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Der Polizeistaat Sachsen-Anhalt

matthias kramer 05.12.2007 09:12
Der Polizeistaat Sachsen-Anhalt und der Kampf gegen Rechts
Augen auf beim Kampf gegen Rechts

Gegenwärtig erleben wir in Sachsen-Anhalt einen Diskurs, der an Verlogenheit nicht zu überbieten ist. VertreterInnen von Parteien wie Bündnis 90/Grüne, SPD oder CDU, für die der Einsatz von Gewalt ein legitimes Mittel ihrer Politik ist, predigen den Jugendlichen die so genannte Gewaltfreiheit. Jene PolitikerInnen der Rechts- und Linksparteien, die durch ihr Agieren dafür gesorgt haben, das Sachsen-Anhalt de facto ausländerfrei ist, belehren die BürgerInnen über den Rassismus.
Während bundesweit die Linke gegen den Überwachungsstaat mobilisiert, kann mensch in Sachsen Anhalt den Fakt erleben, dass der Polizeistaat mit Hilfe von - ihrer Selbstbezeichnung nach - antifaschistischen Gruppierungen und staatlich geförderten Projekten gegen Rechts errichtet wurde und wird.
Die mediale Inszenierung des Polizeistaates reicht bis in die Junge Welt.
Am 26.07.2007 konnten wir in der Jungen Welt dicke Lobesworte eines Vertreters der Opferberatung für den derzeitigen Innenminister und seinem Kampf gegen Rechts lesen.
„... Und seit dem Wechsel an der Spitze des Innenministeriums gibt es klare Signale, das Problem Rechtsextremismus nicht mehr zu verharmlosen ...“ (Junge Welt „Immer wieder krasses Fehlverhalten ... Gespräch mit Torsten Hahnel“ Mobile Opferberatung ...26.07.07)
Ein Problem seien eigentlichen nur die Beamten vor Ort – sprich die Streifenpolizisten -.

Welcher Art Signale dies sind möchte ich im Folgenden aufzeigen.
Im September wurde ein Präventionsrat in Halberstadt gegründet.
- Die, die unseren Staat vernichten wollen, müssen ohne Bewährung verurteilt werden. Die Orte des Übels müssen wir leer räumen -, verkündete Oberstaatsanwalt Helmut Windweh. Wir erinnern uns. Oberstaatsanwalt Windweh ist die gleiche Person, von der mensch am 30.01.04 in der Volksstimme Folgendes lesen konnte: „Von einer politischen Motivation für den "Zora"-Überfall, der am Vorabend des Todestages des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß stattfand, mag der Halberstädter Oberstaatsanwalt Helmut Windweh dennoch nur bedingt sprechen. „Die politische Dimension der Tat kann derzeit wohl eher in Schnaps- und Biergläsern gemessen werden. Genau wird man das aber erst im Rahmen der Hauptverhandlung sagen können““.
In enger Kooperation von Polizei, Staatsanwaltschaft und Schulen sowie solchen Vereinen wie „Miteinander“ soll durch die Verschärfung der sozialen Kontrolle der Jugendlichen das Problem des Neofaschismus gelöst werden.

Vorangegangen waren der Gründung des Präventionsrates eine Bundesratsinitiative sowie die Verkündung neuer Richtlinien zur Verfolgung politisch motivierter Kriminalität durch die Landesregierung. Maßgeblich beteiligt an der Bundesratsinitiative war die Justizministerin des Landes, jene aufrechte Demokratin die es liebt, Brandbriefe in Sachen Sicherheitsverwahrung bundesweit zu verschicken.
Aus der Bundesratsinitiative
- Gemäß § 46 Abs. 2 StGB hat das Gericht bei der Strafzumessung die Umstände abzuwägen, die für und gegen den Täter sprechen. Dabei enthält § 46 Abs. 2. Satz 2 StGB eine Zusammenfassung von Umständen, die bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind. Hier wird explizit aufgenommen, dass strafverschärfend zu werten ist, wenn ein Beweggrund der Tat „die politische Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder das äußere Erscheinungsbild, eine Behinderung oder die sexuelle Orientierung des Opfers“ ist.
• Über eine Ergänzung des § 47 StGB wird klargestellt, dass bei Taten, die von den in § 46 StGB neu aufgenommenen Beweggründe getragen werden, in der Regel anstatt Geldstrafen kurze Freiheitsstrafen verhängt werden. ... „ (Pressemitteilung des Ministeriums für Justiz Magdeburg, 15. August 2007 Nr.: 050/07)
Umgehend ließ die Mobile Opferberatung u. a. über MDR Info verbreiten, dass sie diese Initiative begrüßt.
Spätestens an dieser Stelle muss mensch einige Bemerkungen zur antifaschistischen Praxis machen. Unlängst konnten wir auf einem Jingle eines Bündnisses Querstellen anlässlich eines Aufmarsches der Nazis im Harz die markigen Worte „Sabotieren, Blockieren...“ und so weiter vernehmen. Uns, die wir solcherart Dinge sehr ernst nehmen, könnte es leicht passieren, dass in Folge solch einer Blockade ein Nazi lädiert werden könnte. In dem Falle würde der Inhalt der Bundesratsinitiative auch uns treffen. Entgegen der medialen Inszenierung geht es um die politische Kriminalität im Allgemeinen. Da wir den Nazi auf Grund seiner Weltanschauung und nicht als Privatperson verschönert hätten, würden wir nicht mehr mit einer Verwarnung, Geldstrafe etc. davon kommen sondern gleich in den Knast wandern.

