Die vergessenen Konflikte

Antimilitarist 27.12.2007 16:25 Themen: Soziale Kämpfe Weltweit
Seit den 90er Jahren beobachteten Friedensforscher einige Jahre lang eine Abnahme von Konflikten. Seit 2002, ein Jahr nach dem Beginn des amerikanischen "War on Terror", stagniert die Zahl bei etwa 30. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hat in einem jährlichen Papier, eine kleine Übersicht zusammengestellt:  http://www.aerzte-ohne-grenzen.de/

Dieser Artikel belichtet die Proteste in Myanmar und Tibet im Herbst diesen Jahres.
Wenig Interesse bei den Medien in den USA

Das Leben von Prominenten, die anstehenden Präsidentschaftswahlen und der Irak haben 2007 die Schlagzeilen der US-Medien dominiert. Ignoriert wurden dort hingegen die verheerenden humanitären Katastrophen, wie die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) bei der Vorstellung einer Liste der zehn am meisten vernachlässigten Themen kritisierte.
So sei nicht über die Gewalt und Flüchtlingsströme in der zentralafrikanischen Republik, in Somalia und Sri Lanka berichtet worden. Zu den Top-10 der vernachlässigten Themen zählte die Organisation auch die Konflikte im Kongo, Kolumbien, Burma (Myanmar), Simbabwe und Tschetschenien. Ebenso sei über Tuberkulose-Opfer und unterernährte Kinder zu wenig berichtet worden.

„Millionen Menschen, die in Kriege geraten sind, ihr Heim verlassen mussten und ohne medizinische Grundversorgung leben, haben kein Recht auf eine Aufmerksamkeit, die dem Ausmaß ihrer Lage entspricht“, heißt es in der Erklärung von MSF. Die Hilfsorganisation veröffentlicht seit 1998 jedes Jahr eine Liste mit vernachlässigten Themen.

Neue Urlaubsreisen – Angebote nach Myanmar

Yangon in Myanmar ist seit den Demonstrationen vom September kein Traumziel westlicher Touristen mehr. Zuvor war das jedoch eine Destination, die nach Aussagen von Touristen deshalb so anziehend war, weil alles noch so war wie vor vierzig, fünfzig Jahren. Sicher. Nur eben: Die Mehrheit der Bevölkerung hat das weniger anziehend und charmant gefunden, die zerfallenden Häuser, die holprigen Hauptstrassen, die permanente Teuerung. Seit vierzig, fünfzig Jahren werden Burmesinnen und Burmesen von Militärs regiert, die von Wirtschaft keine Ahnung haben und das einst wirtschaftlich reiche Land nach UNO-Statistiken zu einem der ärmsten Länder der Welt "entwickelten".

Anderes ist bei den Anbietern von Reisen zu berichten: „Unsere Buchungen für die gerade begonnene Wintersaison ziehen wieder an", erklärt Verena Nüßmann, FTI-Produktmanagerin für Asien. „Nicht nur für kulturinteressierte Asienfans ist Myanmar interessant. Gerade für die Verlängerung nach einer Rundreise sind die Strände eine echte Alternative zu den anderen bereits bekannten Badeorten in Asien.“ Die Firma warb mit dem Spruch: „Weihnachten in Myanmar“

Die Regierung kappt im Krisenfall einfach das Netz

Nach zwei Tagen Straßenprotest hatte Birmas Militär-Diktatur genug. "Bagan Cybertech", der staatliche Internet-Anbieter mit Monopol, drosselte seinen Dienst. "Das Internet geht nicht, weil ein Unterwasserkabel kaputt ist", log ein Angestellter der Telekom-Behörde am 28. September. In Wahrheit war das Netz auf Anweisung der Junta durch Bandbreitenreduzierung unbrauchbar gemacht worden. Zuvor hatten mutige Journalisten, Dissidenten und Bürger die Welt per Internet darüber informiert, wie brutal Birmas Soldaten die friedlichen Demonstrationen von Mönchen und Sympathisanten auflösten. In mehreren Städten des Landes waren zeitweise Hunderttausende auf die Straße gegangen, bis die Militärs die Demonstrationen Ende September gewaltsam niederschlugen. Dabei wurden amtlichen birmanischen Angaben zufolge mindestens 13 Menschen getötet, unter ihnen ein japanischer Fernsehjournalist.

