Mexico: Acteal - 10 Jahre Straflosigkeit

Rob 23.12.2007 21:20 Themen: Globalisierung Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Am 20. und 21.12.07 fand in Acteal (Chiapas/Mexico) das "Encuentro contra la impunidad" (Zusammentreffen gegen die Straflosigkeit") statt. Am darauf folgenden Tag wurde in einer grossen Gedenkveranstaltung der Toten des Massakers vor genau 10 Jahren am gleichen Ort gedacht. Die autonomen Gemeinden der "Abejas" (Bienen) folgen trotz der andauernden Straflosigkeit dieser und weiterer Verbrechen ihrem mit den zapatistischen Gemeinden solidarischen, jedoch explizit pazifistischen Weg.
Vor genau 10 Jahren am 22.12.1997 wurden in der Gemeinde der
pazifistisch-religioesen Organisation "Las Abejas" 45 Menschen, in der
Mehrzahl Frauen und Kindern, von Paramilitaers ermordet. Dieses Massaker
bildete den Hoehepunkt einer Welle von Repression im Rahmen eines sog.
"Krieges niederer Intensitaet" der mex. Regierung gegen die zivile Basis
der zapatistischen Armee der nationalen Befreiung (EZLN). Die Gemeinden
der Abejas waren ins Visier der Paramilitaers gekommen, nachdem sie zu den
Friedensgespraechen von San Andres zwischen Regierung und Guerilla
eingeladen worden waren, wo sie die Forderungen der Zapatistas nach
Beendigung der quasi-feudalen Verhaeltnisse in Chiapas und Anerkennung
autonom-indigener Gesellschaftsstrukturen teilten.

Die Tat kam keineswegs aus heiterem Himmel, sondern kuendigte sich in der
paramilitaerischen Ausbildung regierungstreuer Einwohner aus
Nachbargemeinden durch das mexikanische Militaer und anhaltende Drohungen,
Niederbrennung von Haeusern (nicht nur) der Abejas etc. seitens dieser
schon lange vorher an. Die Verwicklung und direkte Unterstuetzung der
Taeter durch staatliche Kraefte war auch insofern leicht ersichtlich, als
dass die Praesenz offizieller Polizeieinheiten in unmittelbarer Naehe des
Dorfes waehrend des Massakers nachgewiesen werden konnte. Die in die
Dorfkirche gefluechteten Indigenas konnten auf keine Hilfe offizieller
Stellen hoffen.

Die Verantwortlichen dieser Tat, vom Militaerpraefekten dieser Region bis
hin zum frueheren Praesidenten Zedillo, die allesamt auf eine solche
Eskalation hingearbeitet haben, wurden bis heute nicht zur Rechenschaft
gezogen. Lediglich einige der (ebenfalls indigenen) Ausfuehrer der Tat
wurden Festgenommen. Woher die Waffen kamen, wozu die Leute ausgebildet
wurden und warum die anwesenden Polizeikraefte die Ermordung so vieler
Unschuldiger nicht verhindert haben, bleibt von offizieller Seite
weiterhin im Dunkeln.

Gegen diese fortwaehrende Straflosigkeit hatten die Gemeinden der Abejas
am Ort des Geschehens in Acteal unter dem Titel "Encuentro nacional contra
la impunidad" zum mittlerweile 10. Jahrestag der Ereignisse zu einem
Treffen mit thematischen Vortraegen, Arbeitskreisen, Plena,
Videovorfuehrungen und mehr eingeladen. Die hunderten BesucherInnen aus
benachbarten Gemeinden, allen Ecken von Mexico und zahlreiche
internationale TeilnehmerInnen wurden waehrend den insgesamt 3 Tagen von
verschiedenen Kommitees der Abejas unentgeltlich mit Unterkunft, einfachem
aber delikatem Essen und Kaffee versorgt. Fuer Leute, die schon einen Tag
frueher kamen oder erst im Laufe des Encuentros (als die Schule und andere
Raeumlichkeiten schon voll waren) raeumten die VeranstalterInnen selbst
ihre eigenen Huetten bzw. sorgten fuer Uebernachtungsmoeglichkeiten in
Nachbargemeinden.

