einfach war.“ Der Hundeführer sieht seine Kollegen durch den Widerstand in Gefahr. Er ruft seiner Diensthündin das Reizwort „Pass auf!“ zu. Der Hund beißt zuerst einen Polizeibeamten in den Arm und dann mehrfach den mittlerweile am Boden liegenden 43-Jährigen. „Das Ganze eskalierte vollkommen, weil wir nicht Herr der Lage waren.“ Der Hundeführer bestätigt, den Mann mehrmals mit der Faust ins Gesicht geschlagen zu haben. Der wiederum habe ihm gedroht „Du bist tot“ (was der Beschuldigte bestreitet). Diesen Ausruf (den die Polizistin bestreitet) hätten sie ebenso wenig gehört wie die angeblichen Kommandos ihrer Kollegin, sagen die Polizisten als Zeugen aus. Ebenfalls hätten sie weder eine gezückte Pistole noch Schlagstöcke im Einsatz gesehen.

An eine laute und aggressive Stimmung erinnert sich eine Zeugin, die das Geschehen an jenem 7. April zufällig beobachtet hat. Als der Hundeführer seinen Hund von der Leine ließ, habe sie gebrüllt „Das kann ja wohl nicht wahr sein. Der liegt ja schon wehrlos am Boden.“ Sie habe auch mehrfach gehört, dass der Vater zu seinem Sohn wollte (was die Polizei-Zeugen bestreiten). „Ich war völlig entsetzt.“ Ähnlich schildert ein anderer zufälliger Zeuge seinen Eindruck. Der Mann habe über die Eschholzstraße gehen wollen, sei festgehalten worden, habe sich aus der Umklammerung lösen wollen, ohne zu schlagen und zu treten. Dann sei der Hund losgelassen worden und habe zugebissen. „Ich konnte es nicht fassen, ich war total geschockt.“

Die Verfahren gegen die Polizisten wurden inzwischen eingestellt

Am 8. April 2007 erstattete der 43-Jährige Anzeige gegen die Polizisten. Diese Verfahren wurden inzwischen eingestellt. Die Beamten erstatteten nun ihrerseits Anzeige gegen den Mann, der seine Personalien nicht angeben wollte. Dem ging tatsächlich im August vergangenen Jahres ein Strafbefehl zu: Wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Bedrohung bekam er eine Verwarnung über 375 Euro (25 Tagessätze à 15 Euro), bei einem Jahr Bewährung. Dagegen legte der Deutsche aus Nigeria Einspruch ein. So kam es zur Verhandlung, die am Donnerstag fortgesetzt wird.

Wobei der Richter gestern schon gleich zu Beginn dem Beschuldigten deutlich macht: „Dafür, was Sie uns erzählt haben, gibt es nach Aktenlage keinen einzigen Zeugen.“ Und der Staatsanwalt fragt: „Glauben Sie wirklich, dass Sie hier irgendwas gewinnen können?“ Ganz anders der Verteidiger, der einen Freispruch oder eine Einstellung des Verfahrens mit Straffreiheit fordert — „alles andere wird dem nicht gerecht, dass es nur um eine Identitätsfeststellung ging“.



Badische Zeitung, vom 26. Januar 2008

Richter ahndet die Folgen eines Hilferufs: Geldstrafe

Verteidiger spricht von einem „rechtswidrigen“ Polizei-Einsatz

Von unserem Redakteur Gerhard M. Kirk

Wie es der Strafrichter des Amtsgerichts Freiburg gleich zu Beginn des ersten Verhandlungstages angedeutet hatte, so fiel sein Richterspruch am Ende des dritten Verhandlungstages dann auch aus: Wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und wegen Bedrohung wurde ein aus Nigeria stammender Deutscher gestern zu einer Geldstrafe in Höhe von 500 Euro verurteilt. Damit fiel die Strafe nun höher aus als der im vorigen August ergangene Strafbefehl — eine Verwarnung über 375 Euro bei einem Jahr Bewährung.

