Atomreaktor-Neubau in Frankreich: Erste Anklage

Eichhoernchen 23.12.2007 18:59 Themen: Atom Repression Weltweit
In Flamanville wird ein neuer Atomreaktor gebaut. Eine breite Widerstandsbewegung hat sich dagegen formiert. Zehn Tausende gehen auf der Strasse. Doch, es nützt nichts. Die Regierung ist fest dazu entschieden, diesen Reaktor bauen zu lassen. Die Bauarbeiten haben bereits begonnen.
Zahlreiche AktivistInnen rufen dazu auf, Widerstand mit fantasievollen direkten Aktionen zu leisten.
Eine in April 2007 erfolgreich ( Viel Unterstützung und Solidarität, sehr gute Medienbericherstattung...) durchgeführte HSL- Strommasbesetzung direkt gegenüber 2 bestehenden Atomreaktoren in Flamanville (Indy berichtete * siehe unten ) wird jetzt ein Nachspiel haben. Die 4 StrommastbesetzerInnen werden sich vor Gericht verantworten müssen.
Die Strommasbesetzung unmittelbar nach dem Erlass der Baugenehmigung für den EPR-Reaktor in Flamanvillesollte die Entschlossenheit und die Kreativität der französichen Antiatombewegung zeigen, etwa unter dem Motto, dies ist ja nur der Anfang. Denn: Eine Bauplatzbesetzung scheint schwierig zu verwirklichen, weil dass Gelände längst bewahrt und umgezäunt steht. Aber der Widerstand gegen den Bau einer Hochspannungsleitung (notwendig geworden, um den Strom vom EPR abzuleiten...) erscheint durchhaus sehr versprechend. Es ist Platz für viele(s).

Der Staat und RTE, das für das Stromnetz verantwortliche Unternehmen, haben es auch schnell begriffen. Die Reaktion liess nich lange auf sich warten. RTE hat Anzeige gegen die 4 BesetzerInnen erstattet. In November und Dezember 2007 mussten sie vorm Ermittlungsrichter in Cherbourg aussagen. Der Vorwurf der Gefährdung von Menschenleben wurde nicht bestätigt: die besetzerInnen haben die RTE-Mitarbeiter duch ihre Aktion nicht gefährdet. Die Arbeiter sind auf dem Strommast nebenan geklettert, um nach einer Abschaltung der HSL die Verbindung zur Erde herzustellen. Dies gehört aber zu ihren Altagsarbeit und stellt keine Gefährdung durch die AktivistInnen dar. Hinzu kommt, dass eine der Beteiligten ehemalige Sportklettern-Frankreichmeisterin ist. Die kletterer waren Profis.

Die Aktivistinnen sind aber mit einer Anklage wegen Störung öffenlicher Betriebe aus dem Büro vom Ermittlungsrichter rausgekommen. Der richter wird der Staatsanwaltschaft seine Ermittlungsergebnisse liefern. Ein Verfahren vorm Tribunal Correctionnel (Strafgericht) soll in den kommenden Monaten stattfinden.
Die Betroffenen nehmen es gelassen. Es wird ein politisches Verfahren sein und ein weiterer Sprachrohr für den Kampf gegen den neuen Atomreaktor. Im Atomland Frankreich wird ansonsten kaum über Atomkraft geredet. Das ist entweder Militärgeheimnis oder einfach Tabu.




* Zum hintergrung und zu der Aktion in Aptil: Auszug aus:  http://de.indymedia.org/2007/05/178074.shtml

