Spanien: Hungerstreik gegen Rassismus

diverse 20.01.2008 15:23 Themen: Antirassismus Soziale Kämpfe Weltweit
Am 14. Januar hat der bereits angekündigte Hungerstreik gegen die rassistische Ausbeutung und menschenunwürdigen Lebensbedingungen bei der Olivenernte in Spanien (siehe:  http://de.indymedia.org/2008/01/204739.shtml ) begonnen. Mehrere Initiativen erklären sich solidarisch und stellen gemeinsame Forderungen... (nix kopiert!!!)
KOMMUNIQUE ZUM BEGINN DES HUNGERSTREIKS

Wir, die wir die fähig sind, den ganzen Schmerz zu fühlen, den die Übrigen erleiden, können gegenüber den unmenschlichen Bedingungen, denen die SaisonarbeiterInnen bei der Olivenernte in Jaén ausgesetzt sind, nicht tatenlos bleiben. Es ist als ob all´das einer/einem unserer eigen Töchter oder Söhne widerfahren würde. Seit vier Jahren klage ich diese inhumanen Bedingungen an und kämpfe für eine Verbesserung der Umstände der ErntehelferInnen in Jaén. Die Saison 2007-2008 wird vielleicht schlimmer werden als die vorhergegangenen. Gemeinsam mit meinem Kollektiv, Queda la Palabra, der Menschenrechtsplattform von Jaén und der Gewerkschaft der immigrierten ArbeiterInnen, all´ jenen sauberen Kollektiven, die keine Subventionen erhalten und auf der horizontalen Versammlungsebene der Konsensfindung funktionieren, haben wir mit Ausdauer und Erfolg bei unseren Aktionen und Forderungen gearbeitet, doch in Wirklichkeit hat sich in Jaén nur sehr wenig, um nicht zu sagen überhaupt nichts, geändert.

Jaén ist eine mehrheitlich rassistische und ausländerInnenfeindliche Provinz, in der die grundlegendsten Rechte der SaisonarbeiterInnen während der Olivenernte ignoriert, malträtiert, verweigertt und verletzt werden. Es gibt unzweifelhaft die politische Vorgehensweise wider, zu sagen, dass diese Menschen verdinglicht werden, indem man sie als brauchbare Objekte für den einzigen Zweck (der Ernte) benutzt, wie es auch in den Treibhäusern von Almería oder in Huelva bei der Erdebeerernte geschieht, und man sie als "arbeitende Hände" anstatt als Personen betrachtet. Es ist offensichtlich und kann von uns allen ganz einfach wahrgenommen werden: Die EinwohnerInnen vermieten den kürzlich angekommenen SaisonarbeiterInnen keine Wohungen; in keiner Ortschaft will man anständige Häuser an diese Personen vermieten; die Unterkünfte sind klein und ungenügend und liegen manchmal ausserhalb des Ortes und sogar in Gewerbegebieten oder Industrieparks (wie in en Jaén, Úbeda, Torredelcampo...). Ihre Infrastruktur ist in den meisten Fällen menschenunwürdig. Es erzeugt eine befremdliche Scham, wenn man die luxuriösen Bedingungen der neuen Jugendherberge in der Hauptstadt, den menschenunwürdigen und ärmlichsten Zuständen in den Unterkünften der Nichtansässigen gegenüberstellt.
Weiter mache ich darauf aufmerksam, dass in diesem Jahr in Villanueva del Arzobispo bereits 200 Personen viele Tage lang im Freiem übernachten mussten (diese Angaben sind von der lokalen Polizei selbst bestätigt worden). Dasselbe ist jedoch nicht nur dort, sondern in vielen anderen Orten der Provinz vorgekommen. Dass heisst auch wenn die Zahl der Schutzlosen geringer geworden ist, besteht noch immer eine schwere, humanitäre Krise.
In Torredelcampo haben vor einigen Tagen verschiedene Angriffe mit faschistischer Handschrift (Rassismus, Xenophobie) stattgefunden, die von einer Gruppe von mehr als 20, aus dem Ort stammenden Jugendlichen begangen wurden und gegen die ArbeitsimmigrantInnen gerichtet waren. Aber um keine Differenzierung aufkommen zu lassen: In der Hauptstadt Jaén werden Missbräuchlichkeiten und degradierende Behandlung fortgesetzt, obwohl die drei Verwaltungen von der sozialistischen PsoE geführt werden.