Die neuen Richtlinien der Landesregierung im Kampf gegen die politische Kriminalität lassen sich wie folgt zusammenfassen.
- die Einrichtung von Sonderdezernaten bei der Staatsanwaltschaft
- die Durchführung von Schnellverfahren
- Einstellungen von Verfahren wegen Geringfügigkeit soll es nicht mehr geben, auch nicht bei Jugendlichen
- den verstärkten Ausbau des Staatsschutzes.
(Ministerium der Justiz - Pressemitteilung Nr.: 054/07)

Hinzu kommt die verstärkte Beobachtung von SchülerInnen durch den Verfassungsschutz.

In Folge der Föderalismusreform wird das Versammlungsrecht zur Ländersache. Hierzu hat der Innenminister angekündigt, dass die Kooperationspflicht verschärft wird. Die Einrichtung von Bannmeilen sowie Demonstrationsverbote für bestimmte Tage sind ebenfalls vorgesehen. (Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 200/07) Mensch kann sich leicht ausrechnen, was diese Umstände für zukünftige antifaschistische Demonstrationen bedeuten. Gerade in Magdeburg ist mensch mit Einsatzkräften der Polizei konfrontiert, die den Satz – Ich bin ein Bürger dieses Landes, der von seinem Recht auf Demonstrationsfreiheit Gebrauch macht – intellektuell nicht verarbeiten können.

Der so gelobte Innenminister verkündete dann auch prompt - seinen eigenen Kampf gegen Rechts parodierend - die Zahl der rechtsextremen Straftaten in Sachsen-Anhalt sei in den ersten acht Monaten dieses Jahres stark zurückgegangen. Sie sei um über 40 Prozent auf 434 Taten gesunken laut Kriminalitätsstatistik (Volksstimme 12.09.07*).
Einige Bemerkungen zu der allseits beliebten Kriminalitätsstatistik, die in diesen Tagen wieder einmal Schlagzeilen machte. Die Nazis beweisen mit ihr, dass die Ausländer kriminell seien, die Linken, dass die Gewalttaten der Nazis steigen und die Bürgerlichen je nach Bedarf, dass die Rauschgift-, Internet- oder sonstige Kriminalität im Steigen sei. Leider muss mensch insbesondere immer wieder auch Linke darauf hinweisen, dass in dieser Statistik lediglich der Anfangsverdacht, also das Anzeigeverhalten sowohl der Bevölkerung als auch der Behörden dokumentiert wird. Da zudem die Kriterien der Erfassung ständig entsprechend der im Moment gerade erforderlichen Kriminalität verändert werden, ist diese Statistik grundsätzlich ein Instrument der Manipulation.

