Gegen NS-Kriegsverbrecher in Oberbayern!

St. Anna 02.12.2007 00:28 Themen: Antifa Militarismus
Im Rahmen des bundesweiten Aktionstags bei Nazi-Kriegsverbrechern gab es am 1. Dezember 2007 auch zwei Aktionen in Oberbayern: Eine kleine Kundgebung in Eurasburg, dem Wohnort von Maximilian Roithmeier, und eine gelungene Antifa-Demonstration in Ottobrunn, dem Wohnort von Josef Scheungraber. Die zentralen Forderungen in beiden Gemeinden waren: "Opfer entschädigen! Kriegsverbrecher zur Verantwortung ziehen!
Aktionsbericht Eurasburg:

Eine kleine Abordnung bayerischer und baden-württembergischer Antifas machte sich am Vormittag mit Bahn, S-Bahn und Regionalbus auf den weiten Weg ins südlich von Wolfratshausen gelegene Eurasburg.

Dort wohnt im noblen Schloss Eurasburg der heute 85jährige ehemalige SS-Unterscharführer Maximilian (Max) Roithmeier (ehemals Zugführer in der 16. SS-Panzerdivision "Reichsführer SS"). Wegen seiner Beteiligung an den nationalsozialistischen Massakern im italienischen Marzabotto 1944 wurde er am 13. Januar 2007 vom Militärgericht in la Spezia zu lebenslanger Haft verurteilt, das Urteil ist Ende November 2007 rechtskräftig geworden. Das Gericht befand ihn und neun weiter Angeklagte für schuldig, in Marzabotto und den umliegenden Ortschaften mehr als 800 Menschen getötet zu haben. Max Roithmeier und die anderen Verurteilten wurden außerdem verpflichtet, Entschädigungen von über 10 Mio. Euro an die Überlebenden und Familienangehörigen der Opfer zu zahlen.

Die BRD weigert sich jedoch bisher beharrlich, Max Roithmeier an Italien auszuliefern oder ihn hier in Deutschland zu inhaftieren. Und sie weigert sich auch, Entschädigungen zu zahlen oder die Entschädigungsforderungen aus dem Urteil einzutreiben.
Welche Sorgen sich die Behörden dagegen um das Wohlergehen des wegen 800fachen Mordes verurteilten Kriegsverbrechers machen, zeigt auch der heutige antifaschistische Aktionstag. Die angemeldete Kundgebung auf dem Schlossberg wurde vom Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen am Freitag kurzfristig zwangsverlegt. Zitat LRA Bad Tölz-Wolfratshausen: "Denn dadurch würde im geschützten Bereich ein erheblicher psychischer Druck auf Herrn Roithmeier und seine Angehörigen ausgeübt".

Die Antifas wichen an den Ortseingang aus und konnten mit dem großen Transparent "Kein Vergeben - kein Vergessen!" und Flugblättern zu Max Roithmeier doch einige AutofahrerInnen und AnwohnerInnen erreichen. Jugendliche fragten wegen Roithmeier-Materialien an, die sie im Geschichtsunterricht verwenden wollen.

Im Auflagenbescheid war die Megaphonnutzung untersagt worden ("...nicht durch die Versammlungsfreiheit gedeckt"). Mehrere PolizistInnen in Uniform und zivil mussten also schon genau hinhören, ob im trotzdem gehaltenen, ausführlichen Redebeitrag zu Max Roithmeier auch ja kein Hinweis auf dessen Adresse enthalten ist - diese zu nennen oder das Gebäudeensemble anzudeuten, war ebenfalls im Auflagenbescheid verboten worden. Thematisiert wurde statt dessen das Massaker von Marzabotto, die Erlebnisse der Überlebenden und Angehörigen, die Rolle von Max Roithmeier, der Verlauf des Prozesses in La Spezia, das Urteil und das Nichtagieren der hiesigen Behörden. Die Aktivisten untermalten ihre Aktion mit italienischen Partisanenliedern aus dem tragbaren CD-Player und fuhren nach ca. einer Stunde wieder von dannen, denn es stand ja noch die Aktion in Ottobrunn auf dem Programm.



Aktionsbericht Ottobrunn

Viele Jugendliche aus Ottobrunn und Umgebung folgten hier einem Aufruf der Antifa Jugend München (ajm) und versammelten sich ab 14.00 Uhr mit AntifaschistInnen aus München auf dem Bahnhofsplatz Ottobrunn zu einer recht charmanten Antifa-Demo gegen die Straffreiheit von NS-Kriegsverbrechern. Die ca. 80 DemonstrantInnen liefen in guter Stimmung durch die südöstlich von München gelegene Kleinstadt und thematisierten dabei die ganze Zeit den hier wohnenden Kriegsverbrecher Josef Scheungraber.