Epr:
In Flamanville, wird gerade ein EPR-Reaktor gebaut, obwohl Frankreich eigentlich keine neuen Meiler braucht. Die Produktion von etwa zwölf Reaktoren wird ins Ausland exportiert. Allein diese Tatsache zeigt die internationale Dimension des Problems: Der Strom wird u.a. nach Deutschland exportiert, aber der Müll bleibt in Frankreich. Der EPR ist desweiteren ein deutsch-französisches Projekt. Siemens ist mit einem Drittel am EPR-Vorhaben beteiligt, Areva NP mit zwei Dritteln. Der EPR soll laut Areva NP „effizienter“ und „sicherer“ sein. Die Werbung der EDF spricht von einem Reaktor „dritter Generation“, aber es handelt sich alles in allem um einen klassischen Druckwasserreaktor. Er soll 15% weniger Atommüll produzieren, aber die Entsorgungsfrage bleibt weiterhin unbeantwortet. Ob er sicherer ist, bleibt fraglich. Eine Studie von IPPNW hat erwiesen, daß „beim EPR auf Grund der gewaltigen Leistung ein Kernschmelzunfall nicht auszuschließen ist.“ Aber Achtung! Die der Sicherheit betreffenden Informationen unterliegen dem Militärgeheimnis. Die Standortauswahl richtete sich nach lediglich politischen Kriterien. In Flamanville gibt es bereits ein AKW mit zwei Reaktoren, die EDF besitzt schon das Grundstück. Der Standort liegt 15 Kilometer entfernt von der Plutoniumfabrik La Hague und Cherbourg mit einem Militärhafen (nukleare U-Boote, 2500 Arbeitsstellen) liegt gleich in der Nähe. Das örtliche Parlament (Mehrheit aus Sozialdemokraten und Grünen) hat sich für den Neubau ausgesprochen.
Die Regierung in Paris, hat Mitte April, die Endgültige Genehmigung erteilt. Diese Entscheidung mitten im Wahlkampf hat Niemanden überrascht. Das ganze Genehmigungsverfahren ist nur eine demokratische Farce gewesen. Keiner hat an diese Scheindemokratie geglaubt, wo unter dem Vorwand des Militärgeheimnis, jegliche Kritik zensiert wurde

EPR:
Sichtbar und stark, ist der Widerstand gegen EPR. Das Bündnis stop-EPR hat zahlreiche erfolgreiche Demonstrationen hinter sich: 30 000 beteiligten sich 2006 an der bundesweiten Demonstration in der Hafenstadt Cherbourg; eine Stadt die hauptsächlich von der Atomkraft lebt. Am 13. März 2007 gingen 60 000 in 5 verschiedenen Städten auf die Strasse. Die AtomkrafgegnerInnen haben bewusst die sogenante „öffentliche Debatte „ boykottiert, weil ihr Beitrag wegen Militärgeheimnis zensiert wurde. In Frankreich darf Mensch nicht beweisen, das der Reaktor eien Fugzeugabsturz nicht Stand halten würde! Ein Pariser Anti-terror-richter ermittelt aus diesem Grund gegen den Sprecher von Sortir du nucléaire.
Auf die Straße gehen reicht aber nicht- vor allem in Frankreich, einem Land, wo Demonstrationen mit Tausende von Menschen quasi zum Altag gehört. Nur andauernde Demonstration mit direct action haben Aussicht auf erfolg.
Gegen EPR sind bisher zahlreiche Aktionen gelaufen. Die 2-Tägige Strommastbesetzung einer Hochspannungsleitung beim Standort Flamanville sorgte unter anderem für Aufregung. Die Aktion fand eine Woche vor dem Präsidentschaftswahl statt und erhielt in diversen Medien eine Große Aufmerksamkeit. Präsidentschaftskandidaten nahmen Stellung zu der Aktion, ein berühmter Bauer rief dazu auf, die Strommaste der HSL zu demontieren, wenn sie gebaut werden... Es gab sogar live Berichterstattung über die Besetzung. TF1 (erstes Fernsehkanal in Frankreich) weigerte sich jedoch darüber zu berichten. Der Hauptaktionär von TF1 ist nämlich Bouygues, die Firma, die für das Betonfundament vom Reaktor verantwortlich ist ! Die AktivistInnen von sortir du nucléaire hatten an einem deratigen Erfolg gedacht. Dazu kommt noch, dass die HSL für beinahe 2 Tage wegen der Aktion abgeschaltet wurde, die Leistung der beiden Reaktoren mußte entsprechend heruntergebracht werden.

