Zürich: Großmünsterbesetzung beendet

ClandesTino 24.12.2007 14:43 Themen: Antirassismus Freiräume Weltweit
Rund 120 Flüchtlinge und Sympathisanten hatten am Mittwoch den 19. Dezember um 14 Uhr das Großmünster in Zürich besetzt. Sie wollten mit dieser Aktion «ein friedliches, aber klares Zeichen des Protestes» setzen. Die Gruppe protestierte gegen das neue Asylgesetz, das Anfang 2008 in Kraft tritt. Die Menschen großteils aus dem Nordirak, aus Iran und dem Sudan (Darfur) schilderten die Verhältnisse in ihrer Heimat.
Die beiden großen Landeskirchen wurden aufgefordert, sich stärker zu engagieren für Menschen, die am Rande dieser Gesellschaft leben müssten, schrieb die Organisation «Bleiberecht für alle» in einem Communiqué. Sie fordert ein Bleiberecht für Menschen, die seit Jahren in der Schweiz leben, ob als Papierlose, als abgewiesene oder als vorläufig aufgenommene Flüchtlinge.
Das neue Asylgesetz zwinge Menschen, von einer minimalen Nothilfe und in Sammellagern leben zu müssen. Sie führten ein Leben in ständiger Angst vor Gefängnis und der Ausschaffung. Dieser Zustand mache krank und sei inakzeptabel, schreibt die Organisation weiter.

Die Kirche hatte den Besetzern angeboten, die Kirchenbesetzung bis am Donnerstag um 11 Uhr zu tolerieren. Sie sah offenbar die Dringlichkeit des Anliegens der Aktivisten und war bereit, Hand zu bieten, damit sie sich in der Öffentlichkeit äußern könnten, sagte Großmünster-Pfarrerin Käthi La Roche, sie schlief ebenfalls in der Kirche Auch Grünen-Gemeinderat Balthasar Glättli saß in der Kirche: Im Rat verlas er am Abend eine Solidaritätserklärung.

Der Kirchenpflege-Präsident Peter Wiesendanger sprach jedoch von einem Überfall: «Von der Besetzung habe ich durch einen Journalisten erfahren – die Aktivisten selber fanden es nicht nötig, uns zu informieren.»

Die Stadtpolizei Zürich beobachtete die Situation, wie eine Sprecherin sagte. Handlungsbedarf bestand aber nicht. Nicht beteiligte Personen würden nicht am Besuch der Kirche gehindert.

Die Aktivisten brachen am Morgen ihre Aktion ab. Der Entscheid fiel, nachdem die Gruppe die Nacht im Kirchgemeindehaus verbracht hatte. „Wir sind zufrieden mit dem Verlauf der Aktion“, sagte Michael Stegmaier, Vertreter der Vereinigung «Bleiberecht für alle» am Freitag. Man habe Signale setzen und die Anliegen der Sans Papiers in die Öffentlichkeit tragen können.

„Wir sind heute mit Gesetzen konfrontiert, welche keine Probleme lösen, sondern nur noch weitere schaffen. Menschen aus Bürgerkriegsländern wie Afghanistan, dem Irak oder dem Kongo müssten in den nächsten Tagen die Schweiz verlassen und stehen vor dem Nichts. Bei einer Rückkehr würde sie ein Leben in Armut und Elend erwarten, wenn nicht gar der Tod. Und das ist keine Schwarzmalerei, sondern bitterste Realität für die Betroffenen.

Wir fordern ein Bleiberecht für Menschen, welche seit Jahren hier leben. Ob nun als papierlose BilliglohnarbeiterInnen, als abgewiesene Flüchtlinge oder als "vorläufig Aufgenommene". Es kann nicht sein, dass Menschen 15, 16, 17 Jahre in einem Dauerprovisorium hier leben müssen. Dieser Zustand macht krank und ist inakzeptabel!

Die Zürcher Kirchen sollten in der Weihnachtszeit die Türen für alle Menschen öffnen und damit ein deutlich sichtbares Zeichen der Solidarität aussenden!