Die Vielfalt der besprochenen Themen reichte ueber aktuelle politische
Analysen diverser Menschenrechtsbeobachtungsgruppen ueber Deklarationen
der Maya-Frauengruppe der Abejas bis hin zu Vorstellungen aktueller
Videoproduktionen/Dokumentationen ueber den Konflikt seitens der
Regisseure abends auf Grossleinwand. Parallel dazu wurde die Veranstaltung
per Radio im Internet und ueber eine Funkfrequenz in die umliegenden
Gemeinden uebertragen.

Als Vertreter des Menschenrechtsnetzwerks "Todos los derechos para todos"
wies bspw. Edgar Cortés darauf hin, dass "Gerechtigkeit in Mexico eine
lllusion"* sei und Straflosigkeit in diesem Staat kaeuflich. Dazu bezog er
sich auf Untersuchungen ueber tatsaechlich von der mex. Justiz gefaellte
Strafurteile, die hauptsaechlich Kleindelikte betreffen, begangen von
weitestgehend mittellosen Taetern aus den unteren Gesellschaftsschichten.
Des weiteren erschwere die Sondergerichtsbarkeit der zahlreichen Taeter
aus den Reihen der offiziellen Streitkraefte duch den erschwerten Zugang
zu den Militaergerichten die Verurteilung letzterer. Die seit Amtseintritt
des rechtskonservativen Praesidenten Calderon kuerzlich eingefuehrten, mit
der Einschneidung buergerlicher Rechte und einem massiven Eingriff in die
Privatsphaere einhergehenden Sicherheitsgesetze stellen ihmzufolge einen
qualitativ neuen Schritt dar, was die Kriminalisierung sozialer
Protestbewegungen z.B. unter Konstruktion eines "Terrorismusverdachtes"
angeht. Die Vertreterin der schon seit 15 Jahren bestehenden
Frauenorganisation der Abejas wies unter anderem auf eine zentrale
Forderung nach 1997 hin, die bislang ebenfalls unbeantwortet blieb: Eine
Garantie seitens der offiziellen Organe, dass sich so etwas nie
wiederhole.

In den Arbeitsgruppen wurden bspw. Taktiken des Umgangs mit staatlich
gedeckter Straflosigkeit und die Stellung bzw. spezifischen Probleme von
Frauen in diesem Konflikt diskutiert. Die zuvor ueber die eingangs
ausgegebenen, verschieden farbigen Teilnahme-Anhaenger gebildeten Gruppen
wurden danach ein zweites mal neu nach Herkunft der Leute geordnet, um
gezielt nach Loesungen und Vorschlaegen im regionalen, bundesstaatlichen
und internationalen Kontext zu suchen. Die in der Gruppe der
internationalen BesucherInnen erzielten Beschluesse und Ergebnisse zielen
auf eine staerkere Vernetzung solidarischer Strukturen im Ausland, die
Uebersetzung von Artikeln der Abejas-Homepage in andere Sprachen sowie die
Einladung von Abeja-MitgliederInnen zu politischen Rundreisen ins Ausland,
um selbst von ihren Erfahrungen und sozialen Kaempfen berichten zu
koennen. Dazu wurde ein email-Verteiler der anwesenden Personen und
Gruppen eingerichtet, ueber den eine weitere Koordination laufen soll.

