Konflikte gehen in Bolivien weiter

Ralf Streck 30.11.2007 09:43 Themen: Weltweit
Zwar gelang es Evo Morales ( http://www.evomorales.net), dass am Samstag die umstrittene Verfassung beschlossen wurde, doch geschah dies gegen den Widerstand der gesamten Opposition. Nur die Wahlmänner seiner "Bewegung für den Sozialismus" (MAS/ http://www.masbolivia.org) nahmen an der Verfassungsgebenden Versammlung teil, die angesichts wütender Demonstranten in eine Militärakademie verlegt werden musste. Zwar hat Morales nun die Blockade gesprengt, aber nach einer unruhigen Vergangenheit könnte dem Land eine unruhigere Zukunft blühen. Die rechte Opposition hatte zum Generalstreik gerufen, doch der blieb schwach. Evo Morales mahnte, das "Volk nicht zu provozieren" und derweil wurde die Grundrente beschlossen.
Während des Generalstreiks am Mittwoch kam es wieder zu Angriffen auf Anhänger der Regierung durch die rechte Opposition. Auch wenn in Deutschland verbreitet wird, es sei friedlich geblieben, ist das schlicht falsch. So wurde das Haus von Abraham
Cuéllar in Cobija (Pando), eines stellvertretenden Senators niedergebrannt. Eine aufgebrachte Menge warf ihm vor, er habe sich an die Regierung Morales "verkauft".
Zudem gab es Zusammenstöße im Departement Cochabamba.

Befolgt wurde der Streik in den reichen östlichen Tieflandprovinzen. Santa Cruz, Tarija, Beni und Pando werden von der rechten Opposition regiert und die hat bisher alles getan, um eine neue Verfassung zu verhindern ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23489/1.html). Ein Entgegenkommen in der Forderung nach Autonomie brachte Morales nur eine kurzfristige Erleichterung ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24270/1.html).

Zudem gelang es der Rechten, den Hauptstadtstreit ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26037/1.html) und andere Fragen zu instrumentalisieren und mit "Chuquisaca" und "Cochabamba" ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24477/1.html) zum Teil weitere Departements gegen Morales Pläne zu mobilisieren. In der Hauptstadt Sucre, die in Chuquisaca liegt, fanden auch die heftigen Krawalle statt, bei denen seit Samstag vier Menschen getötet und mehrere Hundert verletzt wurden. Am Montag wurde dort erneut ein Student erschossen. Von wem ist unklar. Genauso unklar ist der Tod eines jungen Anwalts. Ihn traf ein Schuss ins Herz. Nach ersten Untersuchungen handelt es sich bei dem Kaliber der tödlichen Kugel aber keines, das Polizei und Militär verwenden. Ein Polizist soll dagegen von aufgebrachten Regierungsgegnern gelyncht worden sein ( http://www.glocalia.com/detalle_noticia.php?id=20071127124619deb823ed87c50c7851fe80e8b538d7a4). Die Sicherheitskräfte haben Sucre vollständig verlassen und die Stadt befindet sich nun in der Hand der Opposition.

Wegen der brenzligen Lage in Sucre war die Verfassungsgebende Versammlung am Samstag in eine nahe gelegene Militärakademie verlegt worden. Doch auch hier versuchten Bewohner von Sucre vergeblich ihr Zusammentreten erneut zu verhindern. Die Sicherheitskräfte konnten die wütenden Demonstranten nur knapp daran hindern, die Akademie zu stürmen. Die Verlegung diente der Opposition aber als Vorwand, um der Versammlung fern zu bleiben.

Über die Presse, die sie weitgehend kontrolliert, führt sie seit fast zwei Jahren eine Kampagne gegen Morales. Sie schürt Angst vor dessen Nationalisierungen ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/22/22589/1.html) und lässt dabei unter den Tisch fallen, dass das gewonnene Geld der Armen Bevölkerung zu gute kommen soll. Da ist zum Beispiel die "Würdige Rente", über die am Dienstag im Kongress dann doch noch beschlossen wurde ( http://spanish.peopledaily.com.cn/31617/6311962.html). Jetzt bekommen alle Menschen über 60 Jahre eine Rente von monatlich knapp 26 Dollar. Die rechte Opposition war gegen das Gesetz, denn das Geld geht zu Lasten der reichen Provinzen, weil die nun weniger Geld aus diesen Steuereinnahmen erhalten. Morales sagte, die "Würdige Rente", würden 700.000 Menschen erhalten. Das Gesetz wurde von Tausenden gefeiert: "Ohne Euch wäere das Gesetz niemals durchgekommen" sagte Morales. Die Anhänger hatten die Nacht
über schon die Zugänge zum Kongress blockiert. Per Dekret wurden auch 180.000 Hektar ungenutztes Land in Chuquisaca enteignet. Das Land werde an dreizehn indigene Gemeinschaften der Guarani übergeben, so Morales.

Sie unterschlägt auch, dass diese Verfassung den Schutz des Privateigentums garantiert und der produktive Großgrundbesitz unangetastet bleiben soll. Die Landreform betrifft nur die Großgrundbesitzer, die ihr Land nicht nutzen oder es sich widerrechtlich angeeignet haben ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24098/1.html). Die Verfassung bietet auch internationalen Konzernen Rechtssicherheit, denn ohne deren Kapital und Wissen, kann Morales das Land nicht entwickeln.