FORDERUNGEN IM RAHMEN DES UNBEFRISTETEN HUNGERSTREIKS

Die Bedingungen, denen die grosse Mehrzahl der SaisonarbeiterInnen, hauptsächlich ImmigrantInnen, die zur Olivenernte kommen, ausgesetzt sind, wurden zur Kenntniss gebracht. Sowohl der soziale Aktivist und Genosse Jesús Hidalgo, der am 14. Januar einen unbefristeten Hungerstreik begonnen hat, um diese gerechtfertigten Forderungen zu stellen sowie die Mitglieder von Kollektiven und Gewerkschaften, die dieses Dokument unterzeichnen, fordern von den Vertretern der Politik und gewerkschaflichen,- unternehmerischen,-und sozialen Kollektiven des Immigrationsforums der Provinz, welches wir öffentlich für seine Tatenlosigkeit und die null Anstregungen zur Unterstützung der Menschenwürde anklagen, die Erfüllung der folgenden Forderungen:

• Die Errichtung einer neuen Unterkunft in der Hauptstadt Jaén, die menschenwürdige Bedingungen aufweist und in der Innenstadt liegt sowie die Anpassung an diese Bedingungen in der gesamten, restlichen Provinz

• Die Vermehrung der Anzahl von Plätzen und Unterkünften in der Provinz. Gegenwärtig existieren in den 98 Gemeinden nur 20 Unterkünfte. Wir fordern daher eine Anhebung auf verfügbare 3000 Plätze und Unterkünfte..., damit kein Mensch mehr in der winterlichen Kälte auf der Strasse schlafen muss, wie es die ganzen Jahre über geschehen ist. Menschen, die im Freien schlafen, Betten zu überlassen, muss entschiedenenq a Vorrang bekommen.

• Hinsichtlich der Unternehmerschaft fordern wir, dass in einem Abkommen als deren Pflicht verankert wird, den von ihnen unter Vertrag genommenen ArbeiterInnen Wohnraum zur Verfügung zu stellen, da diese Saisonkräfte und mehrheitlich mittellos sind. Dies würde eine substanzielle Verbesserung der WÜRDE des Öls... von Jaén bedeuten.

• Wir verlangen, dass den in unserer Provinz lebenden SaisonarbeiterInnen ohne Papiere ("sin papeles") eine zeitlich begrenzte Genehmigung zur Arbeitssuche erteilt wird, damit sie nicht irregulär bleiben müssen und schnell von den sie benötigenden Arbeitgebern unter Vertrag genommen werden können.

• Wir bringen unsere Ablehnung darüber zum Ausdruck, dass Kontingentierungen gemacht werden, wenn Menschen ohne Papiere, die jahrelang in unserem Land von Ernte zu Ernte wandern, keine Möglichkeit gegeben wird, ihre Situation zu legalisieren.

• Wir fordern die Beendigung der polizeilichen Repression und der Verhaftungen der "sin papeles" während der Olivenernte. Wir sind der Meinung, dass Menschen in extremer Notlage, die während dieser Ernte in würdiger Weise Arbeit suchen, weder unterdrückt noch festgenommen werden dürfen, da sie in keinster Weise ein Delikt begangen haben, sondern es sich lediglich um ein verwaltungstechnisches Säumnis handelt.

• Wir appellieren erneut an die Bevölkerung, sich zu beteiligen und einen menschenwürdigen Umgang mit den SaisonarbeiterInnen, in der Mehrzahl ImmigrantInnen, zu pflegen; von gleich zu gleich, so wie sie selbst behandelt sein wollen. Wer an ImmigrantInnen vermietet, möge dies bitte zu für sie erschwinglichen Preisen tun und sein/ihr Haus ohne Angst oder Misstrauen gegenüber diesen Menschen öffnen.

• Ausserdem artikulieren wir hiermit einen Aufruf gegen wider immigrierte Personen gerichteten Rassismus und AusländerInnenfeindlichkeit sowie gegen den Ausschluss, den die Menschen ohne Papiere erleiden. Praktisch alle ImmigrantInnen führen mit der Arbeit, die sie bei dieser oder anderen Ernten leisten, einen Kampf um ihr Überleben und das ihrer Familien.

