Zwischen Asyl und Abschiebung in Freiburg

Autonomes Medienkollektiv Freiburg 13.12.2007 00:46 Themen: Antirassismus Repression
 Der kurdische Flüchtling Cengiz Kilic floh 1996 aus der Türkei. Sein Asylantrag wurde im Jahre 2000 von den Behörden abgelehnt. Cengiz lebte seitdem ohne Papiere im Raum Freiburg und befindet sich zur Zeit in Bayern in Abschiebehaft. Für eine sofortige Freilassung von Cengiz und gegen die rassistische deutsche Asylpolitik demonstrierten am 10. Dezember um 9 Uhr morgens mehrere dutzend Menschen in der Freiburger Innenstadt. Cengiz hat seinen Asylfolgeantrag mittlerweile zurückgezogen. Am 27. Dezember 2007 wurde Cengiz Kilic abgeschoben.

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Cengiz bleibt!

     Cengiz' Geschichte

Cengiz Kilic ist gebürtiger Kurde, floh im Alter von 23 Jahren aus der Türkei und stellte 1996 einen Asylantrag, der im Jahr 2000 rechtskräftig abgelehnt wurde. Seitdem lebte Cengiz irregulär im Raum Freiburg-Südbaden. Während seines Asylverfahrens sind seine Gründe, seine Verfolgungsgeschichte nicht mit dem nötigen Respekt und der gebotenen Würde behandelt worden – eine Kritik, die zuletzt auch Pro Asyl bei der Untersuchung von 77 Asylverfahren erhoben hat. Auch Behörden machen Fehler, und oft werden Menschen, die sich mit den Verfahren nicht auskennen, Opfer davon. Die Tatsache, dass Cengiz' Bruder mit einer ähnlichen Verfolgungsgeschichte anerkannt worden ist, verdeutlicht, mit welcher Willkür die Asylbehörden und Gerichte über das Schicksal von Menschen entscheiden.


Demo „Freiheit für Cengiz“ am 11. Dezember in Freiburg (Flugblatt, PDF)

Mit der Ablehnung seines Asylverfahrens blieb Cengiz nur der Weg in die Illegalität. Sechs Jahre lebte er in ständiger Angst festgenommen, abgeschoben und in der Türkei inhaftiert zu werden. Bald zwölf Jahre ist Cengiz unterwegs, bis heute ist er nicht angekommen. Cengiz fühlt sich zwischen der Kurdenpolitik der Türkei und der Asylpolitik der BRD zerrieben. Nächstes Jahr wird er 35 Jahre alt. Er sagte gegenüber der christlichen Zeitschrift Public Forum im Jahr 2006 „Dein soziales Leben ist tot. Letztlich denkst du, dass du keine Zukunft hast.“ Denn ein Leben ohne Papiere ohne eine wirkliche Perspektive bedeutet eine sehr große Belastung. Es bedeutet, immer unterwegs und nirgendwo zu Hause zu sein, nie krank werden zu dürfen. Ein Leben in der ständigen Angst, aufzufallen, kontrolliert und in das Verfolgerland abgeschoben zu werden.


Kein Mensch ist illegal!

Cengiz sollte am 5. Dezember abgeschoben werden. Doch aufgrund eines neuen Asylantrags wurde die Abschiebung erst einmal ausgesetzt. Desweiteren wurde eine Petition beim Landtag eingereicht. Aber Cengiz wird weiterhin in der Abschiebehaft festgehalten. Abschiebehaft ist keine Strafhaft sondern eine sogenannte Zivilhaft. Sie dient allein dem Zweck, den Verwaltungsakt der Abschiebung sicherzustellen. Abschiebehaft ist ein Instrument, das eingesetzt wird, um die Menschen einzuschüchtern und psychisch unter Druck zu setzen, damit sie sich der Abschiebung fügen, bei deren Vorbereitung kooperieren und sich nicht widersetzen.


Solidarität muss Praxis werden!

