Axel, Florian und Oliver sind frei...

Journalistenkollektiv Friedrichshain 02.12.2007 20:43 Themen: Militarismus Repression
Axel, Florian und Oliver wurden am 28. November aus der Untersuchungshaft entlassen. Ihre Freilassung, aber auch das weiterhin laufende Ermittlungsverfahren gegen sie regt dazu an, sich für einen breiten, antimilitaristischen Widerstand zu engagieren. Auch die derzeitigen politischen Verhältnisse liefern einen Anlass dazu.
Am 28.11.2007 hat der Bundesgerichtshof über die Haftbeschwerde der drei Antimilitaristen Oliver, Florian und Axel entschieden und damit über die Frage, ob der Antiterrorismus-Paragraph 129a, der deutsche Gesinnungs- und Ausschnüffelungsparagraph, weiter Haftgrund bleiben soll oder nicht.

Der Bundesgerichtshof ist der Anklage der Bundesanwaltschaft nicht gefolgt, sondern hat die den Inhaftierten vorgeworfene versuchte Brandstiftung an Bundeswehrlastwagen nicht als terroristischen, sondern als kriminellen Akt definiert. Für die drei Gefangenen bedeutete das die Außer-Vollzug-Setzung der Haftbefehle - nach fast 4 Monaten im Knast Berlin-Moabit unter den Bedingungen des §129a.

Dennoch muss weiterhin gegen die Politik der Ausschnüffelung linker Szenen protestiert werden, die die Anwendung des §129(a) in diesem Verfahren ebenso wie in anderen laufenden 129(a)-Verfahren längst ermöglicht hat. Das gleiche gilt für die Politik der Überwachung, die mit massiver Bespitzelung, Strategien so genannter „präventiver Kriminalitätsbekämpfung” arbeitet, mit dem Ziel der Ausforschung linker Szenen und der Einschüchterung des politischen und persönlichen Umfeldes der Angeklagten.

Vor allem aber - und das sollte im Zentrum stehen -: Es gilt weiterhin gegen die in der Entscheidung des BGH aufrechterhaltene Kriminalisierung antimilitaristischen Widerstandes vorzugehen: Gegen die Unverhältnismäßigkeit dieser Entscheidung, dagegen, dass eine konkrete Abrüstungsaktion - der Versuch, Kriegsmaterial unschädlich zu machen - als Verbrechen, als krimineller Akt eingestuft wird. Demgegenüber gelten die eigentlichen kriminellen Akte, die im Zuge von deutschen Kriegseinsätzen geschehen, insbesondere Angriffe auf Zivilbevölkerungen - genannt „Kollateralschäden” - als legitim und die dafür Verantwortlichen bleiben straflos.

Die Anti-Kriegs-Aktion, die Oliver, Axel und Florian vorgeworfen wird, war ein Beitrag zur antimilitaristischen Bewegung und der Friedensbewegung, die seit dem Jugoslawienkrieg gegen deutsche Kriegseinsätze protestieren. Dieser Krieg etablierte neue Verhältnisse einer deutschen „Normalität” - er erinnerte aber auch so manche daran, dass es ein im Grundgesetz verankertes Recht auf Widerstand gegen völkerrechtswidrige Kriege gibt.

Wir haben es mit einer Normalisierung von militärischen Auslandseinsätzen zur Absicherung geopolitischer Strategien Deutschlands oder der EU in der Sicherung von Einflusszonen, Wirtschaftsmärkten und Rohstoffquellen zu tun - und auch mit einer schleichenden Militarisierung von Innenpolitik. Alles Tatsachen, die verschiedenste Formen des Widerstandes, antimilitaristische Kampagnen, Bewegungen und Aktionen notwendig machen:

- Die Bundeswehr ist international mit über 9.000 Soldaten in acht Kriegseinsätze verwickelt, bei denen täglich Menschen sterben. Die Medien nennen dies „Kollateralschäden”, um das Erschrecken darüber, um eine Terrorangst, die hier berechtigt wäre - wie etwa zu Zeiten des Vietnamkriegs - zur verhindern. Die gewählte Sprache macht diesen Kriegsterror aseptisch und bilderlos. Auch die Flüchtlinge aus diesen Regionen sollen die wirklichen Terrorbilder und -erfahrungen nicht zu uns bringen - dafür sorgen Abschottungs- und Lagerpolitiken, so genanntes „konfliktnahes Migrationsmanagement”.

- Diese Militarisierung der Außenpolitik wird zunehmend auch auf europäischer Ebene etabliert - etwa über die massive Beteiligung deutscher SoldatInnen an den europäischen „battle groups” als Speerspitze der EU-Eingreiftruppen. Die Militarisierung europäischer Politik wird auch über den EU-Reformvertrag verfolgt, der einen eigenen europäischen Militärhaushalt etablieren soll und die Verpflichtung zur Aufrüstung enthält - und sich anders als der gescheiterte EU-Verfassungsvertrag jeglicher demokratischer Kontrolle entzieht.

