Widerstand, Solidarität und §129(a)

club 28.11.2007 16:29 Themen: G8 Repression
Repression und politische Perspektiven nach G8 und vor dem 15.12. in Hamburg

Immer stärker hatte sich sich in den letzten Wochen bereits ein Misserfolg für das Bundeskriminalamt (BKA) und die Bundesanwaltschaft (BAW) im Fall der Ermittlungen nach §129a abgezeichnet. Nun wurde der Vorwurf des §129a gegen die "Militante Gruppe" fallengelassen und die U-Haft von drei Beschuldigten außer Vollzug gesetzt. Hintergrund war die Frage, ob kleinere Sachbeschädigungen überhaupt ausreichen, um den Straftatbestand des §129a zu erfüllen. Diese Entscheidung wird weitreichende Bedeutung auch für andere Verfahren haben. Unmittelbar vor der bundesweiten Solidaritätsdemo für die Betroffenen der Ermittlungsverfahren nach §129a stellt sich nun die Frage, was bedeutet eine solche Entscheidung? Haben wir wirklich etwas gewonnen? Wo scheinen weitere Perspektiven autonomer und linksradikaler Politik, wie kann Antirepression aussehen und wo stehen wir gerade eigentlich als Bewegung nach dem ganzen Rummel um G8 und ASEM.
Erstmal ist es natürlich positiv und ein Erfolg, dass der Bundesgerichtshof, den wildwuchernden Ermittlungsbemühungen von BKA und BAW einen Riegel vorschiebt. Wir freuen uns, dass Oliver, Florian und Axel erstmal wieder freigelassen wurden! Die Entscheidung reicht weiter als nur in das Verfahren gegen "mg". Die zwei anderen laufenden Verfahren nach §129a stehen wohl vor der gleichen Situation. Dies ist natürlich ein vollständiges Desaster für die Ermittlungsbehörden und darüber lässt es sich auch erstmal freuen.

Nach dem offensichtlich rein politisch motivierten Schlag gegen linke Strukturen in Zusammenhang mit der "Militanten Kampagne", überschlug sich die Presse noch in kritischen Kommentaren, dass nach solch schweren Geschützen gegen die globalisierungskritische Bewegung nun auch Ergebnisse folgen müssten. Was auch immer die Redakteur_innen von Zeitungen, Radio und Fernsehen darunter verstanden haben. Mit solchen ist auf dieser Ebene vorerst nicht zu rechnen. Dies belegt allein schon ein oberflächlicher Blick auf die jüngst veröffentlichte Aktenlage. Die größte Verfahrenswelle nach §129a gegen die hiesige Linke endet möglicherweise als Luftnummer bevor sie überhaupt richtig angefangen hat. Dies ist wohl ein größter anzunehmender Unfall für BKA und BAW. Die Generalbundesanwältin befürchtete in Stellungnahmen zumindest bereits, dass im Falle von kleineren Sachschäden, ein §129a Verfahren in Zukunft kaum mehr anwendbar wäre. Was wiederum vor allem ein bezeichnendes Licht darauf wirft, nach welch luftigen Kriterien dort bisher ermittelt wird.

Repressionstango läuft weiter!

Eine Aufhebung des §129a Straftatbestandes wird aber nicht das Ende der drei Verfahren bedeuten. Voraussichtlich wird das Ganze in allen drei Fällen nur von einer terroristischen Vereinigung (§129a) zu einer kriminellen Vereinigung (§129) eingedampft. Bei der "Militanten Gruppe" ist dies bereits geschehen. Das bedeutet den Berliner_innen, denen Mitgliedschaft in der mg vorgeworfen wird, droht nach wie vor möglicherweise Knast und auch die Ermittlungen und Überwachungsmaßnahmen laufen weiter. In der Praxis ist vielleicht weniger gewonnen als es den Anschein hat und Behörden wie der Verfassungsschutz schnüffeln ohnehin weitgehend unkontrolliert vor sich hin.

