HH-Wilhelmsburg DVU-Wahlkampfstand gestört

Inselrundblick 27.01.2008 02:17 Themen: Antifa
Im Rahmen des Wahlkampfes um die Hamburger Bürgerschaft wurde gestern durch die neonazistische DVU versucht, im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg einen Infostand durchzuführen. Dieser blieb nicht ungestört.
What's up?

Am 24. Februar finden in Hamburg die Wahlen für die Hamburger Bürgerschaft statt. Diesmal auch unter Beteiligung der neonazistischen DVU (deutsch Volksunion). Themenwahl und Durchführung des Wahlkampfes unter der Führung des Spitzenkandidaten Matthias Faust sind dabei an Populismus und Stumpfsinn nur schwer zu überbieten/ erreichen. Das Feld reicht hier von Solidaritätsbekundungen für die relativierende Bezugnahme der ehemaligen Tagesschausprecherin Eva Hermann auf das Nationalsozialistischen Familienwesen, bis hin zu stumpfen Forderungen a la „Michel statt Moschee“. Auch auf den von Roland Koch (CDU) medial ins Rollen gebrachten Wahlkampfzug, über den Umgang mit vermeintlich Kriminellen Nichtdeutschen, springt die DVU zum Stimmenfang in Hamburg erfolgreich auf. Mittel sind dabei laut DVU 300.000 Flugzettel und 30.000 Video CDs. Kosten, die beim Erreichen der Einprozenthürde von der Stadt Hamburg zurück erstattet werden... Während Die CDs ab nächster Woche vorrangig an Hamburger Schulen verteilt werden sollen, setzt die Partei beim Verteilen der Flugblätter auch auf Bürgernähe bei den schon Wahlberechtigten. In diesem Rahmen sollte gestern (Samstag 26.01.) ein „Wahlinfostand“ im Stadtteil Wilhelmsburg durchgeführt werden.





So on...

Standort war ein gut einsehbarer Randstreifen des wohl gefüllten Marktplatzes im nördlichen Reiherstiegviertel. Nach dem Bekanntwerden des Standes fanden sich nach und nach mehr Menschen ein, die die vorgefundene Sachlage wohl nicht akzeptieren wollten. Das nahmen wohl auch die paar Streifenbullen vor Ort war, welche eiligst nach Verstärkung telefonierten. Vorfindbar war zu diesem Zeitpunkt ein Tapeziertisch mit rassistischer Propaganda wie Flugblättern oder der Postille des Parteigründer und DVU-Finanziers Gerhard Frey – „die Nationalzeitung“. Daneben sieben eher unscheinbare, jedoch leicht verwirrt wirkende Herren, unter ihnen auch Matthias Faust, Gesicht der DVU in Hamburg.
Wilhelmsburg ist ein Stadtteil mit eher migrantischem backround sowie vielen sozial benachteiligten Anwohnern- ein Fakt bei dem die Parteispitze wohl Wählerpotenzial im eher traditionell „deutschen“ Milieu des Stadtteils sieht. Die Mehrzahl der PassantInnen konnte inhaltlich wohl nicht viel mit dem Infostand anfangen, so dass das Treiben längere Zeit keinen Anstoß erregte. Schneller wäre dies wohl gegangen, wären alle mitgebrachten Plakate aufgestellt wurde. Wie sich später zeigte, wurde wohl darauf verzichtet ein bereitgestelltes „Michel statt Moschee“-Plakat aufzustellen. Scheinbar war die Angst als Rassisten geoutet zu werden, und das passente Echo zu erhalten, doch größer, als der Drang sich hinter die eigenen Forderungen zu stellen. Stillschweigend und nur in wenigen Metern Abstand versuchte ein Stand der SPD ebenfalls das Markttreiben zum Stimmenfang zu nutzen. Widerstand seitens der „Sozialdemokraten“ gegen den Stand der Neonazis war dabei nicht wahrnehmbar- die Lösung der Lage schien zu sein, den eigenen Stand zügig abzubauen und ohne Positionierung davon zu kommen.
Mittlerweile reichte die Menge der Menschen vor Ort zum Handeln. Mehrere Personen nutzen die Gelegenheit, um mitgebrachte Transparente zu entrollen und mit Sprechchören die Szenerie zu thematisieren. Absolut unzugänglich für mögliche Interessierte wurde die Wahlkampfveranstaltung, als mehrere Wannen Hamburger Bereitschaftspolizei kurz darauf eintreffen und sich zwischen Transparent und Stand postieren. Nach mehrminütigem Verweilen folgte die Aufforderung des Einsatzleiters der Bullen, sich zu entfernen, sollte sich keinE AnmelderInn finden. Eine engagierte Passantin wollte die Anmeldung dann auch vornehmen, nur wurde sie nun vom Einsatzleiter mit einem „Jetzt nicht. Ich bin beschäftigt!“ abgefertigt (während er die TeilnehmerInnen der spontanen Gegenaktion per Megafon darüber informierte, dass diese sich nun entfernen sollten, da keineR das Ganze anmelden will). Mehrmals darauf hingewiesen, dass das so nicht richtig ist, da ja eine Person gefunden wurde, nahm sich der Einsatzleiter die Frau beiseite und erklärte, dass wenn sie jetzt anmelden würde, er ein Verfahren gegen sie wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz einleiten würde. Eine Einschüchterung die Wirkung zeigte. Kurz darauf findet der Übergriff der Bereitschaftsbullen auf das Transparent und die Menschen dahinter statt. Mit hoher Brutalität werden dabei die Personen zur Personalienabgabe gedrängt, gegen Autos gedrückt und in Handhebeln festgehalten.
Als kurz darauf eine „interessierte“ Person mit dem Infotisch so intensiv in Kontakt kommt, das dieser ein gutes Stück geleert wird und festgehalten werden muss, kommt es zu einem weiteren aggressiven Zugriff mit anschließender Personalienfeststellung. Nur Minuten später verlassen die DVU-Mitglieder den Platz und ziehen ab.
Bilanz des Geschehens, sieben eher peinliche DVU-Neonazis, um die dreißig couragierte GegenprotestlerInnen und viel zu viele Bullen... nicht zu vergessen jedoch drei, bei der eiligen Abreise vergessene Stellschilder.