- Die Bundeswehr wird aber auch zunehmend im Innern eingesetzt - der Einsatz von Tornado-Aufklärungsflugzeugen über den Camps der G8-GipfelgegnerInnen war nur ein erstes Signal. Die zivil-militärische Zusammenarbeit wird auch über Katastrophenschutzübungen und bei Großereignissen wie der WM eingeübt. Und angesichts der Debatte über den Abschuss ziviler Flugzeuge warnt selbst Bütikofer als Vorsitzender der Kriegstreiberpartei der Grünen davor, dass es hier um eine sehr viel umfassendere Etablierung von Kriegsrecht im Innern geht.

- Um diese Politik der Militarisierung nach außen und innen dauerhaft etablieren zu können, ködert die Bundeswehr Arbeitslose und Jugendliche mit aggressiven Werbekampagnen in Arbeitsämtern, Schulen und Universitäten und nutzt dabei soziale Probleme - Arbeitslosigkeit und insbesondere Jugendarbeitslosigkeit als Druckmittel, sich in Zeiten von Hartz IV aus ökonomischen Gründen rekrutieren zu lassen.

- Militärische Mobilmachung nach innen und außen schlägt sich auch in einer Umstrukturierung der Haushaltspolitik nieder: Während der Sozialhaushalt 2008 gekürzt wird, steigt der Rüstungsetat 2008 um eine weitere Milliarde auf 29,3 Mrd. Euro. Und deutsche Rüstungskonzerne profitieren massiv von dieser Militarisierung der Innen- und Außenpolitik: So finanziert Berlin mit drei Milliarden Euro den neuen Schützenpanzer Puma für die Bundeswehr. An der Entwicklung und dem Bau verdient die PSM GmbH in Kassel, zu je 50 Prozent eine Tochtergesellschaft der führenden deutschen Rüstungskonzerne Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall.

Diese Militarisierung deutscher Außen- und Innenpolitik und die gleichzeitige unverhältnismäßige Kriminalisierung von antimilitaristischem Widerstand sollte die Linke zum Anlass nehmen, um mit vielfältigen Mitteln klarzustellen:

- Die Bundesregierung und die Bundeswehr als ausführendes Organ sind die eigentliche kriminelle Vereinigung!
- Antimilitaristischer Widerstand ist legitim und muss breiter und vielfältiger werden!
- Die Verfahren gegen Axel, Oliver und Florian und alle anderen 129(a)-Beschuldigten müssen eingestellt werden!
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Ergänzungen

6.12. Berlin: Protestaktion gegen Bundeswehr

Bundeswehr wegtreten 02.12.2007 - 20:57
Ein Anlass zum Protest ist die erneute Rekrutierungsveranstaltung der Bundeswehr im Berufsinformationszentrum (BIZ) Berlin-Hellersdorf.

Am 6. Dezember 2007 wollen sich Menschen pünktlich um 15 Uhr im Arbeitsamt, Janusz-Korczak-Straße 32, treffen und die Werbeshow der Bundeswehr gemeinsam besuchen.

Schönes Bild, noch ein Bild

malende Künstlerin 10.12.2007 - 20:50
Das Aufmacherfoto dieses Artikels ist sehr passend. Anbei noch ein weiteres Foto zur weiteren Verwendung.

Militanz

Klaus Viehmann 20.12.2007 - 23:12
»In London kommt es 1910 erneut zu Ausschreitungen militanter Frauenrechtlerinnen. Sie fordern das Wahlrecht für Frauen.« - »Militant Music Group & Entertainment supports good quality music, from Hip-hop to Alternative Rock along with acting and comedy.« - »30.000 Hyundai-Arbeiter ... setzen neben Gabelstaplern und Bulldozern auch Sandstrahlgeräte ein ... Bei den militanten Auseinandersetzungen werden die Konzernzentrale und das Rathaus verwüstet.« - »Die Sit-ins in nach Rassen getrennten Institutionen führten zur militant-gewaltlosen Konfrontation mit Rassisten. ... Diese gewaltlosen Feinde der Hierarchie prägten einen Stil gewaltloser Militanz.« - »Massenschlachtungen wegen Maul- und Klauenseuche 2001: Bauer Vellacott hört längst nicht mehr hin: Wir müssen militanter werden und selbst für unsere Rechte kämpfen.« - »Die Hafenarbeiter weigerten sich, Kriegsgüter für Indochina zu verladen, und eine Militante stoppte einen Zug mit Waffen, indem sie sich auf die Eisenbahngleise legte.« - »Die militante gruppe war ... durch die von ihr mitinitiierte Militanzdebatte bekannt geworden. ... Allerdings wird der Gruppe nicht nur das Abfassen von militanten Texten angelastet.«

Diese zufälligen und beliebig erweiterbaren Fundstellen im Netz zu militanten Frauen, militanten Stahlarbeitern, militanten Bauern, militanten Schienenblockaden, militant-gewaltlosen Konfrontationen, militanten Sit-ins, militanter »good quality music«, militanter Gruppe sowie militanten Texten zeigen, dass der Versuch, die Verwendung von »Militanz« und »militant« inhaltlich einzugrenzen, keinen Erfolg haben wird.

