Chiapas: Antisystemisches Kolloquium

LK, Gruppe B.A.S.T.A. 19.12.2007 03:40 Themen: Freiräume Globalisierung Kultur Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Auf dem Weg zu neuen Antikapitalismen?

Chiapas:Internationales Kolloquium über antisystemische Bewegungen fordert Ende dogmatischer Theorie und Praxis.
San Cristóbal, Chiapas. Vom 13. bis zum 17. Dezember 2007 fand im mexikanischen Südosten eine Tagung statt, die nach Meinung vieler TeilnehmerInnen von historischer Relevanz war: „Planet Erde - Antisystemische Bewegungen“. Täglich kamen über 400 AktivistInnen aus Mexiko sowie verschiedenen Ländern Amerikas und Europas zusammen, um - ausgehend von sozialen Bewegungen - die aktuellen Chancen zur Überwindung des Kapitalismus zu diskutieren. Eingeladen hatte die Zapatistische Armee zur nationalen Befreiung (EZLN), die kritisch-historischen Zeitschrift contrahistorias und die unabhängige „Universität der Erde“.

Die Beiträge lieferten renommierte kritische Intellektuelle wie Immanuel Wallerstein, Naomi Klein, Enrique Dussel, John Berger, Sylvia Marcos, Subcomandante Marcos und viele andere. Das Spektrum der TeilnehmerInnen reichte von BefreiungstheologInnen über UmweltaktivistInnen, MarxistInnen, Feministinnen, AnarchistInnen, Reformlinken, Indígena- und Landlosen-AktivistInnen bis hin zu Zapatistas.

Zwischen den Vorträgen bildeten sich immer wieder Menschentrauben, die intensiv diskutierten, von ihren lokalen Erfahrungen berichteten und Adressen und Publikationen austauschten. Das Treffen hatte einen spürbar kämpferischen und vorwärtsgewandten Charakter und verströmte jeden Tag aufs neue eine Atmosphäre von Aufbruch und Abkehr von dogmatischen Denkschulen.

Veranstaltungsort der Tagung war das Indigene Zentrum für integrale Ausbildung (CIDECI) am Rande von San Cristóbal. Das Zentrum schult im Geiste des zapatistischen Autonomiebegriffs indigene Jugendliche kostenfrei in verschiedenen Berufszweigen wie Automechanik, Tischlerei, Schneiderei, Ernährung, ökologische Landwirtschaft, Medizin, Architektur, Informatik, Sozialwissenschaft u.v.a. unter der Prämisse, dass die Jugendlichen in ihre Basisgemeinden zurückkehren und dort ihre Kenntnisse anwenden und weitergeben. Der Tagungsort symbolisierte somit die Stoßrichtung der eingebrachten Vorschläge: die Gesellschaft könne nur dann wirklich in einem emanzipatorischen Sinne verändert werden, wenn die Bevölkerung Hauptakteurin der Veränderungsprozesse sei.

Einberufen wurde die Konferenz im Gedenken an Andrés Aubry, einem im rebellischen Teil von Chiapas sehr beliebten kritischen Historiker, der seit 1973 hier gelebt und die progressiven indigenen Bewegungen begleitet hatte. Am 20. September 2007 kam Aubry bei einem Autounfall ums Leben. Der gebürtige Franzose war ein erfrischender und scharfer Kritiker der klassischen, aber auch der linken Sozialwissenschaften. Für Aubry beinhaltet der Beruf des Sozialwissenschaftlers nicht nur eine Benennung der gesellschaftlichen Mißstände, sondern eine aktive Teilnahme an der Erarbeitung von Lösungsmodellen.

Immanuel Wallerstein, us-amerikanischer Soziologe und einer der Theoretiker der globalisierungskritischen Bewegung, vertrat die These, dass sich der US-Imperialismus im Niedergang und der Kapitalismus in einer extremen Krise befinde. Dieser Prozess habe unter anderem auch die Wahlsiege linker Kräfte in Südamerika zugelassen. Laut Wallerstein ist das Konzept der Übernahme der Staatsmacht durch linke Parteien seit 1968 allerdings zunehmend unbedeutender für wirklich antisystemische Veränderungen der Gesellschaften. Als bedeutende Bewegungen klassifizierte er die Weltsozialforen und in Mexiko die „Andere Kampagne“ der Zapatistas, die über eine außerparlamentarische Mobilisierung eine neue antikapitalistische Verfassung durchsetzen will.