Es wird keine Entschärfung im Asylbereich und nachhaltige Integration geben - ohne ein Bleiberecht! Flucht und Migration sind keine Verbrechen - kein Mensch ist illegal!“

Zwischen Weihnachten und Neujahr ist ein Treffen mit verschiedenen Flüchtlingsorganisationen geplant. Dort werde man über weitere Aktionen entscheiden. Mit der Großmünster-Besetzung wurde eine gesamtschweizerische Kampagne lanciert, betonte Stegmaier. So sind etwa Sternmärsche von Sans Papiers in Richtung Bern geplant. Auch eine weitere, dann aber zeitlich unbegrenzte Kirchenbesetzung sei dann denkbar.

Auch in Deutschland starten zurzeit wieder die Abschiebungen in den Irak, die Abschiebeairline Zagros-Air ist unter dem Druck der Behörden eingeknickt, nachdem sie die Abschiebungen aufgrund der Kampagne gegen Irak-Abschiebungen zwischenzeitlich gestoppt hatte. Verantwortlich in Deutschland ist das Subunternehmen ALIRAQ Aviation-Travel mit Sitz in Frankfurt, über das die Abschiebeflüge gebucht werden und das in der Lage ist, die Flüge zu stornieren - was sie schon bei mehreren Abschiebungen getan wurde, nachdem sie unter Druck gesetzt wurden.

Protestpostkarten gibt es hier:
 http://www.fluechtlingsrat-bayern.de/index.php/aktionen.html
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Ergänzungen

Politische Erklärung zur Besetzung

antiranetz 24.12.2007 - 22:14

Artikel von 20min

http://www.20min.ch/ 24.12.2007 - 22:18
Am 20.12 mussten die Protestierenden der Gruppe «Bleiberecht für alle» aus dem Zürcher Grossmünster raus. Nun haben sie sich in den Räumen der Kirchgemeinde Aussersihl wieder eingerichtet.

Der Umzug ging sehr schnell von statten. Innerhalb von wenigen Minuten waren Transparente und Plakate an der Fassade festgemacht, Bänke und Tische in die Räume verfrachtet. Gegenwärtig sind gemäss Angaben von Katherine Huber rund 60 Asylbewerber - hauptsächlich aus Iran, Irak und Afghanistan - vor Ort. Dazu kommen 25 Sympathisanten. Heute Abend, 19.30 Uhr wird Marc Spescha, Rechtsanwalt mit Schwerpunkt auf dem Gebiet des Ausländerrechts, einen Vortrag halten, zu dem alle Interessenten und weitere Sympathisanten eingeladen sind.

«Es ist eine Frage der Kraft, wie lange wir das durchstehen können»

«Wir wollen bewirken, dass Asylbewerber, die seit mehr als fünf Jahren in der Schweiz leben, einen Job haben und gut integriert sind, ein Bleiberecht erhalten.» Im Kampf für dieses Recht haben die Demonstranten die vergangene, eisigkalte Nacht auf dem Steinboden im Grossmünster verbracht. Auch in den neuen Räumlichkeiten wollen sie die ganze Nacht über bleiben. «Es ist recht anstrengend und hart», gibt Huber zu, «es braucht eventuell neue Leute, die uns hier ablösen. Es ist eine Frage der Kraft, wie lange wir das durchstehen können.»

Delegation bei Regierungsrat Hollenstein

Der Durchhaltewille hat sich bisher gelohnt. Das Medienecho sei durchwegs positiv gewesen, meint Huber. Und auch auf politischer Ebene können sie einen Zwischenerfolg verbuchen: Heute um 15.45 Uhr empfängt der Zürcher Regierungsrat Hans Hollenstein, Vorsteher der Sicherheitsdirektion, eine Delegation der Gruppe «Bleiberecht für alle.»

Achtung wegen Termin

Moi 24.12.2007 - 22:23
PS: Der Artikel von 20 min ist vom 21.12 Nicht dass jemand heute Abend zu dem Termin geht !

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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erfolgreiche hausbesetzung in winterthur — kollektiv klimaschock!

politiker — antifa 4-ever