Köln-Kalk: Salih ist tot! - und was nun?

Hartwig Pruske 27.01.2008 12:22 Themen: Antirassismus
Ich war in der letzten Woche auf der Kalker Mahnwache für den ermordeten Salih und wurde dort trotz deutlich als antifaschistisch erkennbarem Plakat (TEXT: "Gegen jeden Rassismus! - Nazis entschlossen entgegentreten!" - BILD: Faust zerschlägt Hakenkreuz) von anderen Teilnehmern angegriffen. Einige Jugendliche beschimpften mich ohne erkennbaren Grund als "Scheiss Deutscher", "Schweinefresser" und "Nazischwein" und schlugen mir ins Gesicht. Wären nicht einige ältere migrantische Männer mäßigend eingeschritten, wäre es vermutlich zu noch massiveren Gewalttätigkeiten gekommen. Auch andere TeilnehmerInnen mit scheinbar "deutschem" Hintergrund wurden angepöbelt.
An dieser Stelle wird praktische Solidarität schwierig, wiel sie anscheinend von einem grossen Teil der Adressaten überhaupt nicht erwünscht ist.

Doch GENAU AUS DIESEM GRUND ist diese Form der Solidatität durch "deutsche" AntirassistInnen heute wichtiger denn je!
Ich habe den ganze Samstag lang über meine Erlebnisse nachgedacht und sehe eine riesige Gefahr in einer zu befürchtenden Ethnisierung der Proteste in Kalk (und auch anderswo). Gerade im vorliegenden Fall ist es entscheidend wichtig, dass explizit auch Menschen mit "deutschem" Hintergrund den migrantischen Trauernden und der Familie von Salih ihr Beileid und ihre Solidarität offen und zahlreich bekunden.

Es muss klar gemacht werden, dass die Wut und die Empörung über die straflose Ermordung eines migrantischen Jugendlichen, und die soziale und rassistische Diskriminierung der MigrantInnen ganz allgemein, auch von "Deutschen" geteilt und mitgetragen wird.

Wenn man die MigrantInnen mit ihrer Wut und ihrer Trauer jetzt alleine lässt, könnte sich dort leicht der pauschale Eindruck verfestigen, von "den Deutschen" per se ausgeschlossen und abgelehnt zu werden.
Wir Linken müssen jetzt deutlich machen, dass es viele Menschen mit "deutschem" Hintergrund gibt, die auf der Seite der diskriminierten MigrantInnen stehen, und dass der Konflikt in Wahrheit kein Konflikt zwischen Nationalitäten, Religionen oder angeblichen "Rassen" ist, sondern eine Auseinandersetzung allein um soziale Benachteiligung und Ausgrenzung von Menschen mit bestimmter Herkunft!

Es muss von uns immer wieder deutlich gemacht werden, dass der Konflikt, dem am Ende auch Salih zum Opfer fiel, kein Konflikt zwischen "deutsch" und "migrantisch", oder "christlich" und "muslimisch", sondern ursächlich eine Auseinandersetzung zwischen "reich" und "arm" - also zwischen "oben" und "unten" - ist!!!

Ich habe die grosse Befürchtung, dass sich bei vielen Beteiligten eine ethnisierende Sichtweise des Konfliktes herauszubilden beginnt. Meine eigenen geschilderten Erfahrungen verstärken diese Befürchtungen. Dass ich zur Mahnwache gekommen war, um gemeinsam mit den Trauernden und an ihrer Seite zu demonstrieren, war scheinbar irrelevant - ich wurde auf meine ethnische Herkunft reduziert und allein wegen dieser Herkunft beleidigt und angegriffen.

Wenn sich diese Entwicklung vertieft, dann hätten die Nazis einen wichtigen Erfolg zu verbuchen. In ihrer Ideologie verlaufen ja die Fronten nicht entlang der sozialen Bruchlinien, sondern zwischen Nationalitäten und dem was sie "Rassen" nennen. Eine (wenn auch nur oberflächliche) Ethnisierung des Konfliktes, wäre dann fast sowas wie eine Bestätigung dieser abartigen Theorien! Auch Linke und AntifaschistInnen mit "deutschem Herkunftshintergrund müssten dann befürchten, von vielen MigrantInnen nur noch auf ihr (angebliches) "deutsch sein" reduziert zu werden.


DESHALB:

Alle Linken, alle Humanisten und ganz allgemein alle Leute, die an einem friedlichen Zusammenleben zwischen allen Menschen interessiert sind, sind hiermit aufgerufen, zahlreich zu den Mahnwachen in Köln-Kalk (Josephskirchplatz) zu kommen, um mit mir und hoffentlich vielen anderen Menschen unsere Solidarität und Anteilnahme zu bekunden.