Spätestens jetzt sollte mensch wieder einmal ins Archiv schauen.
„Reaktion auf rechte Gewalt. Polizei verstärkt den Staatsschutz im Harz“ (Volkstimme 18.10.05)
„Verfassungsschutz beobachtet Neonazi-Szene. Nach der Polizei will nun auch der Verfassungsschutz stärker gegen die rechtsextreme Szene im Harz vorgehen.“( MDR online 19. Oktober 2005)
„Wir können dieser eindeutig rechtsextremen Gruppierung 15 Personen klar zuordnen. 20 bis 30 weitere werden mit der Wernigeröder Aktionsfront in Verbindung gebracht.“ Die politische Nähe zur rechtsextremen NPD ist offenkundig. So ist der Wernigeröder Michael Schäfer auch stellvertretender Landesvorsitzender der „Jungen Nationaldemokraten“... (Volksstimme 22.10.05 – laut dem damaligen Polizeipräsidenten Nitsche)
2005 sollen also die neofaschistischen Strukturen aufgeklärt und heute die rechtsextremen Straftaten stark rückläufig sein. Trotzdem wurde damals der Staatsschutz verstärkt und aktuell sollen Gesetze verschärft werden. Dies zeigt deutlich, wohin die Reise gehen soll.

Zusammenfassend verkündete der Staatssekretär im Innenministerium, Rüdiger Erben am 9. Oktober 2007
„Seit Juni 2007 sind ergänzende Maßnahmen zur polizeilichen Bekämpfung rechtsextremer und ausländerfeindlicher Straftaten umgesetzt worden“, so Erben. „Erfolge sind bereits sichtbar, und wir werden diesen Weg konsequent fortsetzen.“
Die Elemente des Fünf-Punkte-Plans sind:
1. Schon vor Inkrafttreten der neuen Strukturen zum 1. Januar 2008 wird der polizeiliche Staatsschutz erheblich verstärkt. Neben den Fachkommissariaten in den Polizeidirektionen entstehen zusätzliche Dienstposten vor Ort in den Polizeirevieren. Gegenüber den bisherigen Strukturen wächst der Personaleinsatz (ohne Landeskriminalamt) landesweit von 80 auf etwa 180 Dienstposten an;
2. verstärkte Informationsgewinnung zu rechtsextrem motivierten, insbesondere überregional begangenen Straftaten;
3. intensivere Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz im Rahmen der gesetzlich bestehenden Möglichkeiten;
4. Ausweitung des gezielten Einsatzes von Videobeobachtungsanlagen an gefährlichen Orten;
5.Schwerpunkteinsatz der Bereitschaftspolizei zur gezielten Erhöhung des Kontrolldrucks gegen Angehörige der rechtsextremistischen Szene ...
Erben: „Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen. Ich habe mich vor Ort von dem Effekt überzeugt, der durch die Kooperation der örtlichen Polizeireviere mit der Bereitschaftspolizei erzielt werden kann.“ (Staatskanzlei - Pressemitteilung Nr.: 541/07)

Eingerahmt wird der Polizeistaat Sachsen Anhalt durch das Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen Anhalts – SOG LSA – in der Fassung vom 23.September 2003. Die Rasterfandung, die verdachtsunabhängige Identitätsfeststellungen, flächendeckende Videoüberwachung bis hin zur
Erschießung von Kindern und Schwangeren, natürlich nur dann „wenn der Schusswaffengebrauch das einzige Mittel ist zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr“ , alle Mittel polizeistaatlicher Willkür sind in diesem Gesetz enthalten.
( http://www.sachsen-anhalt.de/LPSA/fileadmin/Elementbibliothek/Bibliothek_Politik_und_Verwaltung/Bibliothek_Ministerium_des_Innern/PDF_Dokumente/Referat_21/sog_lsa.pdf )
Die ehemaligen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit dürften sich in dem Bundesland Sachsen-Anhalt mehr als einmal verwundert die Augen gerieben haben. Die Instrumentarien, die den VertreterInnen der bürgerlichen Freiheit zur Verfügung stehen, dürften denen des MfS nicht nachstehen. Während jedoch die Tätigkeit der Staatssicherheit der DDR einer gewissen gesellschaftlichen Ächtung unterliegt, erfreut sich der Polizeistaat Sachsen-Anhalt breitester Zustimmung diverser VertreterInnen von Rechts- und Linksparteien einschließlich ehemaliger BürgerrechtlerInnen.
Wie weit die Akzeptanz der Überwachungsorgane geht kann mensch auf den Seiten des Antifaschistischen Infoportal AIP in Magdeburg nachlesen. Dort finden sich in aller Unschuld die Sätze "Der aktuelle Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2006 ist nicht nur ungenügend, er deckelt das Problem Rechtsextremismus sogar noch" ... "Wir müssen uns vor diesem Hintergrund wirklich fragen, wie ernst der Slogan >> Hingucken << des aktuellen Landesprogramms noch genommen werden darf bei einem Verfassungsschutzbericht, der vor Fehlinformationen und Halbwahrheiten nur so strotzt." ( Infotext // Antifa Infoportal // 23.07.2007)