Der Fall hatte in der Öffentlichkeit einiges Aufsehen erregt: Am späten Abend des Karsamstag 2007 rief der schwarzhäutige Deutsche angesichts einer offenbar hilflosen jungen Frau die Polizei zur Hilfe. Er weigerte sich freilich, seine Personalien den Polizeibeamten anzugeben. Die ihrerseits fühlten sich durch die Versuche des 43-Jährigen, sich aus den Händen der Beamten zu befreien, bedroht. Eine Diensthündin wurde eingesetzt und biss den Mann mehrfach. Der wiederum blieb auch während des Prozesses dabei: Eine Polizeibeamtin habe ihn mit ihrer Pistole geschlagen und gesagt „Hol den Hund!“ und „Friss den Neger!“.

„Diese Sätze hat es nicht gegeben“ , sagte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Keiner der Zeugen habe sie gehört. Ebenso habe kein Zeuge eine Pistole gesehen. Zwar habe der Angeklagte bestritten, den Hundeführer mit dem Ausruf „Du bist tot“ bedroht zu haben (was ebenfalls keiner der insgesamt 16 vernommenen Zeugen bestätigte). Doch, so der Staatsanwalt: „Allein die Aussage des Hundeführers reicht mir — es passt.“ Nach dem Notruf hätten die Beamten von einem Kapitalverbrechen ausgehen müssen. Und durch die Weigerung, seine Personalien anzugeben, sei der Angeklagte „in den Status eines Verdächtigen“ gerückt. Zudem habe er sich nicht etwa passiv gewehrt, sondern sich aktiv zur Wehr gesetzt, also aktiv Widerstand geleistet — rechtlich „eine Störung der öffentlichen Sicherheit“ . „Da war auch der Einsatz des Hundes verhältnismäßig.“ Und so forderte der Staatsanwalt eine Strafe in Höhe von 50 Tagessätzen à zehn Euro.

Der Richter lobte „das gute und ausgewogene Plädoyer“ und schloss sich dem an. „Ich bin überzeugt, dass es haargenau so gewesen ist, wie es der Herr Staatsanwalt geschildert hat.“ Dem Angeklagten hielt er vor, uneinsichtig und unglaubwürdig zu sein — und sich „in den Medien als Opfer eines rassistischen Übergriffs“ zu gerieren. Da zeige sich eine „Schwarz-Weiß-Malerei.“ Zudem verwahrte sich der Richter gegen den „unverschämten und ungeheuerlichen Anwurf“ einer „willkürlichen Staatsgewalt“ .

Die hatte zuvor der Verteidiger in seinem Plädoyer angedeutet und Freispruch beantragt. Denn weder der Vorwurf des Widerstands noch der der Bedrohung seien haltbar. Stattdessen: „Diese Aktion der Polizei und der Einsatz des Hundes waren absolut rechtswidrig und nicht legal.“

In seinem Schlusswort erinnerte der Angeklagte an die vielen Aufrufe zur Zivilcourage im Fernsehen und fasste seine Gefühle in der bitteren Erkenntnis zusammen: „Jetzt verstehe ich, warum so viele Leute weggucken, wenn auf der Straße was passiert.“ Die junge Frau übrigens, der der 43-Jährige helfen wollte, war an jenem Karsamstagabend sehr betrunken (1,6 Promille). Und, wie der sie später vernehmende Polizeibeamte mitteilte: „Das Ganze war ihr sehr peinlich.“

 5. Exkurs: Richter Leipold

Die Badische Zeitung berichtete mehrmals über den Prozess gegen zwei Polizisten, die in zivil einen Mazedonier zusammenschlugen. Der Richter in diesem Prozess war – wie im Fall O. – Andreas Leipold.



