Onlinedurchsuchung - wo ist das Problem?

ra0105 11.12.2007 12:51 Themen: Repression
Aufgabe eines jeden Staates ist es seine Bürger zu schützen. Dies sowohl vor äußeren als auch vor inneren "Feinden". Um diesen Dienst an der Allgemeinheit zu erfüllen ist der Staat mit bestimmten Rechten ausgestattet. So darf er in Grundrechte eingreifen um die Gesellschaft vor gemein schädlichen Elementen zu schützen. In einer demokratischen Grundordnung, als die sich die Bundesrepublik begreift, existieren jedoch zahlreiche Schranken. Sie sollen den Bürger vor einem allzu mächtigen, absolutistischen respektive totalitären Staat schützen. Und das ist auch gut so. Den innenpolitischen "Experten" der Regierung ist es in jüngster Zeit gelungen einen wahren Coup zu landen. Kaum einem Bürger ist klar, welch starke Einschnitte die Onlinedurchsuchung im bisherigen Rechtssystem hinterlässt. Die Nebelkerzen sind erfolgreich gezündet, kaum jemand nimmt die Onlinedurchsuchung als das wahr, was sie eigentlich ist. Der großangelegte Angriff auf die verfassungsmäßig garantierten Grundrechte.

[Die permanente und konspirative Hausdurchsuchung]

Es ist umstrittig, dass ein Staat der für das Wohl der Bürger sorgen muss, selbstredend auch in die Persönlichkeitsrechte eines Bürgers eingreifen muss. Niemand mag wohl ernsthaft bestreiten, dass es notwendig ist, zum Schutze der Allgemeinheit bestimmte Menschen hinter Gitter zu bringen. Niemand kann ernsthaft abstreiten, dass auch der Staat in die Wohung eines Verdächtigen eindringen muss, um schwere Straftaten zu verhindern oder aufzuklären. Damit dies nicht willkürlich geschieht gilt in der BRD der Richtervorbehalt. Hier wird entschieden, mit Sicherheit nicht immer mit voller Zustimmung der Betroffenen, ob dieser schwerwiegende Eingriff zu vertreten ist. Es findet eine Güterabwägung durch eine zweite Instanz statt. Denn die Staatsanwaltschaft muss ein solches Vorgehen erstmal beantragen und auf Genehmigung hoffen (auf den Fall der "Gefahr im Verzug" wird hier nicht eingegangen). Unabhängig ob man dies befürwortet oder nicht, es ist die gesellschaftliche Praxis. Mit der Onlinedurchsuchung wird damit jedoch gebrochen.
Der Bundestrojaner (Lesetipp: Indymedia Feature zu den technischen Details und Ungereimtheiten) bedeutet die permanente und konspirative Durchsuchung eines Rechners. Wenn eine normale Hausdurchsuchung ansteht, hat jeder Beschuldigte das Recht (soweit möglich) während dieser Durchsuchung anwesend zu sein. Er kann gegebenfalls sogar Dritte als Zeugen bestellen. Dies ist eine Schutzfunktion, damit niemand später behaupten kann es sei ihm etwas untergeschoben worden, so profitieren sogar beide Seiten davon. Die Staatsanwaltschaft die in der Regel unzweifelhafte Beweise beschlagnahmen kann und der Beschuldigte der die Maßnahmen des Staates somit kontrollieren kann. Nicht umsonst verweist die Rote Hilfe in ihren Rechtstipps darauf, die Durchsuchung auf jeden Fall selber zu überwachen.
Es ist also klar festzuhalten; niemand spricht den Staat das Recht ab, einen Computer zu durchsuchen. Und in der Tat wird dies jedes Jahr unzählige Male getan. Allerdings musste dies immer ein Richter absegnen. Bei der Onlinedurchsuchung handelt es sich nicht um eine Durchsuchung im herkömmlichen Sinne. Sie geschieht heimlich, also zunächst ohne Wissen des Opfers und damit ohne Möglichkeit, gegen dieses Vorgehen rechtlich vorzugehen. Sie geschieht permanent, dass heißt der Rechner wird 24h am Tag überwacht und dies womöglich über einen langen Zeitraum. Schäuble argumentiert, Computer spielen im heutigen Leben eine so herausragende Rolle, dass der Staat darauf zur Gefahrenabwehr Zugriff haben muss. Das mag richtig sein, nur hat er dies ja schon, ein normaler Durchsuchungsbefehl kann sich ohne Probleme auch auf Rechner erstrecken. Wenn also Schäuble sagt, die Rechner seien so wichtig im heutigen Leben, dann ist eine Onlinedurchsuchung folglich gleichzusetzen mit einer permanenten Überwachung sämtlicher Lebensräume. Welcher Richter würde es dann genehmigen, dass ein Beschuldigter 24h am Tag observiert wird. Und damit ist nicht gemeint, dass zwei Zivilbeamte auffällig unauffällig sich vor seiner Haustür postiert haben. Sondern ein Beschuldigter auf Schritt und Tritt überwacht wird, dass eine Videokamera jeden Augenblick seines Lebens dokumentiert. Seine Kommunikation komplett offen gelegt wird, seine intimsten Gedanken, Wünsche und Vorstellungen. Es müssten wohl schon schwerste Straftaten sein, für die eine solche orwellsche Leistung überhaupt ernsthaft zur Debatte gestellt werden dürfte. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum "Großen Lauschangriff" spricht da Bände.
Herr Schäuble hat Recht, der Computer ist ein wichtiger Punkt im Leben geworden. Über viele Menschen erfahre ich wesentlich mehr, wenn ich Zugang zu ihrem Computer habe, als durch alle anderen Überwachungsmaßnahmen zusammen. Und genau aus diesem Grund habe ich als Beschuldigter ein Recht darauf, zu erfahren welche Regionen der Festplatte durchsucht worden sind und welche "Beweise" sichergestellt wurden. Ich möchte auch wissen, wie genau die Durchsuchung ablief um dies später nachvollziehen zu können (Quellcode des Bundestrojaner!)
Bei der heimlichen Onlinedurchsuchung ist genau dies nicht der Fall. Es hat einen Grund, warum der Staat nur unter Zeugen die Wohnung eines Menschen durchsuchen darf. Die Väter des Grundgesetzes hatten und haben allen Grund dem Staat mit Misstrauen zu begegnen. Diese Bedenken werden nun alle weggewischt, für ein Mehr an Sicherheit. Dabei ist völlig unklar ob dies überhaupt entsteht.

