ES: Arbeitskampf bei dt. Militärdienstleister

Wiebke Priehn 02.02.2008 12:02 Themen: Militarismus Soziale Kämpfe Weltweit
Barcelona: Arbeitskämpfe bei deutschem Militärdienstleister Bertelsmann

Die CNT-IAA in Barcelona führt seit Ende August 2007 einen Arbeitskampf gegen den zur deutschen Bertelsmann-Gruppe gehörenden Betrieb VAW-Avarto. Die Bertelsmann-Tochter arbeitet seit über 30 Jahren für die Bundeswehr und andere NATO-Partner. Mit privaten Dienstleistern versucht die deutsche Bundeswehr derzeit, sich ein weltweites Logistik-Netz zur Unterstützung von vermehrten Auslandseinsätzen aufzubauen. Unterdessen fordert die Bertelsmann Stiftung die „Entwicklung einer kohärenten Lateinamerika-Strategie der Europäischen Union“ und zeichnet das Bild einer zukünftigen, militärisch aufgerüsteten EU, die auch in lateinamerikanischen „Krisen“-Regionen einsatzfähig wäre.
Am 18. Januar 2008 hat die anarchosyndikalistische Gewerkschaft CNT-IAA Barcelona ihre Organisation darüber informiert, dass sie ihre Protestaktionen aus Solidarität mit dem Arbeitskampf in dem Betrieb VAW-Avarto einstellt.

Wegen der Verhandlungen, die zwischen dem Syndikat und der Firma aufgenommen wurden, wird davon ausgegangen, dass der Konflikt auf dem Weg zu einer Lösung ist. Um Anerkennung zu zeigen, werden daher alle Arbeitskampfmassnahmen eingestellt und die anderen Gruppen der CNT-IAA werden aufgefordert das ebenfalls zu tun.

Die CNT-IAA in Barcelona führt seit Ende August 2007 einen Arbeitskampf gegen den zur deutschen Bertelsmann-Gruppe gehörenden Betrieb VAW-Avarto (ehemals "Verlag Automobil Wirtschaft") aus Grefrath am Niederrhein. Sie fordert unter anderem die Anerkennung als gewerkschaftliche Betriebsgruppe.

(Dieser Abschnitt ist mit kleinen Änderungen übernommen von
 http://anarchosyndikalismus.org/international/spanien/vaw-avarto2008/index.html)

Innerhalb des Bertelsmann-Konzerns gehört die VAW-Arvato zum Unternehmensbereich Arvato, der 1999 aus dem Unternehmensbereich „Druck- und Industriebetriebe“ geschaffen wurde. Hier verfügt man über einschlägige Erfahrungen mit der Disziplinierung der Beschäftigten, und aus diesem Unternehmensbereich zieht sich Bertelsmann seit langem die zukünftigen Chefs des Gesamtkonzerns heran.

Auch Gunter Thielen, der gerade seinen Vorstandsposten bei Bertelsmann aufgab, um die Leitung der Bertelsmann Stiftung zu übernehmen, konnte sich seinerzeit als Chef der Bertelsmann-„Druck- und Industriebetriebe“ im Zuge der Auseinandersetzungen um die Entlohnung der Wochenendarbeitszeit im Umgang mit aufmüpfigen Beschäftigten profilieren. Als 1991 ein der Geschäftsleitung ungenehmer Betriebsratsvorsitzender gewählt wurde, traten Thielen und Thomas Middelhoff, der damalige vorsitzende Geschäftsführer der Bertelsmann-Tochter Mohndruck, in Verhandlung mit den widerborstigen Betriebsräten. Sieben Betriebsräte einschließlich des Vorsitzenden legten daraufhin ohne Angabe von Gründen ihr Mandat nieder und wechselten in verschiedene Führungspositionen. Der vorherige Betriebsratsvorsitzende, ein Mann der „Partnerschaft“ zwischen Beschäftigten und Geschäftsleitung, wurde wieder eingesetzt. (Quelle: Böckelmann/Fischler: Bertelsmann: Hinter der Fassade des Medienimperiums, Frankfurt a. M. 2004)

Hier einige Auszüge aus einem Text der CNT-IAA Barcelona vom Herbst 2007:

CNT-IAA erklärt Arbeitskampf mit VAW-Avarto

VAW ist eine Firma, die zur Arvato-Gruppe gehört, ist spezialisiert auf technisch-industrielle Übersetzungen. [...] Im März 2007 gründete die CNT-IAA eine Gewerkschaftssektion in dem Betrieb, denn verschiedene Arbeiter/innen suchten nach einer Alternative zur [reformistischen Gewerkschaft] UGT. Doch die Direktion von VAW verschloss ihre Türen für die Betriebssektion der CNT. Die Gewerkschaftsdelegierte werfen dem Konzern vor, die Gewerkschaftsarbeit zu behindern und grundlegende Rechte zu verweigern.[...]

