Berlin: Haftbefehl gegen Matti aufgehoben

Soligruppe Freiheit für Matti 22.11.2007 16:52 Themen: Antifa Repression
Am heutigen zweiten Prozesstag hat das Amtsgericht Tiergarten den bisher nur außer Vollzug gesetzten Haftbefehl gegen den Berliner Antifaschisten Matthas Z. auf Antrag der Verteidigung aufgehoben.
Haftbefehl gegen Matthias Z. aufgehoben - Es besteht kein dringender Tatverdacht

Am heutigen zweiten Prozesstag hat das Amtsgericht Tiergarten den bisher nur außer Vollzug gesetzten Haftbefehl gegen den Berliner Antifaschisten Matthas Z. auf Antrag der Verteidigung aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft schloss sich dem Antrag der Verteidigung an, da auch nach ihrer Auffassung kein hinreichender Tatverdacht bezüglich des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung mehr besteht.

Zu Beginn des Verhandlungstages legte die Verteidigung in einem Antrag dar, dass die Belastungszeugen bereits in einem anderen Verfahren willkürlich sechs AntifaschistInnen schwerer Straftaten beschuldigt hatten. Die vernehmenden Beamten sahen in diesem Verfahren keine Veranlassung, den unglaubwürdigen Belastungen der Zeugen Glauben zu schenken und ein Verfahren aufgrund eines hinreichenden Anfangsverdachts einer möglichen Täterschaft einzuleiten. Es waren jedoch dieselben Beamten, die wenige Minuten später den zweifelhaften Aussagen der beiden Belastungszeugen gegen Matthias Z. Glauben schenkten und sich nicht scheuten, allein aufgrund eines Fotos aus einer "Anti-Antifa-Kartei" ein Verfahren gegen Matthias Z. wegen versuchten Totschlags zu eröffnen.

Drei unabhängige Zeugen, die den Vorfall am 29.11.2006 beobachtet hatten, berichteten übereinstimmend, dass der Vorfall nur wenige Sekunden dauerte und die Täter alle komplett mit Sturmhauben vermummt gewesen seien. Keiner habe einen Totschläger gesehen oder den Ausruf "Jetzt schlagen wir Euch tot" gehört.

Hingegen wollen die beiden Neonazis sich an einen nur mit einem Tuch vermummten Täter erinnern, der eine "Studentenbrille" getragen und auffällig schmale Augen habe. Beide äußerten, sie seien sich "ziemlich sicher" gewesen, dass dies die Person von ihrem "Anti-Antifa-Foto" gewesen sei. Nachdem beide einräumten, Matthias Z. nicht hundertprozentig wiedererkennen zu können und auf mehrere Nachfragen zu ihrem bisherigen fragwürdigen Aussageverhalten in anderen Verfahren die Aussage unter Berufung auf mögliche Selbstbelastung verweigerten, sah sich das Gericht gezwungen, die Notbremse zu ziehen.

Lars Oberg, für die SPD im Berliner Abgeordnetenhaus, erklärte: "Dieses unwürdige Verfahren findet somit hoffentlich ein rasches Ende. Es bleibt ein Skandal, dass Matthias Z. aufgrund solch einer dünnen Beweislage 101 Tage in Untersuchungshaft sitzen musste."

Stefan Jakob und Marina Kochova, Sprecher der Solidaritätsgruppe "Freiheit für Matti" erklären: "Nach dem bisherigen Prozessverlauf wäre alles andere als ein Freispruch ein Justizskandal."

Benedikt Lux, Mitglied der Grünen und MdA, sagte zum heutigen Prozesstag: "Ich bin froh über den heutigen Verlauf des Prozesses."

Der nächste Verhandlungstag ist für den 13.12. um 9.15 h angesetzt.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Das schreibt die Junge Welt dazu

Junge Welt im Internetleser 22.11.2007 - 19:22
Neonazi-Zeugen disqualifizierten sich selbst
Berlin: Kein dringender Tatverdacht mehr gegen den Antifaschisten Matthias Z
Von Bassermann
Der Prozeß gegen den Berliner Antifaschisten Matthias Z. vor dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten hat am Donnerstag eine überraschende Wende genommen: Staatsanwaltschaft und Richter zweifeln an der Glaubwürdigkeit der Neonazis und einzigen Belastungszeugen Stefanie P. und Sebastian Z. Sie hatten den Angeklagten beschuldigt, von ihm und zwei ebenfalls vermummten Personen im November 2006 im Bahnhof Lichtenberg attackiert und leicht verletzt worden zu sein. Matthias Z. hatte jedoch von Anfang an darauf bestanden, mit der Tat nichts zu tun zu haben.