Es ist ein Irrtum zu glauben, Abschiebehäftlinge hätten bessere Haftbedingungen als andere Häftlinge, da sie ja schließlich nicht inhaftiert sind, weil sie kriminell sind. Für sie gelten genau dieselben Bedingungen wie in der Strafhaft. In Regensburg haben die Gefangenen drei Stunden Besuchszeit pro Monat, in München nur eine. Die JVA München sagte Aktion Bleiberecht, sie sei nicht für Cengiz zuständig, denn „er sei hier nur untergestellt“. Und wäre Zynismus nicht schon genug, so gipfelte die Behördenwillkür in einer Missachtung des Besuchsrechts von Cengiz. Seine Freunde mussten bereits nach einer halben Stunde die JVA verlassen, während sein Bruder sofort weggeschickt wurde. Die Bedingungen in der Abschiebehaft belasten Cengiz stark.

     Deutsche Normalität

Das Recht auf Zuflucht in Deutschland wird kontinuierlich abgebaut. Das Asylrecht in Deutschland und in der EU gibt es praktisch nicht mehr. Die Grenzanlagen und Mittelmeerhäfen der EU sind nur noch unter Einsatz des eigenen Lebens erreichbar. Viele sterben, bevor sie die EU überhaupt betreten haben.

Diese Tatsache korreliert mit der sinkenden Zahl von Asylerstanträgen in Deutschland.

1993: 438 191 Anträge
1996: 100 000 Anträge
2003: 50 560 Anträge
2005: 28 910 Anträge


No border, no nation!

Wer in Deutschland einen Asylantrag stellt, hatte auch 2006 kaum eine Chance auf Flüchtlingsschutz. Lediglich 4,4% aller entschiedenen Anträge erhielten die Flüchtlingsanerkennung und 2,0% anderweitigen Abschiebeschutz. Insgesamt ergibt sich also eine Schutzquote von 6,4%. Die Gründe dafür sind lange bekannt. Eine enge und kleinliche Auslegung der Flüchtlingseigenschaft, der Ausschluss von Krieg und Bürgerkrieg und allgemeinen Notsituationen als Asylgründe und komplizierte rechtliche Stolpersteine. Diese Politik zwingt immer mehr Menschen in die Illegalität. Cengiz ist kein Einzelfall. Die Zahl derer, die ein Leben in der Illegalität einer Rückkehr in ihr Heimatland vorziehen, ist nicht bekannt, aber sie wächst stetig.

     Freiburger Realität

Auch in Freiburg gibt es sie. Cengiz ist einer von ihnen. Der Freiburger Gemeinderat hat in einm öffentlichen Hearing zum Thema „Auch Illegale haben Rechte – Lage von Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung“ die Tatsache anerkannt, dass auch in Freiburg Menschen ohne Papiere leben. Am 26.April 2005 hat sich der Freiburger Gemeinderat einstimmig dem Manifest des katholischen Forums „Leben in der Illegalität“ angeschlossen und eine „differenzierte und lösungsorientierte Diskussion“ gefordert, die den Menschen und ihren „unterschiedlichen Motiven, Zwängen und Lebenslagen gerecht wird“. „Auch ihnen stehen die Grundrechte zu“, sagte damals Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach.


[1] Dreßler (rechts) und sein Kettenhund
[2] Protest vor der Ausländerbehörde
[3] Deutsche Polizisten schützen die Rassisten

Herr Dr. Tomas Dreßler, Referatsleiter der Ausländerbehörde, schrieb an den Vorsitzenden des Baden Württembergischen Flüchtlingsrates. „Indem Herr Kilic den Gang in die Illegalität gewählt und sich auf diese Weise seiner gesetzlichen Ausreisepflicht widersetzt hat, hat er bewiesen, dass er nicht bereit ist unsere Rechtsordnung anzuerkennen.“ Dieser Aussage muss widersprochen werden. Cengiz hat den Gang in die Illegalität nicht selbst gewählt. Nein, er wurde dazu gezwungen und zwar von den deutschen Behörden, unter anderem vom Regierungspräsidium Freiburg.