Als kritisch koennen die oftmals fehlenden Uebersetzungen der gehaltenen
Redebeitraege in die indigene Sprache der DorfbewohnerInnen erwaehnt
werden, wodurch streckenweise ein Grossteil der anwesenden Betroffenen
nicht verstanden haben duerften, worueber die RednerInnen sprachen. Das
betraf vor allem Frauen, die in den hinteren Raengen der
Veranstaltungstribuene zwar anwesen waren, meinen Beobachtungen zufolge
jedoch im Gegensatz zu den meisten Maenner des Dorfes meist kein oder nur
wenig spanisch sprechen konnten. In meinen Augen latent bevormundend
wirkte auch die ausnahmslose Uebersetzung der Redebeitraege von nicht
spanisch-sprechenden Dorfbewohnerinnen durch maennliche Dorfautoritaeten.

Nach zwei Tagen der geschilderten Aktivitaeten wurde unter Anwesenheit des
durch seine Bemuehungen waehrend der Verhandlungen von San Andres in den
widerstaendigen Gemeinden recht beliebten Bischofs und Befreiungstheologen
Samuel Ruiz sich schliesslich am 22.12. in Prozessionen und Andachten dem
Gedenken des sich nun zum 10. Mal jaehrenden Massakers von Acteal
gewidmet.

Die Gedenkveranstaltung fand dieses Jahr bedenkenswerter Weise in einem
gesellschaftlichen Kontext statt, der fuer viele BeobachterInnen weniger
von der Hoffnung auf eine baldige Wiederaufarbeitung der Vorgaenge in
Acteal gepraegt ist, als vielmehr von der Angst einer erneuten Zuspitzung
des Konfliktes in Chiapas und der Gefahr einer Wiederholung dessen, was in Acteal
seinen bislang schrecklichsten Ausdruck fand.



*Alle Zitate sind eigene Uebersetzungen.

Mehr Infos auf der Homepage der Abejas:
 http://acteal.blogspot.com/


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Ergänzungen

Protest-Email-Aktion

Gruppe B.A.S.T.A. 24.12.2007 - 04:51
::::: 10 Jahre Massaker von Acteal :::::

- Protestmail-Aktion wegen massiver Repression in Chiapas -

Hallo zusammen,

wir rufen Euch dringend dazu auf, an der folgenden Protestmail-Aktion teilzunehmen.

Die Nachrichten der letzten Tage, Wochen und Monate sind besorgniserregend, wir erleben zur Zeit eine neue Welle der Repression gegen die zapatistischen Gemeinden. Die Situation bleibt ernst.

Bitte unterzeichnet und verschickt den beigefügten Brief möglichst bald an die unten angegebenen Emailadressen (das Massaker von Acteal wurde am 22.12.1997 ausgeführt).

Verbreitet die Aktion bitte auch schnell an potentielle InteressentInnen!

Mit solidarischen Grüßen,

Gruppe B.A.S.T.A.

PS: Anleitung: den spanischen Brief markieren, kopieren und in eine Email einfügen, unterzeichnen und schließlich die Email-Adressen einfügen und absenden. Es wäre auch wünschenswert, wenn einige Leute/Gruppen den Brief per Post oder Fax an die mex. Botschaft und das mex. Generalkonsulat schicken würden. Adressen s.u.

Gruppe B.A.S.T.A.
Dahlweg 64
48153 Münster


1.) Protestbrief auf Deutsch

(Betreffzeile:)

Sofortiger Stopp jedweder Angriffe auf die indigenen Gemeinden im Widerstand!

(Emailtext:)

An die Regierung von Mexiko
An die Regierung von Chiapas
An die Zivilgesellschaft
An die Medien

10 Jahre nach dem Massaker von Acteal, nach 10 Jahren der Straflosigkeit, nach 14 Jahren der Militarisierung der würdigen, rebellischen, indigenen Gemeinden von Chiapas

fordern wir:

1. Die sofortige Einstellung jeder Art von Aggressionen gegen die zapatistischen Gemeinden und gegen andere rebellische Gemeinden.