Gustavo Esteva, Gründer der „Universität der Erde“ und sozialer Aktivist aus Oaxaca, kritisierte den klassischen Sozialismus aus einer antiautoritären Perspektive. Er bezeichnete ihn als ebenso „verbraucht“ wie den Kapitalismus und betonte, dass für echte antisystemische Transformationen „neuartige autonome Räume der direkten Macht der Bevölkerung wie in Oaxaca und Chiapas“ geöffnet werden müssten.

Sylvia Marcos, Psychologin und feministische Aktivistin erklärte, dass sie „in den Zapatistmus verliebt“ sei, da die Zapatistinnen sich als indigene Frauen ihren Platz auf allen Ebenen der Bewegung erkämpft hätten, ohne sich den Dogmen städtischer Feministinnen zu unterwerfen und dadurch Hoffnungsträgerinnen für alle marginalisierten Frauen von unten seien.

Peter Rosset von Via Campesina erinnerte daran, dass sich die transnationalen Unternehmen in Ermangelung anderen Wachstumspotentials die Naturressourcen "wie niemals zuvor" aneignen. Um dieses Ziel zu erreichen, werden zunächst die Menschen aus den ländlichen Gebieten vertrieben, um die Territorien später zu restrukturieren und ausbeutbar zu machen. Allein in Mexiko wurden seit Inkrafttreten des Freihandelsabkommens 6,2 Millionen Bauern und Bäuerinnen von ihren Ländereien verdrängt.

Naomi Klein, Aktivistin und Autorin aus Kanada, erläuterte die Kernaussage ihres neuen Buches „Die Schock-Strategie“: Die Bedrohung der gesamten Menschheit durch die rücksichtslose Herbeiführung und kapitalistische Ausnutzung von Katastrophensituationen durch die Eliten, seien sie - wie Kriege und Umweltzerstörung - menschengemacht, oder auf Naturphänomene zurückzuführen.

Subcomandante Marcos, Sprecher und Guerilla-Chef der EZLN, kritisierte schließlich die parlamentarische Linke Mexikos, weil sie dort, wo sie an der Macht sei, eine ebenso neoliberale und repressive Politik wie die rechtskonservative Zentralregierung betreibe. In den Augen von Marcos sind viele TheoretikerInnen, darunter auch DenkerInnen der institutionellen Linken, Menschen, die sich akademischen Moden und regierenden Eliten unterwerfen und der Meinung sind, es könne soziale Gerechtigkeit hergestellt werden, ohne die Privilegien der Eliten anzurühren.
Marcos betonte, dass die Zapatistas ihre Theorie aus der Praxis entwickelten und nicht umgekehrt. Der Schlüssel für eine antikapitalistische Gesellschaft sei für die EZLN die Übernahme und Selbstverwaltung aller Produktionsmittel durch die Bevölkerung, denn der Kapitalismus zerstöre sich keinesfalls notwendigerweise selbst, dafür seien antisystemische Bewegungen notwendig. Unter großem Beifall rief Marcos zur Solidarität „mit der kubanischen Bevölkerung“ auf und bezeichnete die Insel als das vielleicht „erste freie Territorium Amerikas“.

Vereinzelt wurde kritisiert, dass die Vorträge sehr lang waren und es im Anschluss daran keine Möglichkeit für Fragen und Diskussion im Plenum gab. Es war jedoch häufig zu beobachten, wie sich TeilnehmerInnen den entsprechenden Vortragenden näherten und es dann zu einem Austausch kam.

