Strafvollzug – und ...

thomas meyer-falk 21.01.2008 09:15 Themen: Repression
Strafvollzug – und das Übel der Privatisierung
Strafvollzug – und das Übel der Privatisierung

Man muss kein ausgewiesener Gegner von Privatisierungen öffentlicher Einrichtungen oder des Strafvollzugssystems an sich sein, um sich vorstellen zu können, dass Verlagerungen im Bereich des Justizvollzuges vom Öffentlichen Dienst weg, hin zur Privatwirtschaft zumindest nicht förderlich für die Gefangenen sein werden.

In der Realität dürften die Privatisierungsbestrebungen viel mehr drastische Verschlechterungen zur Folge haben, so dass die jetzt schon teilweise krisenhafte Lebenslage Inhaftierter sich weiter zuspitzen dürfte.

Ende Dezember 2007 verkündete Baden-Württembergs Justizminister Goll, man habe der Firma KÖTTER Justizdienstleistungen GmbH & Co. KG aus Essen den Zuschlag für den teilprivatisierten Vollzug der JVA (Justizvollzugsanstalt) in Offenburg erteilt. Ab voraussichtlich Mitte 2009 soll die dann fertig gestellte Anstalt in weiten Teilen von besagter Firma betrieben werden. Vor einem Jahr bekam selbige Firma ebenfalls den Zuschlag hinsichtlich des Betriebs der JVA Burg (Sachsen-Anhalt).
Konkret sollen künftig die Angestellten der Firma Kötter in Offenburg für den Gefangeneneinkauf, die Wäscherei, die Küche, das Gebäudemanagement, die Telefonanlagen, den Freizeitbereich, Sport, Bücherei ebenso zuständig sein, wie für die ärztliche Versorgung, den Sozial- und den Psychologischen Dienst (vgl.  http://www.cop2cop.de/2007/12/30/privatisierung-im-vollzug-keine-abstriche-bei-der-sicherheit/ ).

Wer sich die Webseite der Firma Kötter ansieht ( http://www.koetter.de/) - ich selbst musste mich mit einem Ausdruck begnügen, da ich als Inhaftierter keinen Internetzugang erhalte – entdeckt dort einen so genannten „Sicherheitsrat“. Nach eigenem Bekunden gehe es dem Unternehmen mit diesem „Sicherheitsrat“ darum, „den Dialog und die Kooperation“ mit unterschiedlichen Sicherheitsbereichen aufzunehmen.
Berufen wurde in dieses erlauchte Gremium eines – wohlgemerkt – Privatunternehmens u.a. General a. D. Wegener (ehemals Chef der GSG 9), Dr. Peter Frisch (ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz), Horst Heitmann (Polizeidirektor a. D.; ehem. Leiter einer Mordkommission), Klaus Homeyer (Polizeikommissar a. D.).

Diese Herren beraten also ein Unternehmen, welches u.a. Knäste in weiten Teilen betreibt. Als Gefangener mag man sich nicht recht ausmalen, wie Angestellte die von einem ehemaligen GSG 9-Chef, der erst vor wenigen Jahren dadurch auffiel, dass er Elitetruppen der NS-Wehrmacht ob ihrer Tapferkeit rühmte, geschult oder auch nur ideologisch auf ihren Dienst mit „Kriminellen“ vorbereitet wurden, wie diese Bediensteten dann den Gefangenen gegenüber treten.

Relativ unbedarft äußerte der Justizminister Goll, es würden keinerlei Aufgaben an Privatfirmen delegiert, welche „Eingriffscharakter“ aufweisen, sprich, die Juristen der Anstalt, die Wärter, die Gefangene überwältigen, fesseln dürfen, sie alle blieben Beamte.

Aber handelt es sich bei Psychologen und Ärzten nicht auch um Personal mit „Eingriffscharakter“? Eine nur vordergründig akademische Frage. Schon jetzt macht sich nämlich bei Gefangenen die Sorge breit, künftig würden Privatfirmen (wie eben Kötter) jene psychologischen Gutachten, die über die Freilassung oder Vollzugslockerungen entscheiden (denn die Juristen können mangels eigener Ausbildung letztlich nur den Ergebnissen der Psychologen folgen) selbst verfassen – bzw. deren Psychologen – und so wesentlichen Einfluss auf die (vorzeitige) Freilassung nehmen. Dabei dürften die Betreiberfirmen gar kein Interesse an einer geringen Auslastung „ihrer“ Anstalten haben. Treten sie doch zugleich als – teilweiser – Betreiber auf. Und nur wenn die Arbeitsbetriebe, in welchen die Insassen arbeiten müssen, gut ausgelastet sind, stimmt auch am Ende der Gewinn.
Ganz offen wird sich wohl keiner von wirtschaftlichen Erwägungen leiten lassen, der dann Gutachten erstatten muss und wird. Aber ob nicht doch Druck des Arbeitgebers KÖTTER zu spüren sein wird, sollte es durch zu viele positive Gutachten zu einer geringeren Belegung eines Gefängnisses kommen?

In den USA oder auch Groß-Britannien sind viele Gefängnisse gänzlich privatisiert und deren Betreiberfirmen an den Börsen der Welt notiert. Mit alle den bekannten negativen Folgen für die Gefangenen, für deren Familien – und letztlich für die Gesamtgesellschaft.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
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