2. Den sofortigen Rückzug der ständigen Militärlager im indigenen Gebiet von Chiapas.

3. Die sofortige Freilassung der politischen Gefangenen.

4. Die definitive Annullierung aller neuen beabsichtigten gewaltsamen Räumungen im indigenen Gebiet von Chiapas.

5. Die sofortige Eröffnung einer Untersuchung der Behörden der Landwirtschaftlichen Staatsanwaltschaft und der Landwirtschaftlichen Reformbehörde, um die Verantwortlichkeiten hinsichtlich der Amtsmissbräuche und Korruption von Staatsbeamten zu klären und zu spezifizieren.

6. Die sofortige Eröffnung einer Untersuchung über die Verantwortlichkeiten hinsichtlich des Vorgehens der mexikanischen Bundesarmee bzgl. seiner Verbindungen zu paramilitärischen Gruppen im indigenen Gebiet von Chiapas zu spezifizieren.

7. Die sofortige Einstellung des Aufstandsbekämpfungskrieges gegen die indigenen zapatistischen Gemeinden.

8. Die mexikanische und die chiapanekische Regierung müssen die Menschenrechte und die indigenen Rechte nach der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation ILO respektieren und garantieren.

Mit freundlichen Grüßen

(NAME, ORT, LAND, ggf. Adresse)


2.) Protestbrief Spanisch

(Betreffzeile:)

Alto a las agresiones contra las comunidades indigenas en resistencia!

(Emailtext:)

Al gobierno de México
Al gobierno de Chiapas
A la sociedad civil nacional e internacional
A los medios

10 años después de la masacre de Acteal, después de 10 años de impunidad y después de 14 años de la militarización de las comunidades dignas rebeldes indígenas de Chiapas

exigimos lo siguiente:

1.) Cese inmediato a todo tipo de agresiones contra las comunidades zapatistas y otras comunidades rebeldes.

2.) Retiro inmediato de los campamentos militares permanentes en el territorio indígena de Chiapas.

3.) Libertad inmediata de los presos políticos.

4.) Se cancele definitivamente cualquier nuevo intento de desalojo forzoso dentro del territorio indígena de Chiapas.

5.) Se abra una investigación inmediata sobre autoridades de la Procuraduría Agraria y sobre la Secretaría de la Reforma Agraria que deslinde y especifique responsabilidades en materia de abusos de autoridad y corrupción de funcionarios públicos.

6.) Se abra una investigación que especifique responsabilidades sobre la actuación del Ejército Federal mexicano en su vinculación con grupos paramilitares en el territorio indígena de Chiapas.

7.) Alto inmediato a la guerra de contrainsurgencia desarrollada contra pueblos indígenas zapatistas.

8.) El gobierno mexicano y el gobierno chiapaneco deben respetar y garantizar los derechos humanos y los derechos indígenas según la convención 169 de la OIT.

Atentamente

(NAME, ORT, LAND, ggf. Adresse)


3.) Emailadressen der staatlichen Behörden:

 secpart@prodigy.net.mx,  fiscaliachiapas@prodigy.net.mx,  sgui@prodigy.net.mx,  ofproc@pgr.gob.mx,  correo@cndh.org.mx,  emilio.gamboa@congreso.gob.mx,  screel@senado.gob.mx,  sepiui@prodigy.net.mx,  cdh@cdh-chiapas.org.mx,  chis@sra.gob.mx,  felipe.calderon@presidencia.gob.mx,  aescobar@sra.gob.mx,  secretario@segob.gob.mx,  frjramirez@segob.gob.mx,  ofproc@pgr.gob.mx,  comunicacion@mail.sedena.gob.mx,  pespinosa@sre.gob.mx,  jvazquezs@sre.gob.mx,  crchiapa@pfp.gob.mx,  crtuxtla@pfp.gob.mx,  cscristo@pfp.gob.mx,  delegado@chiapas.semarnat.gob.mx,  delegado@chp.sagarpa.gob.mx,  dirgral@cdi.gob.mx,  jesuscaridad@cdi.gob.mx,  chs@pa.gob.mx,  scc@pa.gob.mx,  oco@pa.gob.mx,  jasandoval@profepa.gob.mx,  mail@embamexale.de,  info@consulmexfrankfurt.org,  mex.honorarkonsulat@leschaco.de,  info@consulmexhh.de,  info@consulmex-haj.de,  Mexiko-hk-muc@bbw.de,  mex.honorakonsulat@lbbw.de