Mit besonderem Engagement wurde und wird dabei in Hamburg vorgegangen. Hintergrund ist der Umstand, dass die BAW hier einen der militanten Schwerpunkte im Zusammenhang mit G8 wähnt. Dass gleich die Post ganzer Stadtteile durch die Hand von LKA und BKA ging, dass im Vorfeld von G8 aus einem ganzen Stadtteil die Verbindungsdaten von Handys protokolliert wurden, dass massenhafte flächendeckende Observationen und Raumschutz angewendet wurden (und werden), stellte sich selbst für gänzlich unverdächtige linksliberale Kreise als ein außer Kontrolle geratener Überwachungsstaat dar. Ob sich an dieser Praxis etwas ändern wird, darf bezweifelt werden.

Die Ausgangssituation nach der Einstellung der Ermittlungen nach 129a hat sich dennoch verändert. Durchsuchungsbeschlüsse und Möglichkeiten der Überwachung sind etwas strenger limitiert, die zugrunde liegenden Haftstrafen sind niedriger anzusetzen, die Situation von Zeug_innen bei Aussageverweigerung weniger bedrohlich. Nach wie vor kann die BAW aber das Verfahren an sich ziehen und nach wie vor stehen wir vor der Situation das zahlreiche Leute von Verfahren bedroht sind, in denen es um Knast geht, und gegen uns alle - die gesamte radikale Linke - weiter ermittelt wird. Politisch ist die Aufhebung des kleinen a hinter der 129 ein Erfolg, juristisch schon mal ein Teilerfolg, in unserem politischen Alltag und unserer politischen Solidaritätsarbeit aber keinerlei Grund nachzulassen!

Solidarität entwickeln!

Derzeit läuft die Mobilisierung zur bundesweiten Solidaritätsdemo nach Hamburg am 15.12. auf Hochtouren. Das überregionale Interesse übersteigt dabei die Mobilisierung zur ASEM-Demonstration im Vorfeld des G8. Die Hamburger Demo wird vermutlich die größte linksradikale Demonstration nach Heiligendamm werden, und damit von Bedeutung für die weiteren politischen Mobilisierungen und die Solidaritätsarbeit sein. Politische Stärke kann die linksradikale Szene jedenfalls nur dann erlangen, wenn sie in der Lage ist Repression politisch zu beantworten und auch in neue Kampagnen miteinfliesen zu lassen. Die Bilder der Solidaritätsdemonstration vom 17. November in Genua waren ein eindrucksvolles Beispiel für die Stärke sozialer Bewegungen. Die überregionale Beteiligung an der Demonstration am selben Tag in Rostock war dagegen leider eher kläglich ausgefallen. In Hamburg stehen die Zeichen besser. Der bundesweite und auch internationale Zuspruch, die konkrete Mobilisierung in vielen Städten, machen jedenfalls Mut und Lust auf eine sehr große und selbstbewusste Demonstration der autonomen und radikalen Linken. Einer Demo deren Wirkung hoffentlich über den Tag hinausreicht!

Out of Control!

Über den Tag hinausreichen soll insbesondere auch das "Out of Control" Konzept. Die Demonstration am 15.12. will Repression nicht nur theoretisch aufgreifen, sondern auf und in sich selbst zum Gegenstand machen. Mit "Out of Control" wird der Allmacht polizeilicher Überwachung und Begleitung ein wirksames Konzept der Zerstreuung entgegen gesetzt. Die Erfahrungen der letzten Jahre waren geprägt von Auseinandersetzungen um Auflagen und Beschränkungen des Demonstrationsrechtes. In Hamburg wurde dies bis zur ASEM-Demonstration in einer Art und Weise zugespitzt, die ein einfaches "Weiter so" wie bisher nicht mehr zulässt!

Die Einsatztaktik der Polizei setzt auf präventive und räumliche Kontrolle des Geschehens und erzielt dabei schon allein durch ihr massives Auftreten eine Art propagandistischen Erfolg. "Out of Control" ist keine Demonstration oder Versammlung, sondern ein Konzept der Zerstreuung in der Weite des Raumes. Es ist ein offenes und niedrigschwelliges Konzept für alle, die sich nicht im Wanderkessel durch die Stadt führen lassen wollen. Es gibt aus gutem Grund keinen Paragraphen im Versammlungsrecht der vorschreibt das Protest innerhalb eines Wanderkessels stattzufinden habe.

