Messerattacke auf der ARGE KL – Warum!?!

MMM 16.12.2007 16:30 Themen: Indymedia Soziale Kämpfe
Am 10.12. wurde eine Aushilfs-Sachbearbeiterin der ARGE Stadt in ihrem Büro geschlagen und mit einem Messer niedergestochen (ihr Zustand scheint den Umständen entsprechend gut zu sein). Ein über 40jähriger Kunde stürmte ihr Büro und wollte Geld, das er die Tage davor beantragt hatte. (...)
Was in dem Menschen vorging, der eine Sachbearbeiterin mit einem Messer angriff, können wohl nur Menschen nachvollziehen, die schon mal in der Situation waren oder sind, Sozialleistungen wie ALG II od. früher Sozialhilfe (nach dem alten BSHG) beantragen zu müssen. Wieviele schon mit der geballten Faust in der Tasche vor ihren Sachbearbeiter_innen standen, in Anbetracht von bürokratischen Fallstricken, entwürdigenden Gängelungen, dummen Sprüchen, Computerfehlern etc., lässt sich nicht erfassen.
Messerattacke auf der ARGE KL – Auf der Suche nach dem Warum ???

Am 10.12. wurde eine Aushilfs-Sachbearbeiterin der ARGE Stadt in ihrem Büro geschlagen und mit einem Messer niedergestochen (ihr Zustand scheint den Umständen entsprechend gut zu sein). Ein über 40jähriger Kunde stürmte ihr Büro und wollte Geld, das er die Tage davor beantragt hatte. Der Geschäftsführer der ARGE KL Andes bestätigte, das der Mann einen Wiederbewilligungsantrag gestellt hatte, der nach Andes's Angaben schon bearbeitet und per Scheck, auf dem Weg war. Diese Aussagen können zur Zeit, und wahrscheinlich auch zukünftig schlecht überprüft werden. Unter Umständen hat der Mann erst am ersten des Monats gemerkt, daß er diesen Antrag hätte stellen müssen. Eine kritische Presse, die ihre Möglichkeiten der Recherche nutzen könnte um genaueres herauszufinden, existiert aber leider nicht. Hier in Kaiserslautern werden die Stellungnahmen der Offiziellen als letztendliche Wahrheit verkauft, genauso wie Polizeiberichte die scheinbar für die Lokalredakteure das objektiv geschehene in ausreichender Weise wiederspiegelt. So erklärte die Rheinpfalz, den ALGII-Empfänger und Täter ,obwohl es keinerlei Ansatzpunkte dafür gab und gibt, sofort zum Drogenabhängigen. Das Gegenteil erwies sich als wahr. Der Mann war nach Aussage der Polizei stocknüchtern und das drogenscreening war ebenfalls negativ..

Was hat diesen Mann so aufgebracht?

Was in dem Menschen vorging, der eine Sachbearbeiterin mit einem Messer angriff, können wohl nur Menschen nachvollziehen, die schon mal in der Situation waren oder sind, Sozialleistungen wie ALG II od. früher Sozialhilfe (nach dem alten BSHG) beantragen zu müssen. Wieviele schon mit der geballten Faust in der Tasche vor ihren Sachbearbeiter_innen standen, in Anbetracht von bürokratischen Fallstricken, entwürdigenden Gängelungen, dummen Sprüchen, Computerfehlern etc., lässt sich nicht erfassen.

Wenn mensch in Erwerbslosenforen liest, findet sich dort kaum jemand, der nicht nachvollziehen kann, was zu einem solchen Ausraster führt. Diese Menschen, die Versuchen sich gegen Behördenwillkür und Schikane zu wehren, in dem sie sich gegenseitig über Rechtslagen in bestimmten Fällen od. über Proteste informieren, wissen auch (meist aus eigener Erfahrung), wie oft Leute die Sozialleistungen beantragen über der Tisch gezogen werden. Darin verhält sich auch die ARGE in Kaiserslautern nicht anders wie andere Ämter mit der gleichen Aufgabe. Z.B. wird, nach Recherche eine Erwerbslosenvertreters bei der Bewilligung von Mietkosten-übernahmen bzw. bei der Frage der Größe und des Preises einer Mietwohnung Zahlen zugrunde gelegt, die keine Entsprechung im regionalen Mietspiegel haben. Darüber hinaus versucht die ARGE scheinbar widerrechtlich, Hausbesuche bei Erstantragstellern durchzusetzen. Ein Kunde konnte sein Recht nur durch den Klageweg beim Sozialgericht durchsetzen. Viele andere trauen sich nicht zu Klagen, da sie meistens den Zeitpunkt bis zur Durchsetzung der eigenen Rechte, ohne dass ihnen zustehende Geld auskommen müssen. Darüberhinaus gibt es noch genug andere Beispiele die Belegen, dass auch in KL Sozialleistungsempfänger_innen gegängelt und entwürdigend behandelt werden. Dazu kommen noch die sog. Ein Euro-Jobs mit denen massenhaft Schindluder betrieben wird. Das sind nur einige Beispiele, die einem direkt ins Auge springen, wenn mensch im Netz recherchiert.

