Menschenrechtsgerichtshof prüft Parteiverbote

Ralf Streck 14.12.2007 14:16 Themen: Repression Weltweit
Die Wahlen in Spanien seit 2003 kommen auf den Prüfstand der Straßburger Richter. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat die Klage der baskischen Partei Batasuna (Einheit) gegen ihr Verbot angenommen. Die angedrohten neuen Verbote gegen EAE-ANV und EHAK sollten nun vor den Wahlen im März verhindert werden, um den möglichen Schaden durch das absurde Parteiengesetz nicht noch weiter zu vergrößern. Die verhaftete Parteiführung von Batasuna sollte wenigstens bis zur endgültigen Entscheidung Haftverschonung erhalten. Sie sitzt ja, weil sie eine "illegale Tätigkeit" fortgeführt haben soll, doch dies wird Illegitimität wird nun von Straßburg deutlich in Zweifel gezogen. Noch immer gibt es keine Urteile nach den neuen Massenverhaftungen, die eigentlich am vergangenen Montag gesprochen werden sollten.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat die Klage der baskischen Partei Batasuna (Einheit) gegen ihr Verbot angenommen. Straßburg macht deutlich klar, das es viele Hinweise gibt, dass das "Recht auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit", nach Artikel 10 und 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt wurden, was eine "gründliche Prüfung" nötig mache . Die Tatsache, dass der Gerichthof nur ein Prozent der Klagen annimmt, weist auf berechtigte Vorwürfe hin. Der Batasuna Sprecher Pernando Barrena hofft nun, dass die Richter trotz des erheblichen Drucks "unabhängig entscheiden" und die "spanischen Parteien in die Schranken weist".

Schließlich hatte die konservative Regierung der Volkspartei (PP) mit Unterstützung der heute regierenden Sozialdemokraten (PSOE) 2002 ein neues Parteiengesetz geschmiedet, dass im Parlament eine Zustimmung von mehr als 90 Prozent erhielt. Nur linke Parteien aus Katalonien, dem Baskenland und Galicien stimmten gegen den "Frontalangriff auf den Rechtstaat". Handlungen von Batasuna wurden zu Verbotsgründen definiert und von ihr gefordert, dass sie die Gewalt der ETA verurteilt, die sie als "Ausdruck des Konflikts" nur bedauert.

Als Batasuna einen Anschlag der ETA auf eine Kaserne der Guardia Civil nicht verurteilt, wird das Verbotsverfahren eingeleitet. Der Ermittlungsrichter Baltasar Garzón hatte die Aktivitäten der Partei schon vor Verabschiedung des Gesetzes "vorläufig" ausgesetzt und ihre Büros räumen lassen. Im März 2003 wurde die Partei von einem Sondergericht verboten, dass über das neue Gesetz geschaffen worden war, um sie von den Kommunalwahlen im auszuschließen. Das Verbot wurde im Rekordtempo vom Verfassungsgericht bestätigt.

So konnte Batasuna im April 2004 die Klage in Straßburg einreichen. Sie führte an, das Gesetz sei extra für das Verbot des "politischen Ausdrucks der baskischen Unabhängigkeitsbewegung" geschaffen worden, sehr "vage, unbestimmt und konfus" formuliert, um ihre "schnelle Auflösung" zu erreichen. Geprüft werden auch die Klagen von Parteien und Wählerlisten, die seither zu Hunderten als "Klone" von Batasuna verboten wurden .

Die Richter prüfen nun die Rechtmäßigkeit aller spanischen Wahlen seit 2003, denn seither wählten 10-20 Prozent der Basken verbotene Listen, weshalb die Stimmen ungültig gewertet werden. Sogar die Wahlen zum Europaparlament stehen auf dem Prüfstand, denn 2004 wurde auch die "Bürgerliste" (HZ) in Spanien verboten. Die Stimmen im gering besiedelten französischen Teil reichten nicht aus, um erneut einen Parlamentarier nach Straßburg zu schicken.

Die baskische Regierung, die sich gegen das Gesetz und die Verbote aussprach, aber von ihrer Polizei die Büros räumen ließ, begrüßt die Annahme der Klage. Sie hofft auf ein schnelles Urteil, um die "absurde Situation" zu beenden, dass in Frankreich Batasuna legal ist, aber in Spanien nicht. Die großen Parteien PP und PSOE sind nervös. Sie hoffen, dass Straßburg ihre Strategie gegen die baskische Linke nicht beerdigt. Das Führungsmitglied der PSOE Ramón Jauregui meint, es wäre ein "schwerer Schlag für die Demokratie" wenn Batasuna Recht bekäme. Dabei sollten demokratische Parteien gravierende Menschenrechtsverletzung, wie illegale Parteiverbote, so bezeichnen.

Nach dem gescheiterten Friedensprozess, den Batasuna angeschoben hatte, wurde fast deren gesamte Parteiführung inhaftiert, weil sie ihre "illegale Tätigkeit" fortgesetzt habe. Um den Schaden zu minimieren, sollte die sofort Haftverschonung erhalten. Auswirken sollte sich der Vorgang auch darauf, dass sich die PSOE nicht von der PP auch zum Verbot der Traditionspartei EAE-ANV hinreißen lässt. In einer besonderen Rechtsauslegung wurden zu den Wahlen im Mai schon mehr als die Hälfte ihrer Listen ausgeschlossen, weil Batasuna sie übernommen habe. Verbieten will die PP auch die neue "Kommunistische Partei der Baskischen Territorien" (EHAK), damit beide bei spanischen Parlamentswahlen im März antreten können.

Interssant ist auch, dass zwar etliche der Leute aus dem Massenprozess noch immer im Knast sind, aber noch immer kein Urteil da ist, obwohl es für den 10. angekündigt war. Angesichts des starken Protest, gestern streikten Tausende, und den Bewegungen in Straßburg, darf davon ausgegangen werden, dass noch am Urteil gefeilt wird. Schließlich sickerte die Annahme der Batasuna-Klage schon vor Tagen durch und diese neuen Verbote und Urteile dürften neue Kandidaten für Strassburg sein. Einige sind schon wieder auf Kaution wieder freikamen und auch der Ex-Bügermeister von Bergara wegen gesundheitlicher Probleme. Absurd, wurde er verhaftet, nach Madrid geschafft und dann erhielt der Haftverschonung, der einst, als die Batasuna Führung schon einmal illegal zwei Jahre inhaftiert wurde, schon im Knast saß.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastián den 14.12.2007
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