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Münchner Hausbesetzer vor Gericht

Münchner Gsindl 19.01.2008 14:14
Wegen versuchten Totschlags müssen sich ab Montag drei jugendliche Hausbesetzer vor dem Münchner Landgericht verantworten. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft sollen die beiden Männer im Alter von 20 und 19 Jahren und die 17-jährige junge Frau Polizisten, die den Auftrag hatten, das besetzte Anwesen im vergangenen Juni zu räumen, mit Pflastersteinen beworfen haben.
Ort des Geschehens ist war das Anwesen Westendstraße 192 bis 198. Der rote Block mit den vier Aufgängen und 24 Wohnungen liegt neben dem ehemaligen Tramdepot, gehört der Stadt und soll bald abgerissen werden. Seit längerem steht das Haus weitgehend leer, der Putz blättert von den Wänden. Verwaltet wird es vom Kommunalreferat, das zwölf Wohnungen ans Sozialreferat vermietet hat. Die Stadt München stellt Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs. „Man wollte verhindern, dass sich eine Hausbesetzerszene etabliert”, sagt Polizeisprecher Peter Reichl. Die Polizei erhält den Auftrag zur Räumung.


Barrikaden, Holzlatten und Benzin

Die Beschuldigten sollen einen Teil des Gebäudes mit rund zwei Meter hohen Barrikaden aus Müllcontainern, Einkaufswagen, Reifen und Brettern abgesichert haben. Den Angaben zufolge hatten die Angeklagten die Wälle zusätzlich mit spitzen Holzlatten versehen und mit Benzin übergossen. Laut Anklagebehörde bewarfen die Jugendlichen einen Polizisten, der von einer Mauer gestürzt war und auf dem Boden lag, weiter mit Pflastersteinen und sollen dessen Tod billigend in Kauf genommen haben. Drei Beamte des Unterstützungskommandos werden laut erstem Polizeibericht verletzt, zwei durch Glasscherben, einer erleidet eine Wirbelsäulenprellung. Zahlreiche Ausrüstungsgegenstände seien beschädigt worden, es roch stark nach Benin heißt es weiter im Polizeibericht. Wochen später, als die Schmerzen des einen Polizisten nicht nachlassen, diagnostizieren die Ärzte einen Wirbelbruch. Dieser rühre wohl vom Sprung von einer Mauer. Der Beamte soll, laut Staatsanwalt jedoch bei einem „Sturz“ und durch die Steinwürfe den Bruch eines Brustwirbels erlitten haben.


Rückblick auf den 28.06.07

Im Laufe des Tages unterrichtet die Inspektion Laim den Staatsschutz und die Staatsanwaltschaft über die Räumung, geplant für 18 Uhr. Auch Condrobs e.V., einer der Mieter wird darüber informiert, aber nicht als potentielle, deeskalierender Helfer, sondern nur als Mieter. Die Polizei verpflichtet die Mitarbeiter zum Schweigen. Die Streetworker des Drogenhilfeträgers Condrobs werden nicht in das Geschehen eingebunden, obwohl das Haus, von diesem genutzt wird und die Streetworker die Besetzer von der Straße kennen. Die Condrobs-Mitarbeiter könnten Kontakt mit ihnen aufnehmen, doch Condrobs bleibt außen vor, was das Sozialreferat so erklärt: Es sei "eher unwahrscheinlich", dass Condrobs deeskalierend hätte eingreifen können. Andererseits heißt es aber, dies könne vom Referat "nicht beurteilt werden".


Chronologie

Kurz nach 17 Uhr hängen die Besetzer ein Transparent aus dem Fenster: "Artikel 14 - Eigentum verpflichtet - Wohnraum muss genutzt sein."

Gegen 18.30 Uhr fährt das Unterstützungskommando (USK) vor, Spezialkräfte, ausgerüstet mit Helmen, Schilden, feuerfesten Gesichtsmasken. 60 Polizisten sind insgesamt im Einsatz. Sie erwarten erheblichen Widerstand bis hin zum Angriff mit brennbaren Waffen. Die letzte Möglichkeit zu einer friedlich Räumung wäre, die Besetzer mit Megaphon zur Aufgabe aufzufordern. Dies aber geschieht nicht. "Deeskalation war an dieser Stelle nicht mehr möglich", so die Polizei. Die Beamten seien "sofort" mit Pflastersteinen beworfen worden.

18.45 Uhr, Zugriff. Ein Teil der Polizisten kommt von der Straße. Über Leitern, ausgeliehen von der Feuerwehr, entern sie den ersten Stock, ein paar Beamte aber brechen das falsche Fenster auf, landen zunächst in Nummer 194, dem nicht besetzten Nachbarhaus. Andere Kräfte greifen über den Hof an, bei den Barrikaden. Sie überklettern eine Mauer, Pflastersteine gehen auf sie nieder.