Badische Zeitung, vom 12.10.07

Ein Urteil zu finden dauert länger als geplant

Zwei Polizeiobermeistern wird „gefährliche Körperverletzung im Amt“ nach einer Weihnachtsfeier der Polizei zur Last gelegt

Von unserem Redakteur Gerhard M. Kirk

Wenn es um jene Viertelstunde zwischen etwa 4.30 und 4.45 Uhr am 10. Dezember 2005 geht, gibt es nur wenige Übereinstimmungen in dem, was die Beteiligten vor dem Strafrichter im Amtsgericht sagen. Die beiden Angeklagten sprechen (wie ihre Anwälte) von einem „Vorfall“. Die Staatsanwältin legt ihnen dagegen „gefährliche Körperverletzung im Amt“ zur Last. Fest steht nach dem ersten Verhandlungstag gestern nur: Statt der vorgesehenen zwei werden bis zum Urteilsspruch vier Verhandlungstage benötigt.

Die Anklage wirft einem 27- und einem 29-jährigen Polizeiobermeister vor, an jenem frühen Samstagmorgen reichlich alkoholisiert auf der Hans‑Sachs‑Gasse einen heute 26-jährigen festgehalten, geschlagen, getreten, zweimal auf den Boden geworfen und seine Taschen durch sucht zu haben. Die Blutentnahme ergab einen Alkoholgehalt im Blut von 1,5 7 beziehungsweise von 2,05 Promille. Beide Polizeibeamte, zuvor als Verdeckte Ermittler beim Landeskriminalamt eingesetzt, arbeiteten damals bei der Zentralen Ermittlungsgruppe Rauschgift. Nach diesem Dezembermorgen wurde der 27-Jährige ins Revier Titisee-Neustadt versetzt; mittlerweile ist er – nach einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss – vom Dienst suspendiert. Sein Kollege wurde als Streifenbeamter ins Revier Müllheim versetzt.

Der Jüngere erzählt: Nach einer Weihnachtsfeier der Polizei habe man im „Kagan“ weitergefeiert, kurz im „Karma“ vorbeigeschaut, wo man eine Schlägerei beobachtet habe. Auf der Hans‑Sachs-Gasse habe sein Kollege einen an ihnen vorbei rennenden, an der Stirn blutenden Mann angehalten, seinen Dienstauswels gezückt und gefragt: „Warum rennst du? Warum blutest du?“ Plötzlich habe der junge Mann auf dem Boden gelegen und statt zu antworten geschrien. „Dabei wollten wir doch nur helfen.“ Schließlich sei man auseinander gegangen. Vorm Hauptbahnhof jedoch hätten „zehn Leute oder so“ unversehens seinen Kollegen angegriffen. Dem sei er zu Hilfe gekommen und habe sich mit ihm in ein Taxi gerettet, in dem sie weiter mit Fäusten und Tritten traktiert worden seien, bis ein Streifenwagen sie ins Polizeirevier brachte.

Der 29‑Jährige bestätigt diese Schilderung und versichert: „Es wurde von uns keinerlei Straftat begangen.“ Als er auf der Hans‑Sachs‑Gasse nur „dumme Antworten“ bekommen habe, sei seine Hilfsbereitschaft in den Verdacht umgeschlagen, der junge Mann sei an der Schlägerei vor dem „Karma“ beteiligt gewesen. Vor dem Hauptbahnhof sei dann eine ganze Meute, „mit dem blutenden jungen Mann als Speerspitze“, über ihn hergefallen. Und wegen der vielen Leute habe das Taxi nicht losfahren können (was der Taxifahrer später als Zeuge bestätigt).

Der 26-Jährige, der auch als Nebenkläger auftritt, schildert das Ganze etwas anders: Er sei vom „Karma“ zur Eisenbahnstraße geeilt, wo er mit Freunden verabredet gewesen sei, als er von den beiden Polizisten festgehalten, zu Boden geworfen (daher die Platzwunde an der Stirn), ge schlagen und getreten worden sei. Ich dachte: Das kann nicht die Polizei sein die macht so was nicht. „Aus Angst habe er um Hilfe geschrien und den Beiden versprochen, nichts zu sagen, wenn sie ihn nur gehen ließen. Vorm Bahnhof aber, angesichts seiner Freunde, habe er die Polizisten nicht entkommen lassen wollen Seit jener Nacht habe er Angst, allein aus zugehen. Ein medizinisches Gutachten bescheinigt ihm eine „chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung“.Der Prozess wird am nächsten Donnerstag fortgesetzt.