Fast allen RednerInnen war es ein Anliegen, dogmatische Scheuklappen beiseite zu legen, alle marginalisierten Bevölkerungsgruppen als potentielle revolutionäre Kräfte zu betrachten und die verschiedenen linken Strömungen zu stärkerer Vernetzung zu motivieren, wobei die Suche nach tatsächlich neuen Praktiken und einer Orientierung an sozialen Bewegungen von unten angemahnt wurde. Eine Orientierung an linken Staatsmodellen wurde kaum vorgeschlagen, die neoliberal-sozialdemokratische Politik der brasilianischen Regierung wurde im Gegenteil von Ricardo Gebrim von der Landlosenbewegung MST deutlich kritisiert. Auch das chavistische Venezuela war auf der Konferenz kein Referenzpunkt, über den häufiger oder länger gesprochen wurde, was einige BeobachterInnen verwunderte.

Als positive Beispiele für Pragmatismus bei gleichzeitiger radikaler Konsequenz wurden neben der EZLN und der „Anderen Kampagne“ mehrfach die brasilianische Landlosenbewegung MST, der globale Bauernverband „Via Campesina“, die Piqueteros in Argentinien und die indigenen Bewegungen Boliviens und Ecuadors genannt, die - auch wenn sie teilweise temporär reformerisch agierten - im Endeffekt als antisystemische Bewegungen gelten könnten.

Subcomandante Marcos kündigte am vorletzten Tag der Konferenz an, dass die EZLN für lange Zeit nicht mehr an öffentlichen Tagungen teilnehmen werde. Die Comandancia ziehe sich zurück, da die Basisgemeinden momentan großen Drohungen und Aggressionen ausgesetzt seien. „Unsere compañeras und compañeros werden zur Zeit angegriffen, wie schon lange nicht mehr. Dies ist schon zuvor passiert, das ist richtig. Aber es ist das erste Mal seit jenem Morgengrauen im Januar 1994, dass die soziale Antwort - national wie international - so gering oder gleich null war“.
Marcos kritisierte auch die Medien, die nur berichteten, wenn es Tote gäbe und unterstrich, dass die Zapatistas weiter an der zivilen und pazifistischen „Anderen Kampagne“ mitarbeiten werden: „Gleichzeitig bereiten wir uns vor, Widerstand zu leisten, allein, gegen die Reaktivierung der Aggressionen gegen uns, sei es durch die Armee, die Polizei oder die Paramilitärs [...]. Die Anzeichen eines Krieges am Horizont sind klar“.

Am letzten Tag des Kolloquiums wurde Andrés Aubry posthum die Ehrendoktorwürde Doctorado Liberationis Conatus Causa überreicht. Zur Abschlussfeier waren u.a. Jerome Baschet und Jorge Santiago (Weggefährten von Aubry) sowie das Geheime Revolutionäre Indigene Komitee - Generalkommandantur der EZLN für die Zone Altos und die RepräsentantInnen der autonomen zivilen zapatistischen Verwaltung der Region zugegen, für die Comandante David sprach.
Alle sprachen Aubry großen Respekt für seine Arbeit und seinen Aktivismus zugunsten der marginalisierten Menschen aus.

Nun liegt es an den TeilnehmerInnen und ihren Gruppen, Kollektiven und Organisationen, ob die antisystemischen Bewegungen weiter vernetzt und vorangetrieben werden oder nicht. Inspirierende - durchaus auch widersprüchliche - Ausführungen und neue Kontaktmöglichkeiten gab es bei der Konferenz jedenfalls zuhauf.

LK, Gruppe B.A.S.T.A., San Cristóbal, 18.12.2007

PS: Ein solch umfassendes Kolloquium in einem kurzen Artikel zusammenzufassen, ist unmöglich, der Artikel erhebt auch keineswegs einen Anspruch auf Vollständigkeit - daher hier noch einige Hinweise auf Artikel und Redebeiträge (Spanisch):

1. Programm und Aufruf zum Kolloquium:
 http://www.coloquiointernacionalandresaubry.org/
2. Artikel, Fotos, Audios, Videos:
 http://chiapas.indymedia.org
3. Redebeiträge von Marcos und den meisten weiteren RednerInnen:
 http://enlacezapatista.ezln.org.mx/