Es gelingt der Opposition aber zunehmend, davon abzulenken und Morales zu dämonisieren. Geschlossen blieben ihre Wahlmänner deshalb der Verfassungsgebenden Versammlung fern, deshalb nur 138 der 255 Vertreter der "Constituyente" anwesend waren, von denen 136 für die Annahme der Verfassung votierten. Damit ist formal sogar die Mehrheit von zwei Dritteln erreicht. Der Oppositionsführer und Ex-Präsident Jorge Tuto Quiroga bezeichnete das Vorgehen als illegal. "Bolivien wird keine Verfassung akzeptieren, die mit Bajonetten und Gewehren geboren wurde". Ausgerechnet der Chef der Partei "Podemos" ( http://www.podemosconstituyente.org), ein Vertrauter des verstorbenen Diktators Húgo Banzer, erklärte, Morales habe der Demokratie die "Kehle durchgeschnitten" ( http://actualidad.terra.es/nacional/articulo/constitucion_morales_oficialismo_aprueba_medio_2055759.htm).

Morales dagegen begrüßte die Entscheidung. Die Kritik sei schon deshalb verfehlt, weil das letzte Wort über die Verfassung die Bevölkerung sprechen wird. Denn in einem Referendum muss der Text im nächsten Jahr mit einer absoluten Mehrheit bestätigt werden, danach will Morales vorgezogene Neuwahlen durchführen. Dass sei die "das demokratischste Vorgehen überhaupt", sagte er. Auf einer Demonstration in La Paz warnte er die Opposition davor, weiter Öl ins Feuer zu gießen. "Passen sie auf und provozieren sie das Volk nicht". Damit bezog er sich auch auf Aussagen, wie vom Großgrundbesitzer Branco Marinkovic, der in Santa Cruz Demonstranten zur "Aufopferung" aufforderte und einen "aufopfernden" Plan zur Rückeroberung der Autonomie des Departements starten will ( http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=86720). Morales warnte, wenn mit dem geforderten Ungehorsam die Gesetze missachtet würden, dann würde sie das Volk auch nicht mehr achten: "Dann ergeht es ihnen schlecht, meine Herren" ( http://www.jornada.unam.mx/2007/11/27/index.php?section=mundo&article=029n2mun).

Bis zum Samstag war die Constituyente vier Monate blockiert. Zuvor waren schon einmal fünf Monate ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24477/1.html), weshalb einige schon vom Scheitern des Prozesses ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25878/1.html) sprachen, über den das Land "neu gegründet" werden soll. Und für die Verabschiedung des Textes war als Zeitlimit der 14. Dezember gesetzt, weshalb nun die Zeit drängte. Bis zum 14. Dezember sollen in Sitzungen die letzten Details der neuen Verfassung verabschiedet werden. Mitte Dezember soll es einen Volksmarsch geben, in dem die neue Verfassung zum Kongress getragen und übergeben wird.

In dem Prozess ist es Morales aber, anders als bei der Verabschiedung der Landreform, nicht gelungen, einen Keil in die Blockadefront zu treiben, weshalb er nun isolierter dasteht. Er kann, anders als die Rechte zuvor, auch nicht versuchen, sich gegen die Demonstrationen durch brutale Unterdrückung durchzusetzen ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/20/20337/1.html). Das würde ihm die Glaubwürdigkeit rauben und ohnehin ist auch die damit gescheitert ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/21/21619/1.html). Sie wird nun versuchen, ihre Sezessionsbestrebungen voranzutreiben, um ihre Privilegien, sowie die Macht über Land, Bodenschätze und Menschen aufrecht zu erhalten und dafür weiter für Unruhe in Bolivien sorgen.

© Ralf Streck, Donostia den 27.11.2007
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Ergänzungen

Vergessen

Paul 30.11.2007 - 10:19
Ralf du hast vergessen zu schreiben, dass die reichte Region Santa Cruz, die Sezessionsbestrebungen vorantreibt. Unter dem Motto:"Die Geduld ist zu Ende" arbeiten sie an der Loslösung. Der Präsident der obskuren Provisorischen Autonomen Versammlung, Pablo Klinsky, erklärte: "Es führt kein Weg zurück, ob es Evo Morales gefällt oder nicht".
Einen Dialog mit der Regierung könne es nur geben, wenn die "illegale" Sitzung der Verfassungsgebenden Versammlung annuliert würde. Dahinter stehen die Interessen von Leuten, wie dem faschistoiden Großgrundbesitzer kroatischer Abstammung Branko Marinkovic, Vorsitzender des so genannten Bürgerkommitees.

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WAS????????

Autonomist 11.12.2007 - 15:20
Warum ist santa Cruz so reich?

Santa Cruz hat nie im Leben Geld oder Unterstützung der Regierung bekommen. Wir haben alles selbst gemacht, alles was wir haben ist privat und gehört zu uns.
Marinkovic, genauso wie viele andere in Santa Cruz stammt aus Europäer oder Araber die in Santa Cruz arbeiten und neue Arbeitstellen bieten.
Morales ist ein oportunist, Lügner und Rassist. Morales ist ein Andenvertreter, er hat mit santa Cruz GAR NIX ZU TUN!!!!
Warum müssen wir "cruceños" unsere Arbeit ihm verschenken????? Warum??????

Die einzige Lösung ist die Unabhängigkeit. Santa Cruz braucht keine Komunisten, keine Oportunisten wie Morales.

 hucha800@yahoo.com