Reaktionen auf Suizid im Abschiebeknast

Informant_In 04.01.2008 02:49 Themen: Antifa Antirassismus Repression
Auf den Tod des Abschiebehäftlings am Neujahrsmorgen gibt es in Berlin zahlreiche Reaktionen. Der Suizid des 28-jährigen Tunesiers im Abschiebegewahrsam Köpenick zieht u.a. massive Proteste nach sich. So mobilisieren linke Gruppen für Sonnabendnachmittag zu einer Demonstration. Der Berliner Flüchtlingsrat und die Grünen im Abgeordnetenhaus forderten umfassende Aufklärung über den Suizid.

Ein Überblick der Reaktionen
Berlin: Erster toter Abschiebehäftling im Jahr 2008 – eine Zusammenfassung der Reaktionen

Am 01. Januar veröffentlichte die Berliner Polizei eine Pressemitteilung mit der Information, das der 28-Jährige in einem Berliner Krankenhaus an den Verletzungen gestorben ist, die er sich bei einem Suizidversuch am vergangenen Sonntag zugefügt hatte.
Wie berichtet, hatte der Tunesier versucht, sich im Abschiebungsgewahrsam Köpenick zu erhängen. Die Kriminalpolizei hat ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet, schreibt die Polizei.
http://www.berlin.de/polizei/presse-fahndung/archiv/91535/index.html

Zunächst versuchte am 02. Januar die Antirassistische Initiative mit einer Presseerklärung den ersten Suizid in der Berliner Abschiebehaft in die Öffentlichkeit zu tragen. Seit 15 Jahren dokumentiert die Antirassistische Initiative e.V. unter anderem Suizide, Selbstverletzungen und Suizidversuche von Flüchtlingen. In Berlin kam es zu mindestens 186 Suizidversuchen und Selbstverletzungen in Abschiebehaft in deren Folge sich die Betroffenen z.T. schwerste Verletzungen zugefügt haben. Bundesweit wurden 50 Todesfälle und knapp 400 Verletzungsfälle in Abschiebehaft dokumentiert.
http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/ari_suizid_020108.html

Kurz darauf äußerte sich Benedikt Lux, Mitglied der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus Berlin in einer Presseerklärung: „Dieser Suizid ist ein weiterer Beleg dafür, dass die ärztliche und psychologische Betreuung in Abschiebehaft unzureichend ist. Es wird Zeit, auch im Abschiebegewahrsam eine freie und unabhängige ärztliche Betreuung zu ermöglichen.“ Er erklärte zudem: „Bündnis 90/ Die Grünen werden im Innenausschuss die notwendige umfassende Aufklärung einfordern.“
http://www.gruene-fraktion-berlin.de/cms/default/dok/212/212967.tod_des_abschiebehaeftlings_wirft_fragen.htm

Zeitgleich meldete sich der Flüchtlingsrat Berlin mit einer Pressemitteilung zu Wort. Er fordert eine umfassende Aufklärung des Vorfalles. „Dazu gehört auch die Prüfung der Gründe und der genauen Umstände der Inhaftierung. Es sollte auch geklärt werden, ob eine Überprüfung der Haftfähigkeit durch den Polizeiärztlichen Dienst (PÄD) vorgenommen wurde.“ Der Flüchtlingsrat lehnt die Abschiebehaft als reine Verwaltungshaft aus grundsätzlichen Erwägungen ab. Diese stellt eine unverhältnismäßige Einschränkung der Grundrechte der betroffenen Flüchtlinge und Migranten dar.
Angesichts der geltenden Rechtslage setzt sich der Flüchtlingsrat gemeinsam mit dem Jesuiten-Flüchtlingsdienst, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden für eine größtmögliche Haftvermeidung und eine Verbesserung der Haftbedingungen ein.
http://www.fluechtlingsrat-berlin.de/print_neue_meldungen.php?sid=387

Noch am selben Abend begann das Antifaschistische Bündnis Süd-Ost (Berlin) zu einer Protestdemonstration am kommenden Samstag zu mobilisieren. Laut der Gruppe soll die Demo am S-Bahnhof Köpenick beginnen und durch die Altstadt zum Abschiebegewahrsam in der Grünauer Straße führen. Unter dem Motto „Gegen den staatlichen Rassismus! Weg mit dem Abschiebeknast Grünau!“ wollen die Veranstalter den Tod des Abschiebehäftlings öffentlich thematisieren und ihre Solidarität mit den Inhaftierten bekunden. Beginn der Demo ist am 05. Januar um 14 Uhr am S-Bahnhof Köpenick
http://www.abso.xail.net/index.php?option=com_content&task=view&id=32&Itemid=25