Dass es sich bei dem AIP und dem Verfassungsschutz nicht nur um eine Dialoggemeinschaft im Kampf gegen Rechts handelt, kann mensch an dem seit 2004 unbeachtet von der bürgerlichen als auch linken Öffentlichkeit bestehenden Gemeinsamen Informations- und Auswertungszentrum islamistischer Terrorismus (GIAZ) beim Landeskriminalamt von Sachsen Anhalt erkennen.
Fairerweise muss mensch einräumen, dass zumindest eine gutbürgerliche Persönlichkeit, der Datenschutzbeauftragte des Bundeslandes Sachsen-Anhalt Dr. Harald von Bose regelmäßig daran Kritik übt.
Zum GIAZ: „ Es ist eine Schnittstelle von Polizei und Verfassungsschutz. Und genau darin liegt die Brisanz seiner Existenz. ... Im Sommer 2006 wurde seitens des Ministeriums versichert, das GIAZ zum Jahresende 2006 zu evaluieren. Bis zum Ende des Berichtszeitraums wurde dem Landesbeauftragten nicht bekannt, dass eine Evaluierung stattgefunden hat.“ (VIII. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 01.04.2005 - 31.03.2007)
Im Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2006 findet sich der lapidare Satz „ Über Aktivitäten islamistischer Organisationen in Sachsen-Anhalt liegen keine Erkenntnisse vor. Allerdings gibt es Hinweise auf Einzelpersonen, die in Sachsen-Anhalt wohnen, aber strukturell in Aktivitäten extremistischer Gruppierungen in anderen Bundesländern oder im internationalen Raum eingebunden sind“.
In Ermanglung realer islamistischer TerroristInnen hat inzwischen das antifaschistische Infoportal AIP die Rolle übernommen, das Schreckgespenst der Islamisierung im Bundesland Sachsen-Anhalt aufzubereiten. Da aber dessen Wirkung auf Grund der fehlenden sozialen Verankerung mehr als begrenzt ist, scheint das Umfeld des AIP einen Schritt weiter zu gehen. Auf den Seiten des ANTI - DEFAMATION FORUM in Berlin wird seit dem September ein Flugblatt diskutiert. ( http://www.adf-berlin.de/wbb2/thread.php?threadid=3032&threadview=0&hilight=&hilightuser=0&page=5 )
Dass es sich bei dem Flugblatt um eine Fälschung handelt und nicht von jener Gruppe stammt, die dort angegeben wurde, interessiert weder das dort diskutierende antifaschistische Klientel noch die linke Öffentlichkeit. Der Text ist an und für sich belanglos. Entscheidend ist jedoch der Satz im letzten Abschnitt „Den Islam als antifaschistische Waffe in voller Schärfe und Schönheit kennen lernen!“
Offensichtlich scheinen sich hier einige auf die Situation vorzubereiten, dass neben dem Datenschützer es eventuell in Zukunft noch weitere BürgerInnen geben könnte, die zumindest eine Evaluierung des GIAZ fordern.

Die „Gemeinschaftsunterkunft / Ausreiseeinrichtung“ in der ZASt des Landes Sachsen Anhalt stellt ein weiterer Eckpunkt der rassistischen Politik und Repression der aufrechten KämpferInnen gegen Rechts dar. Mit dieser Einrichtung mit dem so harmlosen Namen hat sich die Bürgergesellschaft einen rechtsfreien Raum geschaffen. In diese Einrichtung werden Menschen eingewiesen, Flüchtlinge deren Asylanträge abgelehnt wurden, deren Identität durch die Ausländerbehörden in Frage gestellt werden. Die Mittel zur Identitätsfeststellung sind u. a. das die Residenzpflicht strikt auf Halberstadt beschränkt ist, diese Menschen kein Bargeld stattdessen Sachleistungen erhalten, die auch nur unzureichend und die medizinische Versorgung auf ein Minimum reduziert wird. Es gibt Menschen, die bereist seit vier Jahren unter diesen Bedingungen leben müssen.
(  http://www.ausreisezentren.de/az/index.php )