No justice, no peace! Da die Rechtsordnung der BRD, in seinem Fall im Endeffekt bedeutet, in der Türkei inhaftiert zu werden, konnte er sie nicht anerkennen. Eine Rechtsordnung macht nur Sinn, wenn sie denn auch die Rechte von Menschen tatsächlich schützt. Wenn sie aber im Gegenteil bedeutet, dass Menschen, die hier Schutz suchen, in Abschiebehaft genommen und in ihr Verfolgerland abgeschoben werden, dann ist das Menschenverachtung, die folglich nicht anzuerkennen ist.

Weiter schreibt Dreßler: „Eine hohe Motivation zur Integration vermag ich in diesem Verhalten nicht zu erkennen.“ Auch hier irrt er sich, denn er stellt Integration nur in Zusammenhang mit der Anerkennung einer Rechtsordnung. Cengiz hat sich integriert. Er hat sich einen großen Freundeskreis aufgebaut. Er hat sich in seiner prekären Lage sowohl in der Flüchtlingshilfe als auch bei Aktion Bleiberecht engagiert.

     Freiheit für Cengiz

Das Regierungspräsidium Freiburg hat die Kompetenzen, auf eine Verlängerung der Haft zu verzichten. Deshalb forderten Freiburger BleiberechtsaktivistInnen bei einem Besuch am 5. Dezember und mit einer Demonstration am 10. Dezember von den Verantwortlichen die sofortige Freilassung von Cengiz. Sie haben zur Unterstützung Ihrer Petition an den baden-württembergischen Landtag für Cengiz einen „Appell für eine Weihnachtsamnestie“ (Flugblatt, PDF) formuliert. Am 11. Dezember fand nun ein Haftprüfungstermin statt, bei dem Cengiz alle Anträge zurückzog. In den nächsten Tagen wird Cengiz abgeschoben, sofern er weiterhin von einem Asylfolgeantrag absehen sollte.

     Bisherige Berichte Autonomer Medienkollektive

08.12.2007 Klima-Aktion in Freiburg
19.11.2007 Studidemo gegen CDU in Freiburg
14.10.2007 Aktionen gegen Schäuble-Vortrag in Freiburg
12.10.2007 SVP scheitert mit „Marsch auf Bern“
26.09.2007 Widerstand gegen Lausitzer Braunkohletagebau
30.08.2007 Nazistrukturen am Bodensee
16.08.2007 Hintergründe des Nazianschlags in Bern
01.08.2007 Reclaim Freiburg am 28. Juli 2007
29.07.2007 Dossier zur Polizeigewalt in Freiburg
10.07.2007 Antifaschistischer Protest in Frankfurt/Main
10.07.2007 Aktionen gegen den Freiburger Uni-Festakt
15.06.2007 Repression während des Gipfels
25.05.2007 Squat « Le Tobbogan » in Dijon geräumt
23.05.2007 Espace Autogéré des Tanneries in Dijon bleibt
21.05.2007 Kampf um Freiräume in Dijon
08.05.2007 Besetztes Hotel Stein&Graben in Basel geräumt
03.05.2007 Schwarz-roter 1. Mai in Strasbourg & Freiburg

Freiburger Indyberichte Stadtberichte

     Ergænzungen
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Ergänzungen

Gründe

Hiergeblieben 13.12.2007 - 10:09
Das ist ein super Artikel finde ich. Ich möchte an dieser Stelle nur noch ergänzen bzw. nochmals betonen, warum Cengiz die Anträge am Dienstag nach seinem Haftprüfungstermin zurückgezogen hat. Wie im Artikel beschrieben, lebte er die letzten Jahre in ständiger Angst und stark belastenden Lebensbedingungen. Sein Leben ohne Papiere ist nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Nach dieser Zeit war Cengiz körperlich und vorallem psychisch schon sehr geschwächt.
Die Haft der letzten Monate, unter den oben beschriebenen Bedingungen, hat ihn dann endgültig zerbrochen.
Nachdem das Regierungspräsidium Freiburg dann am Dienstag auf Haftverlängerung bestanden hat, war Cengiz psychisch am Ende. Die Anträge zurückzuziehen und der eigenen Abschiebung somit zuzustimmen, war also keinesfalls eine freie Entscheidung. Sein Wille wurde von dem System, dessen Behörden und Organen gebrochen.