Hier ein paar Beispiele aus Diskussionen im Netz:

„also seit meiner ersten antragstellung im aug. 2005 war ich immer höflich, sachlich und korrekt. habe alle belege beigebracht, sogar sachen die keinen was angegangen wären, soetwas nennt ihr doch kooperativ? mein mann wurde als der "bissi behinert" beschimpft, ich bin die komisch do aussem krangehaus, die will blos ihr scheen haus behalle un ansunste a nix los, die schaffd jo......ich hätte ca. 70€ als alg2 aufstockerin zugute gehabt, nicht mehr nicht weniger.dafür wurde ich beleidigt, beschimpft, und mein mann gedemütigt.“ Eintrag einer Betroffenen der ARGE KL im Erwerbslosenforum

„ARGE Kaiserslautern, die unendliche Geschichte: Jetzt verschwanden auch noch die Unterlagen einer Bekannten. Das, obwohl sie persönlich von ihr und in meinem Beisein kuvertiert und eingeworfen wurden in den Hausbriefkasten der Arge. Die SB (Sozialberaterin - AL) sei nicht mehr im Amt, die Unterlagen seien nicht da (verschwunden ?). Wie bitte ? Hat sie die mitgenommen ? `Geschreddert ? Oder stinkt die Ablage zum Himmel?“ (ebenso)

"So, wie die ARGE KL mit ihren "Kunden" umspringt, ist es kein Wunder, das nicht schon früher Was eskaliert ist. Ich bringe Verständnis für diesen Menschen auf, habe 8 Wochen auf einen Änderungsbescheid warten müssen und bekomme nun unterstellt, nicht zu kooperieren, weil ich zwei Lohnzettel nicht eingereicht habe (bzw. Einen, den Zweiten habe ich erst seit Sonntag). Ja Mensch, wo leben wir denn?" (ebenso)

Quelle:www.elo-forum.org

Mit diesen Aussagen, wollten diese Menschen und will ich dem messerstechenden „Kunden“ keine Alibi's geben. Ich will nur das Maß an Entwürdigungen und Schikanen, die die Hartz-Gesetze mit sich bringen nachvollziehbar machen. Die meisten Sachbearbeiter_innen in diesen Ämtern können für diese Gesetze nichts. Viele machen mit, „weil die Richtlinien ja von oben kommen“ und „sie da nix dran machen können“. Sie haben ja schließlich „auch nen Job zu verlieren“. Wenn dann auch noch der Computer in Nürnberg (Agentur für Arbeit) od. auch in KL spinnt und die Hilfeempfänger_innen einfach ihr Geld nicht am ersten des Monats ihr Geld auf dem Konto haben (was nicht allzuselten passiert), wird’s die Stimmung des öfteren brenzlig. In Anbetracht des allgemein viel zu niedrigen Hartz IV-Satzes, der vielen kaum bis zum Ende des Monats reicht, geht es dann frei nach Brecht: „...erstmal nur ums fressen, dann um die Moral“

Und jetzt naht auch noch Weihnachten...

Die meisten bekommen ungefragt Tausende von Werbeheftchen gereicht bzw. in den Briefkasten gesteckt, mit Waren, die mensch doch unbedingt kaufen soll, aber sich nie und nimmer leisten kann. Das fängt schon bei der Auswahl der Lebensmittel an und geht schlimmstenfalls bis zu den „unbezahlbaren“ Geschenken für die Kinder. Es gibt da schon Punkte, da wird jede TV-Werbesendung zur Qual (und das nicht nur wegen der schlechten Qualität). Viele fühlen sich minderwertig, wenn sie bei der großen Konsumparty nicht mitmachen können. Als Begleitprogramm bekommt man dazu im TV oder in der Rheinpfalz noch irgendwelche sog. Wirtschaftsexperten geboten, die millionenschwere Managerhonorare, Abfindungen und Aktienfond's marktwirtschaftlich Korrekt und jede Kritik daran als sozialistisch finden. Ein Tausendstel dieser Summen würden jedem einfachen Menschen zu einem guten Leben reichen.

