Freiberg/Wurzen: "Die Mörder sind unter uns!"

"Die Mörder sind unter uns!" 01.12.2007 22:06 Themen: Antifa
Mehr als 40 junge AntifaschistInnen fanden sich in Freiberg zusammen, um in unmittelbarer Nähe zum Markt einen Infostand durchzuführen. Es handelte sich um eine Aktion im Rahmen des bundesweiten Aktionstags "Die Mörder sind unter uns!", der sich mit den Massakern an der italienischen Zivilbevölkerung beschäftigt.
Obwohl mehrere Täter vom Gericht in La Spezia verurteilt sind, werden sie in Deutschland nicht zur Rechenschaft gezogen. Neben Aktionen in Berlin, Nürnberg, Hamburg, Bremen oder Österreich gab es auch jene beiden in Sachsen.
Bekannt ist der ehemalige SS-Mann Concina, der im Freiberger Altenheim lebt und für das Verbrechen in der toskanischen Gemeinde Sant Anna di Stazzema verurteilt ist. In Freiberg wurden rund 500 Flyer verteilt und auf Tafeln ZeitzeugInnenberichte bzw. Prozessbeobachtungen ausgestellt. Daneben gab es die Theateraktion "Der nette Opa von nebenan". Ein als Greis verkleideter Mann schlenderte durch die Stadt - seine Hände rot von Blut. Hinter ihm laufen drei Personen mit weiß geschminkten Gesichtern, die T-Shirts tragen, auf denen 5 von über 10.000 Opfernamen zu lesen sind. Die Aktion sorgt auf dem Weihnachtsmarkt für Aufsehen. Nach 2 Stunden wird der Infostand abgebaut und die AntifaschistInnen fahren weiter nach Wurzen.

In Wurzen lebt ein anderer Verurteilter. Kurt Spieler, ehemaliger Angehöriger des 36. Regiments der 16. Panzergrenadierdivision, wurde vom Gericht in La Spezia wegen den Morden in der Apeninn-Gemeinde Marzabotto für schuldig erklärt. Dort töteten deutsche Soldaten etwa 770 Menschen. Nur für Spieler und einen weiteren Soldaten war bisher eine Anklage auf der Grundlage einer direkten Tötung möglich. Auf dem ansonsten leeren Marktplatz fanden sich mehr als 50 Menschen ein, um die Veranstaltung zu begleiten. Neben Redebeiträgen gab es auch Tafeln mit den Namen der Opfer von Marzabotto. Auch die Theateraktion wurde in Wurzen wiederholt. Ein erster Versuch, das Verbrechen zu thematisieren, das bisher in der Region nicht präsent war.

Vor allem junge Nazis fühlten sich in beiden Städten provoziert. Während in Freiberg ein Mitglied der NPD versuchte, seine Kameraden per Telefon zu verständigen, verteilten die Wurzener Nazis Flugblätter. Unter der Überschrift "Ruhm und Ehre dem deutschen Soldaten" zeigten sie deutlich ihre Sympathie für SS und Massenmörder. Die an Autos angebrachten Flyer wurden allerdings eingesammelt und entsorgt...

Alles in allem ein erfolgreicher Tag, an dem Hunderte von Informationsmaterialien verteilt wurden. Darin fordern wir die sofortige Eröffnung der Prozesse gegen alle an den Massakern beteiligten Kriegsverbrecher.

AK "Die Mörder sind unter uns!"
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Ergänzungen

Mehr zu Kurt Spieler und Alfred Concina

tut nichts zur Sache 01.12.2007 - 22:27
Aus dem Verfahren gegen Kurt Spieler

Verurteilt wegen des Massakers in Marzabotto. Spieler, 1926 geboren, wohnt heute in Roitzscher Weg 31, 04808 Wurzen.

Kurt Spieler gehörte dem 36. Regiment der 16. Pg-Div. an und war zwischenzeitig zur 2. und 5. Kompanie abkommandiert.