Bewegen wir uns also im aufgelösten Zustand durch den öffentlichen Raum. Ein ständiges Kommen und Gehen zur Demonstration, ein drumherum Gehen, ein solidarisches Passant_innen-dasein am Rande, ein neugieriger Blick hinter die Kulissen. Ein Raum für Kunst, Kultur und subjektive Ausdrücke eurer Wut über die faktische Aushebelung des Versammlungsrechtes und die aktuelle Repression. Ein Platz für lautstarke Meinungsäußerung, eine spontaneistische Kontaktbörse für irritierende Ereignisse und Protestinszenierungen während gleichzeitig die Demonstration in Ketten, unserer Lieblingsfarbe schwarz und in sehr geschlossener und kraftvoller Form stattfindet.

Was "Out of Control" letztlich wird, lässt sich schwer planen, denn es entwickelt sich aus einer nur für einen kurzen Augenblick existierenden Interaktion der einzelnen Teile. Es ist aber notwendig, dass sich wirklich viele daran beteiligen und darauf vorbereiten. Denn funktionieren wird es nur, wenn eine kritische Masse daran teilnimmt. Sollte es aber funktionieren, dann macht diese Idee Mut für neue Aufbrüche und weitere Auseinandersetzungen.

In Bewegung bleiben!

Die Perspektiventage in Berlin und der europäische Polizeikongress werden im Januar die nächsten Stationen bundesweiter Proteste sein. Perspektive bedeutet für uns aktuell vor allem auch ein Verständnis, dass diese Mobilisierungen nicht als Einzelereignisse betrachtet, sondern in einen Zusammenhang stellt. In den Rahmen einer sich aufeinander beziehenden Kampagne, die unterschiedliche Erfahrungshintergründe mit Blick auf trennendes und verbindendes weiterentwickelt. Widerstand darf dabei kein aktionistischer Selbstzweck werden.

Im Vordergrund stehen Fragen nach den politischen Bedingungen. Im Rahmen der G8 Mobilisierung hätten wir uns gewünscht, dass es eine stärkere inhaltliche Bestimmung über dieses Event hinaus gibt. Das strittige Fragen innerhalb der Linken um kapitalistische Bedingungen und Widerstandsperspektiven auf eine neue Diskussionsbasis gehoben werden und wir dadurch perspektivisch größere Handlungsfähigkeit erlangen. Wir denken dies ist in dieser Form nicht gelungen und es lief viel nebenher und aneinander vorbei. Zuwenig wurden notwendige Brüche im Rahmen der Bündnisse riskiert, noch weniger eine Antwort darauf gefunden, was ein "wir" in diesem Rahmen eigentlich inhaltlich bedeutet.

Selbstkritisch müssen wir uns dabei auch an die eigene Nase fassen. Praktische und pragmatische Entscheidungen im Sinne der konkreten Mobilisierung, rücken allzu oft in einen Vordergrund, der die eigene politische Bestimmung als zwar irgendwie notwendiges, aber bisweilen dann doch lästig werdendes Beiwerk verblassen lässt. Dabei kann der einzige wirklich nachhaltige Grund für solche Kraftanstrengungen doch nur die kritische Weiterentwicklung von linker Theorie und Praxis sein.

Ins Kraut schießende Theorie und mausgraue Praxis!

Theorie ist dabei ebenso wenig Selbstzweck wie Praxis und umgekehrt. In unserer politischen Realität entsteht Theorie dann aber häufig durch Expert_innen mit akademischen Hintergrund, während pragmatische Checker_innen, unter intellektuell unbelasteteren Vorzeichen, lieber schon mal die Action klarfahren. Eine Arbeitsteilung die letztlich von beiden Seiten immer wieder gerne angenommen wird und die Ausdruck und Ausgangspunkt des Dilemmas ist.