Für Bleiberecht kämpfen lohnt sich!

dgfage 13.12.2007 - 14:53
Bleibt dran! Manchmal ist es verblüffend einfach, eine Lösung zu erkämpfen!

Im Sommer 2006 beschlossen Menschen in Husum vier Tage vor dem Abschiebetermin, diese zu stoppen, und es klappte. Es konnte so viel öffentlicher Druck mobilisiert werden, dass die Familie Makitu heut noch da ist...

Wer mehr wissen will:

 http://husuma.punk-am-ring.de/index.php?aktion=eintrag_anzeigen&print=&menue_id=68&eintrag_id=187

Badische Zeitung

hmpf 14.12.2007 - 10:45
Badische Zeitung vom Donnerstag, 13. Dezember 2007

Cengiz Kilic hat aufgegeben

Einwilligung in Abschiebung

Abrupte Wende: Der Kurde Cengiz Kilic, der sieben Jahre ohne Papiere in Freiburg gelebt hat und seit Ende September in Bayern in Abschiebehaft sitzt (die BZ berichtete gestern), hat seinen Asylfolgeantrag und die Petition an den Landtag zurückgezogen. Laut seinen Unterstützern von der Initiative "Aktion Bleiberecht" hat er bei einem Haftprüfungstermin überraschend in seine Abschiebung am kommenden Montag eingewilligt. Bisher konnten weder die Unterstützer noch seine Anwältin mit ihm sprechen. Sie vermuten, dass ihn die monatelange Abschiebehaft psychisch so strapaziert hat, dass er keine Perspektive mehr sehen konnte. Die Belastung durch die Haft hatten die Unterstützer auch schon bei einer Demonstration am Montag betont, bei der sie eine "Weihnachtsamnestie" gefordert hatten. Cengiz Kilic war 1996 als 23-Jähriger aus der Türkei geflohen.

anb



Badische Zeitung vom Mittwoch, 12. Dezember 2007

Keine "Weihnachtsamnestie" in Sicht

Der Kurde Cengiz Kilic sitzt im Gefängnis, weil er sieben Jahre ohne Papiere in Freiburg gelebt hat

Von unserer Mitarbeiterin Anja Bochtler

Jahrelang lebte er in Freiburg und der Umgebung, ohne dass es ihn offiziell gab — jetzt sitzt er seit Ende September in Abschiebehaft: Der Kurde Cengiz Kilic floh 1996 als 23-Jähriger aus der Türkei und tauchte, als sein Asylantrag im Jahr 2000 abgelehnt wurde, ohne Papiere in Freiburg unter. Dort knüpfte er Kontakt zur Initiative "Aktion Bleiberecht" , wo er seitdem mitgearbeitet hat. Der Kontakt riss auch nicht ab, als er Ende September in Bayern festgenommen wurde — laut Tomas Dressler vom Regierungspräsidium bei einer Kontrolle illegal Beschäftigter. Seitdem sitzt er abwechselnd in München und Regensburg in Abschiebehaft, "in Bedingungen, die ihn stark belasten" , wie die Engagierten der "Aktion Bleibe-recht" betonen. Sie fordern vom Regierungspräsidium eine "Weihnachtsamnestie" : Seine Freilassung aus dem Gefängnis und den Stopp der Vorbereitungen zur Abschiebung. Bisher waren sie mit ihren Forderungen, die sie am Montag bei einer Demonstration bekräftigten, erfolglos. Zwar gelte vom 17. Dezember bis zum 7. Januar ein "Weihnachtsfrieden" , das heißt, dass nicht abgeschoben werde, sagt Tomas Dressler. Abschiebungen aus Abschiebehaft aber fallen nicht darunter. Im Moment ist Cengiz Kilic noch geschützt, weil er vergangene Woche einen Asylfolgeantrag gestellt hat. Darüber werde das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge "rasch, auf jeden Fall vor Weihnachten" entscheiden — falls negativ, könne er abgeschoben werden.

