RheinNeckar: Häufung rassistischer Übergriffe

68erz 31.12.2007 18:05 Themen: Antifa Antirassismus
Zu den Hintergründen der rassistischen Gewalt

In den letzten Wochen häuften sich Meldungen über rassistische Übergriffe in der Rhein-Neckar Region. Der jüngste Vorfall ereignete sich in Mannheim. Im Stadtteil Neckarstadt gab es einen offenbar gezielten rassistischen Überfall auf einen Menschen mit dunkler Hautfarbe, der dabei erheblich verletzt wurde.
Rassistische Übergriffe häufen sich
Am Abend des 14. Dezember, gegen 23 Uhr, lief der junge Mannheimer durch die Mittelstraße in der Neckarstadt. Am Neumarkt wurde er von einem jungen Mann mit Springerstiefeln, Bomberjacke und Glatze angepöbelt. Ihm wurde gesagt, er solle "aus Deutschland verschwinden" und unmittelbar mit einer Flasche attackiert. Diese konnte er zwar abwehren, doch kamen zwei weitere Personen von hinten und schlugen ihn mit einer Stange nieder. Als er auf dem Boden lag, traten die Männer auf ihn ein und flüchteten erst, als einige Passanten sich einmischten und dem Opfer zu Hilfe kamen.
Der Vorfall in Mannheim reiht sich ein in eine Kette rassistischer Übergriffe in den letzten Wochen.
Zwei Übergriffe in Ludwigshafen, bei denen ebenfalls Menschen wegen ihrer Hautfarbe angegriffen wurden, schafften es in die lokale Presse. Ein Überfall in einem Bus nach Heidelberg, bei dem ein junger türkischer Migrant von Nazis aus dem Umfeld der "Deutschen Liste" angegriffen wurde, fand ebensfalls ein breites Echo in der Presse.

Rechte Gewalt fällt nicht vom Himmel
Die Vorfälle waren allesamt rassistisch motiviert. Die Opfer waren stets alleine und konnten sich gegen die zahlenmäßige Überlegenheit der Angreifer nicht ausreichend wehren. In der Mannheimer Neckarstadt fand zuletzt im April eine große Propagandaaktion der "Deutschen Liste" statt, bei der mit Postkarten explizit gegen Menschen mit dunkler Hautfarbe gehetzt wurde. Der Nazi Stefan Wollenschläger (Weinheim) trat bei der Oberbürgermeisterwahl in Mannheim für die "Deutsche Liste" an und führte einen rassistischen Wahlkampf. NPD oder "Deutsche Liste" liefern mit ihrer Propaganda die ideologische Untermalung für die Übergriffe ihrer Anhängerschaft und anderer rechter Schläger. Doch auch wenn die Ideologie der Nazis nicht unmittelbar in Übergriffen gipfelt, so bleibt sie doch stets basierend auf rassistischem Ausschluss, implizit gewalttätig.

Die Häufung rechtsextremer Übergriffe in der Rhein-Neckar-Region vollzieht sich vor dem Hintergrund einer zunehmenden Konsolidierung neonazistischer Strukturen. In der angrenzenden Vorderpfalz sieht die Situation noch problematischer aus. Maßgeblicher Akteur und Stichwortgeber rechter Aktivitäten ist, im Zusammenspiel mit der NPD, das Neonazinetzwerk "Aktionsbüro Rhein-Neckar". Hier organinisieren sich die langjährigen Nazi-Kader, genannt seien hier Personen wie Christian Hehl (Mannheim), Matthias Herrmann (Ludwigshafen) und Rene Rodriguez-Teufer (Viernheim). In den letzten Jahren haben sie, teils erfolgreich, Jugendarbeit geleistet und eine neue Generation Rassisten in Strukturen eingebunden. Die Naziszene kann inzwischen auf Zentren als feste Treffpunkte für Schulungen und Veranstaltungen zurückgreifen, wie in Kirchheim an der Weinstraße. Für finanzielle und juristische Absicherung sorgt die NPD. Dies ist ihr vor allem möglich durch ihren Status als legale Partei.