Aus der Anklagerede des Staatsanwaltes:

„Anscheinend hat Spieler keine Kommandoaufgabe inne gehabt. Aber sein Name ist in den Untersuchungsberichten der Alliierten und in Zeugenaussagen enthalten. Deshalb wird ihm vorgeworfen, für die direkte Durchführung der verbrecherischen Befehle verantwortlich zu sein. Er gehörte eigentlich einer anderer Einheit der Division, dem 36. Regiment, war aber zur 2. Kompanie abkommandiert. Wie auch immer, er war anwesend in Marzabotto, wie die Dokumenten und Aussagen beweisen, in denen er für die Tötung von zwei älteren Menschen und für ein Massaker an einer Gruppe von Personen in einer Kirche verantwortlich gemacht wird.“

Spielers Rolle wird durch die Zeugenaussage des Kriegsgefangenen Kneissel, Angehöriger der 2. Kompanie, erhellt. Kneissel sagt aus zu dem Massaker an etwa 800 Menschen im Gebiet San Martino - La Quercia am 29 und 30. September 1944 durch das Reder-Bataillon.
Unter den Verantwortlichen für das Massaker an den Zivilisten, die in einer Kirche eingeschlossen waren (gemeint ist mit Sicherheit die Kapelle von Cerpiano), nennt Kneissel den "caporal maggiore" Meier (verstorben) und setzt hinzu: "ein anderer, der daran teilnahm, war der Soldat Spieler.“ Spieler wird zudem in der Verdächtigenliste der Alliierten geführt mit dem Eintrag: "SS-Schütze Spieler, 2. Kompanie, 16. SS-Aufklärungsbataillon, 18 1/2 Jahre, Haare: schwarz, Augen: blau, Körpergröße: mittelgroß, Hautfarbe: sonnengebrannt, Größe: 1,74. Hat zwei alte Leute umgebracht".

Nur für Spieler und einen weiteren Soldaten, Wulf, war bisher eine Anklage auf der Grundlage der direkten Tötung möglich. Es bestehen keine Zweifel, dass Spieler an den Massakern teilgenommen hat.

Die Staatsanwaltschaft sieht seinen Beitrag zu den Taten nicht auf die einfache und vereinzelte Teilnahme an Tötungen unbewaffneter Zivilisten beschränkt. Sie geht davon aus, dass Spieler eine hervorragende Rolle als durchführende Person spielte und andere in ihren kriminellen Handlungen bestärkt hat. Ihm sei der Vorsatz zum Massakers zu unterstellen. Der grausamen und schrecklichen Details der Durchführung müsse er sich bewusst gewesen sein.

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SS-Mörder lebt in Freiberg - Alfred Mathias Concina

[pzhr] „Es war eine relativ kurze Mission. Sie dauerte drei oder vier Stunden. Die Menschen wurden vor der Kirche zusammengetrieben und dann erschossen, anschließend wurden ihre Leichen verbrannt.“ Mit diesen Worten erklärte der ehemalige SS-Unterscharführer Alfred Mathias Concina (86) dem ermittelnden Staatsanwalt das Massaker an 560 Bewohner(innen) des norditalienischen Dorfes St’ Anna di Stazzema, die am 12. August 1944 von 300 Angehörigen der 16. Panzergrenadier- Division „Reichsführer SS“ unter dem Vorwand der Partisanenbekämpfung ermordet wurden.

Unter den Opfern waren 120 Kinder, Frauen und ältere Menschen. Das Massaker an der Zivilbevölkerung von St’ Anna steht stellvertretend für 250 Ortschaften, in denen die nach dem Reichsführer SS, Heinrich Himmler, benannte Division über 2.000 Zivilist(inn)en ermordete. Nicht nur in Italien, sondern in ganz Westeuropa verübten Wehrmacht, SS- und Polizeitruppen Massaker an der Zivilbevölkerung. Ortsnamen wie Sant’Anna di Stazzema, Marzabotto, Vallucciole (Italien), Oradour-sur-Glane (Frankreich), Kragujevac (Serbien), Distomo, Kommenco (Griechenland) zeugen von einer beispiellosen Politik der verbrannten Erde wie sie von den Nazis bereits gegen Polen und die Sowjetunion praktiziert wurde. Bis heute wurde kaum ein Täter zur Rechenschaft gezogen. Alfred Mathias Concina lebt unbehelligt in einem Seniorenheim in Freiberg.