And now? It's your turn!

Selbstverständlich ist damit zu rechnen, dass dies nicht die letzte Wahlkampf-Veranstaltung der DVU in Hamburg gewesen sein wird. Augen auf nach Infoständen, Veranstaltungen und Neonazipartys. Wenn die DVU den angekündigten Wahlkampf in Hamburg mit CD-Verteilaktionen an Schulen durchziehen will, dann sollte es das entsprechende Echo geben. Dies gilt selbstverständlich auch für die NPD, so genannte „freie Kameradschaften“, sowie für alle anderen Neonazis und Rassisten -nicht nur in Hamburg, sondern überall.




Antifa heißt auch mal S-Bahn fahren!
Turn them down!



Dies ist der Versuch einer kurzen Zusammenfassung des Geschehens, ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder den erforderlichen Tiefgang der Problematik. Dies ist kein Versuch einer Wertung, was in der Situation richtig oder falsch war oder gewesen wäre. Unzureichendes oder Falsches bitte Ergänzen.
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Ergänzungen

warum die dvu ihren stand da machte...

m. 27.01.2008 - 03:10
Quelle:  http://www.infratest-dimap.com/?id=143

"Der Stadtbezirk mit den höchsten Schill-Anteilen ist Harburg (27,4 Prozent), absoluter Spitzenreiter dabei das Problemgebiet Wilhelmsburg, wo Schill mit 35 Prozent nur ganz knapp hinter der SPD liegt."

(Infratest Dimap zur Bürgerschaftswahl 2001)

PM des [AAB/W]

[AAB/W] 27.01.2008 - 12:37
Pressemitteilung des Antifaschistischen Aktionsbündnis Wilhelmsburg [AAB/W]

Hamburg, 26.01.2008

DVU-Infostand gestört – kein Raum für Rechtsextremismus in Wilhelmsburg
Polizei geht brutal gegen AntifaschistInnen vor

Am heutigen Samstag, den 26. Januar 2008, versuchte die rechtsextreme Deutsche Volksunion (DVU) einen Wahlkampfstand auf dem Wochenmarkt auf dem Stübenplatz in Hamburg-Wilhelmsburg durchzuführen. Dies stieß auf massiven Protest von AnwohnerInnen und PassantInnen. Mit rassistischen Parolen wie „Arbeit statt Zuwanderung“ ging unter anderem Matthias Faust (der Spitzenkandidat der DVU für die Wahl zur Hamburger Bürgerschaft) auf Stimmenfang. Gerade in dem von Arbeitslosigkeit geprägtem Stadtteil Wilhelmsburg versucht die DVU ihr fremdenfeindliches Gedankengut durch solch dumpfe Parolen mehrheitsfähig zu machen.

Dutzende AnwohnerInnen wollten diese offene Darstellung rassistischer Hetze nicht hinnehmen und versammelten sich spontan unmittelbar vor dem DVU-Stand. Zeitweise mehr als 50 Menschen brachten mit Transparenten und Sprechchören wie „Nazis morden, der Staat schiebt ab, das ist das gleiche Rassistenpack“, sowie „Für die Freiheit und das Leben, Nazis von der Straße fegen“, ihre antifaschistische und antirassistische Meinung zum Ausdruck. So konnte verhindert werden, dass die DVU weiterhin ihre Propaganda verbreiten konnte. Die DVU brach daraufhin ihren Stand vorzeitig ab und verließ unter Polizeischutz den Stübenplatz.

