Gotha: Nazi-Schläger aus Arnstadt vor Gericht

Antifaschistische Prozessbeobachtung 01.02.2008 13:01 Themen: Antifa
Am 13.11.2005 schlugen vier Arnstädter Neonazis am Rande eines faschistischen Fackelmarsches in Friedrichroda eine junge Antifaschistin zusammen, weil sie lautstark gegen den Naziaufmarsch protestierte. Zwei Jahre später stehen die Täter vor Gericht und wollen von nichts mehr wissen.
„Heldengedenken“ am Volkstrauertag 2005

Jährlich veranstalten Faschist_innen in Thüringen am Volkstrauertag einen Fackelmarsch in Friedrichroda und zelebrieren ein ausgemachtes „Heldengedenken“ in Erinnerung an die Soldaten, die für Nazideutschland kämpften. Nach Naziangaben „gedachten“ an jenem 13. November 2005 ca. 120 Neonazis aus ganz Thüringen den Mörder_innen aus dem Dritten Reich.
Unter ihnen auch die Täter Enrico Hartung (31), Steffen Hennrich (30) und die Brüder Sven (29) und Nico Geyer (25).
Sie liefen am Ende des Demonstrationszuges und setzten sich von der Demonstration ab, als sie zwei Antifaschist_innen in einer Seitenstraße sahen. Sie verfolgten ihre Opfer und brachten ein zum Tatzeitpunkt 16-jähriges Mädchen zu Fall. Sie traktierten sie am Boden liegend mit Schlägen und Tritten. Die Betroffene erlitt Prellungen und Hämatome am ganzen Körper.
Ein pikantes Detail: Die Täter sind die Mitbegründer eines Vereins namens „Nationalisten für Kinderrechte“. Wie wenig deren Propaganda mit dem Handeln zu tun hat, zeigt sich, wenn vier Männer ein 16-jähriges Mädchen brutal zusammenschlagen.

Vor dem Prozess

Schon gegen 8 Uhr versammelten sich 20-30 Unterstützer_innen der Betroffenen vor dem Amtsgericht. Angemeldet war eine Solidaritätskundgebung. Die Antifaschist_innen, die den Prozess ab 9 Uhr im Gerichtssaal verfolgen wollten, mussten Personalien- und Personenkontrollen über sich ergehen lassen. Alle Teilnehmer_innen wurden auf einem Bogen durch die Polizei erfasst. Selbst die Betroffene wurde von den Beamt_innen durchsucht.
Schon vor Prozessbeginn war der Raum überfüllt und weitere Unterstützer_innen wurden durch die Polizei abgewiesen. Gegen 9.15 begann der Prozess.

Die Anklage

Den Tätern wird gemeinschaftlich begangene schwere Körperverletzung vorgeworfen. Als Nebenklägerin war die betroffene Antifaschistin mit Anwältin vertreten.

Steffen Hennrich als „Sprecher“ mit Nazianwalt Thomas Jauch

Als einziger Täter äußerte sich Steffen Hennrich. Ihm schlossen sich die anderen an. Hennrich wurde offensichtlich gebrieft durch den bundesweit in Erscheinung tretenden Nazianwalt Thomas Jauch. Hennrich gab zu Protokoll er habe mit seinen Kameraden die zwei am Streckenrand protestierenden Antifaschist_innen zur Rede stellen wollen. Von einem Angriff möchte er nichts wissen. Zwar haben die Neonazis die Demo verlassen und seien den Antifaschist_innen hinterher gelaufen, gerannt seien sie aber nicht und auch die Verletzungen habe man dem Opfer nicht zugefügt. Die Betroffene sei gestolpert, habe sich überschlagen und sich so die Verletzungen zugezogen.
Auf die Nachfrage der Staatsanwaltschaft, wie sich ein Mensch, der stolpert überschlagen könnte, äußerte Hennrich, sowas sei ihm selbst schon passiert.Zu Beginn seiner Ausführungen versuchte Hennrich, nicht ohne Erfolg, eine Drohkulisse aufzubauen und ließ keinen Zweifel, dass man alles abstreiten werde. Er drohte dem Opfer und einem potenziellen Zeugen mit Anzeigen wegen Meineid.

Zeuge Patrick Wieschke

Der NPD-Landesgeschäftsführer Thüringens Patrick Wieschke war an jenem Tag als Ordner vor Ort. Er pfiff seine Kameraden auf Anweisung der Polizei zurück, da man den Neonazis mit Auflösung der Demo drohte. Während der Zeugenvernehmung betonte Wieschke nichts gesehen zu haben. Als er in der Seitenstraße ankam, kamen ihm seine Kameraden schon entgegen. Um weitere Fragen drückte sich Wieschke mit der Begründung es sei ja schon mehr als zwei Jahre her.
Die Vernehmung einer Polizeihauptmeisterin bringt auch keine weiteren Hinweise, da die Beamtin am Tag gar nicht vor Ort war.