Welch teilweise skurrile Formen der Kampf gegen Rechts annehmen kann, demonstrierten die braven SchülerInnen des Gymnasiums Martineum in Halberstadt. Geschäftstüchtig wie junge Menschen heutzutage sind, hatten sie u. a. eine Briefmarkenserie gegen Rechts entworfen. Da sich kein Privatinvestor fand, übernahm die Landesregierung die Vermarktung der Briefmarken. Für die Flüchtlinge, die zukünftig ihren Abschiebebescheid erhalten, dürfte es zumindest ein leichter Trost sein, nicht von der NPD sondern von den mutigen KämpferInnen gegen Rechts abgeschoben worden zu sein.
Die Gunst der Stunde nutzend, machten die braven SchülerInnen darauf aufmerksam, dass es neben der neofaschistischen Gewalt noch andere Formen der Gewalt gebe. Unter anderen durch jene Jugendlichen, die sich allabendlich vor ihrem Gymnasium trafen, um gemeinsam Bier zutrinken, zu schwatzen und einfach beieinander zusammen zu sein. Flugs bildeten sie eine gemeinsame Direktoren- und SchülerInneninitiative und kämpften erfolgreich darum, videoüberwacht zu werden. Dabei hätten die so hoch dekorierten SchülerInnen u.a. neben der Landesregierung auch durch die Stern-Redaktion tatsächlich eine Menge zu tun gehabt im Kampf gegen Rechts. Das aber in allererster Linie im eigenen Haus. Auf den Seiten ihrer Homepage kann mensch (Stand 23.11.07) lesen, „ ... Viele Lehrer und Schüler des Martineums zogen 1939 mit Ausbruch des II. Weltkrieges, z.T. von der Ideologie eines gerechten und erforderlichen Kampfes überzeugt, in den Krieg. Auch in diesem Krieg sorgten sich die "Daheimgebliebenen" um Hilfsdienste. Eine Feuerwehr- und Sanitätsabteilung wurde gebildet, man half in Behörden und Dienststellen, in Landwirtschafts- und Industriebetrieben. Die Schrecken des Krieges bekam Halberstadt am 8. April 1945 mit einem Bombardement der anglo-amerikanischen Luftstreitkräfte zu spüren. ...“ ( http://www.martineum-halberstadt.de/schule/chronik/wkriege.html)
Dieser Stolz auf die aktive Aufrechterhaltung des deutschen Faschismus durch Martineer war kein Ausrutscher der HomepagemacherInnen. So wurde eine Gedenktafel im Martineum eingeweiht, auf der unterschiedslos allen im 2. Weltkrieg gefallenen Martineern gedacht wurde, egal ob sie als 14jährige Helfer der Flak oder als Angehörige der Waffen-SS starben.
Diese Verlogenheit im Kampf gegen Rechts ist aber nicht nur das Problem der braven Gymnasiasten, sondern der Bürgergesellschaft generell. Erinnert sei an das geschichtsrevisionistische Spektakel „Dem Gleich fehlt die Trauer“ in Halberstadt anlässlich des 60.Jahrestages der Befreiung vom Faschismus. Ein Höhepunkt war unter anderem der Auftritt des Erfinders des Wortes vom „Bombenholocaust“, des gutbürgerlichen Historikers Jörg Friedrich im Rathaus der Stadt.
Ein weiteres deutliches Zeichen im Kampf gegen Rechts dürfte die Berufung eines bekennenden Stammtischrassisten zum Leiter der Ordnungsbehörde sein, der damit auch für die Ausländerbehörde verantwortlich ist.

