Staatlicher Ausnahmezustand im Baskenland

pres@s libertad! 25.01.2008 18:04 Themen: Repression Weltweit
Repressionswelle im Baskenland eskaliert: Gefängnis, Folter und Parteiverbote. Vor den Wahlen in Spanien am 9. März wurde heute das Verbotsverfahren gegen linke baskische Parteien eingeleitet. Europaweite Rundreise von baskischen Bürgermeistern gegen die Repression startet am 28./29.1. in Berlin.
VERBOT DER LINKEN BASKISCHEN PARTEIEN BESCHLOSSEN

Die General-Staatsanwaltschaft hat heute das Verbotsverfahren gegen die baskische unabhängige antifaschistische Linkspartei ANV und gegen die baskische kommunistische Partei EHAK-PCTV eingeleitet. Am kommenden Montag wird die Illegalisierung vor dem Obersten Gerichtshof in Madrid entschieden. Vom Verbot sind auch alle Wahllisten im Baskenland betroffen, die im Verdacht stehen, Tarnlisten der verbotenen Organisationen zu sein. Außerdem bedeutet es das Verbot und massive Repression gegen jeglichen Protest und Wahlkampfaktivitäten.

Die "Kommunistische Partei der baskischen Länder" EHAK-PCTV hatte sich während der Wahlen in den Autonomie-Gebieten des Baskenlands (sog. "spanischer Teil" des Baskenland) 2005 aufgestellt, um angesichts des Verbotes der linken Unabhängigkeitspartei Batasuna und weiteren linken Wahllisten allen Illegalisierten eine Stimme zu geben. 9 Abgeordnete (8 davon Frauen) wurden gewählt, sie erhielten mehr als 150.000 Stimmen, d.h. mehr als 10% aller Stimmen.

Die ANV, unabhängige und antifaschistische Partei der baskischen Linken, wurde 1930 gegründet und verlor mehr als 500 Personen während des Krieges 1936 gegen die faschistische Armee Francos. Während des Krieges war sie auch Teil der Regierung der linken spanischen Republik und dann wurde sie, bis zum Ende der faschistischen Franco-Diktatur, illegal. Seit 1977 setzte sich die Partei weiterhin für Antifaschismus, Sozialismus und Unabhängigkeit ein und kandidierte sporadisch bei Lokal- und Kommunalwahlen. Angesichts der Illegalisierung von Batasuna, der Nachfolgepartei ASB und von lokalen Wahllisten stellte sich die ANV 2007 zu den Wahlen. Obwohl die ANV schon 2007 teilweise illegalisiert werden sollte, rief sie dazu auf, die linken Parteien und Wahllisten zu wählen, egal ob sie nun illegal oder legal seien. Das Resultat waren beinahe 200.000 Stimmen, d.h. 14% aller Stimmen, 45 Abgeordnete der ANV wurden zu BürgermeisterInnen gewählt und 400 Ämter konnten besetzt werden.


EUROPAWEITE RUNDREISE GEGEN REPRESSION STARTET IN BERLIN

Angesichts der Eskalation der Repression ruft die ANV derzeit zu Protestaktionen und Demonstrationen auf und organisiert eine europaweite Rundreise mit Auftakt in Berlin am 28./29. Januar 2008. Während der Rundreise soll bei Treffen mit Parlamentariern der Linksparteien aber auch mit weiteren sozialen und politischen Kräften weitere Protestinitiativen vereinbart werden. Auf einer öffentlichen Auftakt-Veranstaltung in Berlin am 29.1. im KATO (U-Bhf. Schlesisches Tor, 20 Uhr) werden die beiden Referenten Jon Bollar (Bürgermeister von Auslestia und Vorstand der Vereinigung baskischer Gemeinden) und Unai Urruzuno (illegalisierter Bürgermeister von Ondarroa) über die aktuelle Situation berichten.


PROTEST GEGEN FOLTER WIRD KRIMINALISIERT

Kurz nach der Veröffentlichung von Foltervorwürfen gegen den spanischen Staat durch Amnesty International werden immer weitere Foltervorwürfe bekannt. Die baskische Antirepressionsorganisation Askatasuna protestierte vor kurzem gegen die Verhängung von Incommunicado-Haft gegen 8 Jugendliche, denen vorgeworfen wird, bei gewaltätigen Protestaktionen beteiligt gewesen zu sein. Die Incommunicado-Haft genannte Isolationshaft bedeutet totale Isolation ohne Recht auf Anwaltsbesuch oder Besuch von Angehörigen für mehrere Wochen, und gerade in dieser Zeit finden die meisten Folterungen statt, wie auch Amnesty International zu berichten weiss.