In den nächsten Tagen werden sicherlich auch mehr Informationen auf Deutsch zugänglich werden. Surftipp hierzu:  http://www.chiapas98.de
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Email-Protestaktion wg. Repression

Gruppe B.A.S.T.A., Münster 19.12.2007 - 05:39
::::: 10 Jahre Massaker von Acteal :::::


- Protestmail-Aktion wegen massiver Repression in Chiapas -

----------------------------------------------------------------

Hallo zusammen,

wir rufen Euch dringend dazu auf, an der folgenden Protestmail-Aktion teilzunehmen.

Die Nachrichten der letzten Tage, Wochen und Monate sind besorgniserregend, wir erleben zur Zeit eine neue Welle der Repression gegen die zapatistischen Gemeinden. Die Situation bleibt ernst.

Bitte unterzeichnet und verschickt den beigefügten Brief möglichst am 20. und 21. Dezember an die unten angegebenen Emailadressen (das Massaker von Acteal wurde am 22.12.1997 ausgeführt).

Verbreitet die Aktion bitte auch schnell an potentielle InteressentInnen!

Mit solidarischen Grüßen,

Gruppe B.A.S.T.A., Münster

PS: "Anleitung": den spanischen Brief markieren, kopieren und in eine Email einfügen, unterzeichnen und schließlich die Email-Adressen einfügen und absenden.
Es wäre auch wünschenswert, wenn einige Leute/Gruppen den Brief per Post oder Fax an die mex. Botschaft und das mex. Generalkonsulat schicken würden. Adressen s.u.

Gruppe B.A.S.T.A.
Dahlweg 64
48153 Münster

www.gruppe-basta.de

----------------------------------------------------------------

1.) Protestbrief auf Deutsch


(Betreffzeile:)

Sofortiger Stopp jedweder Angriffe auf zapatistische Gemeinden!


(Emailtext:)

An die Regierung von Mexiko
An die Regierung von Chiapas
An die Zivilgesellschaft
An die zapatistische Bewegung
An die Medien

10 Jahre nach dem Massaker von Acteal, nach 10 Jahren der Straflosigkeit, nach 14 Jahren der Militarisierung der würdigen, rebellischen, indigenen Gemeinden von Chiapas

fordern wir:

1. Die sofortige Einstellung jeder Art von Aggressionen gegen die zapatistischen Gemeinden und gegen andere rebellische Gemeinden.

2. Den sofortigen Rückzug der ständigen Militärlager im indigenen Gebiet von Chiapas.

3. Die sofortige Freilassung der politischen Gefangenen.

4. Die definitive Annullierung aller neuen beabsichtigten gewaltsamen Räumungen im indigenen Gebiet von Chiapas.

5. Die sofortige Eröffnung einer Untersuchung der Behörden der Landwirtschaftlichen Staatsanwaltschaft und der Landwirtschaftlichen Reformbehörde, um die Verantwortlichkeiten hinsichtlich der Amtsmissbräuche und Korruption von Staatsbeamten zu klären und zu spezifizieren.

6. Die sofortige Eröffnung einer Untersuchung über die Verantwortlichkeiten hinsichtlich des Vorgehens der mexikanischen Bundesarmee bzgl. seiner Verbindungen zu paramilitärischen Gruppen im indigenen Gebiet von Chiapas zu spezifizieren.

7. Die sofortige Einstellung des Aufstandsbekämpfungskrieges gegen die indigenen zapatistischen Gemeinden.

8. Die mexikanische und die chiapanekische Regierung müssen die Menschenrechte und die indigenen Rechte nach der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation ILO respektieren und garantieren.

Mit freundlichen Grüßen

(NAME, ORT, LAND, ggf. Adresse)


------------------------------------------------------------------------

2.) Protestbrief Spanisch

(Betreffzeile:)

¡Cese inmediato a todo tipo de agresiones contra las comunidades zapatistas!