In dem bereits erwähnten Interview der Opferberatung (Junge Welt „Immer wieder krasses Fehlverhalten ... Gespräch mit Torsten Hahnel Mobile Opferberatung ...26.07.07) erhalten wir auf die Frage – Sachsen Anhalt hat unter den Bundesländern die höchste Quote rechter Gewalttaten. Wie kommt es dazu? – folgende Antwort „ ... Eine ganze Menge politischer Fehler haben diese Entwicklung begünstigt. So hat man zum Beispiel im Vergleich zu Sachsen und Mecklenburg sehr lange gezögert, ein Landesprogramm gegen den Rechtsextremismus aufzulegen. Der Trend in der Politik der letzten Jahre ging dahin, das Problem eher zu verharmlosen. Zum Teil gab es auch skandalöse Urteile der Justiz, Fälle, wo rechtsextreme Dauerschläger immer wieder mit Bewährung rechnen konnten, ...“
Aus Sicht der Opferberatung scheint der Kampf gegen den „Rechtsextremismus“ in den genannten Ländern, in denen sich die NPD immerhin mit Fraktionsstärke in den Landtagen befindet, äußerst erfolgreich zu sein.
Wer sich nüchtern über die Ursachen der Entwicklung des Neofaschismus in den neuen Bundesländern verständigt, müsste an aller erster Stelle die staatlich geförderten Projekte gegen Rechts, seien es nun Miteinander, die Opferberatung oder auch Civitas benennen. Den Preis für die Verdienste um die Einheit des deutschen Vaterlandes, den der Verein Miteinander jetzt erhielt, dürfte er sich redlich verdient haben.
Während sie real gegen den Neofaschismus nichts ausrichteten, ist es ihnen im Gegenzug immer wieder gelungen. den sich mit Notwendigkeit entwickelnden antifaschistischen Widerstand in die staatlichen Strukturen einzubinden und damit zu neutralisieren. Wenn mensch sich den Inhalt dieser Projekte anschaut wird er oder sie feststellen, das die gleichen Leute ebenso Projekte gegen den Linksradikalismus machen könnten. Sich real über den Neofaschismus verständigen hieße sich über die Bürgergesellschaft zu verständigen. Über jene reaktionäre gesellschaftliche Atmosphäre als auch deren Politik, aus denen sich der Neofaschismus entwickelt.
Der in den Antifakreisen so verachtete Volksmund bringt es auf den Punkt. – Die Hand, die mich füttert, werde ich nicht beißen. - Gerade in den neuen Bundesländern zeigt sich, dass Sozialarbeit grundsätzlich auf die Enteignung von eigenen Handlungsstrategien und Optionen insbesondere junger Menschen gerichtet ist. Von welchem Weltbild sich die SozialarbeiterInnenklientel dabei leiten lässt zeigt folgende Aussage.
„Denn nur in denjenigen Orten - wie im Harz beispielsweise in Halberstadt oder Quedlinburg -, in denen noch soziokulturelle Zentren existieren und alternative und nicht-rechte Projekte gefördert werden, haben Jugendliche überhaupt die Wahl, nicht-rechts oder alternativ zu sein.“
( ND/Taz???14.02.06 "Gewalt an jedem dritten Tag" Interview mit Heike Kleffner)
Jugendliche als willenlose Objekte, die mit Hilfe des Nürnberger Trichters je nachdem mit rechten oder eben auch nichtrechten alternativen Inhalten gefüllt werden.
Wie das in der Realität aussieht, kann mensch an dem soziokulturellen Zentrum in Halberstadt nachvollziehen. Ursprünglich handelte es sich um ein besetztes Haus, in dem es normal war, gesellschaftliche Strukturen zu hinterfragen und Alternativen zur Bürgergesellschaft zu leben. Inzwischen ist es dank dem SozialarbeiterInnenklientel ein Ort, in dem mensch kochen, backen und sich anderweitig alternativ freizeitbeschäftigen kann. Die Linken mutierten zu „nicht rechte alternative Jugendliche“.
Das Ergebnis im Harz ist eindeutig. Währen die Neofaschisten die Veranstaltung der Kriegstreiberin Claudia Roth (GRÜNE) stören, die kommunale Korruption und Vetternwirtschaft benennen, gegen den Polizeistaat aufmarschieren - das alles natürlich auf Faschistenart, meinen die Antifaschistinnen mit jenen, die im Namen von Auschwitz den ersten Angriffskrieg der BRD führten, im Kampf gegen Rechts palavern zu müssen.
Der Höhepunkt dieser Entwicklung dürfte der Auftritt des Innenministers in dem sozi-kulturellen Zentrum gewesen sein. Gemeinsam beriet das SozialarbeiterInnenklientel mit ihm, was man gegen rechts tun könne - unter anderem durch die Verbesserung der Polizeiarbeit.