Erschreckend war das harte Vorgehen der herbeigerufenen Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei. Circa 20 mit Helmen, Schutzpanzern und Knüppeln bewaffnete PolizistInnen sowie 10 StreifenpolizistInnen waren zum Schutz des DVU-Standes vor Ort. Die spontane Anmeldung einer Gegenkundgebung wurde von dem Einsatzleiter Herrn Petersen abgelehnt und der bereitstehenden Anmelderin mit Strafmaßnahmen gedroht. Daraufhin ging die Bereitschaftspolizei brutal gegen die anwesenden AntifaschistInnen vor. Mehrere Personen wurden dabei verletzt. Sechs Personen wurden zur Personalienfeststellung festgehalten, ihnen droht laut Auskunft der Einsatzleitung ein Verfahren wegen angeblichen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz.

Lieselotte Grünwald (26) vom Antifaschistischen Aktions Bündnis Wilhelmsburg [AAB\W] meint dazu: „Hier zeigt sich wieder einmal die Scheinheiligkeit der politischen Debatte in Deutschland. Während von Politikerinnen immer wieder entschlossenes Handeln gegen Rechtsextremismus gefordert wird, antwortet die Polizei mit Brutalität und Repression auf einen Akt der geforderten Zivilcourage. Ich konnte beobachten, wie mehrere Personen zu Boden gerissen wurden oder mit dem Kopf gegen Einsatzfahrzeuge geschlagen wurden.“

Auch viele andere PassantInnen zeigten sich schockiert über das Vorgehen der Polizei. So Thomas Rainmund (41): „Ich konnte viel Unmut hören, sowohl wegen der DVU als auch der Polizei. Ein Anwohner meinte, hier beschütze die Polizei mit alten Nazimethoden die neuen Nazis. Es ist allerdings ein gutes Zeichen, dass so viele Menschen offen ihr Gesicht gegen Rechtsextremisten im Gewand von Parteien und Politikern zeigen.“

Auch in Zukunft werden wir dafür sorgen, dass DVU, NPD oder andere RassistInnen sich nicht in Wilhelmsburg etablieren können.

Das eroberte Wahlkampfmaterial werden wir bald seiner Bestimmung übergeben!





Ein weiterer Artikel dazu

Carsten 27.01.2008 - 13:47
Einen weiteren Artikel (mit zusätzlichen Bildern) gibts bei der DGB-Gewerkschaftsjugend:

 http://waehlen-statt-meckern.de/?p=122

Heißer Wahlkampf der DVU

egal 27.01.2008 - 15:14
laut DVU Seite wollen sie nach NPD Vorbild auch an die Schulen gehen. Da können wir sie ja mal erwarten!


Matthias Faust: "Der Wahlkampf tritt jetzt in seine heiße Phase. 300.000 Flugblätter 'Unser Kurs' und 30.000 Multimedia-DVD kommen in diesen Tagen zur Verteilung. Die DVD kommt ab nächster Woche vor allem an Schulen zum Einsatz

nazi konzert

hhler 27.01.2008 - 20:47
Soll Tiefstack stattgefunden haben im Industrie gebiet. Immerhin 40 leude haben sich Hbf eingefunden. Sollen an die 70 Boneheads und Dorfglatzen am Start gewesen sein. Eine Hundertschaft Bullen stand auch schon bereit. Warum sich alle Kesseln lassen haben weiss ich auch nicht, nächstes mal gradeaus weiter ;-)

Man sollte sich in Zukunft überlegen ob man nicht doch wenn die Info schon am frühen vormittag bekannt ist, den alten Weg nehmen sollte und es auf Indymedia öffentlich posten.
Dieses geheime wischi waschi hat nur eins gebracht ne winzige Anzahl an Leuten...

DVU hatte keine Genehmigung für ihren Stand

Ingo Böttcher 30.01.2008 - 22:02
Aus dem Bezirksamt Harburg weiß ich, dass die DVU für diesen Standort am 26.1. keine "Sondernutzungserlaubnis" hatte - die braucht man in Hamburg für Infostände. Eigentlich sollten die Typen 100 m weiter südlich an der Kreuzung Vehringstraße/Fährstraße stehen.
Das bedeutet, die Polizei (schon der "Bürgernahe")hätte die DVU zur sofortigen Räumung des Stands auffordern können und müssen. Hat sie aber nicht. Sondern lieber ein bisschen ihre Rangel- und Schutzwallkompetenz demonstriert. Ich frage mich warum. Entweder haben die darauf verzichtet, die Standgenehmigung anzusehen, weil sie so unbürokratisch oder formal ahnungslos sind. Oder sie hatten einfach Lust auf die Show und die Standgenehmigung war ihnen egal.
Man hört von den Einsatzkräften in solchen Szenarien ja immer wieder - und auch hier "Wir müssen das tun, wir tun das aber auch nicht gerne..." In diesem Fall mussten sie nicht. Sie hätten die Nazis einfach wegschicken und ihnen noch ein Ordnugswidrigkeitsverfahren mitgeben können. Hätten die Stadtteilpolizisten und später der Einsatzleiter ihren Job ordentlich gemacht, hätten sie der Demokratie einen Gefallen tun und den WilhelmsburgerInnen den Stress ersparen können.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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gut gemacht — egal

Rechtsrock-Konzert — Schildkröte

@ Ingo Böttcher — Antworter