(Emailtext:)

Al gobierno de México
Al gobierno de Chiapas
A la sociedad civil nacional e internacional
Al movimiento zapatista
A los medios

10 años después de la masacre de Acteal, después de 10 años de impunidad y después de 14 años de la militarización de las comunidades dignas rebeldes indígenas de Chiapas

exigimos lo siguiente:

1.) Cese inmediato a todo tipo de agresiones contra las comunidades zapatistas y otras comunidades rebeldes.

2.) Retiro inmediato de los campamentos militares permanentes en el territorio indígena de Chiapas.

3.) Libertad inmediata de los presos políticos.

4.) Se cancele definitivamente cualquier nuevo intento de desalojo forzoso dentro del territorio indígena de Chiapas.

5.) Se abra una investigación inmediata sobre autoridades de la Procuraduría Agraria y sobre la Secretaría de la Reforma Agraria que deslinde y especifique responsabilidades en materia de abusos de autoridad y corrupción de funcionarios públicos.

6.) Se abra una investigación que especifique responsabilidades sobre la actuación del Ejército Federal mexicano en su vinculación con grupos paramilitares en el territorio indígena de Chiapas.

7.) Alto inmediato a la guerra de contrainsurgencia desarrollada contra pueblos indígenas zapatistas.

8.) El gobierno mexicano y el gobierno chiapaneco deben respetar y garantizar los derechos humanos y los derechos indígenas según la convención 169 de la OIT.

Atentamente

(NAME, ORT, LAND, ggf. Adresse)


----------------------------------------------------------------------

3.) Emailadressen der staatlichen Behörden:

 secpart@prodigy.net.mx,  fiscaliachiapas@prodigy.net.mx,  sgui@prodigy.net.mx,  calderon@presidencia.gob.mx,  ofproc@pgr.gob.mx,  correo@cndh.org.mx,  emilio.gamboa@congreso.gob.mx,  screel@senado.gob.mx,  sepiui@prodigy.net.mx,  cdh@cdh-chiapas.org.mx,  chis@sra.gob.mx,  felipe.calderon@presidencia.gob.mx,  aescobar@sra.gob.mx,  secretario@segob.gob.mx,  frjramirez@segob.gob.mx,  ofproc@pgr.gob.mx,  comunicacion@mail.sedena.gob.mx,  pespinosa@sre.gob.mx,  jvazquezs@sre.gob.mx,  crchiapa@pfp.gob.mx,  crtuxtla@pfp.gob.mx,  cscristo@pfp.gob.mx,  delegado@chiapas.semarnat.gob.mx,  delegado@chp.sagarpa.gob.mx,  dirgral@cdi.gob.mx,  jesuscaridad@cdi.gob.mx,  chs@pa.gob.mx,  scc@pa.gob.mx,  oco@pa.gob.mx,  jasandoval@profepa.gob.mx

=> Bitte schickt zu unserer internen Evaluation über die Teilnahme an der Aktion eine BLINDKOPIE an:  gruppeBASTA@gmx.de

----------------------------------------------------------------------

4.) Post- und Faxadressen:

Mexikanische Botschaft in Deutschland
Klingelhöferstr. 3
10785 Berlin
TEL: 030 269 323 0
FAX: 030 269 323 700

Generalkonsulat der Vereinigten Mexikanischen Staaten
Taunusanlage 21
60325 Frankfurt a.M.
Telefon 069 2 99 87 50
Fax 069-29 98 75 75




Falls es wen interessiert, die Beobachtungen

von einem der kaum spanisch kann 19.12.2007 - 22:42
der kongress, und noch einmal... das ganze stand unter dem motto: primer coloquio in memoriam andrés aubry - planeto tierra: movimentos antisistemicos, in gedenken an einen linken historiker und anthropologen, welcher vor wenigen monaten unter recht zwielichtigen umstaenden hier in chiapas gestorben ist, angeblich ein autounfall, aber das ganze gebiet in dem es passiert ist war danach in weitem umkreis ueber einige stunden von der polizei abgesperrt - in schelm wer boeses denkt...