Ein rauher Wind weht den Nazis in der Vorderpfalz keineswegs entgegen. Politik und Polizei behandeln das Erstarken der Naziszene vorrangig als ein ordnungspolitisches Problem. Der sehr marginale zivilgesellschaftliche Widerstand hingegen erfährt keinerlei Unterstützung. Ein Höhepunkt an Dreistigkeit hat sich das rheinland-pfälzische Innenministerium erlaubt, als es die Überlassung einer Immobilie in Kirchheim an die NPD als Erfolg bezeichnete. Vermeintliche Immobiliengeschäfte durch NPD-Mitglieder seien aufgedeckt worden, die NPD habe das Gebäude letztlich gar nicht gekauft. Fakt ist aber, dass die Nazis ein Zentrum nutzen können (wenn auch nur gemietet und durch Brände beschädigt) und den Rückzugsraum haben, um den sie seit Jahren kämpfen. Neonazistische Aufmärsche werden durchgeprügelt, AntifaschistInnen werden schikaniert und kriminalisiert und Lokalpolitik übt sich im Wegschauen. So entsteht ein entpolitisiertes Klima, indem die Nazis ihre Stukturen relativ ungestört weiter ausbauen können.

Links und Rechts und die Mitte
Polizei und Justiz haben zwar die Pflicht, offensichtliche rechte Straftaten zu verfolgen, sind aber weder willens, noch in der Lage, gegen rechtsextreme Ideologie und ihre gesellschaftlichen Ursachen vorzugehen.
Dass die Polizei in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus vielmehr Teil des Problems, als Teil der Lösung ist, wurde auch anhand der vergangengen Vorfälle überdeutlich. Nach dem rassistischen Vorfall vom 5. Dezember in Ludwigshafen verharmlosen die PolizistInnen in ihrer Pressemeldung die Vorfälle als "nicht politisch motiviert", da die Täter nur als Schläger, nicht aber als Neonazis bekannt seien. Dem Gegenüber steht die Aussage eines Täters, er hasse das Opfer "wegen seiner Hautfarbe", welche Schläge und Tritte als Konsequenz nach sich zog. Im Fall des Mannheimer Übergriffs fuhr eine Polizeistreife kurze Zeit später am Tatort vorbei. Die BeamtInnen sahen den blutenden Mann, erkundigten sich aber nicht bei ihm, sondern bei PassantInnen, was denn vorgefallen sei. Daraufhin fuhren sie einfach weiter, ohne zu helfen.

Ein vollkommen anderes und ungleich höheres Engagement seitens der Polizei können wir aber beobachten, wenn es darum geht, gegen linke und antifaschistische Aktivitäten vorzugehen: Repression gegen Demonstrationen (jüngste Beispiele: eine kurdische Demonstration gegen eine militärische Inervention der Türkei im Nordirak oder eine antifaschistische Demonstration gegen Nationalismus anlässlich des 3. Oktobers, die jeweils von hunderten PolizistInnen eingekesselt waren und mit zahlreichen Schikanen überzogen wurden), Ermittlungsverfahren und Überwachung durch Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste, sowie rassistische Kontrollen und Schikanen im Alltag gegenüber MigrantInnen.

Was tun?
Rassismus ist ein gesellschaftliches und kein ordnungspolitisches Problem. Polizeiliche Interventionen sind immer rechtsstaatliche Maßnahmen, die Gesetze statt Antifaschismus als Grundlage haben. Somit ist klar, dass Appelle an Staat und Polizei, nicht nur erfahrungsgemäß ins Leere laufen, sondern auch schlichtweg den falschen Adressaten haben. Vielmehr muss es darum gehen, antifaschistische Positionen stärker zu verankern und die gesellschaftlichen Ursachen ins Visier zu nehmen, um rechter Ideologie nachhaltig den Boden zu entziehen.

Kein Fußbreit den Faschisten!
In Mannheim wurde sich in der Vergangenheit oft erfolgreich gegen Naziaufmärsche und rechtsextreme Propaganda stark gemacht. Die Kurpfalz gibt sich gerne als offen, tolerant und demokratisch. Dem sollten jetzt Taten folgen. Die alltägliche Nazigewalt ist nicht nur Sache der braunen Dörfer in der Pfalz. Auch in den Städten der selbsternannten Metropolregion Rhein-Neckar ist sie längst Realität. Sorgen wir gemeinsam mit allen dafür, dass sich die Nazis nicht wohl fühlen und weder ihre Ideologie noch ihre Gewalt unwidersprochen bleibt.
Organisiert die antifaschistische Selbsthilfe!
Nazis in die Defensive drängen!

Indymedia-Artikel zum Übergriff vom 15.12.:  http://de.indymedia.org/2007/12/202821.shtml
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Ergänzungen