Militanz ist einer jener auf- und anregend klingenden Begriffe, die gerade wegen ihrer ungenauen Definition in politischen Auseinandersetzungen propagandistisch und interessengeleitet verwendet werden. In deutschsprachigen Mainstream-Medien ist Militanz ein Synonym für möglicherweise (»gewaltbereit«) oder tatsächlich gegen Polizeieinsätze und Bankenfassaden vorgehende DemonstrantInnen, konkreter: für Steine werfende Vermummte des »Schwarzen Blocks«. Da schwingt der Begriff »Terrorismus« mit. Hinter dieser Lesart steht das Interesse, staatliche Maßnahmen und ein »härteres Vorgehen« zu fordern und zu legitimieren - denn diese Militanz verstoße gegen das staatliche Gewaltmonopol und bedrohe den Inneren Frieden. Dass Militanz tatsächlich über diese zugeschriebene Wirkung verfügt, wird von den gemeinten Linken auch so gesehen und unter Hinweis auf politische Ziele und eine mit entsprechenden Demonstrationsbildern erzielbare Öffentlichkeitswirkung praktiziert und verteidigt. Dieses Verständnis von (Straßen-)Militanz verlässt die enge Konnotierung von Militanz mit Gewalt allerdings kaum.

Militanz stammt von militare (lat.: als Soldat dienen), eine Bedeutung, die heute keine Rolle mehr spielt. Im romanischen und angelsächsischen Sprachraum ist »militant« viel weniger unbestimmt als im Deutschen, dort steht es für politisch Aktive bzw. für AktivistInnen von Organisationen und auch Parteien. Das Verhältnis zur Gewalt ist kein Kriterium für diese Zuschreibung von »militant«. Da der Begriff hierzulande so »offen« ist, könnte »militant« gerade deswegen aus der massenmedialen Schmuddelecke gezogen und positiv besetzt werden. Begriffe wie »linksradikal«, »radikal« und »autonom« haben ihren Sinn. Angesichts der individuellen und gesellschaftlichen Herausforderungen der neoliberalen Angriffe wirken sie jedoch etwas angestaubt und sind zu »besetzt«, um noch wirklich verbindend wirken zu können.

Was wäre eine »militante Linke«? Ist es sinnvoll, diese Bezeichnung zu propagieren? »Militant« hat das Potenzial, Individuen und Gruppen, Einstellungen und Praxen zu bezeichnen und zu einem mobilisierenden Schlüsselbegriff zu werden. Im hier vorgeschlagenen Sinn beschriebe Militanz eine persönliche Einstellung, bei der die/der Einzelne trotz des Risikos persönlicher Konsequenzen eine Folgerichtigkeit von politischer Überzeugung und Handeln anstrebt. Militante sind so verstanden das selbstbewusste Gegenteil von Opportunisten, Funktionären, Karrieristen und Wendehälsen. Militante Organisationen wären freiwillige Kollektive, die ihre Politik selbstverantwortlich, reflektiert, entschieden und offensiv betreiben, da ihre Militanten sich als »ganze Person« einbringen und ihre Gruppe nicht als eine hierarchische, von Funktionären gesteuerte akzeptieren würden. Generell würde die Praxis von Militanten und militanten Organisationen auf der Einsicht beruhen, dass zur Veränderung der Welt verbindlicher und hartnäckiger Einsatz nötig ist. Bei Militanten bestimmt die Politik die Mittel und korrigiert sie ständig. Militanz wäre weder ein auf Gewalt noch auf Gewaltlosigkeit, sondern auf politische Effizienz und Zielgerichtetheit ausgelegter Weg. Im Gegensatz zu unreflektierter und struktureller Gewalt könnte Militanz, verstanden als Resultat eines militanten Lebens und militanten Denkens, das Versprechen auf individuelle und gesellschaftliche Emanzipation enthalten.

Zum Weiterlesen: Fritz, Thomas: Militanz als Strategie, in:  http://www.sopos.org/aufsaetze/3b9919a8ac56b/1.phtml#fritz

Quelle: Brand, Ulrich / Lösch, Bettina / Thimmel, Stefan (Hrsg.): ABC der Alternativen. VSA-Verlag 2007, Hamburg.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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