Badische Zeitung, vom 19.10.07

Rechtsmediziner hält Polizisten für schuldfähig

Ein Befangenheitsantrag gegen den Richter wird zurückgewiesen

Von unserem Redakteur Gerhard M. Kirk

Der Prozess im Freiburger Amtsgericht, in dem die Staatsanwältin zwei Polizeiobermeistern „gefährliche Körperverletzung im Amt“ zur Last legt, nahm gestern am zweiten Verhandlungstag eine überraschende Wendung. Der Anwalt des Nebenklägers stellte einen Antrag, den Strafrichter wegen Befangenheit abzulehnen. Der nämlich hatte nach dem ersten Verhandlungstag vergangene Woche die am Verfahren Beteiligten um ihr Einverständnis gebeten, auf eine weitere Beweisaufnahme zu verzichten.

Wie die BZ berichtete, wirft die Anklage einem 27- und einem 29-jährigen Polizeiobermeister vor, am 10. Dezember 2005 zwischen 4.30 und 4.45 Uhr reichlich alkoholisiert – 1,57 und 2,05 Promille – auf der Hans-Sachs-Gasse einen heute 26-Jährigen festgehalten, geschlagen, getreten, zweimal auf den Boden geworfen und seine Taschen durchsucht zu haben. Diesen Vorwurf hatte der junge Mann am ersten Tag des Prozesses mit seiner Schilderung des Hergangs an jenem frühen Samstagmorgen gestützt. Die beiden Angeklagten, früher als Verdeckte Ermittler beim Landeskriminalamt eingesetzt, gaben dagegen eine ganz andere Version zu Protokoll.

Dass nun der Richter um das Einverständnis bat, auf die Anhörung weiterer geladener Zeugen zu verzichten (was von der Prozessordnung durchaus vorgesehen ist), ließ den Anwalt des 26jährigen, der auch als Nebenkläger auftritt, vermuten, die Verhandlung solle beschleunigt werden, obwohl die Widersprüche noch längst nicht ausgeräumt seien. Nachdem eine weitere Richterin eingeschaltet worden war, wurde der Antrag auf Befangenheit jedoch zurückgewiesen. Denn, so die Begründung: Eine vorläufige Würdigung des Verfahrens zeige, dass der Richter sich nicht schon festgelegt habe und ein Misstrauen gegenüber seiner Unparteilichkeit nicht gerechtfertigt sei.

Also wurde der Prozess fortgesetzt mit der Anhörung von zwei Polizisten und einer Polizistin, die in jenen frühen Morgenstunden ihre Kollegen vorläufig festgenommen, ihre Personalien aufgenommen und eine Blutentnahme veranlasst hatten. Nach diesen Aussagen waren beide stark alkoholisiert und vor allem der jüngere Angeklagte sei unhöflich (Füße auf dem Tisch) gewesen, habe sich unkollegial verhalten und abwertend gegenüber der Kollegin geäußert.

Am Ende der Verhandlung gestern kam auch ein Sachverständiger zu Wort. Der Facharzt für Rechtsmedizin bestätigte: Die festgestellten Verletzungen des 26-Jährigen seien mit dessen Schilderung des Hergangs in Einklang zu bringen; vor allem die Schürfwunde an der Stim sei „ungewöhnlich typisch“ dafür, wenn ein Kopf auf den Boden aufschlägt. Der Sachverständige rechnete außerdem vor, dass die Werte des Alkohols im Blut der beiden Angeklagten auf etwa 4.30 Uhr zurückgerechnet noch höher gewesen seien nämlich bis zu 1,99 beziehungsweise bis zu 2,67 Promille. Zusammenfassend stellte der Rechtsmediziner fest: Beide waren stark alkoholisiert; ihre Steuerungsfähigkeit war beeinträchtigt; aber es besteht keine Schuldunfähigkeit.