Vernehmung des Opfers

Die Betroffene kam in den Gerichtssaal und musste erstmal an der Anklagebank vorbei, wo die vier feixenden Täter und ihre Anwält_innen saßen, setzte sich in der Mitte des Raumes auf den Vernehmungsstuhl und musste sich von allen Seiten Fragen gefallen lassen, von den durchdringenden Blicken der Täter ganz zu schweigen. Nazianwalt Thomas Jauch frage zynisch: „Waren die Tritte schmerzhaft?“. Seine Fragen wurden nicht unterbunden. Wenig hilfreich waren auch Sprüche des Richters, wie „Bleibende Schäden haben sie ja nicht“ oder das Beharren und vielfache Nachfragen nach der Kleidung des Opfers zum Tattag bzw. vermeintlich vorliegender Vermummung. Das Befinden der Betroffenen wurde, um es auf den Punkt zu bringen, mit Füßen getreten. Eine Atmosphäre, in der die Betroffene ohne Angst über den Vorfall sprechen kann, war zu keinem Zeitpunkt gegeben. Im Gegenteil sie sollte sich rechtfertigen für ihr Engagement sich den Nazis entgegenzustellen. Ihre Glaubwürdigkeit wurde mehrfach in Frage gestellt.
Dementsprechend war das Verhalten und Agieren der Betroffenen verunsichert.

Fortsetzungstermin

Gegen 10 Uhr wurde der Prozess unterbrochen, kurze Zeit später nur kurz fortgesetzt und schließlich für den Prozesstag beendet. Das Fehlen eines Zeugen, sowie die gewünschte Vernehmung weiterer Personen führten dazu, dass sich über einen Fortsetzungstermin verständigt wurde. Weitere fünf Menschen sollen vernommen werden.

Zwischenfazit

Während des Prozesses ist es den Nazis und ihren anwaltlichen Vertretungen gelungen die Täter-Opfer-Konstellation zu verdrehen und so ein für die Nebenklage unangenehmes Klima zu schaffen. Der Antifaschistin wird von Seiten der Verteidigung das Lügen unterstellt. Vorhandene Zeugen, ob Nazis oder Polizei, wollen nichts gesehen haben. Daran wird sich wohl auch zum Fortsetzungstermin mit der Vernehmung weiterer Polizist_innen wenig ändern. Dies deckt sich mit dem gegenwärtigen Umgang der Polizei in Thüringen, Naziangriffe zu verleugnen und zu verharmlosen. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Beamt_innen zugeben, dass sie einen brutalen Angriff auf ein junges Mädchen gebilligt haben und nicht eingegriffen haben.
In unserer Solidarität mit der Betroffenen dürfen wir nicht nachlassen. Wir müssen ihr weiter das Gefühl geben, dass sie nicht allein ist und schon gar nicht (mit-)schuldig an dem ihr angetanen.

Gegen Nazigewalt und Täterschutz-Justiz!
Betroffen ist eine, gemeint sind wir alle!
Solidarität mit der Antifaschistin!
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Ergänzungen

Neonazis streiten Schläge ab

NuffNuff 01.02.2008 - 14:58
Neonazis streiten Schläge ab

Ein 16-jähriges Mädchen soll von vier Neonazis misshandelt worden sein. Ein Angeklagter reagierte vor Gericht mit dreisten Sprüchen.

GOTHA. Die Strategie der vier Angeklagten aus der rechtsextremen Szene im Alter zwischen 25 und 31 Jahren war schnell klar: "Unschuldig". Gleich zu Beginn der Verhandlung gestern vor dem Amtsgericht Gotha kündigte einer der Angeklagten dem einzig möglichen Zeugen, der etwas anderes gesehen haben könnte, an, dass man ihn "drankriegen" werde. Und gleich noch einmal blitzte die Gesinnung von Steffen H. auf. Er wies die Anklage mit den Worten zurück: "Hätten wir zugetreten, dann ginge es hier nicht um schwere Körperverletzung. Dann würde sie noch heute dort liegen."

Sie, ein damals 16-jähriges Mädchen, hatte im November 2005 mit einem Bekannten gegen einen Neonaziaufmarsch in Friedrichroda protestiert. Unstrittig ist, dass sich nach den Rufen die vier Angeklagten aus dem Aufmarsch lösten und den beiden Protestierenden folgten. Laut dem Mädchen wurde sie von zwei Männern erst in eine Toreinfahrt gedrängt und dann so gestoßen, dass sie auf die Straße stürzte, wo dann alle vier auf die 16-jährige eintraten. Ihr Bekannter, der gestern fehlte, weil er krank sein soll, habe sich zu diesem Zeitpunkt hinter einem Gartenzaun versteckt.

Einer der Neonazis dagegen erklärte, dass die beiden nur "zur Rede gestellt" werden sollten, weil sie beleidigende Sprüche gerufen hätten. Beim Wegrennen sei das Mädchen gestürzt und habe sich dabei "überschlagen". Offenbar hat keiner der anwesenden Polizisten das Geschehen beobachtet. Zudem behaupten die Angeklagten, keine Springerstiefel getragen zu haben. Das Opfer dagegen erklärt, mit solchen Stiefeln getreten worden zu sein.

Mitte Februar soll der Prozess mit weiteren Zeugen fortgesetzt werden. Bittere Ironie: Einer der Neonazis engagierte sich in einem Verein, der den Namen "Nationalisten für Kinderrechte" trägt.
30.01.2008 Von Kai MUDRA

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Steffen Hennrich — smyrna

@mods — ich