Wenn politische Bestimmungen von einem Großteil der Bewegung recht unhinterfragt gefressen und abgenickt werden, dann ist das kein Zeichen inhaltlicher Einigkeit sondern das Problem. Eine wirkliche Auseinandersetzung kommt zunehmend schwerer zustande. Das mag Teilweise an den Beschränkungen und dem Blickwinkel von theoretischen Grundlagen liegen, die sich an den Normen und Regulierungen des Wissenschaftsbetriebes orientieren und dort ihren Ursprung haben. Oft mag aber auch reine Bequemlichkeit der Anlass sein. Eine inhaltliche Auseinandersetzung ohne lebendige Rede und Gegenrede wird in den Widersprüchen unserer alltäglichen Erfahrungen, aber zweifelsohne zu einer Theorie die nichts mehr mit unserer politischen Praxis zu tun hat.

Theorie ist ebenso wenig eine heilige Kuh wie die Praxis. Mit beidem kann mensch grundfalsch liegen und gegen die Wand fahren, beides kann sich befördern und uns zu neuen Ufern tragen und beides kann - und muss letztlich vielleicht sogar - immer wieder mal in offensichtlicher Unvereinbarkeit nebeneinander stehen bleiben. Nicht als Rechtfertigung für Beliebigkeit oder falsche Pluralität, sondern aus dem Wissen um die Unmöglichkeit eine "richtige" Welt im Bestehenden zu erschaffen. Der Versuch eine große universelle Antwort, eine "heile Weltformel" zu finden, fördert meist nur begrenzte Blickwinkel und dogmatische Formen von Identitätspolitik. Stattdessen gilt es in der wackligen Konstruktion einer eben doch nicht so einfach zu erklärenden Welt sich immer wieder neu zu erfinden um widerständig zu bleiben. Eine politische Kritik jedenfalls, die sich auf liegen gebliebene Schlagworte der Vergangenheit reduziert, löst ihre wirkliche Substanz unweigerlich in diesen auf.

Jippi, Jippi, Yeah...

Theorie kann in ihrer Schärfe und Schönheit noch so schlüssig und richtig sein, wo sie den Bezug zu unseren menschlichen Bedingungen und Beschränkungen verliert, muss sie zwangsläufig falsch und bedeutungslos werden. Eine Praxis wiederum, die ob der reinen Lust am Event stattfindet, wird kurz über lang ebenso zwangsläufig im System und der Mehrheitsgesellschaft integriert enden. Nur der Inhalt kann Grundlage für eine widerspenstige Praxis aus der Negation heraus sein. Nur als kleine radikale Minderheit können wir ein korrektiv bleiben, das sich nicht um reformistische Notwendigkeiten schert, sondern lustvoll an Revolten und temporären Inszenierungen von Befreiung bastelt.

Theorie leidet dabei häufig an einer fehlenden Ambivalenz, die einer kulturellen Praxis auf charmante Art und Weise eigen sein kann. Wenn unsere Mobilisierungen und Demonstrationen eine Schnittstelle dieser Erfahrungen werden, dann bekommen sie auch eine Kraft, die uns als Bewegung wachsen lässt. Aus Hamburger Sicht war Bambule ein solches Ereignis. Die Innenbehörde fürchtet zum 15.12. sicher eine ähnliche Dynamik und das ist auch gut so. Rein ins Vergnügen! Gegen Repression und den Überwachungsstaat!

 http://www.nadir.org/regierung-stuerzen/
 wageninfo@gmx.de
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Ergänzungen

verstehe deinen ansatz nicht?!?

egal 28.11.2007 - 17:32
mensch kann froh sein, wenn er nicht erwischt wird, aber KLEINERE sachbeschädigungen sind das hier nun ganz gewiss nicht.
neben der tatsache, dass es auch bei dermaßen schwerwiegenden sachbeschädigungen zu haftstrafen (hängt sicher von vorstrafen, vorgehensweise, geplant herangegangen, wiederholungsgefahr wegen uneinsichtigkeit etc.) kommen kann, spielt der zivilrechtliche teil, eine ganz außergewöhnlich große rolle.
sollte der nachweis der ermittlungsbehörden gelingen, den beschuldigten die sachbeschädigungen nachzuweisen, hilft auch kein kleiner solifonds mehr, denn das geht in die hunderttausende wahrscheinlich.
von daher kann ich nur schreiben, dass mensch sich hier mal nicht zu früh freuen sollte, gerade zivilverfahren können sich über jahre ziehen und sind scheiße teuer!!!