Sogar der Protest baskischer Abgeordneter gegen aktuelle Foltervorfälle (Uschi Grandel zu Folterungen im Baskenland am 10.1. auf Indymedia:  http://de.indymedia.org/2008/01/204661.shtml ) soll als weiterer Vorwand für Parteiverbote dienen. So wurde die Bürgermeisterin von Hernani Marian Beitialarrangoitia (ANV) angeklagt wegen Unterstützung des Terrorismus, weil sie in einer öffentlichen Sitzung gegen die Foltervorfälle protestierte. Außerdem sagte sie: "Über die Verbote, der Repression, dem Gefängnis, der Folter hinaus: wir werden uns an den Wahlen beteiligen." Die derzeit stattfindenden Kundgebungen und Demonstrationen in zahlreichen baskischen Dörfern und Städten werden massiv beobachtet und mit Auflagen belegt, immer wieder kommt es zu erneuten Festnahmen. Inzwischen sind wieder mehr als 700 BaskInnen wegen politischer Aktivitäten im Knast, mehr als zu Zeiten Francos.


PROTEST VOR DEN WAHLEN VERBOTEN, BETÄTIGUNGSVERBOTE FÜR FRAUENRECHTLERINNEN

Alle Veranstaltungen und Protestaktionen, die im Verdacht stehen, Wahlkampf für eine der verbotenen Parteien zu betreiben, soll nach dem Willen des spanischen Gerichtshof und der sozialdemokratischen Partei des Staatspräsidenten Zapatero verboten werden. Um das zu garantieren muß das gesamte Baskenland mit Polizei besetzt werden. Die Repression hat spürbar zugenommen, wie auch die brutale Räumung einer Hausbesetzung in Irrunea und die Festnahme zahlreicher Jugendlicher zeigte. Nach Willen der spanischen Politik dürfen einen Tag vor den Wahlen, am 8. März, dem Internationalen Frauentag, auf Grund des politischen Betätigungsverbotes am Vorwahltag nicht einmal Demonstrationen der Frauenbewegung stattfinden, doch trotzdem rufen Frauengruppen wie in Madrid und anderswo zu Protesten und Demonstrationen auf.

SPANIENS PRÄSIDENT ZAPATERO GEGEN POLITISCHE LÖSUNG DES BASKENLAND-KONFLIKTS

Das die sozialdemokratische PSOE des Präsdienten Zapatero kein Interesse an einer politischen und demokratischen Lösung des Konfliktes um das Baskenland hat, zeigt sich schon allein darin, dass jetzt selbst Politiker der christlich-konservativen baskischen Partei PNV verurteilt wurden, weil sie sich für Friedensverhandlungen mit der verbotenen Partei Batasuna eingesetzt hatten. So wurde vor kurzem sogar der ehemalige Parlamentspräsident Juan María Atutxa (ANV) dazu verurteilt für zwei Jahre von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen zu sein. Er hatte sich 2003 geweigert, die von Spanien illegalisierte Parlamentsfraktion von Batasuna aufzulösen. Auch gegen den aktuellen baskischen Präsidenten der Autonomie-Regierung Ibarretxe ist noch ein Verfahren in dieser Sache vor dem Obersten Gerichtshof anhängig. Aus Protest haben die baskischen Regierungsparteien PNV, EA und EB sogar zu einer Großdemonstration gegen die Einschränkung der Rechte der Autonomie-Regierung aufgerufen.


WEITERE INFOS:
Solidaritätsgruppe OIHUKA |  http://www.oihuka.tk (deutsch)
Linke baskische Tageszeitung GARA |  http://www.gara.net (baskisch/spanisch)
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

ERRATA

pres@s libertad! 27.01.2008 - 12:50
Parlamentspräsident Juan María Atutxa ist von der PNV, und nicht wie im Text in Klammern geschrieben von der ANV.

Spanien kein demokratischer Staat (Alec Reid)

Uschi Grandel 27.01.2008 - 21:32

Einige Kommentare zum Angriff der spanischen Regierung auf Demokratie und Menschenrechte im Baskenland:

" ... Vertreter der baskischen Unabhängigkeitsbewegung (werden) wegen politischer Aktivitäten 'als Kriminelle' behandelt ... Ich komme langsam zu der Meinung, dass niemand Spanien als demokratischen Staat bezeichnen kann ..." Alex Reid, irischer Priester, Vermittler im spanisch-baskischen Konflikt, nach der Verhaftung der Batasuna-Führung im Oktober 2007 ( >>>> s. vollständiges Interview )

"Die spanische Exekutive und Justiz agiert ... in einem konfusen, undemokratischen Durcheinander ... gegen all unsere Hoffnungen auf Frieden mit einer Sturzflut von Verhaftungen (und späteren Gefängnisstrafen) ... rechtlich - unvorstellbar / sozial - beschämend / politisch - nicht korrekt / historisch - anachronistisch / ethisch - infam / ideologisch - dumm ... " Alfonso Sastre, spanischer Dramaturg, zu den Massenprozessen gegen Vertreter baskischer sozialer Bewegungen, Dez. 2007 ( >>>> GARA, 2.12.2007, es )

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Dezember 2007 die Klage der baskischen Partei Batasuna (Einheit) gegen die spanische Regierung wegen des Verstosses gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit zugelassen. Die baskische Partei, deren politisches Ziel ein unabhängiges Baskenland ist und die zum Spektrum der linken baskischen Unabhängigkeitsbewegung (Izquierda Aberzale) zählt, war 2003 von der spanischen Regierung verboten worden. In Frankreich ist die Partei legal. ( >>>> s. Bericht vom 18.12.2007 )

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an

EU=diktatur — antifa 4-ever