Auf der anderen Seite des Schreibtischs

Auf der anderen Seite steht die (zu diesem Zeitpunkt auch noch im 3.Monat schwangere) Aushilfs-Sachbearbeiterin der ARGE, die nach einem kurzen Crashkurs in Situationen reingeworfen wird, die selbst psychologisch ausgebildetes Personal nicht ohne Probleme meistern könnte. Sie ist mit Vorschriften konfrontiert, deren Auswirkungen auf die sog. „Kunden“ sie nicht nachvollziehen kann oder vielleicht sogar selbst als menschenverachtend wahrnimmt. Sie kann sich aber als Kurzzeit-Arbeitskraft bzw. Springer kaum wehren , ohne selbst ihren minderbezahlten Job zu verlieren. Eingeklemmt zwischen zwei Positionen; den „Kunden“ und den Chefs, der Angst vor der Wut der Betroffenen und der Angst um den eigenen Arbeitsplatz, unfähig eine eigene Position einzunehmen, mit der mensch Leben könnte ist auch sie keinesfalls zu beneiden.

Der "Kunde" und die Sachbearbeiterin sind beide Opfer!!!

Der Kunde und die Sachbearbeiterin sind Opfer des gleichen unmenschlichen Apparats, der massenweise die Würde, die Menschlichkeit und jetzt auch in Kaiserslautern – das Leben von ganz konkreten Menschen zerstört. Dieses System, dieser Apparat, von einem kriminellen Top-Manager und Großverdiener (Hartz) entwickelt und von einer Großen Koalition aus SPD, CDU, FDP und den Grünen in Gesetze gegossen, gehört abgeschafft, bevor solche Dramen, wie die am 10.12. immer öfter geschehen.

Gemeinsam ist mensch stärker

Bis dahin ist noch viel zu tun. Oft reicht es schon, dass Hartz IV – Empfänger_innen oder andere Kunden und Kundinnen der ARGE darauf achten, jemanden (es können auch Mitwartende auf der ARGE sein) mit in das Büro der Sachbearbeitenden nehmen. Erfahrungsgemäß reicht sowas oft schon um dem Gegenüber ein wenig mehr Respekt einzuflössen und so Schikanen und Demütigungen vorzubeugen. Im Umgang mit Ämtern ist es immer wichtig, sich zu trauen Hilfe durch andere, wie z.B. einer Rechtsberatung einzuholen. Die Mitarbeit in einer Initiative ist ein nächster Schritt. Wenn nicht die Meisten der Betroffenen ihre Gefechte mit der ARGE individuell führen, sondern gemeinsam kämpfen würden, könnten wir alle mehr erreichen.

Mehr Infos zum Thema und zur Erwerbslosen u. JobberInneninitiative KL:
Surviving Poor - von Kinderarmut, Hartz IV, und Aktionen gegen soziale Ausgrenzung ( http://www.anderslautern.de/index.php?id=836)
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Ergänzungen

Haftbefehl wegen versuchten Mordes

http://www.scharf-links.de/ 16.12.2007 - 17:13
Kaiserslautern (sk) - Gegen den 45jährigen Erwerbslosen, der in der ARGE in Kaiserslautern eine Sachbearbeiterin mit einem Messer attackiert hatte, ist Haftbefehl wegen versuchten Mordes erlassen worden. Auch wurden mittlerweile erste „Erkenntnisse" zum Motiv der Tat bekannt.

Hintergrund der Tat war ein bürokratisches Problem. Wie die ARGE in Kaiserslautern bekannt gibt, soll der Mann vergessen haben, die Verlängerung seiner Hartz 4-Bezüge zu beantragen. Als Folge wurde ihm im Dezember kein Geld mehr überwiesen. Vor einer Woche erschien er bei der 27-jährigen Sachbearbeiterin und füllte einen Antrag auf Verlängerung der Zahlung aus. Nach Angaben der ARGE in Kaiserslautern wurde am vergangenen Donnerstag ein Scheck verschickt. Offenbar hat dieser Scheck den Mann nicht erreicht, denn gestern forderte er von der Sachbearbeiterin die Bar-Auszahlung des Geldes. Als sie sich weigerte, stach der Mann mit einem Taschenmesser auf sie ein.

Jetzt will die ARGE Kaiserslautern handeln. Wie weiter gemeldet wurde, steht ein neues Sicherheitskonzept für das Gebäude der Arge in Kaiserslautern auf dem Prüfstand. Sicherheit gehe eben vor.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 5 Kommentare an

Kunde ? — Kaninchenstallbesitzer

Bin · — nicht einmischer ·

niemand will morden — RadikalerKoala

So gehts! — Kein Mitleid, bitte!

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