Vom Handy ins Netz in die Welt

"Ich hörte die Schüsse und ging raus, um nachzuschauen. Man sagt, dass schon fünf Mönche tot seien", schrieb eine Frau aus Rangun, sie nannte sich Dawn, im Blog Demokratie-Aktivisten der "88 Generation Studenten" hatten den Protest in Birma mit organisiert. Sie verschickten von der Google-Mailadresse "88gstudent" Erklärungen und Protestappelle: "Ich rufe alle Menschen, die das Land lieben, dazu auf, sich unseren Bestrebungen anzuschließen", schrieb der 88er Dissident Ko Htay Kywe.
Nach den späteren Straßenschlachten verschickten Augenzeugen Photos und kurze Filme, manche mit Handys aufgenommen, per Internet in alle Welt. Blutende Mönche waren zu sehen, prügelnde Sicherheitskräfte und ein Soldat, der den japanischen Journalisten Kenji Nagai aus einem Meter Entfernung von hinten erschoss. Exil-Dissidenten in Thailand, Indien und Norwegen empfingen und verbreiteten Berichte, Bilder und Filme.

Das Internet dient auch zu Propagandazwecken

Die Generäle fürchten das Internet nicht nur, sie schätzen es gleichzeitig als Propagandamittel. Unter www.myanmar.com ist die Staatspresse abrufbar. Dort sind die jüngsten Nachrichten des Staatsfernsehens transkribiert. Die Tageszeitung "New Light of Myanmar", das Junta-Sprachrohr, kann als E-Papier im PDF-Format herunter geladen werden. "Unser Volk achtet nicht auf Aufstachelung durch Auslandsmedien, die übertriebene Nachrichten senden. Trotz Aufstachelung unterstützt das Volk einstimmig die Regierung", steht regelmäßig auf der Titelseite. Gemeint sind Auslandsmedien wie BBC und VOA, die auf Birmanisch über Kurzwelle nach Birma senden. Auch wenn das Internet an Bedeutung zunimmt, so hat es in armen Staaten wie Birma noch lange nicht die Kraft von Radiowellen. Diese sind viel leichter, billiger und damit von einer breiten Masse zu empfangen.
Weltweite Solidaritätskundgebungen

Die Proteste in Myanmar führten zu weltweiten Solidaritätskundgebungen. Mehrere Staaten riefen die myanmarische Regierung auf, keine Gewalt gegen die Protestierenden anzuwenden. China, das gute wirtschaftliche Beziehungen mit dem rohstoffreichen Myanmar unterhält und Russland verhinderten aber im UN-Sicherheitsrat Sanktionen gegen das Militärregime, da diese nicht geeignet seien. Dennoch rief China am 27. September alle Parteien im Lande zur Besonnenheit auf. Angesichts seiner üblichen Politik der Nichteinmischung wurde bereits diese Äußerung positiv bewertet. Die ASEAN-Staatengemeinschaft äußerte am Rande der UN-Vollversammlung.

Die Online-Publikation "Irrawaddy" und die aus Oslo sendende "Democratic Voice of Burma" unterhalten in Birma ein Informanten-Netzwerk. Kommuniziert wird hauptsächlich per Email. Zwar hat nur ein Prozent der Bevölkerung Birmas direkten Zugang zum Netz, doch es gibt, zumindest in Großstädten, einige Internet-Cafes. Sie zu nutzen, ist auch sicherer, denn IP-Adressen sind nachvollziehbar. Das Internet trug durch Informationsfluss zu internationalem, politischem Druck auf die Junta bei.

Für den 6. Oktober rief Amnesty International zusammen mit anderen Menschenrechtsorganisationen zum globalen Aktionstag für Myanmar auf. In vielen Städten rund um den Erdball formierten sich an diesem Tag Protestkundgebungen gegen das Militärregime.ammlung am 27. September ihre 'Abscheu' vor dem Vorgehen des Regimes.