[Onlinedurchschung ein stumpfes Schwert?]

Ein solch schwerwiegender Eingriff lässt sich wenn überhaupt nur rechtfertigen, wenn eine erhebliche Gefahr von dem Benutzer des Rechners ausgeht. Folgerichtig sollte man also davon ausgehen, dass Beamte 24h am Tag die übertragenen Daten auswerten um nötigenfalls sofort einzugreifen. Damit brauche ich pro Tag 4 Beamte die jeweils 6h überwachen (die restlichen 2h Stunden des Arbeitstages werden für Verwaltungsaufgaben benötigt) Rechnet man eine 24-stündige Telefonüberwachung noch hinzu, dann sind allein 8 Beamte mit diesen Teil der Überwachung beschäftigt. Zusätzlich werden noch Einsatzkräfte für die Überwachung des Bewegungsradius gebraucht. Zur Erinnerung, bei den muslimischen Extremisten, die mit völligem Dilettantismus aus Wasserstoffperoxid Bomben bauen wollten, waren mehrere hundert Beamte beteiligt (die sich dabei ebenfalls so dilettantisch anstellten, dass die Überwachung in dem kleinen Dorf sofort aufgefallen ist). Wo ist dabei das mehr an Sicherheit? Nicht bei jedem "Gefährder" kann ein solch immenser Aufwand betrieben werden. Nein es ist vielmehr zu befürchten, dass die Onlinedurchsuchung zum gezielten Stochern im Nebel benutzt wird. Dies lässt sich vergleichen mit dem Ermittlungsparagraphen §129a, auch hier geht es selten um konkrete Straftaten respektive ihre Verhinderung. Ziel ist die Durchleuchtung und weil eine Hausdurchsuchung sofort auffallen und eventuelle Straftäter vorsichtiger machen würde, ist es ja auch ganz praktisch ihn einfach heimlich zu durchsuchen. Wenn man dann zum Ergebnis kommt, dass die Person harmlos ist, kann die Überwachung wieder eingstellt werden. Ohne, dass man sich die Blöße geben muss, einem gegnerischen Anwalt genau erläutern zu müssen, warum man in seine Persönlichkeitsrechte zu massiv eingegriffen hat. Man weiß bereits heute, dass Ermittlungsbehörden es "vergessen" die Zielsubjekte einer Überwachung im Nachhinein darüber zu informieren, obwohl dies gesetzlich klar gefordert ist. Das schlimme daran ist, dass es einen Unterschied gibt, zwischen Überwachung (wer trifft sich wann mit wem und ist eventuell herauszubekommen was beredet wird) und einer Durchsuchung (kompletter Zugriff auf alle gespeicherten Mails, Dokumente, Programme, Filme, Musik, Kontaktdaten von ICQ oder Jabber). Die Durchsuchung ist in jedem Fall der schwerwiegendere Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und die Onlinedurchsuchung ein geeignetes Mittel dies zu bagatellisieren. Schwere Straftaten wird man danit eh nicht verhindern, professionelle Täter haben schon immer Wege gefunden solche Maßnahmen zu unterlaufen (muss ich die Detailplanung meines nächsten Bombenattentates wirklich an einem Rechner machen der einen Onlinezugang hat?).