=> Bitte schickt zu unserer internen Evaluation über die Teilnahme an der Aktion eine BLINDKOPIE an:  gruppeBASTA@gmx.de


4.) Post- und Faxadressen:

Mexikanische Botschaft in Deutschland
Klingelhöferstr. 3
10785 Berlin
TEL: 030 269 323 0
FAX: 030 269 323 700

Generalkonsulat der Vereinigten Mexikanischen Staaten
Taunusanlage 21
60325 Frankfurt a.M.
Telefon 069 2 99 87 50
Fax 069-29 98 75 75

Acteal - Wir werden nicht vergessen!

YA-BASTA-NETZ 24.12.2007 - 05:22
22. Dezember 2007

ERKLÄRUNG

zehn Jahre nach Acteal bleibt es notwendig, an das Massaker, seine Ursachen und die beteiligten Akteure zu erinnern:

Am 22. Dezember 1997 töteten Angehörige der paramilitärischen Gruppe „Mascara Roja“ in der Gemeinde Acteal in Chiapas, Mexiko 45 Tzotzil-Indígenas: 16 Mädchen und Jungen, 20 Frauen und neun Männer starben während des Massakers, das sich über mehrere Stunden hinzog - vier der Frauen waren schwanger. Etwa 200 Meter entfernt befand sich eine Einheit der mexikanischen Polizei, die das Massaker hätte verhindern können, jedoch nicht eingriff.

Die Opfer gehörten zu einer zivilen Gruppe namens „Las Abejas“ (Die Bienen), die sich der Verteidigung ihrer Rechte als indigene Bevölkerungsgruppe verschrieben haben. Als die brutalen Morde geschahen, waren sie versammelt, um für Frieden für ihre und die umliegenden Gemeinden zu beten, wo die Menschen wegen der Unterstützung der Zapatistischen Armee der nationalen Befreiung (EZLN) vertrieben wurden.

In den vergangenen zehn Jahren wurde Acteal an vielen Orten mit den unterschiedlichsten Akteuren und einer Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen immer wieder heraufbeschworen: Atenco, Oaxaca, Guerrero, Mexiko-Stadt, Ciudad Juárez - Frauen und Männer, Indígenas und Mestizos, JournalistInnen, StudentInnen, VerteidigerInnen der Menschenrechte, Bäuerinnen und Bauern... Frauenmorde, gewaltsames Verschwinden, illegale Verhaftungen, Angriffe auf die körperliche, psychische und sexuelle Unversehrtheit, Kinderarbeit, Verletzungen des Rechts auf kulturelle Identität, des Rechts auf Arbeit, des Rechts auf Bildung, des Rechts auf Gesundheit, des Rechts auf Wohnraum, des Rechts auf einen fairen Prozess unter Berücksichtigung der Rechte der bzw. des Einzelnen, der Rechte auf politische Beteiligung...

Trotz der Versuche verschiedener mexikanischer Regierungen, diese Verletzungen einerseits als Einzelfälle, andererseits als Ergebnis der Konfrontation zwischen Einzelnen oder zwischen verschiedenen Gemeinden und ethnischen Gruppen darzustellen, deuten ihre Häufung und Tragweite darauf hin, dass ihnen strukturelle Ursachen und konkrete institutionelle Verantwortlichkeiten zugrunde liegen.

