Abstimmung im Baskenland am 25. Oktober

Ralf Streck 05.01.2008 14:03 Themen: Weltweit
"Das Jahr 2008 wird entscheidend für die Zukunft des Baskenlandes", kündigte der baskische Regierungschef Juan José Ibarretxe in seiner Neujahrsrede großspurig an. Ein "Zyklus für ein friedliches Zusammenleben in der Zukunft" soll begonnen werden, um mit der "destruktiven Gewaltspirale zu brechen und zur politischen Normalisierung zu kommen". Der Schlüssel stelle eine Volksbefragung am 25. Oktober dar: "Das Recht der Basken zu entscheiden, und der Respekt vor der Entscheidung, egal wie sie ausfällt, ist die Basis der Demokratie". Doch die ETA sieht das ganz anders, nach dem gescheiterten Friedensprozess und der immer weiter steigenden Repression, geht sie in einem Interview von "langen Jahren des Konflikts" aus. Die Zahl der Gefangenen liegt auf einem Rekordstand, der weit über der Zahl liegt, die es in der Franco-Diktatur gab. Erneut kam eine Angehörige auf dem langen Besuchsweg ums Leben. 17 Tote hat die Zerstreuung nun gefordert.
Das Datum für die Abstimmung ist kein Zufall und macht auch klar, auf was man sich bezieht. Es ist der 29. Jahrestag des Autonomiestatuts für drei von vier baskischen Provinzen in Spanien, das zu großen Teilen nie umgesetzt wurde. Die Provinz Navarra wird weiter ausgeklammert und Ibarretxe ist weiter bereit, ein Abkommen für die drei Provinzen der Autonomen Gemeinschaft (CAV) auszuhandeln.

Wenn sich Madrid dem weiter verweigert, könne man nicht die "Arme verschränken". Bisher lehnen die Sozialisten (PSOE) Verhandlungen zur Neubestimmung der Beziehungen ab. Das könnte sich ändern, wenn die PSOE nach den Wahlen im März auf Mehrheitsbeschaffer angewiesen ist. Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero sprach in der Neujahrsrede spezielle Ibarretxes "Baskisch-Nationalistische Partei" (PNV) an.

Nach den gescheiterten Verhandlungen zwischen der Untergrundorganisation ETA und der PSOE, will nun die christlich-soziale PNV in die Offensive gehen, die aus dem Prozess ausgeklammert wurde und ihn auch deshalb hintertrieben hat. "Weder die ETA noch sonstwer wird uns die Hoffnung rauben, den langen Tunnel zu verlassen, um eine friedliche und demokratische Lösung für den politischen Konflikt zu finden", sagte Ibarretxe.

Er lehnte nicht nur die Gewalt der ETA ab, sondern auch die weiter steigende Repression: Die kollektive Führung der Partei Batasuna (Einheit) wurde verhaftet und fast 50 Mitglieder baskischer Organisationen wurden nun zu Haftstrafen von bis zu 24 Jahren verurteilt. Dabei versuchte das Sondergericht in dem von Anomalien gespickten Verfahren nicht einmal, Verbindungen der Beschuldigten zur ETA zu beweisen. Obwohl einige deren Gewalt explizit ablehnen, reichte es aus, dass sie ebenfalls für ein sozialistisches und unabhängiges Baskenland eintreten, um sie als Unterstützer, Mitglieder oder sogar als ETA-Führer abzuurteilen.

“Ich glaube nicht an Lösungen, die auf einem Beschneiden von zivilen und politischen Rechten und dem Ausschluss eines Teils der baskischen Gesellschaft basieren", sprach sich Ibarretxe auch gegen Parteiverbote aus, welche Madrid vor den Wahlen im März populistisch ankündigt. Die neue "Kommunistische Partei der Baskischen Territorien" (EHAK) und die antifranquistische Traditionspartei "Baskisch Patriotische Aktion" (EAE ANV) sollen nun verboten werden, weil hinter ihnen Batasuna stehen soll.

Dabei zweifelt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg schon an der Rechtmäßigkeit des Batasuna-Verbots und nahm im Dezember deren Klage an. Geprüft wird auch das Parteiengesetz, dass extra für das Verbot geschaffen wurde. Der Gerichtshof sieht klare Hinweise, dass in Spanien das "Recht auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit" nach der Europäischen Konvention für Menschenrechte verletzt werden. Angenommen werden nur ein Prozent der Klagen und 80 Prozent der Urteile fallen Gunsten der Kläger aus.

In einem Kommunique hat die ETA am Mittwoch die Sozialisten beschuldigt zum "Staatsterrorismus" zurückzukehren, um die "Unabhängigkeitsbewegung zu zerschlagen". Dafür hätten sie einen "Ausnahmezustand" geschaffen, der brutalste Foltermethoden nach Verhaftungen einschließe. Die Bedingungen der nun über 700 politischen Gefangenen würden härter, die gegen das Strafrecht meist weit entfernt der Heimat einsitzen. Im Dezember verlor erneut Angehöriger auf dem langen Besuchsweg bei einem Verkehrsunfall das Leben. Niemals habe es auch die schlimmste Unterdrückung geschafft, den Willen zu brechen, ein freies und unabhängiges Baskenland aufzubauen, erinnert die ETA.

Der PNV wirft sie vor, sich nicht nur an der Repression gegen die Linke Unabhängigkeitsbewegung zu beteiligen, schließlich ist es auch ihre Polizei, welche die Büros schließt, Verhaftungen vornimmt und Demonstrationen auflöst und von den Parteiverboten profitiert, indem sie die gewonnenen Mandate der verbotenen Parteien okkupiert. In der Provinz Gipuzkoa wäre zum Beispiel bei den Gemeinderatswahlen ANV die stärkste Partei geworden, wenn nicht der größte Teil ihrer Listen illegalisiert worden wären.

Mit der Abstimmung solle nur eine neue Autonomielösung gefunden werden und, wie schon der Plan Ibarretxe sagt, über den "freiwilligen Anschluss an Spanien" abgestimmt werden und damit eine demokratische Legitimität erhalten, die es schon deshalb nicht geben kann, weil ein Teil der Gesellschaft massiv ausgegrenzt und behindert wird und sich politisch nur schwer betätigen kann. In einem gerade erschienen Interview kündigt die ETA weitere "lange Jahre" des bewaffneten Konflikts an, weil die Sozialisten unter Zapatero zu keiner friedlichen Lösung bereit waren. Letztlich werden sie irgendwann auf den Dialogweg zurückkehren müssen. Allerdings sieht alles danach aus, dass erst einmal die postfaschistische Volkspartei im März die Macht wieder übernehmen wird. Die katholische Kirche bläst schon zum Angriff auf die Sozialisten und die Ökonomie stürzt ab, was der bisher letzte Trumpf war, den die PSOE nach dem gescheiterten Friedensprozess noch im Ärmel hatte.

© Ralf Streck den 05.02.2008
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Ergänzungen

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http://www.euronews.net 20.01.2008 - 10:15
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Heino 03.02.2008 - 18:50
Es ist erstaunlich, mit wieviel Elan und Zielgerichtetheit andere ihre Zukunft planen, während man in Südtirol nur darauf bedacht ist, die faktische Unmöglichkeit einer solchen Entwicklung zu betonen. Wie oft heißt es denn, dass man leider nichts unternehmen kann, weil die Selbstbestimmung schon geopfert wurde?
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