Erneute Demonstrationen im Keim erstickt

Der Internetzugang wurde am 1. November erneut unterbrochen, offiziell wegen technischer Probleme, erwurde am 3. November wiederhergestellt. In Mogok in der Mandalay-Division gingen am 5. November 2007 mehr als 50 Mönche auf die Straße, da das Regime den Forderungen der 'Allianz aller buddhistischen Mönche' von Mitte September nicht nachgekommen sei. Ein geplanter Protestmarsch in Sittwe am 28. Oktober hatte wegen der verschärften Sicherheitsvorkehrungen nicht stattfinden können. Wohin die festgenommenen Mönche verschwunden sind weiß niemand so genau. Manche hat man freigelassen, andere wurden an die Grenze zu Thailand geschickt und wieder andere in Arbeitslager gesteckt, mutmaßt man. Ungefähr 80 Prozent der Mönche waren am Protest beteiligt, aber das hat die Regierung bestritten. Die hat gesagt, dass es nicht wirklich die Mönche waren, welche die Bewegung gemacht haben.

Proteste auch in Tibet

"Die Mönche, Naning und Tarphel, wurden kürzlich verhaftet", berichtete ein befreundeter Mönch aus dem Kloster Jesho Baikar in der tibetischen Präfektur Nagchu (Chinesisch: Naqu) in einem Interview. "Die Mönche wurden gezwungen, die Vorwürfe gegen Dalai Lama mit ihrer Unterschrift zu unterstützen. Bei Verweigerung der Unterschrift hätten sie ein Bußgeld in Höhe von 10.000 Yuan entrichten müssen. Die beiden Mönche weigerten sich, den Dalai Lama zu kritisieren und erklärten, sie hätten das Geld nicht. Sie wurden mitgenommen, und niemand weiß, wo sie festgehalten werden."

Hunderte von bewaffneten Volkspolizisten (PAP) wurden in die Gegend entsandt, nachdem es im November zu Zusammenstößen zwischen Tibetern, die die Freilassung von sechs Mönchen forderten, die bei einem Streit mit einem Ladenbesitzer in Baikar (Chinesisch: Baiga Shang) festgenommen worden waren, und der Polizei gekommen war. In diesem Zusammenhang wurden auch zwei jugendliche Mönche festgenommen. Diese Vorkommnise blieben auch in den deutschen Medien zum Teil unbekannt.

China spielt eine große Rolle

Drei Monate nach den Protesten buddhistischer Mönche gegen die Junta in Myanmar bereiten die USA und die EU neue Sanktionen vor. Die Volksrepublik China hat Überlandstraßen zwischen der chinesischen Grenze und dem Zentrum Burmas in der Mandalay-Ebene finanziert und deren Ausbau logistisch unterstützt. Diese Straßen sind panzertauglich konstruiert und sichern den Chinesen den strategischen Zugang zum indischen Ozean.

Der völkerrechtliche Status Tibets ist auf deutscher Regierungsseite umstritten. So betrachtet auf politischer Ebene die deutsche Bundesregierung in Übereinstimmung mit der internationalen Staatengemeinschaft Tibet als Teil des chinesischen Staatsverbandes, selbst wenn Tibet in der wechselvollen Geschichte die Voraussetzung eines unabhängigen Staates erfüllt haben sollte.

Ob die Vorkommnisse in Myanmar und Tibet ein Thema bei den kommenden olympischen Sommerspielen 2008 in Peking werden bleibt ungewiss.
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Ergänzungen

Siehe auch

Heise.de 28.12.2007 - 16:01

die absurde Lobhudelei

der antipapst 29.12.2007 - 12:23
religiöser Feudalherrscher ist echt widerlich ! Der "Dalai Lama" wird hier
von Regierungsgrünen Esoterikern angehimmelt und ist doch nur ne alberne
Propagandafigur des "westens" gegen den Konkurenten China!
Die Junta versteht nix von wirtschaft?? Und in Ländern in denen die Reg.
etwas von wirtschaft versteht sind die Leute etwa nicht arm ??
Selbst in amiland oder brd ???