Theorie oder Praxis (?)

W 28.11.2007 - 18:10
Zitat: "Hintergrund ist der Umstand, dass die BAW hier einen der militanten Schwerpunkte im Zusammenhang mit G8 wähnt."
Anstelle von "wähnt" konstruiert zu setzen käme der Realität erheblich näher. Eine materialistische Analyse - keineswegs zwangsläufig akademisch - käme, was Hamburg betrifft über die Analyse des Eventcharakters von G8 zu Ergebnissen, die Erkenntnisse darstellen: Die Repression hat in den Momenten des Abflauens von einst sehr starken Bewegungen eingesetzt, begonnen bereits mit der ersten 129 Welle und nicht erst mit G8. Sie, die Repression, geht in Hamburg gezielt gegen sich herausbildende Kerne sich aktiv Politisierender vor mit der grausamen Priorität der vorbeugenden Einschüchterung. Daraus ergibt sich die vordringliche Aufgabe dieser Einschüchterung entgegen zu wirken; was durchaus auch kulturell geschehen kann. Wichtig wären aber besonders die Schaffung kleinteiliger politischer Erfolge selbstorganisierter Kämpfe! Dem widerspricht die gängige Eventkultur und jeglicher Militanzfetischismus! Ein neuer Wagenplatz muß erkämpft werden; ein neues SZ muß erkämpft werden; ein Sozialamt muß ein paar Stunden oder Tage besetzt werden etc. Die "Bewegung" muß sich von ihren Fürsten und den Fußabtretern der Linkspartei emanzipieren... Und: Militanz im kolportierten Sinne ist eine Falle, weil sie hier gegen kollektive Praxen gerichtet ist! Manchmal hört man darin schon eine Sehnsucht nach der Niederlage im Sinne einer self fullfilling proficy
Dazu auch: Rossana Rossanda über das Erbe von "1968" "Das Kapital war kühner als wir"  http://www.taz.de/1/debatte/theorie/artikel/1/das-kapital-war-kuehner-als-wir/?src=ST&cHash=6827735bcb

Urteil des Bundesgerichtshofs

Tagesschau 28.11.2007 - 19:08
"Militante Gruppe" keine terroristische Vereinigung

Politisch motivierte Brandanschläge gelten künftig nur bei einer erheblichen Gefährdung des Staates als Terrorismus. Nach einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) wird die linksextreme "Militante Gruppe" (MG) nicht mehr als terroristische Vereinigung eingestuft. Zugleich setzte das Karlsruher Gericht die Haftbefehle gegen drei mutmaßliche MG-Mitglieder außer Vollzug.

Die Richter stellten fest, die Beschuldigten seien zwar dringend verdächtig, der Gruppe anzugehören und im Juli Brandanschläge auf drei Lastwagen der Bundeswehr in Brandenburg versucht zu haben. Die Taten der Gruppe seien aber nicht geeignet, die Bundesrepublik erheblich zu schädigen. Deshalb handele es sich bei der "MG" nicht um eine terroristische Vereinigung.

Der 3. Strafsenat verwies in diesem Zusammenhang auf die gesetzliche Neufassung des Terrorismusparagrafen aus dem Jahr 2003. Demnach ist er nur noch anwendbar, wenn die Taten staatsgefährdende Ziele verfolgten und darüber hinaus einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen könnten. Nach Art und Häufigkeit seien die Taten der "MG" dazu nicht geeignet, entschied der Strafsenat. Vielmehr müsse sie als kriminelle Vereinigung gelten. Damit entfalle die angenommene Schuldschwere als Haftgrund.

Bundesanwaltschaft nicht mehr zuständig ?