Der Prozess wird heute fortgesetzt. Und der Richter kündigte schon gestern an: Er beabsichtige, an diesem dritten Verhandlungstag die Beweisaufnahme zu schließen.



Badische Zeitung, vom 20.10.07

Strafrichter spricht zwei Polizeiobermeister frei

Der Richter sieht eine gefährliche Körperverletzung im Amt als nicht bewiesen und rügt Staatsanwaltschaft sowie Polizeieinsatz

Von unserem Redakteur Gerhard M. Kirk

Erst brauchte die Staatsanwaltschaft etwa eineinhalb Jahre, bis sie zwei Polizeiobermeister der gefährlichen Körperverletzung im Amt anklagte. Dann ging es gestern auf einmal ganz schnell. Der Strafrichter im Freiburger Amtsgericht lehnte weitere Beweisanträge der Staatsanwältin und der Nebenklage ab und urteilte im Namen des Volkes: Die Angeklagten werden freigesprochen.„

Sein Urteil verband der Richter mit zwei – verbalen – Ohrfeigen für die Staatsanwaltschaft und für die Polizei. “Ein solches Verfahren mit einem solch gewichtigen Vorwurf und solch schwer wiegenden Folgen muss anders betrieben werden – und hätte von einem erfahrenen Staatsanwalt betrieben werden müssen.„ Und mit Blick auf die Arbeit der Polizei in den frühen Morgenstunden des 10. Dezember 2005 bezweifelte er, dass dieser Polizeieinsatz optimal gelaufen ist“.

So stand Aussage gegen Aussage. Die eines 26-Jährigen, gleichzeitig Nebenkläger, er sei von den beiden Polizisten (bei denen ein Alkoholgehalt von 1,57 und 2,05 Promille im Blut festgestellt wurde) auf der Hans-Sachs-Gasse angehalten, auf den Boden geworfen, getreten und geschlagen worden. Dagegen die Aussage der beiden Polizeiobermeister, sie hätten dem jungen Mann angesichts einer Wunde an seiner Stirn nur helfen wollen und seien später vor dem Hauptbahnhof selbst geschlagen und getreten worden.

Er könne jedenfalls auch nach der Anhörung von neun Zeugen und Zeuginnen nicht sagen, so der Richter, dass es so war, wie der Nebenkläger es geschildert hatte – zumal da der auf ihn „nicht glaubwürdig gewirkt“ habe. Außerdem sei es ihm ein Rätsel, wie sich die am Bahnhof eingesetzten Polizistinnen und Polizisten trotz eines unklaren Sachverhalts so schnell auf einen Geschädigten und zwei Beschuldigte festlegen konnten – ohne jene „Massenschlägerei“ weiter zu ermitteln, zu der sie von der Polizeizentrale geschickt worden waren. Und weil er als Richter nicht habe überzeugt werden können, dass alle anderen Möglichkeiten auszuschließen sind„ (als der vom Nebenkläger geschilderte Hergang), seien die Angeklagten freizusprechen.

Einen Freispruch hatten zuvor auch deren Anwälte gefordert, weil die beiden letztlich in Notwehr“ gehandelt hätten und der Nebenkläger nicht glaubwürdig„ sei. Ganz anders sah das dessen Anwalt. Er habe großen Respekt vor den Beamtinnen und Beamten, die sich nicht von einer falschen Solidarität hätten leiten lassen. Angesichts der Beweislage sei ein Freispruch, auf den sich das Gericht wohl schon früh festgelegt habe, nicht zu rechtfertigen. Zudem habe der 26-Jährige ,ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit“.

So bewertete es auch die Staatsanwältin, während die Schilderungen der Angeklagten auf sie den Eindruck einer abgestimmten Geschichte„ gemacht hätten. Besonders verwerflich erschien ihr das “Ausnutzen ihrer Machtstellung gegenüber einem ihnen schutzlos Ausgelieferten“. Deshalb forderte sie Bewährungsstrafen in Höhe von 14 und 15 Monaten.