Wenige Tage nach dem Angriff hatten die Neofaschisten ein Foto von Matthias Z. der Polizei vorgelegt. Obwohl die beiden Rechtsextremen bereits in anderen Gerichtsverfahren durch Falschaussagen aufgefallen waren, reichte dies den Behörden, Matthias Z. über drei Monate in Untersuchungshaft zu stecken und ihn zunächst wegen versuchten Mordes zu beschuldigen.

Die Neonazis wollten Matthias Z. unter den Vermummten wegen seiner »Studentenbrille« und »schmalen Augen« erkannt haben. Von einer Brille war bei ihrer Vernehmung unmittelbar nach der Tat aber nie die Rede, auch hatte keiner der drei weiteren Zeugen davon etwas bemerkt.

Weil kein dringender Tatverdacht gegen den Angeklagten besteht, wurde der bisher nur außer Vollzug gesetzte Haftbefehl aufgehoben. Mitte Dezember geht der Prozeß weiter.

Junge Welt Berichtigung

muss ausgefüllt werden 22.11.2007 - 23:20
"Matthias Z. hatte jedoch von Anfang an darauf bestanden, mit der Tat nichts zu tun zu haben."

Matti hat die Aussage verweigert, bis der Prozess letzte Woche begann. Erst zu diesem Zeitpunkt hat er ausgesagt, dass er mit der Sache nichts zu tun hat.

Es ist vorbildlich und war komplett sinnvoll, dass er bis zuletzt sein Recht zu Schweigen genutzt hat.

Taz dazu

rolfi 23.11.2007 - 07:29
Prozess gegen jungen Antifaschisten

Rechte erinnern sich nicht mehr

Das Amtsgericht hebt den Haftbefehl gegen "Matti" auf. Zwei Rechte beschuldigen ihn, sie verprügelt zu haben. Doch kein Zeuge erkennt den Angeklagten, und auch die Neonazis haben plötzlich Zweifel. VON JOHANNES RADKE

"Da bin ich mir nicht mehr 100 Prozent sicher." Mit diesem überraschenden Satz sorgte der Neonazi Sebastian Z. am Donnerstag für die entscheidende Wende im Verfahren gegen den Gewerkschafter und Antifaschisten Matthias Z. Auch die zweite Belastungszeugin, Stefanie P., konnte plötzlich nicht mehr eindeutig sagen, ob sie den Angeklagten tatsächlich als Täter erkannt hat. Die Verteidigung beantragte daher die Aufhebung des Haftbefehls, die Staatsanwaltschaft schloss sich dem an. Der Richter betonte anschließend, dass kein dringender Tatverdacht mehr bestehe, und hob den Haftbefehl auf.

Damit bestätigte er indirekt, was Politiker der Linken und der Grünen sowie Gewerkschafter und Jusos schon lange kritisieren: Die Aussagen der beiden Rechtsextremisten sind höchst unglaubwürdig. Matthias Z. ist somit vorerst frei und erhält die 10.000 Euro Kaution zurück, die er nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft hinterlegen musste.

Dem 22-Jährigen wird vorgeworfen, im November 2006 mit zwei weiteren Personen am S-Bahnhof Lichtenberg ein Neonazi-Pärchen angegriffen und verletzt zu haben. Die beiden Neonazis Sebastian Z. und Stefanie P. bezichtigten Matthias Z. der Tat und legten der Polizei noch in derselben Nacht ein selbst aufgenommenes Porträtfoto von ihm vor. Zwei Wochen später wurde er nach intensiver Observation und Telefonüberwachung festgenommen und saß mehr als 100 Tage in Untersuchungshaft. Der Vorwurf des versuchten Totschlags wurde erst nach Protesten von Politikern und Gewerkschaftern auf "gefährliche Körperverletzung" herabgestuft.

Am zweiten Verhandlungstag mehrten sich die Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Aussagen der beiden Rechtsextremisten auch durch die Befragung dreier unabhängiger Zeugen, die zufällig am Tatort waren. Sie sagten aus, dass sie den Angeklagten unter den Angreifern nicht erkannt haben. Die Täter seien mit Sturmhauben vermummt gewesen. Wie die beiden Neonazis Z. unter den Maskierten erkannt haben wollen, blieb unklar. "Meines Erachtens konnte man da nicht viel erkennen", sagte ein Zeuge. Zudem schätzten die Zeugen die Statur der Täter auf 170 bis 180 Zentimeter. Matthias Z. ist 195 Zentimeter groß.

"Die Aussagen der Zeugen bestätigen, was wir immer gesagt haben: Unser Mandant war an der Tat nicht beteiligt", sagte Rechtsanwalt Daniel Wölky. Er gehe davon aus, dass die beiden Rechten ihre Aussagen relativiert haben, "um zu retten, was zu retten ist", und um eine Anzeige wegen Falschaussage zu vermeiden.