Der Kampf geht auf jeden Fall weiter. Vielfältiger Widerstand ist nötiger denn je, vor allem hinsichtlich der Politik der neuen Regierung. Sie wird ihre Atompläne um jeden Preis durchsetzen wollen. Es ist mit starker Repression zu rechnen. Aber noch ist es nicht zu spät. Der Widerstand wird sich vor allem gegen den Bau der Hochspannungsleitung konzentrieren und es gibt Platz für Viele(s). Widerstand ist Handarbeit!
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Ergänzungen

der Kampf geht weiter

Besetzer 23.12.2007 - 19:19
Der Kampf geht tatsächlich weiter. In Juni dieses Jahres gab es sogar eine zweite 3-Tägige Besetzung, bei Fougères dieses mal. Die AktivistInnen mussten anschliessend runter, weil RTE ihnen eine Unterlassungerklärung per Gerichtsvollzieher zukommen liesst. Wer bleibt muss 15 000 euro pro Tga zahlen...
Die Anzeige und daraus resultierende Anklage sollen die AktivistInnen vermutlich abschrecken...

Bauplatz?

Google 24.12.2007 - 10:53
Ich hab jetzt auch nochmal bei Google Maps geschaut und nur einen Ort gefunden. Flamanville, Seine-Maritime, Haute-Normandie, Frankreich hier der Link zur Karte Der Ausschnitt liegt etwas überhalb des Dorfes, und ich hätte jetzt mal vermutet, dass dieses aufgewühlte Brachland (flächenmäßig etwa so groß wie das Dorf selbst) der heutige Bauplatz sein könnte. Die Karten sind ja nicht die aktuellsten. Kann das ein ortskundiger bestätigen?

Flamanville

Ortskundige 24.12.2007 - 14:42
Flamanville Liegt an der Küsdte in der Nieder Normandie (Haute Normandie) bei Cherbourg. Vom besetzten Strommast aus konnte man auch Die WAA La Hague sehen, etwa 10 Km Luftlinie.
Der Bauplatz ist neben den 2 Bestehenden Reaktoren. Es wurde damals im Fels gesprengt und das gelände liegt etwa 60 Meter unter das Dorf Flamanville selbst. Direkt am Meer. Die Strasse, die dahin führt liegt zwischen Meer und Fels, ist ziemlich eng, aber für die Polizei auch einfach abzuriegeln. Der Haben neben an soll ausgebaut werden, damit die grissen teile geliefert werden können. da ist vielleicht noch was zu tun, zu verhindern...
Viel Bullen sind vor ort, Neue Einheiten da... seit der Besetzung... Die wollen keine zweite Besetzung an der Stelle...

bauplatz!

gegoogelt 29.12.2007 - 00:56
Flamanville bei Cherbourg ist ein anderes als das oben verlinkte. Hier der Links zu Google-Maps:

 http://maps.google.de/maps?f=q&hl=de&geocode=&time=&date=&ttype=&q=flamanville,+Frankreich&sll=49.706054,-1.911621&sspn=0.088368,0.205307&ie=UTF8&ll=49.537854,-1.874542&spn=0.022168,0.051327&t=h&z=14&om=1

Links vom Ort direkt am Wasser sieht man ganz eindeutig die Atomanlage mit den zwei bestehenden Reaktoren. der neue Reaktor wird dann vermutlich direkt noerdlich von den anderen beiden Reaktoren gebaut.

Prozesstermin

Strommast 23.02.2009 - 15:56
Der Prozess wird am

9. Juni 2009 um 14:00 in Cherbourg vor dem TGI

stattfinden (ja, ist noch 'ne Weile hin).

Die AktivistInnen werden von Sortir du nucléaire unterstützt.
Angedacht sind auch Soli-Aktionen in Deutschland. Näheres in den kommenden Wochen.

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Flamanville — diet simon