Die schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen in Mexiko sind direkte Folgen eines Bündels von Faktoren, die in einem Zusammenhang stehen und in drei verschiedenen Bereichen verortet sind. Dazu gehören:

a) die Festigung eines sozio-ökonomischen Modells, das zutiefst ungerecht ist und die Grundbedürfnisse eines Großteils der Bevölkerung nicht befriedigen kann, obwohl die mexikanische Wirtschaft zu den größten der Erde gehört;

b) das Nichtvorhandensein oder die extreme Fragilität politischer Räume, die eine breite und bewusste politische Beteiligung der Bevölkerung ermöglichen;

c) die Straflosigkeit, die in den Reihen der verschiedenen Sicherheitskräfte und der Armee sowie bei den von ihnen aufgebauten paramilitärischen Banden vorherrscht, die mit der fehlenden Unabhängigkeit des Justizsystems zusammenhängt.

In diesem Kontext ist die Verantwortlichkeit hauptsächlich bei den mexikanischen Institutionen zu suchen: Die Berichte und Empfehlungen, welche verschiedene Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen und die Interamerikanische Menschenrechtskommission herausgegeben haben, sowie die Erklärungen des Europäischen Parlaments, die öffentlichen Bekanntmachungen verschiedener Menschenrechtsorganisationen (Amnesty International, Human Rights Watch und andere), haben bei den verschiedenen mexikanischen Regierungen zumeist lediglich eine vollständige Leugnung oder gleichgültiges Schweigen hervorgerufen. Damit muss Schluss sein!

Auch zehn Jahre nach Acteal - und nach so vielen anderen Menschenrechtsverletzungen in Mexiko -, muss der Kampf gegen die Straflosigkeit weitergeführt werden. Keine Verletzung von sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen, politischen und bürgerlichen Rechten sollte ohne Reaktion bleiben.

So muss von Seiten der Politik in Mexiko sowie von internationalen Organisationen sofort etwas gegen den gegenwärtigen Terror paramilitärischer Gruppen wie z.B. der OPPDIC in Chiapas unternommen werden. Dies ist kein einfaches Unterfangen, da die Paramilitärs in einigen Fällen Unterstützung von Seiten des Militärs und anderer staatlicher Stellen erfahren.

Wir fordern die mexikanische und die chiapanekische Regierung auf:

- Klären Sie die Geschehnisse in Acteal vor zehn Jahren endlich lückenlos auf und bestrafen Sie die Verantwortlichen des Massakers.

- Stoppen Sie die Unterstützung sämtlicher paramilitärischer Gruppen, allen voran der heute aktiven OPPDIC, die für viele Verletzungen und Bedrohungen von Menschen in Chiapas verantwortlich ist.

- Wir fordern die umfassende Aufklärung der jüngsten Menschenrechtsverletzungen in Chiapas und die Bestrafung der Täter.

YA-BASTA-NETZ, Deutschland, Europa, Planet Erde



Frauen

Sola 30.12.2007 - 03:17
Ich war auch in Acteal und bin doch sehr erstaunt was der Autor des Artikels alles so wahrnimmt. Da ich in verschiedenen (zapatistischen) indigenen gemeinden war und mich (als frau)besonders die Situation der Frauen betroffen gemacht hat (versorgung der bis zu neun Kindern, Arbeit auf der milpa, Haushalt, Artesano, und die Fuersorge um das Wasser und wenig bis gar keine Teilhabe am oeffentlichen Leben, war ich in acteal doch sehr positiv ueberrascht. Die Frauen dort waren in der oeffentlichkeit, hatten eine eigene Erklaerung, haben Fotografiert und gefilmt und haben bei den mesas mitgearbeitet. Ich bin schon erstaunt, wie schnell sich ein "weisser" Internationalist Urteile (erster Kontakt mit einer inigenen Gemeinde) bidet. Dazu noch eine weitere Anmerkung: Viele der Maenner (und Kinder) dort sprechen auch kein castillan....
Ansonsten wuerde ich dem Artikel zustimmen - bei mir (und vielen anderen) kam noch eine starke Betroffenheit dazu, da Kontakt mit den Ueberlebenden und die Fotos der Toten (und die immer wieder in den Beitraegen presente Darstellung des Massakers)einfach emotional stark betroffen macht