Damit ist auch fraglich, ob die Bundesanwaltschaft weiter die Zuständigkeit für die Ermittlungen gegen die Linksextremisten hat. Dazu müsste sie eine "besondere Bedeutung" der Strafverfolgung geltend machen

Bei dem verhinderten Anschlag konnten die an den Fahrzeugen angebrachten Zündvorrichtungen noch rechtzeitig entfernt werden. Die zwischen 35 und 46 Jahre alten Männer waren seit Anfang August in Haft. Der BGH erteilte nun Auflagen, um eine Fluchtgefahr auszuschließen.

Mindestens einer der Männer kommt dem Beschluss zufolge deshalb nur gegen eine Kaution von 30.000 Euro frei. Ob die Geldauflage auch für die anderen Beschuldigten gilt, konnte ein Sprecher des Gerichts bislang nicht sagen.

Hotelgegner schossen mit Stahlmuttern

Autonomia 28.11.2007 - 19:18
Attacke auf Hotel im Schanzenpark

Mehrere Vermummte haben in der Nacht zum Montag das Wasserturmhotel im Sternschanzenpark angegriffen und mit Farbe beschmiert. Der Sicherheitsdienst hatte um kurz nach 23 Uhr die Polizei gerufen, nachdem mehrere Personen aus der Dunkelheit auf den Haupteingang zugelaufen waren und das Portal mit Weihnachtkugeln bewarfen, die mit roter und gelber Ölfarbe gefüllt waren. Acht Wurfgeschosse zerplatzten an der Fassade. Auch ein Taxi wurde dabei bespritzt. Eine sofort eingeleitete Fahndung nach den Tätern, an der sich acht Peterwagenbesatzungen beteiligten, verlief erfolglos. Die Staatschutzabteilung des Landeskriminalamtes hat die weiteren Ermittlungen übernommen.

Hinter der Tat werden militante Hotelgegner aus dem linksautonomen Umfeld vermutet. Dieser Szene ist der Hotelneubau, durch den der marode, fast 60 Meter hohe Wasserturm gerettet wurde, ein Dorn im Auge. Sie hätten lieber für sich und Gleichgesinnte einen mit Steuergeldern finanzierten Treffpunkt in dem Gebäude eingerichtet.

Nur drei Tage nachdem Unbekannte den Vorplatz des umstrittenen Hotels und ein Taxi mit Farbe beschädigten, kam es in der Nacht zu Freitag schon wieder zu einer Attacke. Die Täter konnten abermals entkommen. Wachleute hörten in der Nacht gegen 1.35 Uhr verdächtige Geräusche. Doch auch sie konnten die Täter weder von ihrem Vorhaben abbringen noch sie verfolgen oder gar stellen. Die Hotelgegner schossen schwere, im Durchmesser vier Zentimeter große Stahlmuttern gegen die Scheiben des Frühstücksraums des Mövenpick-Hotels. Danach verschwanden sie in der Dunkelheit.

Die Polizei fahndete mit 19 Streifenwagenbesatzungen nach den Tätern, auch zwei Spürhunde wurden eingesetzt, um eventuelle Spuren zu erschnüffeln. Doch die Suche blieb wie nach den Tätern davor ergebnislos.

Das Hotel im Schanzenpark möchte die Vorfälle nicht kommentieren. Die Scheiben wurden zwar nicht durchschossen, müssen aber ersetzt werden. Die Staatsschutz-Abteilung der Kripo hat die Ermittlungen übernommen.

Pressemitteilung MdB Ulla Jelpke

(muss ausgefüllt werden) 28.11.2007 - 19:22
Pressemitteilung: BGH-Entscheidung zur "militanten Gruppe" beweist erneut: Terrorparagraph §129 a gehört abgeschafft

Mi., 28.11.2007:
Der BGH hat die Haftbefehle gegen drei Männer ausgesetzt, die der Mitgliedschaft in der "militanten:gruppe" (mg) beschuldigt werden. Die der mg zu Last gelegten Brandstiftungen seien nicht geeignet, die Bundesrepublik erheblich zu schädigen. Zur BGH-Entscheidung erklärt die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE Ulla Jelpke:

Ich begrüße die Freilassung der drei Beschuldigten Axel H., Florian L. und Olli R.
Mit dieser überfälligen BGH-Entscheidung wurde dem inflationären Gebrauch der Terrorismuskeule durch die Bundesanwaltschaft eine Schranke vorgesetzt.