Die webseite zum coloquio:
 http://www.coloquiointernacionalandresaubry.org/

mit dem taxi gings dann am zweiten tag des kongresses schliesslich weit weit ausserhalb von san cristobal, eine stadt die ungeheuer kleinstaedtisch aussieht, sich aber ewig hinzieht, durch aermliche viertel mit sehr niedrigen, unverputzten haeusern und strassen aus san und schlagloechern, bis hin an die bewaldeten berge - hinter einer reihe stacheldraht das gelaende der universidad de la tierre, einer unabhaengigen uni der indigenas. wunderschoenes gelaende, kleine haeuser, zapatistische wandmalereien... aber auch ein dickes tor, durch das man erstmal durchmuss, fragen danach was man wolle, von welcher gruppe man geschickt sei, etc. schliesslich durften wir durch und in ein registrationsgebaeude, wo schon wieder nach meiner gruppe gefragt wurde, aber am ende hatte ich "individual" auf meinem in plastik eingeschweissten passkaertchen stehen, nettes andenken *zwinker*

wir waren reichlich frueh losgefahren, zwei stunden vor dem angesetzten termin, damit wir noch einen platz bekommen, und das war auch noetig - nachdem die tuer irgendwann geoeffnet wurde stroemten die menschen rein und hielten plaetze frei, dass ich unwillkuerlich an meine alten schulbuserlebnisse erinnert wurde. die 220 plaetze im raum waren schnell bezetzt, und draussen blieben locker noch einmal genausoviele menschen, an den fenstern, oder bei einer ueberdachten flaeche mit stuehlen und fernsehuebertragung. die referenten waren meist schon im raum, bis auf marcos, der erst nach einer weiteren stunde der mikrotests etc. erschien. auf jeden fall einer der starke auftritte liebt: auf einmal kommen 4 vermummte in den raum, und ein blitzlichtgewitter geht los dass man eher an popstars als an revolutionaere denkt. seine drei leibwachen nehmen in einer ecke des saals aufstellung und es dauert eine ganze weile bis man was anderes sieht als blitzlichter.....

mein erster eindruck von marcos war nicht allzu positiv... der popstarauftritt, er hatte 2 klobige uhren, eine an jedem arm, als sei es ein statussymbol, dass man auch 2 uhren tragen koenne (?) - aber vielleicht war die eine ja auch eine james bond - trick - uhr mit funk und was weiss ich :-) sein markenzeichen, die rauchende pfeife qualmte wie ein schlot, und irgendwie nervte das mein anarchistenherz, und ich haette grosse lust gehabt mir eine zigarre in dem (offensichtlichen) nichtrauchersaal anzustecken, nur um zu sehen was passiert - aus schuechternheit hab ich mich dann selber mit verweis auf mein schlechtes spanisch dann doch selber ueberredet das zu lassen ("el fuma tambien!" - er raucht auch!) schade eigentlich, haette mich interessiert was bei rumgekommen waer :-)

verstanden habe ich, wie schon erwartet, nicht allzuviel. zwar konnte man kopfhoerer zur simultanuebersetzung leihen, und hochachtung vor den beiden frauen, die das ganze unermuedlich ins englisch uebersetzt haben, aber auch die kamen oft schlecht mit, stockten, gebrauchten mir nicht bekannte englische worte, oder mussten um mitzukommen saetze auslassen..

gut im gedaechtnis geblieben ist mir die rede eines vertreters kubas, der von dem besuch einer guatematekischen delegation erzaehlte. diese waren verbluefft, dass es noch widerstand und unterdrueckung in kuba gaebe, wo doch bildung und gesundheit kostenlos seien und jeder bauer land haette. anfangs dachte ich das ganze sollte eine propagandarede werden, tenor war aber, dass er stolz darauf war, die menschen zum nachdenken angeregt zu haben, dass die politischen forderungen bildung, gesundheit, land in ihrer situation die naheliegendsten seien, aber dass auch wenn das erreicht waere, damit die arbeit noch laengst nicht getan ist und es noch vieles zu gewinnen gibt, war ein echt schoener ausblick.