 Ergänzungen
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Ergänzungen

guter artikel

(muss ausgefüllt werden) 03.02.2008 - 13:27
bliebe noch zu sagen, dass amtsgerichtsurteile GRUNDSÄTZLICH vor der nächsthöheren instanz überprüft werden sollten. viele amtsrichterInnen sind stockkonservativ, haben häufig genug wenig ahnung von etwas "außergewöhnlichen" fällen und halten bullen & andere "respektspersonen" für die personifizierte wahrheit.

Kingsley Osagie geht in Berufung

Sonntags-LeserIn 03.02.2008 - 21:14

«Der Sonntag» vom 3. Februar 2008

Der aus Nigeria stammende deutsche Staatsbürger Kingsley Osagie, der vor einer Woche vor dem Freiburger Amtsgericht wegen Widerstandes gegenüber der Polizei zu einer Geldstrafe von 500 Euro verurteilt worden war, hat gestern gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Damit wird der Fall voraussichtlich vor dem Landgericht neu aufgerollt. Osagie hatte in der Osternacht 2007 per Telefon die Polizei in die Eschholzstraße gerufen, weil eine Frau behauptet hatte, in der Kneipe „Furioso“ sei ein Verbrechen passiert. Dies war aber nachweislich nicht der Fall, vielmehr kam es zu einem Konflikt zwischen Osagie und der Polizei, bei dem der gebürtige Nicherianer von einem Diensthund mehrfach gebissen wurde.

Friedensforum fordert Untersuchung

BZ-LeserIn 05.02.2008 - 14:00
Badische Zeitung vom Dienstag, 5. Februar 2008
DRUCK-SACHE

Öffentlich untersuchen!

Das Freiburger Friedensforum fordert eine unabhängige öffentliche Untersuchung jenes Vorfalls im April 2007, denn das Urteil im nachfolgenden Prozess am 25. Januar habe mehr Fragen als Antworten geliefert: Ein aus Nigeria stammender Deutscher war von einem Strafrichter des Amtsgerichts zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er, so die Begründung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet und diese bedroht habe (BZ vom 26. Januar). Nach Ansicht des Friedensforums wurde die Verhandlung, in der es auch um das Verhalten der Polizei im April 2007 ging, einseitig geführt. Die Angaben der Polizei seien als glaubwürdig, die der Entlastungszeugen für den Angeklagten als unglaubwürdig dargestellt worden. Der Prozess habe mit "erschreckender Offenheit" veranschaulicht, wie die Glaubwürdigkeit von Betroffenen und Zeugen demontiert werde. Die Polizei versuche zwar den Eindruck zu verwischen, dass sie gegenüber ausländischen Bürgern "überwiegend anders" vorgehe, so das Friedensforum, aber für Migranten und Migrantinnen sei dies "leider seit Jahren eine geläufige Erscheinung" .

Justizskandal in Freiburg

jW-LeserIn 07.02.2008 - 16:44
06.02.2008 / Antifa / Seite 15

Justizskandal in Freiburg

Amtsgericht verurteilte Opfer rassistischer Polizeigewalt. Berufung eingelegt

Von John Philipp Thurn

Kingsley O., Opfer eines polizeilichen Hundeeinsatzes und am 25. Januar 2008 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Bedrohung vom Amtsgericht Freiburg zu einer Geldstrafe von 500 Euro verurteilt, geht in Berufung.

Nach dreitägiger Hauptverhandlung war der Deutsch-Nigerianer von Amtsrichter Andreas Leipold für schuldig befunden worden, sich am 7. April 2007 Festnahmeversuchen der Polizei widersetzt zu haben. Daß vier Beamte zur Überwältigung des 43jährigen ihren Hund einsetzten, der O. mehrfach biß, blieb folgenlos: Das Ermittlungsverfahren gegen die Polizisten war bereits im September 2007 eingestellt worden.