Das einzige Beweismittel gegen den Angeklagten blieb bis zuletzt die Anschuldigung der beiden Neonazis, die behaupteten, ihn als einen der Angreifer identifiziert zu haben. Antifagruppen glauben, dass Matthias Z. mit dem Verfahren eingeschüchtert werden soll, da er in einem anderen Prozess gegen Sebastian Z. als Zeuge auftrat. Beide Belastungszeugen sind dafür bekannt, "Anti-Antifa-Arbeit" zu machen und Fotos politischer Gegner zu sammeln.

Der grüne Abgeordnete Benedikt Lux, anwesend als Prozessbeobachter, zeigte sich erleichtert. "Nach der Befragung der unabhängigen Zeugen am Morgen war für mich klar, dass Matti als Täter nicht in Frage kommen kann." Er hoffe daher für den nächsten Prozesstag am 13. Dezember auf einen Freispruch.

Berliner Zeitung

Presseschau2000 23.11.2007 - 08:12
Elf Euro Entschädigung pro Hafttag

Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung gegen Antifa-Aktivist Matthias Z. wurde fallen gelassen

Andreas Kopietz

Der wegen eines Überfalls auf zwei Neonazis angeklagte Antifa-Aktivist Matthias Z. ist frei. Am zweiten Prozesstag zog die Staatsanwaltschaft gestern auf Antrag der Verteidiger ihre Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung zurück. Das Amtsgericht Tiergarten hob den außer Vollzug gesetzten Haftbefehl gegen den 20-jährigen aus Treptow auf. Dem Schüler konnte nicht nachgewiesen werden, dass er an einem Überfall auf zwei gleichaltrige Neonazis am U-Bahnhof Lichtenberg beteiligt war. Vermummte hatten Stefanie P. und Sebastian Z., die in der Nähe wohnen, am Abend des 29. November 2006 von hinten angegriffen und mit einem Schlagstock am Kopf verletzt.

Die Staatsanwaltschaft stützte sich ausschließlich auf die Aussagen der beiden Neonazis und klagte Matthias Z. wegen versuchten Totschlags an. Ein Richter erließ deshalb im vergangenen Dezember Haftbefehl, so dass der 20-Jährige 101 Tage in Untersuchungshaft verbringen musste. Später schwächte ein Richter den Vorwurf auf gefährliche Körperverletzung ab und erließ Haftverschonung. Für den Gefängnisaufenthalt erhält Matthias Z. pro Tag elf Euro Entschädigung, abzüglich 4,50 Euro Verpflegungspauschale. "Die Haft aufgrund einer solchen Beweislage ist der eigentliche Skandal an diesem Verfahren", sagten gestern die drei Verteidiger.

Die verprügelten Neonazis behaupteten kurz nach der Tat, einen der Täter, nämlich Matthias Z., wiedererkannt zu haben. Dieser sei zwar vermummt gewesen, aber an seinen "markanten Augen" und seiner Brille eindeutig wiederzuerkennen. Die Neonazis kannten Z. schon von früheren Begegnungen, etwa bei Demonstrationen. Zudem seien sie schon einige Tage zuvor von diesem bedroht worden. Am Tag nach dem Überfall übergaben sie den Staatsschützern der Polizei Fotos von Matthias Z., die sie bei Demos geschossen hatten. Vor Gericht wurde gestern allerdings deutlich, dass die beiden Hauptbelastungszeugen schon in einem anderen Verfahren willkürlich Mitglieder der Antifa-Szene schwerer Straftaten beschuldigt hatten. Dieselben Staatsschutz-Beamten, die mit dem früheren Fall befasst waren, glaubten den zweifelhaften Aussagen von Stephanie P. und Sebastian Z. und leiteten das Ermittlungsverfahren wegen versuchten Totschlags ein.

Linke, Politiker und Bürgerrechtler sprachen deshalb von "Gesinnungsjustiz" und befürchteten, dass künftig Neonazis mit ihren selbstgemachten Fotos willkürlich politische Gegner in Haft bringen könnten. Für "Matti", wie der Angeklagte in der linken Szene genannt wird, formierte sich eine deutschlandweite Solidaritätskampagne.

Gestern bröckelte die Anklage: Weder die Zeugen, die die Tat beobachtet hatten, konnten etwas zur Aufklärung beitragen. Auch die verprügelten Neonazis, die sich zwar "ziemlich sicher" waren, schwächten ihre Aussagen ab. Sebastian Z.: "Hundertprozentig genau sagen kann ich es nicht, ob er es war. Es ist seitdem ziemlich viel passiert." Gleiches sagte auch Stefanie P.

Zu Ende ist der Prozess allerdings noch nicht. Matthias Z. droht eine Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz, weil er im Besitz eines verbotenen Totschlägers war.
Berliner Zeitung, 23.11.2007

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 2 Kommentare an

wie GEIL ! — Suse