sonst muss ich gestehen dass ich viele referenten kaum mitbekommen habe. nicht nur die probleme mit der uebersetzung waren schuld, sondern auch dass generell doch eher von alten (meist) maennern eben wissenschaftlich doziert wurde, wie in einer vorlesung eben, und ich manchmal fast einschlief... ich switchte zwischen uebersetzung und spanisch hin- und her, hoffte ein bisschen mehr spanisch aufzuschnappen, und hab einfach generell die atmosphaere durchaus genossen.

beeindruckt war ich dann aber als der sub das erstemal zu reden begann. leuchtende augen unter maske, muss ich bei aller vorherigen kritik gestehen, dass er mich mit seiner charismatischen stimme recht schnell einzuwickeln wusste *zwinker* anders als die anderen sprach er immer sher blumig, mit viel gefuehl, gern auch einfach mal eine geschichte, zb die vom mond, der sich in den schatten verliebte, und nur noch mit ihm zusammen sein wollte. aber der schatten wies ihn ab, und sagte dem mond dass die menschen, tiere, ebbe und flut, die ganze erde ihn brauche. aus trauer verfluchte der mond den schatten und machte ihn zum rastlosen krieger in der dunkelheit. aber weil er sich spaeter schaemte und den schatten immer noch liebte, entschied er dem einsamen krieger sein lciht zu schenken, um ihm zu helfen....

gleich am ersten tag ueberracshte er uns damit, dass die pfeife die er gerade rauche, von einem freund sei, der gerade gestorben sei, seine familie habe ihm die pfeife gegeben, damit er zu seinem angedenken rauche. generell bekomme ich auch von den deutschen menschenrechtsbeobachtern, die ich hier getroffen habe immer mehr mit, dass sich die spannungen mit den paramilitaers wieder haeufen, vor einigen wochen gab es da schon einen alarm in einer gemeinde hier in der naehe, nur dass man in europa davon weniger mitbekommt als frueher. recht beunruhigend und sollte noch beunruhigender werden.

besonders beeindruckt hat mich am letzten tag des kongresses naomi klein, kanadische journalistin und autorin, ziemlich bekannt, hat einige kapitalismuskritische buecher geschrieben.hat mich sehr begeistert, ich hatte das glueck dass sie kein spanisch, sondern nur ein sehr klares englisch sprach, das wiederum in spanisch uebersetzt wurde, aber nicht per kopfhoerer, so dass ich immer beide versionen hoeren konnte und dadurch jedes wort verstand. sie sprach ueber den sog. desasterkapitalismus, dass also in einer zeit in der die fehler des kapitalismus in katastrophen immer deutlicher werden, die einzige expansionsmoeglichkeit des kapitalismus, welcher ja von expansion zwingend abhaengig ist, im krisenmanagement bestehe, kurzum also mangels absatzmaerkten, da mittlerweile jedes noch so bescheuerte konsumbeduerfnis gestillt ist, die einzige als neue verdienstmoeglichkeit begreift - erschreckende ausblicke, ich werd mir auf jeden fall mal ihr neues buch leisten und das genauer nachlesen - noch mehr aber ging mir ans herz, dass sie viel ueber die veraenderung, ueber die perspektivlosigkeit der radikalen linken in nordamerika und europa nach dem mauerfall udn auch nach dem 11.9. sprach, ueber die frucht- und sinnlosen grabenkaempfe in der linken, dinge also die mich auch ein bisschen ueberhaupt erst auf diese reise gebracht haben, und darueber dass hier in zentralamerika die hoffnung keineswegs so ausgestorben sei in der gleichen zeit, was der grund sei warum es uns alle nach lateinamerika suchen - neues exportmittel hoffnung... schwer das wiederzugeben, und leider ist ihre rede natuerlich nicht wie andere vom kongress im internet, sonst haett ich das mal ans herz gelegt sich anzuhoeren.