Das Pendant zur Sozialarbeit ist die Repression für jene Linken, die nicht bereit sind, mit dem bürgerlichen Staat zu kooperieren. Die Räumung der „Ulrike“ sowie das 129a-Verfahren in Magdeburg sind dafür drastische Beispiele. Trotz des brutalen Angriffes des bürgerlichen Staates entwickelte sich in Magdeburg wiederum eine linke Szene aus Punks, Anarchos und Antiimps. Ohne das diese Menschen permanent im Antifa- Dirndl herumlaufen, gehört es zu ihrer selbstverständlichen Praxis, den eigenen Kiez von Nazis frei zu halten. Ebenso verweigern sie sich nach wie vor der Kooperation mit dem bürgerlichen Staat. Was bisher nicht durch Sozialarbeit als auch Repression erreicht werden konnte, soll jetzt mit der moralischen Delegitimierung bewirkt werden.
Diese Aufgabe hat offensichtlich das oben schon erwähnte AIP sowie dessen Umfeld übernommen. Jegliche politische Aktivität dieser Menschen in den letzten Jahren wurde durch das AIP dahingehend begleitet, das es sie darüber belehrt, dass sie keine richtigen Antifaschisten wären. Bis hin zur Anmaßung, dass es sich bei diesen Menschen um „nationalistische völkische Antisemiten“ handeln würde.
Integriert ist das Agieren des AIP in einem Diskurs, in dem es vordergründig um den Antisemitismus geht. Aus Denkansätzen der Junghegelianer, Versatzstücken von Marx sowie angereichert mit einigen Brocken Kritischer Theorie wurde ein Ideologiekonstrukt zusammengeschustert, mit dem Mensch zumindest junge AntifaschistInnen, deren Bildungshorizont die Ebene der bürgerlichen Ideologie in der Regel nicht überschreitet, beeindrucken kann. Wer sich diesen Diskurs jedoch näher anschaut, wird schnell feststellen, dass er mit dem Thema Antisemitismus wenig zu tun. Dagegen handelt es tatsächlich um eine Delegitimierung der Kapitalismuskritik und des sozialen Protestes sowie eine postmodern verklausulierte Imperialismusapologetik.
Die Entwicklung einer konkreten Praxis soll ersetzt werden durch die Kritik abstrakter Begriffe. Die abstrakte Kritik an noch abstrakteren Begriffen – wie Volk, Staat und Nation – lässt sich dann aufs vortrefflichste verbinden mit dem Arrangement mit dem konkreten Staat.
Wenn mensch den Konflikt in Magdeburg, der inzwischen auch bundesweit Schlagzeilen machte, konsequent entideologisiert, zeigt sich, worum es tatsächlich geht. Soll der Antifaschismus Teil einer Praxis sein, in der mensch sich gemeinsam mit den sozial Benachteiligten, in all ihrer Widersprüchlichkeit, mit MigrantInnen, mit Punks, mit all jenen, die an den Rand der Gesellschaft gedrückt werden, gemeinsam organisieren und das konträr zum bürgerlichen Staat oder ist der Antifaschismus das Privileg eines elitären Kreises „wahrer Kritiker des Kapitalismus“. Die - so wortgewaltig radikal im Antifa-Dirndl auch sie daherkommen mögen - letztendlich nichts weiter sind als eine alternative Bürgerwehr des Innenministeriums.
Das Szenario ist perfekt. Während die Bürgergesellschaft durch die Propagierung des Geschichtsrevisionismus, des obrigkeitsstaatlichen Denkens und ihrer rassistischen Politik eingebettet in den sozialen Kahlschlag jene Atmosphäre schafft, in der sich die Neofaschisten pudelwohl fühlen, übernehmen die stattlichen Projekte gegen Rechts die Neutralisierung des antifaschistischen Widerstandes. Durch die allgemeine Predigt der Gewaltfreiheit wird dafür gesorgt, das genügend potentielle Opfer neofaschistischer Gewalt vorhanden sind. Wenn die Situation dann eskaliert, wie z. B. im Harz, bleibt als rettender Engel der Polizeistaat.

Siehe auch
ZASt soll Zentrallager werden
 http://de.indymedia.org/2007/11/200404.shtml

LSA Staatsschutz
 http://www.volksstimme.de/vsm/nachrichten/lokalausgaben/halberstadt/?em_cnt=576976

Staatschutz MD
 http://www.volksstimme.de/vsm/nachrichten/lokalausgaben/magdeburg/?sid=6191ab48a726a20fee729d13a84bf10d&em_cnt=579674
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Ergänzungen

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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sehr schöner text! — harzer

sehr — guter

blubb — Harzer

anti-antifa-text — antifa

Guter Text — Sachsen- anhaltinerIn

antideutsche haben mein spielzeug geklaut — (muss ausgefüllt werden)

argh — Judäischen Volksfront

Acht Monate Haft — Die Welt

Verdrehter Kram — Zensur? oder was soll das....

"liebe freunde" — ihr lehnt euch ganz schön weit raus

AIP blalabersülz — lieber Freund

@"antifa" — lieber Freund