In Italien wurde er mit neun weiteren ehemaligen SS-Angehörigen am 22. Juni 2005 vom Militärgericht La Spezia wegen der Beteiligung an den Morden in St´ Anna zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Über sieben Stunden hatten die Überlebenden des Massakers von St’ Anna di Stazzema auf die Urteile am Mittwoch, den 22. Juni 2005, gewartet. Um 19.40 Uhr verlas der Präsident des Militärgerichts von La Spezia die Urteile: Gerhard Sommer, schuldig der Beteiligung am fortgesetzten Mord, begangen mit besonderer Grausamkeit. Die Strafe: lebenslänglich. Das gleiche Urteil, die gleiche Strafe für Alfred Schöneberg, Ludwig Heinrich Sonntag, Alfred Concina, Karl Gropler, Horst Richter, Ludwig Göring, Werner Bruss, Georg Rauch und Heinrich Schendel. Das Urteil von La Spezia kann Alfred Concina und seinen Mordkameraden nichts anhaben, da die Bundesrepublik sie nicht nach Italien ausliefert. 61 Jahre nach dem Massaker von Santa´Anna di Stazzema verweigert die Staatsanwaltschaft Stuttgart den Überlebenden immer noch die Einsicht in die Ermittlungsakten.

Concina lebt im „Haus Johanna Rau“ mit 140 anderen SeniorInnen. Das Heim gehört zu der 1993 gegründeten „Seniorenheime Freiberg gGmbH“, deren Gesellschafter die Stadt Freiberg (75%) und das Diakonische Werk der Ev.- Luth. Landeskirche im Kirchenbezirk Freiberg e.V. (25 %) sind. Die „FreibÄrger Jugendinitiative Buntes Leben“ ruft am 22.12 zu einer Mahnwache am „Haus Johanna Rau“ auf. Beginn 17.00 Uhr. Die Jugendinitiative schließt sich einer Kampagne an, die schon in Hamburg im November vor dem Altenheim demonstrierte, in dem der Anführer des Massakers, der ehemalige SSOffizier Gerhard Sommer lebt. Ziel der Aktion ist öffentlichen Druck auf die BRD-Behörden zu machen, damit die SS-Mörder auch in der Bundesrepublik für ihre Verbrechen bestraft werden.

Quelle und weiter Infos: www.freibaerger.de

Individuelle Schuld oder nur Schwarz-Weiß?

Andreas 02.12.2007 - 15:56
Gibt es für die persönliche Schuld von Alfred Concina noch mehr Beweise, als die Tatsache, dass er auf Befehl bei dem Verbrechen anwesend war?
Beim MDR ist unter  http://www1.mdr.de/presse/regional/2371949.html seine Aussage nachlesbar, dass er anwesend war, aber vorbeigeschossen habe.
Dass es solche Fälle von "Vorbeischießen" gegeben hat, ist auch in dem Feature "Der Schrank" erwähnt worden.
 http://www.dradio.de/dlf/sendungen/feature/573031/
Im Manuskript steht auf Seite 5 dazu eine Aussage von "Sprecher 1"
Ich möchte nicht, dass jemand als "Mörder" bezeichnet wird, dessen persönliche Schuld nicht bewiesen wurde.
Immerhin gehört Alfred Concina zu den Wenigen, die sich mit Ihrer Vergangenheit auseinander setzen und zu ihrer Beteiligung auch Interviews geben.
Unabhängig davon gebührt jedem Menschen seine Menschenwürde und die Unschuldsvermutung bis zum individuellen Beweis des Gegenteils.
Ich hoffe, das bleibt auch so.

npd-mann braun

peter 04.12.2007 - 13:43
von der aktion gegen ns-verbrecher fühlte sich auch die lokale naziszene gestört. npd-mann daniel b. versuchte am stand erfolglos zu provozieren...

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Verjährung — Anarcho

@anarcho — auch anarcho

nochma@ anarcho — dd-autonom

@ Andreas — pessimist