Gegen die Unterdrückung von Gewerkschaften - Solidarität der Arbeiter/innen!

Quelle:
 http://www.cnt.es/noticia.php?id=3381

Übersetzung: Anarchosyndikat "eduCat", Köln/Bonn

 http://anarchosyndikalismus.org/international/spanien/vaw-avarto2008/index.html


Über die VAW-Arvato:

Der "Verlag Automobil-Wirtschaft Ludwig Peter van Well" wurde 2004 von dem deutschen Medienkonzern Bertelsmann aufgekauft und firmiert seither unter dem Namen VAW-Arvato. Dieser Verlag leistet bereits seit 1958 militärische Dienstleistungen für öffentliche Auftraggeber z.B. im Bereich militärische Technische Dokumentationen und Wartungsunterstützung. Kunden sind die deutsche Bundeswehr, das niederländische Heer und andere NATO-Partner.
 http://www.vaw-arvato.com/index.php?id=64&L=12

Im Oktober 2007 kaufte sich VAW-Arvato/Bertelsmann zwei neue Mitarbeiter aus der Bundeswehr und der NATO ein. Jürgen Keulen, ehemaliger Internationaler Beamter der NATO, war laut Website des Unternehmens über die NAMSA (eine logistische Dienstleistungsorganisation für die NATO-Staaten) als Teamchef einer mobilen Einsatztruppe für die Kontrolle und Instandsetzung komplexer NATO-Kommunikationssysteme und deren Abschirmung verantwortlich.
Über einen weiteren neuen Mitarbeiter gibt das Unternehmen bekannt:
„Dipl.-Ing. Jörg Rogge, Oberstleutnant a.D., war in verschiedenen Führungspositionen in der Luftwaffe und in der Streitkräftebasis eingesetzt. Im Technischen Dienst war er zunächst für Softwarepflege- und Änderung verantwortlich tätig, bevor er in einer Kommandobehörde für Grundlagen und für die Einführung von Interaktiver Elektronischer Technischer Dokumentation (IETD) in der Luftwaffe zuständig wurde. Zuletzt war er Dezernatsleiter im zentralen logistischen Bereich der Bw, in dessen Verantwortung u.a. das IETD-Projekt Bw-weit weitergeführt wird. [...]“
 http://www.vaw-arvato.com/index.php?id=24&L=12&tx_ttnews[tt_news]=151&tx_ttnews[backPid]=16&cHash=e00ab3e42b

Aktuell bewirbt sich Arvato um einen Großauftrag der Bundeswehr. Mit diesem bislang größten Privatisierungsprojekt will die Bundeswehr große Teile ihrer sogenannten Basislogistik auslagern. Der Vertrag soll über zehn Jahre laufen und ein Volumen von vier bis fünf Milliarden Euro umfassen. Über die Vergabe soll im Sommer 2008 entschieden werden.

Mit diesen Privatisierungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen bereitet sich die Bundeswehr auf vermehrte weltweite Kriegseinsätze vor.

Dazu berichtete der Tagesspiegel am 04.01.2008:

"Das bedeutet, dass neben dem Personal auch immer mehr Material in die oft tausende Kilometer entfernten Einsatzgebiete geschafft werden muss – eine Aufgabe, der die Bundeswehr mit ihren logistischen Strukturen aber oft nur teilweise gerecht werden kann. Beispielsweise verfügen die deutschen Streitkräfte über kein weltweites Netz von Niederlassungen wie etwa international tätige Speditionen. Diese könnten bei Bedarf rund um den Globus auf Mitarbeiter zurückgreifen, die sich um Zollangelegenheiten oder die Verladung von Gütern kümmern. „Die sind in fast jedem Ort der Welt vertreten“, sagt General Ueberschaer. „So etwas können sich die Streitkräfte aber nicht leisten."
 http://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland/Bundeswehr;art122,2449448

Umfangreiche militärische Aufrüstungsprogramme für die EU fordert seit vielen Jahren die Bertelsmann Stiftung als Hauptaktionärin des Bertelsmann-Konzerns (76,9 Prozent).
 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25765/1.html
 http://akin.mediaweb.at/2005/11/11bertel.htm
 http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=11983

Ihre Studien finanziert die Bertelsmann Stiftung aus ihren Aktiengewinnen, die sie Dank staatlich anerkannter Gemeinnützigkeit steuerfrei einstreicht. Kontrolliert wie die Stiftung jedoch von der Eigentümerfamilie Mohn, die ihr 1993 die Mehrheit der Kapitalanteile übertrug. Die Stimmrechte an diesen Aktien werden wiederum von der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft ausgeübt, die ebenfalls von der Eigentümerfamilie kontrolliert wird, gemeinsam mit mehreren Spitzenmanagern des Konzerns, die jedoch erfahrungsgemäß nach Belieben der Familie auch schnell gefeuert werden können.