Überdies forden wir den Rücktritt der jüngsten Bürgermeisterin Carmen Peñalver; des Delegierten der andalusischen Regierung in Jaén, Francisco Reyes und des Subdelegierten der Regierung, Fernando Calahorro wegen Ausübung einer Stellung, welche nicht die Sicherheit garantiert, sondern im Gegenteil diese, das materielle Wohlergehen und das Weiterkommen des grössten Teils der SaisonarbeiterInnen, insbesondere der ImmigrantInnen, behindert.

KEIN MENSCH IST ILLEGAL
WÜRDE UND GERECHTIGKEIT FÜR DIE SAISONARBEITER/RINNEN IN JAÉN

Unterzeichnet von

Plataforma Pro Derechos Humanos de Jaén
(Plattform für Menschenrechte von Jaén )
Sindicato Obrero del Campo (S.O.C)
(Gewerkschaft der LandarbeiterInnen)
Sindicato Andaluz de Trabajadores (S.A.T.)
(Andalusische ArbeiterInnengewerkschaft)
Sindicato Obrero Inmigrante (S.O.I.)
(Gewerkschaft immigrierter ArbeiterInnen)
Colectivo por la Justicia y los Derechos de las Personas "Queda la Palabra",
(Kollektiv für Gerechtigkeit und Rechte der Personen, "Es bleibt das Wort")
Plataforma Pro Derechos Humanos Estatal
(Staatsweite Plattform für Menschenrechte)
und Einzelpersonen

Jaén, 16.Januar 2008

Bericht über den Beginn des Hungerstreiks und seine Gründe in der spanischen Presse unter:
 http://actualidad.terra.es/sociedad/articulo/plataforma_pro_derechos_humanos_jaen_2162595.htm

NICHT "NUR" JAÉN IST RASSISTISCH

Seine spontane Solidarität mit dem Hungerstreik zum Ausdruck gebracht, hat das Kollektiv zur Unterstützung der ImmigrantInnen von Albacete. Aber leider nicht nur diese: Der Sprecher des Kollektivs, Javier Marcellán berichtet, dass genau dieselben Zustände und die gleiche menschenfeindliche Behandlung von eingewanderten SaisonarbeiterInnen während der Zwiebel,- und Knoblauchernte im vergangenen Juli und August auch dort geherrscht haben. "Den ImmigrantInnen wurden fundamentale Rechte verweigert". Das Kollektiv in Albacete ist besonders erschüttert, denn nicht wenige der Saisonkräfte, die es im vergangenen Sommer unterstützte, befinden sich jetzt bei der Olivenernte in Jaén. "An allen Orten zeigt sich der Mangel an Voraussicht, mit dem unsere Autoritäten arbeiten", so der dementsprechende Kommentar.

Übersetzungen: tierr@
 http://tierra.bloggospace.de
(work in progress)

Die Quelle der Berichte aus und über Jaén sind ein direkter Kontakt mit Queda la Palabra:
www.egrupos.net/grupo/quedalapalabra/alta
 quedalapalabra@gmail.com
Tel: ( 0034 ) - 34 695 95 91 21
Die Initiative hat bereits schon einmal einen Hungerstreik als Mittel gegen den Rassismus in Spanien eingesetzt, als ab Januar 2006, 200 Flüchtlinge in Mauretanien unter unwürdigsten Bedingungen in einer fensterlosen Fischhalle festgehalten wurden:  http://de.indymedia.org/2007/03/171580.shtml

Mehr über die Zustände von ErntehelferInnen auch unter:
Apartheid ist "ein warmes Bett"
 http://de.indymedia.org/2007/01/167253.shtml

Spanien:Legalisiertes ImmigrantInnenmorden
 http://de.indymedia.org/2007/09/194058.shtml
Spanien: Migration-Ticker und Umweltflucht
 http://de.indymedia.org/2007/09/195109.shtml

Gute Informationsseiten zur €uropäischen Migrationspolitk:
Vielsprachig.
www.fortresseurope.blogspot.com
Borderline-europe- menschenrechte ohne Grenzen e.V.
 http://borderline-europe.de/
 http://no-racism.net
www.transfronterizo.net
frontexwatch - deutschsprachige Seite, noch im Aufbau:
 http://frontex.antira.info
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen