Beugehaftbeschlüsse vom BGH verhängt

Rote Hilfe Greifswald 03.01.2008 23:29 Themen: Repression
Der Bundesgerichtshof hat heute bekannt gegeben, dass gegen drei ehemalige RAF-Mitglieder Beugehaft angeordnet wurde. Betroffen sind Knut Folkerts, der bereits 18 Jahre im Gefängnis verbracht hat, Brigitte Mohnhaupt, die im vergangenen Jahr den Knast nach 24 Jahren endlich verlassen konnte und Christian Klar, bei dem die Beugehaft zusätzlich auf seine mittlerweile 25 Jahre andauernde Haft angerechnet wird.
Rote Hilfe protestiert gegen Beugehaft-Verhängung

Der Bundesgerichtshof hat heute bekannt gegeben, dass gegen drei ehemalige RAF-Mitglieder Beugehaft angeordnet wurde. Betroffen sind Knut Folkerts, der bereits 18 Jahre im Gefängnis verbracht hat, Brigitte Mohnhaupt, die im vergangenen Jahr den Knast nach 24 Jahren endlich verlassen konnte und Christian Klar, bei dem die Beugehaft zusätzlich auf seine mittlerweile 25 Jahre andauernde Haft angerechnet wird. Für Christian rückt damit seine längst überfällige Haftentlassung erneut in weitere Ferne, auch wenn der Vollzug der Beschlüsse zunächst ausgesetzt wurde. Grund für die Beugehaft ist die Tatsache, dass die drei sich weigern, zu Denunzianten zu werden und sich oder andere zu belasten. Der Bundesgerichtshof verneinte bei ihnen ein Aussageverweigerungsrecht, weil die Gefahr einer Selbstbelastung nicht mehr gegeben sei. Angesichts der Tatsache, dass den Gerichten in der Vergangenheit im Kampf gegen die RAF kein noch so fadenscheiniger Anhaltspunkt zu absurd war, um Angeklagte hinter Gitter zu bringen, mutet die Entscheidung des BGH grotesk und zynisch an. Die erneuten Ermittlungsverfahren gegen Stefan Wisniewski und Rolf Heißler beweisen, dass der Verfolgungswille der Bundesanwaltschaft ungebrochen ist. Mitgliedern der RAF wurden in Strafverfahren, die rechtsstaatliche Maßstäbe ad
absurdum führten, regelmäßig alle nur denkbaren Taten der RAF in der fraglichen Zeit zugerechnet. Wer, wenn nicht ehemalige Gefangene aus der RAF könnte ein Aussageverweigerungsrecht geltend machen, um sich vor weiterer Verfolgung zu schützen?
Anlass für die neuen Ermittlungen sind die talkshowkompatibel in der Öffentlichkeit lancierten Denunziationen des dubiosen Kronzeugen Peter Jürgen Boock, der schon mehrfach Unwahrheiten verbreitet hat, um den Ermittlungsbehörden zu Willen zu sein. Die Beugehaft stellt einen massiven Angriff auf das grundlegende Recht auf Aussageverweigerung dar. Sie erwartet und fördert Denunziantentum und unsolidarisches Verhalten.
Die Rote Hilfe protestiert gegen die Verhängung der Beugehaft und fordert die Freilassung Christian Klars und Birgit Hogefelds sowie die Einstellung aller Ermittlungsverfahren. Sie wird auch weiterhin das Prinzip der Aussageverweigerung gegenüber den staatlichen Repressionsorganen vertreten.

Mathias Krause
für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.
Göttingen, 03.01.2008

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Anmerkung von der Roten Hilfe Greifswald:

Mensch mag sich fragen, wie verkommen und menschlich verdorben jemand eigentlich sein muß, um solche Beschlüsse mit derartiger Argumentation verhängen zu können? In einer gespenstischen deutschen Bürokratentradition heißt es schlicht, "eine Selbstbelastung sei nicht gegeben". Und als ob es den reaktionären Kreisen in diesem Lande nicht ausreichte, politische Gefangene wie Brigitte Mohnhaupt oder Knut Folkerts durch 24 bzw. 18 Jahre Haft (davon ein Großteil in Isolationshaft und unter Sonderhaftstatuten) physisch zerbrechen zu wollen. Selbst 10 Jahre nach der offiziellen Auflösung der Roten Armee Fraktion scheint der Rachedurst der herrschenden bürgerlichen Elite nicht gestillt zu sein.
Nun sollen Knut Folkerts und Brigitte Mohnhaupt, letztere hat gerade die ersten tastenden Schritte in Freiheit unternommen, wieder in den Knast zurückgeworfen werden, weil sie nicht wie vom Bundesgerichtshof gefordert GenossInnen denunzieren wollen, damit eben diese GenossInnen nicht ebenfalls für eine halbe Ewigkeit im Knast verrotten.
Und sogar die gesetzlich vorgeschriebene Haftentlassung für Christian Klar soll jetzt derart unterlaufen werden - als offenbare Rache für Christian Klars Grußadresse auf der letzten Rosa-Luxemburg-Konferenz 2007.

Es gilt weiterhin der gute Grundsatz: Keine Aussagen vor den staatlichen Verfolgungsbehörden!
Unsere Solidarität gilt daher allen von Beugehaft bedrohten Linken!
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Ergänzungen

auch

der 04.01.2008 - 00:23

Ex-Innenminister (Gerhart Baum) spricht

- 04.01.2008 - 12:16
Ex-Innenminister spricht von "peinlichem" Vorgehen

FDP-Mann: "Der Staat behindert die Aufklärung [des Buback-Mordes] selbst."
Hintergrund ist, dass der Verfassungsschutz sich immer noch weigert eine Akte zur RAF und zum Attentat auf Buback herauszugeben. Von bürgerlichen Medien wird vermutet, dass es in der Akte Hinweise darauf geben würde, dass Wisniewski der Schütze ist. Es ist allerdings auch nicht auszuschließen, dass die sog "Todesnacht von Stammheim" in der Akte behanelt wird. Das würde erklären, warum der Verfassungsschutz die Akte zurückhält, da die einzige überlebende Zeugin der Selbstmorddarstellung des Staates immer noch widerspricht.

Ausführlicher ARD-Artikel zum Gerhart-Baum-Interview auf
 http://www.tagesschau.de/inland/raf32.html

Michael Buback auch skeptisch

machnow 04.01.2008 - 13:17
auch der sohn des 1977 getöteten bundesanwaltes - michael buback - glaubt nicht an die wirksamkeit der beugehaft. gegenüber dem SWR vermutet er sogar, dass auch der bundesanwalt weiß, dass die herauspressung von informationen nicht gerade verläßliche ergebnisse liefert, sondern diese skeptisch zu betrachten sind. Er hat nämlich seine Antwort auf die frage nach dem mörder seines vaters nach eigenen recherchen, wie er der zeit vor längerer zeit verriet, schon beantwortet. es war nämlich verena becker... eigentlich gehts aber um rache, wegschließen und vergammeln lassen. jeder und jede, die sich weigern zu widerrufen wird verfolgt. michael buback scheint es zu ahnen. der ex-innenminster sieht gespenster...

Grundrechtekomitee gab auch Stellungnahme ab

wdn 04.01.2008 - 20:49
Komitee für Grundrechte und Demokratie

Pressemitteilung

"Die Würde des Menschen ist unantastbar" (Art.1 Satz 1 Grundgesetz).
Von Bundesanwaltschaft und Bundesgerichtshof wird die Würde verletzt

Die Schlagzeile pünktlich zum Neuen Jahr lautet: "Beugehaft für Mohnhaupt,
Klar und Folkerts." Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs habe dem
Ersuchen der Bundesanwaltschaft stattgegeben. Die ehemaligen RAF Mitglieder,
zwischenzeitlich auf freiem Fuß, Brigitte Mohnhaupt, Knut Folkerts und der
noch inhaftierte Christian Klar sollen mit einer bis zu einem halben Jahr
möglichen Haft dazu "gebeugt" werden, im Fall der noch nicht ermittelten
Person auszusagen, die im April 1977 den finalen Todesschuss auf den
damaligen Bundesanwalt Siegfried Buback abgegeben haben soll. Bisher haben
die drei die Aussage verweigert. Nun sollen sie dazu gezwungen werden.

Generell kann bezweifelt werden, dass die pauschale Norm von § 70 Abs. 2
StPO, die der "Erzwingung des Zeugnisses" durch die Anordnung von Haft mit
den Grund- und Menschenrechten übereinstimmt. Im gegebenen Fall sind die
Aktivitäten der Bundesanwaltschaft und das Nachgeben des Ermittlungsrichters
beim BGH ein klarer und eindeutiger Verstoß gegen den ersten Hauptsatz des
Grundgesetzes, der alle weiteren Bestimmungen leiten soll: "Die Würde des
Menschen ist unantastbar."
Über dreißig Jahre nach der Tat, in denen auch die Bundesanwaltschaft die
Zügel ihrer Ermittlungen schleifen ließ, kann durch keine Zwangsmaßnahme ein
Mensch gerettet, können keine zukünftigen Gefährdungen vermindert, kann der
tatsächliche Hergang des tödlichen Attentats auf den seinerzeitigen
Bundesanwalt nicht mehr "wahrheitsgemäß" rekonstruiert werden. Unter dem
Schein, dem "Rechtsstaat" zu dienen, sollen vielmehr drei Menschen, wie
immer sie gefehlt haben mögen, zu einer Aussage gezwungen werden. Indem sie
bis zu einem halben Jahr ihrer Freiheit beraubt werden. Wie immer die
Haftbedingungen geartet sein werden, sie sind darauf angelegt, die
Integrität von drei Menschen zu verletzen. Sie sind zusätzlich auf
erzwungene Wahrheitsbehauptung angelegt. Sie kommen einem Prozess der
Folterung nahe. Davon nicht zu reden, dass auf diese Weise sich Wahrheit nie
und nimmer erzwingen lässt. Das ist ein Widerspruch in sich selbst. So
betrachtet zeigt die Bundesanwaltschaft und zeigte der BGH, so er über den
Ermittlungsrichter hinaus folgen sollte, die notorische Unfähigkeit zum
Lernen und zum Abschied von der inneren Feinderklärung. Beide machten das
Verhängnis der 1970er Jahre aus.

Mögen die Bürgerinnen und Bürger mehr gelernt haben. Wir rufen dazu auf,
dass sich jede und jeder mit einem einfachen, auf der Basisnorm des
Grundgesetzes ruhenden Protestschreiben an die zuständigen Behörden, nicht
zuletzt den Deutschen Bundestag und seine Mitglieder wende. Demonstrationen
an geeigneten Orten und zu gegebenen Zeitpunkten werden vorzubereiten sein.

Köln, den 4. Januar 2008

Wolf-Dieter Narr

Komitee für Grundrechte und Demokratie
Aquinostr. 7-11
50670 Köln
Tel.: 0221-972 69 30
Fax : 0221-972 69 31

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Öffentlicher Pranger — NoNameFred

Wie gehabt — mein Name