18.54 Uhr, die drei Besetzer sind festgenommen. August Stern, Chef der politischen Abteilung der Münchner Staatsanwaltschaft, eilt herbei, beantragt Haftbefehle wegen versuchten Totschlags. Hausdurchsuchungen werden beantragt und vollzogen, in deren Verlauf werden Computer, Adressbücher, Handys und Kalender beschlagnahmt werden.

Am Freitag den 29. Juni heißt es vermeldet von der Pressestelle des Präsidiums "Münchner Polizei verhindert Hausbesetzung". Doch es bleiben viele Fragen nach diesem Einsatz, der wohl zu den spektakulärsten der vergangenen Jahre zählt. Polizei und Staatsanwaltschaft schweigen auf Anfragen, man verweist auf das Gerichtsverfahren, bei dem das Vorgehen der Polizei "sehr ausführlich erörtert" werde. Den Jugendlichen droht langjährige Haft. Sozialreferent Graffe findet das Handeln seiner Mitarbeiter noch immer korrekt. "Ich wüsste nicht, was wir hätten anders machen können."


Rache für Rostock ?

"Die Polizei hätte die Möglichkeit gehabt, die Eskalation zu verhindern", sagt Siegfried Benker, Fraktionschef der Grünen im Rathaus. Er vermutet politische Gründe hinter dem Vorgehen: "Man hat es bewusst treiben lassen, wollte eine martialische Räumung." Der Zeitpunkt der spektakulär inszenierten, gewaltsamen Räumung war gut gewählt. Drei Wochen nach dem G8-Gipfel in Rostock/Heiligendamm war das Ansehen des Polizeiapparats in der Öffentlichkeit nicht gerade gut. Bundesweite Hausdurchsuchungen, der Bau eines
millionenteuren Zaunes, die Einschränkung des Demonstrationsrechts und der geplante Einsatz von Schnüffelhunden gegen DemonstrantInnen riefen bis weit in liberale bürgerliche Kreise Entsetzen hervor. Die Militanz auf der Demo in Rostock sowie die Unfähigkeit, die gut konzipierten Massenblockaden zu verhindern, wollte die Polizei wohl so nicht auf sich sitzen lassen. Ein „Schlag gegen die Chaoten- und Hausbesetzerszene in München“ passte da ganz gut in das angekratzte Image. „Das erinnert an Rostock“ titelte die Abendzeitung vom 30.06./01.07. reißerisch.


Weitere Polizeiverhöre

Da die ermittelnden Beamten davon ausgingen, dass die Barrikaden und Steinedepots nicht alleine von drei Jugendlichen gebaut und angelegt wurden, lädt sie Freunde und Eltern der in U-Haft Einsitzenden als ZeugInnen in die Polizeidienststelle. Der Staatsschutz läßt durch die Staatsanwaltschaft in das Polizeipräsidium in der Ettstraße vorladen. In mindestens einem Fall ist daraufhin beim Erscheinen der Zeugin gar kein Staatsanwalt vor Ort. Und so wird aus der staatsanwaltlichen Zeugenvorladung plötzlich ein ganz normales Polizeiverhör.

Die Verhandlung ist am 21. Januar ab 9.00 Uhr statt. Das Landgericht befindet sich an der Nymphenburger Straße 16 am Stiglmaierplatz und ist mit U1/U2 oder Trambahn zu erreichen. Der Prozess findet vor der Jugendkammer des Landgerichts statt. Es muss mit einem Ausschluss der Öffentlichkeit gerechnet werden, da die Angeklagten zum Teil noch minderjährig sind.
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Ergänzungen

München ist bekannt für rüden Umgang...

Meier Liselotte 19.01.2008 - 14:41
Stadt setzt Obdachlose auf die Straße
 http://de.indymedia.org/2005/04/111846.shtml?c=on#c295422

Ameisen geben nicht auf:
 http://de.indymedia.org/2005/04/112047.shtml

Bilder und Gedanken zur Räumung:
 http://de.indymedia.org/2005/04/111883.shtml

Statuiertes Exempel?

bikepunk 089 01.02.2008 - 12:29
Es gibt Vermutungen, dass mit diesem Fall Steinwürfe generell als "versuchter Totschlag" etabliert werden sollen. guckt ihr hier:
 http://bkpnk089.blogsport.de/2007/11/29/steinwuerfe-als-versuchter-totschlag/

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Die ist keine... — Murdok