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Ergänzungen

Zu kurz gedacht: Schäuble und seine Kritiker

Peter Monnerjahn 11.12.2007 - 23:11
Der Innenminister und seine volksparteiübergreifende Gefolgschaft weiden im Sicherheitswahn die Verfassung aus - kritische Fragen und kritisches Denken sind demgegenüber auch in der freien Presse Mangelware

Zum Antiterror"erfolg" im Sauerland...

ra0105 12.12.2007 - 10:18

Zum Geheule in der Süddeutschen

bratwurstbrater 12.12.2007 - 11:32
 http://blog.fefe.de/?ts=b9a1d978

immer schön beim Plenum beten. ;)

Der Computer ist ein wichtiger Punkt im Leben

Alf E. Neumann 13.12.2007 - 05:30
Wenn der Staat (endlich) zugibt, daß der Computer ist ein wichtiger Punkt im Leben des Bürgers darstellt, dann gehört die Beschlabnahme von Computern bei Hausdurchsuchungen bis auf Ausnahmefälle unverzüglich gesetzlich abgeschafft. Denn diese stellt einen ungeheuren Einschnitt in das Leben der Betroffenen dar - im schlimmsten Fall kann die komplette Existenzgrundlage oder gar unwiederbringliche Werte verloren sein. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Computer nach Abschluß der Untersuchungen wieder zurückgegeben werden. Dieser Vorgang dauert in aller Regel ein Jahr, dies ist faktisch eine Strafe ohne Urteil.

Wenn der Staat die Daten eines Computers haben will, soll er entweder zur Hausdurchsuchung einen IT-Spezialisten mitbringen, welcher die Festplatten und anderen Datenträger vor Ort kopiert, oder aber den Computer temporär beschlagnahmen und die Kopien der Inhalten innerhalb von ein bis zwei Tagen bei der Ermittlungsbehörde machen - und dann den Computer umgehend zurückgeben.

Alles andere ist schon allein dadurch ungesetzlich, daß

a) die Beschlagnahme für die Existenz eines Bürgers lebensnotwendigen Gegenständen für ein Jahr wie gesagt Strafe ohne Urteil (und ohne Ausgleich!) ist
b) alle amtlichen Eingriffe in das Leben der Bürger generell nach dem Maßstab geschehen müssen, ob es keine andere Lösung gibt, die den gleichen Effekt bei einem weniger starken Eingriff ermöglicht

Insofern sind (für den Normalfall) Beschlagnahmungen von Computern, sofern diese nicht umgehend zurückgegeben werden, als gesetzeswidrig anzusehen, ganz egal ob da ein Richter zugestimmt hat. Dies sollten sich auch diese Richter, die so etwas anordnen und diese Ermittlungsbeamten, die so etwas durchführen, überlegen.

Ausnahmen stellen Fälle dar, wo der Beschuldigte sowieso in Haft genommen wird und diese auch demnächst nicht verlassen wird. Oder auch Spezialfälle, wo dem Beschuldigtem der Kontakt zur Außenwelt untersagt wird. Beide Fälle dürften aber höchst selten sein und können daher nicht den Maßstab für die grundsätzliche Vorgehensweise darstellen.

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