Auf Indymedia erschien ein Hintergrundartikel zum Vorfall. Dort heißt es u.A. „in Abschiebehaft sitzen keineswegs Kriminelle, das einzigste Vergehen der Inhaftierten besteht lediglich darin, keine Aufenthaltserlaubnis zu besitzen.“ Weiter schreibt die AutorIn „Diese Aktionen zeigen wie hilflos und verzweifelt die Betroffenen in dieser Situation sind und wie wenig Möglichkeiten ihnen bleiben, um gegen ihre Inhaftierung zu protestieren. Zudem macht es deutlich wie menschenverachtend das Abschiebesystem der Bundesrepublik Deutschland funktioniert, das Inhaftierte mit Angst und Verzweiflung sogar bis in den Tod treibt.“
http://de.indymedia.org/2008/01/204081.shtml

Am 03. Januer erklärte auch der Bundesvorstand der Linksjugend ['solid]: „Dass ein junger Mensch zu diesem letzten Mittel greift, beweist einmal mehr, in welchen unhaltbaren Zuständen sich das Asylrecht in Deutschland befindet. Eine ungewisse Zukunft, Angst vor Abschiebung, der Freiheitsentzug und viele andere Faktoren setzen die Menschen massiv unter Druck. Kein Mensch verdient es, so behandelt zu werden!“
http://www.solid-web.de/modules.php?op=modload&name=News&file=article&sid=1382&mode=thread&order=0

Die Berliner Zeitung schreibt in ihrer Donnerstagsausgabe u.a. „Der Suizid eines 28-jährigen Tunesiers im Abschiebegewahrsam Köpenick zieht massive Proteste nach sich. So mobilisieren seit gestern linke Gruppen für Sonnabendnachmittag zu einer Demonstration. Die Demonstration soll vom S-Bahnhof Köpenick zum Abschiebegewahrsam in der Grünauer Straße führen. Der Berliner Flüchtlingsrat und die Grünen im Abgeordnetenhaus forderten umfassende Aufklärung über den Suizid.“
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/berlin/714230.html

Auch beim Regionalfernsehen Rundfunk Berlin-Brandenburg wurde der Vorfall am 3. Januar erwähnt. „Nach dem Selbstmord eines Tunesiers im Abschiebegefängnis Köpenick haben mehrere Antifa-Gruppen zu einer Demonstration aufgerufen.“ heißt es in der Abendschau.
http://www.rbb-online.de/meta/abendschau/2008-01-03.smi?start=18:43,2&end=20:35,0

Am Freitag berichtet die Tageszeitung Junge Welt von der Mobilisierung zur Protestdemonstration und dem Suizid des Abschiebehäftlings. „Es war der erste Suizid im Köpenicker Abschiebeknast, aber nicht der erste Versuch. Dort inhaftierte Flüchtlinge verübten in den letzten Jahren wiederholt Selbstverletzungen und Selbstmordversuche – aus Verzweiflung und Panik vor der drohenden Deportation, aus Protest gegen menschenunwürdige Zustände in der Haft oder mangelnde ärztliche Versorgung.“ schreibt die Autorin.
http://www.jungewelt.de/2008/01-04/048.php

Auch in der Tageszeitung taz erschien am Freitag ein Artikel zum Tod in Abschiebegewahrsam Köpenick. „Für mehrere antirassistische Initiativen in Berlin macht der Todesfall "auf erschreckende Weise klar, unter welcher psychischer Belastung die Inhaftierten stehen, die keiner Straftat beschuldigt werden, sondern lediglich eine Aufenthaltsgenehmigung fehlte". Sie wollen am Samstag gegen diese "skandalösen Zustände" vor dem Abschiebegefängnis demonstrieren.“
http://www.taz.de/nc/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=in&dig=2008%2F01%2F04%2Fa0060&src=GI&cHash=1bf9410e95

Unter dem Titel „Schock über Tod in Abschiebehaft“ schreibt die Zeitung Neues Deutschland „Der Selbstmord eines 28-jährigen Tunesiers, der kurz vor Weihnachten als Häftling in den Abschiebeknast Berlin-Köpenick eingewiesen wurde, sorgt in Berlin für Entsetzen. Am morgigen Sonnabend planen antirassistische Gruppen eine Gedenkdemonstration zu dem abgelegenen Gefängnis im Berliner Südosten.“
http://www.neues-deutschland.de/artikel/121850.html

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Ergänzungen

staatlicher Rassismus + die tödlichen Folgen

no border, no nation 04.01.2008 - 21:57

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 7 Kommentare an

Selbstmord — uuups

@long — nich wichtig

Schablone — Mieter

@uuups — Britta