direkt danach trat der sub auf - und das schlug wie eine bombe ein. ich habe viel mit anderen drueber gesprochen was die verstanden haben, und die meisten wollten genau wie ich nicht so recht glauben was sie da gehoert hatten, dachten uebersetzungsfehler gemacht zu haben. marcos erzaehlte, dass er gehoert habe wie er als ideologe der ezln bezeichnet wurde - das sei aber grundfalsch, die juntas, die zivilgesellschaft bestimmten die richtungen, er hingegen sei vielmehr ein militaerischer fuehrer der ezln. und so wie auch frueher wuerde er den krieg riechen koennen, wenn annahe, so wie jetzt. daher sei dies das letzte mal in der naechsten zeit dass er oeffentlich auftrete, er werde sich eher seinen militaerischen aufgaben widmen. der krieg der sich naehere, sei in doppelter hinsicht etwas besonderes, zum einen weil der blick der internationalen zivilgesellschaft nicht mehr so aufmerksam nach chiapas blicke wie frueher ( und damit der appell an uns internationale dagegen etwas zu tun....), zum anderen weil dieses mal die PRD, partei der demokratischen revolution, die buergerliche linke mexikos dieses mal auf der anderen seite stuende.... keine ahnung wie dramatisch das alles zu nehmen ist, die anderen aber die hier sind haben ebenso wie ich das gefuehl da den beginn von etwas bedeutsamen mitbekommen zu haben und dass wir uns auf ein heisses jahr 2008 einstellen koennen....

tatsaechlich trat marcos am naechsten tag, der nur noch gedenkfeier war, auch nicht mehr in erscheinung...

EZLN bald wieder "richtige" Guerrilla?

mokky 20.12.2007 - 21:59
Vielen Dank für die wunderbar lebendige und ausführliche Ergänzung "von einem der kaum Spanisch kann."
Die Andeutungen zu einer Änderung der Situation in Chiapas werfen allerlei Fragen auf. Denn während die Zapatistas über die vergangenen 14 Jahre regelmäßig die prekäre Situation in ihrem Land hervorgehoben haben - allzu oft auch mit "rotem Alarm" oder ähnlich dringend klingenden Signalen - um den Strom von Solidarität nicht versiegen zu lassen, klingt das jetzt fast schon nach einer strategischen Wende.
Am Kräfteungleichgewicht zwischen ein paar wenigen Tausend bewaffeten KämpferInnen und den 70.000 mexikanischen Bundessoldaten und Polizeikräften hat sich in den vergangenen 14 Jahren wahrscheinlich wenig geändert. Sollte vielleicht die intensive Netzwerkkampagne im Rahmen der "Otra" im vergangenen Jahr zu einer mexikoweiten Mobilisierung von Menschen geführt haben, deren Bereitschaft für einen Einsatz jenseits von zivilem Ungehorsam hinausgeht? Lassen wir uns überraschen.
Eine Rückkehr zu bewaffneten Auseinandersetzungen im Stile einer klassischen Guerrilla würden die RebellInnen im Süden Mexikos sicherlich auch erst dann wagen, wenn die von ihnen aufgebauten Projekte (Bildung, Gesundheit, Infrastruktur) ohnehin der Zerstörung durch staatliche und paramilitärische Repression anheimfielen. Doch wie würden die internationalen Zivilgesellschaften reagieren, denen die Zapatisten gerade aufgrund ihrer an Pazifismus grenzenden Andersartigkeit so ans Herz gewachsen sind? Böten sich dann gar neue Allianzen mit Venezuela, Bolivien und Kuba an, dessen Lob durch den Subcommandante ja auch für allgemeines Unverständnis gesorgt hat?

Vielleicht aber sind die jüngsten Andeutungen des pfeifenrauchenden PR-Spezialisten lediglich eine weitere Aufforderung, uns mit den indigenen RebellInnen auf der anderen Seite des Ozeans zu beschäftigen, wieder ein bißchen mehr Kaffee Libertad zu trinken und vielleicht in den nächsten Ferien mal unsere Arbeitskraft dem zapatistischen Autonomieprojekt zur Verfügung zu stellen.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 6 Kommentare an

ein leuchtfeuer? — tina

@ tina — ich

@ich: menschen.. — tina