Der Angeklagte gab an, eine Polizistin habe vor dem Hundeeinsatz »Friß den Neger!« gerufen. Der Gebissene hatte zuvor selbst 110 gewählt, um einer verwirrten Frau zu helfen, die von der Ermordung ihres Freundes sprach. Die Polizisten hätten ihn festhalten wollen, obwohl er kein »Zeuge« des vermeintlichen Mordes gewesen sei. Er habe derweil seinen achtjährigen Sohn in Gefahr gewähnt, der von der anderen Straßenseite die Fahrbahn betreten wollte. Dann sei er von den Polizisten zu Boden gerungen worden, wo er Schläge und die Bisse des Hundes erlitten habe.

Die vier Polizisten sagten vor Gericht aus, O. um seine Personalien gebeten zu haben. O. habe sich geweigert, weil er »kein Zeuge« sei, und sich dann drehend und windend der Festnahme widersetzt. Hundeführer Oliver Sp. gab an, den Hund zur Brechung des »totalen Widerstands« des kräftigen Angeklagten eingesetzt zu haben. Richter Leipold erklärte diese Maßnahme für »erforderlich, geeignet und gerechtfertigt«. Wieso die Polizisten O. nicht zum Sohn begleiten und das Mißverständnis ausräumen konnten, wer »Zeuge« ist, blieb unklar.

Mehrere Passanten sagten aus, der Angeklagte habe sich zwar gewunden, sei aber nicht gewalttätig gewesen. Er habe nicht einmal weglaufen, sondern bloß die Straße überqueren wollen. Die Augenzeugen waren geschockt vom brutalen Hundeeinsatz gegen O., der – den vier Polizisten ohnehin unterlegen – bereits am Boden gelegen habe. »Friß den Neger!« hat keiner der Zeugen gehört.

Staatsanwalt Thomas Bezzel warf O. »penetrantes Nachtatverhalten« vor: Uneinsichtig bestehe er auf dem Rassismusvorwurf. Insbesondere die beschuldigte Beamtin habe darunter gelitten, sie sei »fix und fertig«. Leipold schloß sich »voll und ganz dem ausgewogenen Plädoyer« Bezzels an: »Ich gehe davon aus, daß Polizeibeamte vor Gericht die Wahrheit sagen«, ein rassistisches Motiv sei ausgeschlossen. Vergeblich hatte zuvor O.s Verteidiger Thomas Bayer Freispruch gefordert: Angesichts der »willkürlichen Polizeiaktion« wäre jede andere Entscheidung eine »schreiende Ungerechtigkeit«.

Es geht immer weiter...

Autonom@ntifA 11.02.2008 - 16:38

Podiumsdiskussion zum Thema "Verbote"

Autonome ZuhörerInnen 25.02.2008 - 00:05
Bereits am 30. Januar fand in der Aula der Gertrud-Luckner-Gewerbeschule in Freiburg eine Podiumsdiskussion zum Thema "Alkoholverbot" statt. Die Veranstaltung wurde von den Grünen organisiert und zog eine beträchtliche Anzahl Menschen an.
An der Diskussion beteiligten sich Harry Hochuli (Leiter des Polizeirevier Nord), Walter Rubsamen (Ordnungsamt Freiburg), Maria Viethen (Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat), Jens Kitzler (als Moderator), Jeanette Piram (Leiterin der Freiburger Drogenberatungsstelle „Drobs“), Prof. Dr. Roland Hefendehl (Kriminologe) und Nicolas Mielich (Oberstufenschüler).
Letztendlich war sich das Podium uneins über den Sinn der Repression und auch das Publikum wusste nicht so recht einen Konsens zu finden.

Podiumsdiskussion zum Thema "Verbote"

Autonome ZuhörerInnen 25.02.2008 - 00:07
Jens Kitzler von "Der Sonntag"

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 6 Kommentare an

Klasse Arbeit! — (muss ausgefüllt werden)

richter im landgericht — meinname

Reaktionen — Leuchtspur

Interessante Geschichte... — ...aber nicht übertreiben