Daran ändert auch die Petition nichts, die mittlerweile beim Landtag in Stuttgart eingereicht wurde. Umso mehr macht die "Aktion Bleiberecht" jetzt mobil und warnt: Eine Abschiebung könne "angesichts der sehr angespannten Lage in der Türkei fatale Folgen haben" . Dass Cengiz Kilic bei einer Rückkehr mit Misshandlungen und Folter rechne, zeige sich daran, dass er sich lieber sieben Jahre lang ohne Perspektiven versteckt hielt

Es geht immer weiter...

Autonom@ntifA 17.12.2007 - 02:03

Erklärung Aktion Bleiberecht

ABr 21.12.2007 - 10:13
„Ich grüsse alle in Liebe mit der Hoffnung auf eine Welt,
in der es nicht an Liebe, Toleranz und Frieden fehlt.”
Cengiz Kilic



Cengiz Kilic wird am 27. Dezember in die Türkei abgeschoben.

Cengiz Kilic wurde, nachdem er elf Jahre in Deutschland lebte und um ein Aufenthaltsrecht kämpfte, zur Resignation gezwungen. Nach der Ablehnung seines Asylantrages im Jahre 2000, lebte er die letzen sieben Jahre ohne Papiere im Raum Freiburg. Nach über 70 Tagen Abschiebegefängnis in der JVA Regensburg und der JVA München, wird er nach aktuellen Informationen am 27. Dezember in die Türkei abgeschoben.

Am 11. Dezember 2007 hatte Cengiz Kilic einen Haftprüfungstermin ohne Rechtsbeistand. Ihm wurde mitgeteilt, dass die Haft auf den 31. Januar verlängert wird. Somit wurde die Hoffnung, die Entscheidung über den gestellten Asylfolgeantrag und das Ergebnis seines Petitionsverfahrens beim baden-württembergischen Landtag in Freiheit abwarten zu können, zerstört. Die Dauer der Abschiebehaft kann insgesamt bis auf 18 Monate verhängt werden. Mit der Aussicht weiterhin in Haft leben zu müssen, war Cengiz Kilic überfordert, da ihn die unmenschlichen Haftbedingungen psychisch und physisch sehr belasteten. Er befand sich auf einer Station nur mit Strafgefangenen, war 23 Stunden pro Tag in einer Einzelzelle eingesperrt. Er hatte insofern fast keinen Kontakt zu anderen Menschen, die ihm vielleicht eine Stütze hätten sein können. Deshalb zog er bei dem Haftprüfungstermin seine Anträge zurück. Dabei blieb er in Unkenntnis darüber, ob Chancen auf eine Freilassung bestanden hätten. Forderungen wie die Hinterlegung einer Kaution, die Übernahme einer Bürgschaft, die Unterzeichnung einer persönlichen Erklärung für eine freiwillige Ausreise bei negativem Ausgang der Verfahren, sowie das Akzeptieren von Auflagen sich regelmäßig bei der Polizei zu melden, konnten beim Haftprüfungstermin nicht eingebracht werden, da niemand von dem Termin wusste.

Cengiz Kilic war mit seiner Situation überfordert. Was auch immer zu ihm gesagt wurde, führte bei ihm zu dem Schluss, dass er in Deutschland keine Chance auf einen regulären Aufenthalt hat.

Das Konzept der Abschiebehaft, die Menschen einzuschüchtern und psychisch unter Druck zu setzen, damit sie sich der Abschiebung fügen, bei deren Vorbereitung kooperieren und sich nicht widersetzen, ist also in seinem Fall voll aufgegangen.