Dieser ist für die grausame Ermordung von mindestens 13 Menschen im Juni 1944 im toskanischen Dorf Falzano bei Arazzo verantwortlich. Er und der damalige Wehrmachtsmajor Herbert Stommel hatten als "Vergeltung" für Partisanenangriffe 15 Zivilisten in ein Haus gesperrt und dieses anschließend gesprengt. Josef Scheungraber wurde deshalb 2006 in La Spezia zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

In Ottobrunn ist Josef Scheungraber Mitglied der CSU, Ehrenmitglied der Feuerwehr und wurde dazu 2005 mit der Bürgermedaille ausgezeichnet. Regelmäßig nimmt Scheungraber mit anderen Kriegsverbrechern an den Veteranentreffen der Gebirgsjäger in Mittenwald teil. Die Bundesregierung weigert sich, Josef Scheungraber nach Italien auszuliefern, und hierzulande droht Scheungraber offensichtlich auch keine Inhaftierung.

Mit einer Zwischenkundgebung am Denkmal für das ehemalige KZ-Außenlager Ottobrunn wurde an die Opfer des Nationalsozialismus in Ottobrunn erinnert.
Wie in Eurasburg durften sich auch in Ottobrunn die AntifaschistInnen dem Wohnhaus des Kriegsverbrechers Josef Scheungraber nicht nähern, durch ständige Durchsagen und Flugblattverteilungen konnten aber sehr viele Menschen in dessen direkter Nachbarschaft erreicht werden. Einige wenige Bürger aus Ottobrunn schlossen sich der Demo an und erzählten am Mikrofon auch von Erlebnissen mit dem Kriegsverbrecher Scheungraber, z. B. von dessen Weigerung, beim Feuerwehrausflug nach Italien mitzukommen.

Die Demonstration war darüberhinaus als eine antifaschistische Intervention gegen die zunehmenden Neonazi-Umtriebe in Neubiberg und Ottobrunn gedacht. Wie wichtig ein solches Engagement ist, zeigte auf erschreckende Weise der Beginn der Antifa-Kundgebung, als ca. 20 aus ganz Bayern angereiste Neonazis (darunter auch bekannte NPD-Funktionäre und "Bürgerinitiative Ausländerstop"-Aktivisten) mit Parolen wie "Deutscher Sozialismus bis zum Sieg" zu provozieren versuchten.

Münchner Staatsschutzbeamte konnten sich auch dieses Mal Schikanen gegen die AntifaschistInnen nicht verkneifen und ließen nach der Abschlusskundgebung einen Teilnehmer kurzzeitig in Gewahrsam nehmen und nahmen von anderen noch die Personalien auf. Alle TeilnehmerInnen aus dem Raum München warteten jedoch solidarisch aufeinander und fuhren gemeinsam zurück.
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Ergänzungen

Wer weiß mehr?

Ding-Dong 02.12.2007 - 02:06
Weiß jemand, zu wem genau der antifaschistische Kiezspaziergang in der Berliner Rheinsberger Straße führte?

Polizei-Pressemeldung 01.12.2007, 21:20 Uhr: Eine als „antifaschistischer Kiezspaziergang“ angemeldete Demonstration wurde heute Vormittag vorzeitig von der Polizei beendet.
Sofort nach Beginn des Aufzuges gingen die etwa 30 Teilnehmer gegen 9 Uhr 30 –abweichend von der Anmeldung- zu einem Wohnhaus in der Rheinsberger Straße. Eine Rednerin bezeichnete einen 82-Jährigen über einen Lautsprecher als Kriegsverbrecher, andere Demonstranten klingelten mehrfach bei der Familie. Als der Einsatzleiter die Handlungen untersagte, gab der 51-jährige Versammlungsleiter an, auf die Demonstranten keinen Einfluss zu haben. Es wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz gefertigt.

Mensch

mit Nase 02.12.2007 - 19:43
weiterer Bericht zu Ottobrunn:
 http://de.indymedia.org/2007/12/201117.shtml

Richtigstellung

Bundesbürger 15.09.2008 - 20:13
Herr Scheungraber war nie Mitglied der CSU, die Satzung sowie der damals rausgegebene Mitgliedsantrag sehen eine Klausel vor die ehemaligen Mitgliedern der NSDAP sowie der Waffen SS oder deren Glieder den Beitritt zur CSU verwehrt.