1995 gründete die Stiftung eigens einen Ableger für Spanien, die Fundación Bertelsmann. 2005 kündigte die Fundación an, zukünftig in Spanien operativ wirtschafts- und gesellschaftspolitisch Einfluss zu nehmen. Außenpolitsch schmiedet die Bertelsmann Stiftung Pläne, die Expansion des Konzerns im spanischsprachigen Raum abzusichern durch Einbindung Spaniens in deutsche Herrschaftspläne für eine „Weltmacht EU“. In einem Reflexionspapier der BertelsmannForschungsgruppe Politik von 2003 anlässlich des „DeutschSpanischen Forums“ heißt es: „Sowohl Spanien als auch Deutschland fällt eine Schlüsselrolle als Mittler zu großen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Räumen zu.“ Spanien hätte diese Funktion im Hinblick auf Lateinamerika. Die „Entwicklung einer kohärenten Lateinamerika-Strategie der Europäischen Union“ liege im Interesse Deutschlands als „zentralen Handelspartner der Region“. Dabei zeichnet die Bertelsmann-Forschungsgruppe das Bild einer zukünftigen, militärisch aufgerüsteten EU, die auch in lateinamerikanischen „Krisen“-Regionen einsatzfähig wäre.

Mehr über Bertelsmanns Interessen in Lateinamerika:
 http://www.anti-bertelsmann.de/2007/BertelsmannLateinam.pdf

Siehe auch:
Die Zukunft Europas gestalten – Deutschland und Spanien in der erweiterten Europäischen Union. Reflexionspapier für das Zweite DeutschSpanische Forum, Berlin, 1.2. Oktober 2003,
Bertelsmann Forschungsgruppe Politik;
deutsch:  http://www.cap.lmu.de/download/2003/2003_DieZukunftEuropas.pdf,
spanisch:  http://www.cap.lmu.de/download/2003/2003_Construirelfuturo.pdf


Weitere Infos (in Spanisch) zum Konflikt der CNT Barcelona mit der Bertelsmann-Tochter VAW findet ihr hier:
 http://barcelona.cnt.es/?p=557,
 http://barcelona.cnt.es/?p=558,
 http://barcelona.cnt.es/?p=563,
 http://barcelona.cnt.es/?p=566,
 http://barcelona.cnt.es/?p=586

Ausserdem gibt es dort auch einen Bericht mit Bildern zu einer Protestaktion bei VAW und SEAT (Hauptkunde von VAW) von Ende August:
 http://barcelona.cnt.es/?p=565

 http://anarchosyndikalismus.org/international/spanien/vaw-avarto2008/index.html
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Ergänzungen

Profitieren von Unsicherheit und Krieg

http://www.heise.de 02.02.2008 - 12:17
Private Militärdienstleister wollen künftig ganze Armeen auf den Markt bringen

Bereits 2003 konstatierte die britische Tageszeitung The Guardian einen "point of no return": Private Military Companies (PMC) hätten sich im Kriegsgeschäft so unentbehrlich gemacht, dass militärische Feldzüge ohne sie nicht mehr durchführbar seien. Mehr als ein Drittel der im US-Militärhaushalt vorgesehenen Mittel für die Operationen in Zentralasien inklusive Afghanistan und Irak fließen an private Firmen. Besonders seit dem 11.9. boomt die Branche. PMCs übernehmen zunehmend militärische Kernaufgaben: Sie absolvieren logistische Aufträge, sichern militärische und zivile Transporte, sind in der Aufklärung tätig, eskortieren verletzte Soldaten aus Kampfgebieten, assistieren bei Kampfhandlungen, bedienen Waffensysteme, verhören Gefangene und bilden Soldaten, Geheimdienste sowie Polizeibeamte aus. Die Angebotspalette reicht mittlerweile bis zu der Offerte, ganze Kampftruppen aufzustellen und für Kriegszwecke zu vermieten.

Weiterlesen auf:
 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23388/1.html

ES?

Esslingen 03.02.2008 - 14:00
Finde die Ortsangabe im Titel (ES) etwas verwirrend. Hab zumindest zuerst an den Landkreis Esslingen gedacht.