Cengiz Kilic hofft nun, durch eine schnelle Abschiebung bald in Freiheit zu sein. Dabei geht er - von der Verzweiflung getrieben - das Risiko ein, von den türkischen Behörden ebenfalls inhaftiert zu werden.

Aktion Bleiberecht kritisiert vehement die gängige Asylpolitik und die Vorgehensweisen der Behörden. Obwohl zahlreiche Kontakte zu dem Regierungspräsidium Freiburg, der verantwortlichen Behörde, existierten, wurde es versäumt, über den Haftprüfungstermin zu informieren. Somit war es nicht möglich, eine Anwältin, die sich bereit erklärt hatte, Cengizn Kilic zu vertreten, über diesen Termin in Kenntnis zu setzen. Diese Vorgehensweise verdeutlicht die Menschenverachtung des deutschen "Asyl"systems.

Cengiz bat uns in mehreren Gesprächen und Briefen, allen UnterstützerInnen und FürsprecherInnen zu danken. Wir schließen uns ihm an.


Aktion Bleiberecht Freiburg

Weiterer Artikel auf austria.indymedia

Indymedia austria 25.12.2007 - 11:36
Dank Schengen: Die Grenze ist überall!
 http://austria.indymedia.org/node/9017

Zum Thema

Fritz 26.12.2007 - 14:20
Ein interessanter Text zum Thema Einwanderung, Flüchtlinge und die Mordmaschine Frontex:
 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26912/1.html

Unsere Vision: Ein Tag ohne Abschiebungen

Bürengruppe Paderborn 26.12.2007 - 19:59
In der Folge des Hungerstreikes im Abschiebeknast in Büren im September 2007 haben wir die Idee entwickelt, einen „Tag ohne Abschiebungen“ am 30. August 2008 durchzusetzen. Wir wollen diese Idee eines Aktionstages möglichst breit diskutieren. Uns schwebt vor, dass überall in Deutschland neuralgische Punkte des Abschiebesystems besucht und behindert werden. Das können Wohn- und Aufenthaltsorte von Flüchtlingen und MigrantInnen sein (Knäste, Lager etc.), Agenturen der Abschiebelogistik (Zentrale Aufnahmestellen, Ausländerbehörden etc.) sowie Profiteure des Abschiebegeschäftes (Flughäfen und –linien, Wachschutzfirmen, Dienstleister etc.).

Wir wollen keine neue Kampagne anstoßen, die in symbolischem Aktionismus endet und dadurch Kraft kostet und Frustrationen schafft. Wir glauben jedoch, dass die Vision eines Tages ohne Abschiebungen die verstreuten und z.T. isolierten Kämpfe zusammenbringen kann und Anziehungskraft über diesen Tag hinaus besitzt. Die Idee ist groß genug, um Aufsehen zu erregen und Öffentlichkeit zu schaffen, und sie ist realistisch genug, um erfolgreich sein zu können.

Wir betrachten unser Konzeptpapier als Anstoß für eine Debatte innerhalb verschiedener Zusammenhänge. Wir wollen mit euch diskutieren, ob und wie unsere Idee umsetzbar und ggf. in bestehende Kampagnen und Planungen integrierbar ist. Wir erhoffen uns ein lebendiges Aufgreifen und Weiterentwickeln unserer Ideen.

Zum Fahrplan haben wir angedacht, das Konzept auf dem Vernetzungstreffen der Abschiebehaftgruppen im April 08 in Paderborn und auf dem BUKO im Mai 08 in Dortmund umzusetzen und die konkreten Vorbereitungen zu starten.

Zuvor würden wir uns über Rückmeldungen, Kritik etc. freuen. Das kann auf folgendem Weg passieren: entweder über die E-Mail-Listen oder über ein Wiki, das demnächst ins Netz gestellt wird (Benachrichtigung folgt). Das vorläufige Konzept haben wir als Diskussionsgrundlage noch mal beigefügt.

Mit antirassistischen Grüßen


www.aha-bueren.de | www.bueren-demo.de | termine.aha-bueren.de

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