Einmal mehr hat sich der Terrorparagraph 129a als reines Ermittlungs- und politisches Einschüchterungsinstrument entpuppt, dessen Anwendung einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand hielt. Die Paragraphen 129, 129a und b gehören endlich abgeschafft und nicht ausgeweitet.

Vier Monate lang wurden Axel H., Florian L. und Olli R. einzig aufgrund des Terrorismusparagraphen 129a inhaftiert. Sie wurden von ihren Familien und Freunden getrennt, konnten sich nicht um pflegebedürftige Angehörige kümmern, wurden aus ihrem Berufsleben gerissen, einer von ihnen hat seine Arbeitsstelle aufgrund der Haft verloren. Für die aufgrund der Untersuchungshaft erlittenen Schäden müssen sie entschädigt werden.

Mit dem §129a wurde die Überwachung und nur ausgesetzte Inhaftierung des Berliner Sozialwissenschaftlers Andrej H. sowie die Überwachung weiterer Wissenschaftler und politischer Aktivisten gerechtfertigt. Diese Bespitzelung von engagierten Linken muss sofort beendet werden.

weitere Infos:  http://einstellung.so36.net/

Von Zivilverfahren weit entfernt

@egal 29.11.2007 - 03:09
Momentan lautet der konkrete Tatvowurf gegen die drei freigelassenen (neben der "Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung") doch nur auf versuchte Brandstiftung, weil in dem konkreten Fall ja gar nichts gebrannt hat und somit auch kein Schaden entstanden ist, der sich zivilrechtlich einklagen ließe.

Selbst wenn strafrechtlich entscheiden würde, dass jemand Mitglied in einer kriminellen Vereinigung sein soll, wäre es zivilrechtlich äußerst schwer, ihn für den Schaden an einem abgebrannten Auto o.ä. haftbar zu machen.

Und selbst wenn das gelingen würde: allerschlimmstenfalls würde am Ende halt die Privatinsolvenz stehen.

Zum Thema "hilft auch kein kleiner solifonds mehr": Es sollte ja wohl vollkommen klar sein, dass kein Solifonds für irgendwelche Sachschäden aufkommen würde, die an Militäreinrichtungen o.ä. entstanden sind...!?!

gespräch mit andrej holm

radio corax 29.11.2007 - 15:32
Er wurde Festgenommen. Per Hubschrauber zum Bundesgerichtshof nach Karlsruhe verbracht und dem Ermittlungsrichter vorgestellt. Er verwandelte sich in den Fall Andrej H. Aus den Ermittlungsakten geht hervor, dass die Bundesanwaltschaft seit über einem Jahr gegen ihn und drei Freunde ermittelt - wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Der Verdacht? So schlimme Dinge wie die "intellektuelle Kapazität, einen Text schreiben zu können" oder "Begriffe wie Prekarisierung benutzen zu können". Das waren die Indizien für die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Alex von Radio Corax sprach mit Andrej Holm.

Zur Soli-Arbeit nach der Freilassung

Solidarischer Kritiker & Jurist 01.12.2007 - 13:02
Nach der Freilassung der drei Genossen und dem Ende der 129a-Anwendung steht jetzt eine Neuorientierung auch in der Soli-Arbeit an.

"Weg mit dem 129, a und b" ist weiterhin eine aktuelle Forderung auch der Solidarbeit. Jetzt wird es wichtig sein, in dem Verfahren das Konstrukt der Vereinigung wegzukriegen.

Gleichzeitig gilt es zum kommenden Prozess dem mg-Verfahren eine linke, politische Stoßrichtung zu geben.

Hier eine Anmerkung, die ich in Teilen gut finde:
 http://delete129a.blogsport.de/2007/11/28/gastbeitrag-zur-soliarbeit-im-mg-verfahren/

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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auf nach hh — xjesusx

Rummel um ASEM? — Linker aus dem Süden

@Lesende — H.K.

Guter Flash — Dr. Pupskissen