Machen wir allen klar, dass es nicht um "deutsch" oder "ausländisch", sondern um Gerechtigkeit und Chancengleichheit geht. Die Grenze verläuft nicht zwischen "Deutschen" und "Ausländern", sondern zwischen oben und unten!!!



Hartwig Pruske,
Krefelder Präventionsrat gegen Rassismus und Gewalt
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Ergänzungen

"die straflose Ermordung"

egal 27.01.2008 - 13:37
Hallo Hardwig Pruske,

Du machst mit Deinem Artikel genau das, was Du unbedingt verhindert sehen möchtest.
Du lieferst eine "ethnisierende" Sichtweise und v. a. Wertung der Geschehnisse.

Zwei junge Männer greifen zwei andere junge Männer in der Absicht an, diese zu berauben. Als diese sich weigern, greifen die Angreifer ihre Opfer(!!) gewaltsam an und schlagen auf sie ein.
Daraufhin zieht einer der Angegriffenen, der bei einem Schlag zuvor bereits seine Brille verloren hat, ein Messer und sticht einmal zu. Anschließend ruft er den Notruf und wartet bis dieser eintrifft.

So weit das Geschehen laut Presse/Staatsanwaltschaft/Zeugen und Polizei.

Da es sich aber bei dem Angreifer, der später stirbt, um einen Migranten handelt, wird dieses Geschehen von Dir plötzlich völlig neu bewertet. Anstelle eine Selbstverteidigung lobend anzuerkennen, stellst Du die Opfer des Angriffs plötzlich in die rassistische Ecke und dies nach einer vollkommen stupiden Logik: Der Tote ist Migrant, der andere Deutscher - da gibt es also nur eine Erklärung! Hiermit zeigst Du aber nur, dass Du genau in solchen "ethnisierenden Interpretationsstrukturen" gefangen bist, die Du ja angeblich verhindern möchtest. Anstelle zwei Menschen, die von zwei anderen Menschen völlig ohne Grund angegriffen werden, das Recht zuzugestehen sich gegen einen solchen Angriff mit allen Mitteln zu wehren, bringst Du "Nationalitäten" etc. ins Spiel.

Auch ist der Ausdruck einer "straflosen Ermordung" schon ziemlich bemerkenswert in diesem Zusammenhang.

Sich dann auch noch einer Mahnwache zu beteiligen, welche aus einer legitimen Selbstverteidigung einen Mord machen möchte halte ich für zumindest bedenklich.

Dass ein Dialog geführt werden muss, ist sicherlich richtig. Auch muss die Gefahr einer Ethnisierung, wie Du richtig bemerkst, gebannt werden.

Hierfür jedoch aus Opfern Täter und aus Tätern Opfer zu machen, finde ich widerlich!

Ein Mensch der grundlos angegriffen wird, sollte das Recht haben sich zu verteidigen. Wenn er den Mut dazu hat, verdient er Respekt und nicht anschließend als Täter diffamiert zu werden. Egal ob der Angreifer Polizist, Vergewaltiger, Gewalttäter etc. ist und ja, auch, wenn es sich bei dem Angreifer zufällig um einen Migranten handelt, dass ist nämlich während des Angriffs (wie hoffentlich immer) scheiß egal!

Also bitte noch ein paar Tage weiter nachdenken und beim nächsten Artikel auch den Fall schildern, damit sich hier bei Indy jeder selbst eine Meinung bilden kann.


PS: Hier noch ein Link zu einem Artikel einer anderen Zeitung:  http://www.rundschau-online.de/html/artikel/1200224780800.shtml

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Nur Pech — das der

Das wäre wie... — Se´lma

JA! — WOLL!

Die BILD zu den Ausschreitungen zum FC Köln — http://www.bild.t-online.de

Textkritik — Brille

@mods — egal

@ egal — scheißegal

Erstaunt bis Angewidert — Feldi Feldpost

Das Bild — @HARTWIG DU SPACKEN

Dei Mudder sei Gesicht — rehcstueditna tot nehcam

@Brille — Mannhart

Messerstecher — liest sowieso keiner

as — ee

@ ee 27.01.2008 - 20:05 — AntiArsch

Was tut ihr hier? — Joergator

Nachgedacht — Sebastian Knoll

Freunde — Lichtbringer

einfach nur krank — hongo

Ich bin mir sicher — Bernd Palme

Moment mal — Kira Steinkamp

Die Wahrheit — Nichts als die Wahrheit

Widerlich — Annika

Unrecht Gut gedeihet nicht — Robert Astroh

Für ALLE — Roland Ionas Bialke

Hehe — Wahr-Sager

Rassismus von Migranten — Wahr-Sager

Mich wundert nicht ... — Furchtlos

titel? — Commander

Satire? — Anke

Frage an Autor — Freddie

Opfer — salih II