Freiburger wegen Hausbesetzung verurteilt

Autonome ProzessbeobachterInnen 21.11.2007 16:09 Themen: Freiräume Repression
Am 21. November 2007 wurde ein Linker wegen einer Hausbesetzung am 15. Januar 2007 zu 30 Tagessätzen à 3 Euro nach §123 StGB Abs. 1,2 (Hausfriedensbruch) verurteilt.
Am 15. Januar 2007 wurden in Freiburg drei Häuser besetzt und anschließend gleich wieder geräumt. Die Polizei nahm gut 20 AktivistInnen verübergehend in Gewahrsam. Am 18. Januar wurde mit einer VoKü ein weiteres Haus kurzfristig besetzt und ein weiteres scheinbesetzt. Im Sommer diesen Jahres wurden von der Staatsanwaltschaft Freiburg Strafbefehe verschickt. Im September endete ein erster Prozeß in dieser Sache mit einem Freispruch für den Angeklagten.

Noch bevor Richter, Staatsanwalt und Angeklagter im Gerichtssaal ankamen, setzte sich ein Zivibulle ins Publikum. Er ertarnte sich selbst durch das laute Rauschen seines Funkgerätes in seiner Hosentasche und verließ verschämt den Saal.

Der Prozess begann mit einer kleinen Verspätung. Nach der Feststellung der Personalien wurde die Anklageschrift verlesen. Der Angeklagte soll mit anderen zusammen einen Bauzaun überstiegen haben, um in ein Gebäude an der Türckheimer Staße der einzudringen. Dort habe sich die Gruppe verbarrikadiert. Der Angeklagte, der sich selber verteidigte, sei demnach wegen Hausfriedensbruch (gemäß §123 Absatz 1 und 2 StGB) zu verurteilen, so der Oberstaatsanwalt. Der Angeklagte äußerte sich zu seinen bisherigen Wohnorten und Schulen und seinem geringen Einkommen, zur Sache selbst machte er keine Angaben.

Die Beweisaufnahme sollte mit der Vernehmung des Zeugen Winter beginnen, der aber nicht da war. Nach ein wenig Blättern in den Akten stellte Richter Stark fest: „Uns ist da ein kleiner Lapsus passiert! Wir haben den Zeugen auf 9:15 Uhr geladen.“, und fuhr mit einer auszugsweisen Verlesung eines Urteils des Amtsgerichts Stuttgart fort. Der Angeklagte wurde am 29.09.2006 in der Landeshaupstadt verurteilt, weil er einen Polizisten mit den Worten: „Ohne Bildung werd' ich Polizist!“ beleidigt haben soll.

Als er endlich eintraf, erzählte Polizeioberkomissar Günther Winter von der Bereitschaftspolizei in Lahr routiniert seine Geschichte von der Räumung, welche der Erste Polizeihauptkomissar Ries aus Freiburg angeführt hatte. Der Angeklagte habe verbalen Widerstand geleistet und hätte mit einem Kreuzfesselgriff aus dem Gebäude gebracht werden müssen. Ohne den Angeklagten eines Blickes zu würdigen, erkannte er diesen als den von ihm Festgenommenen. Draußen habe er ihn dem Polizeiobermeister Dirr übergeben.

Während der darauf folgenden Pause – der zweite Zeuge war noch nicht erschienen – merkte der Angeklagte an, dass er gehört habe, verschiedene Verfahren in der selben Sache seien eingestellt worden. Aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes müsse dies doch bei gleichem Sachverhalt auch für ihn gelten. Weder Staatsanwalt noch Richter wussten von den Einstellungen. Der Staatsanwalt lehnte eine Gleichbehandlung ab, woraufhin dem Richter per Gesetz „die Hände gebunden“ sind: Ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft darf er das Verfahren nicht einstellen.

Inzwischen war auch der geschiedene Zeuge Polizeiobermeister Maxell Alfred Dirr, ebenfalls aus Lahr, erschienen. Er erzählte, er sei mit dem BFE-Kollegen im Gebäude gewesen und habe eine weitere BesetzerIn rausgeholt. Daraufhin wurde ihm der Angeklagte von Bulle Winter übergeben. Er habe ihn auf der Straße grob durchsucht. Er sei kooperativ gewesen, habe ihm gegenüber aber keine Aussagen gemacht. Später wurden auf der Wache Lichtbilder gemacht, anhand derer er den Angeklagten identifiziert habe. Der Angeklagte fragte nach, wo er ihn gesehen habe. Es seien ja auch Menschen auf der Straße festgenommen worden. Der Zeuge hat den Angeklagten nicht drinnen gesehen, war sich aber sicher, das Winter ihn von drinnen geholt habe.

Nach dem Ende der Beweissaufnahme stellt der Staatsanwalt seinen Antrag. Er sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte sich wegen Hausfriedensbruch strafbar gemacht habe. Der Angeklagte sei ein „gebranntes Kind“, weshalb er seine Forderung nach 30 Tagessätze aufrecht erhalte. Allerdings plädierte er in der Höhe der einzelnen Tagessätze für eine Reduzierung auf 2,50 Euro.

Der Angeklagte forderte einen Freispruch, welcher der nicht zu erreichenden Einstellung, nach wie vor aus Gleichbehandlungsgründen, am ehsten nahe käme. Dennoch verurteilte Richter Stark den Angeklagten zu 30 Tagessätze à 3 Euro zuzüglich der Verfahrenskosten. Die Strafe sei zahlbar in sechs monatlichen Raten à 15 Euro, auch sei ein Antrag auf Arbeitsstunden möglich.
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Ergänzungen

Die Badische Zeitung

berichtet 23.11.2007 - 10:33
Hausbesetzer muss zahlen
23-jähriger Student wegen Hausfriedensbruchs verurteilt

Von unserem Redakteur Frank Zimmermann

Rund 20 Mitglieder der autonomen Szene hatten im Januar ein leer stehendes Gebäude auf dem ehemaligen Gelände der Firma Hüttinger an der Türkheimer Straße besetzt. Gegen sie wurde Strafbefehl wegen Hausfriedensbruchs erlassen. Ihre Fälle werden nun einzeln verhandelt; vorgestern stand einer der Hausbesetzer, ein 23-jähriger Student, vor dem Freiburger Amtsgericht.

Die Besetzung des ehemaligen Hüttinger-Areals hat eine Vorgeschichte: Am Vortag hatte eine Hausbesetzer-Gruppe ein leer stehendes Haus der ehemaligen Arbeitersiedlung an der Spittel ackerstraße, das unmittelbar vor dem Abriss stand, nachts zu besetzen versucht. Mit der Aktion wollten sie nach eigener Aussage darauf hinweisen, dass dort günstiger Wohnraum vernichtet werde. Vier der Besetzer nahm die Polizei fest, einer verletzte sich. Am nächsten Morgen entschloss sich die Stadtbau als Besitzer des Hauses zum vorzeitigen Abriss. Dieser wurde von einem großen Polizeiaufgebot überwacht. Als die Autonomen merkten, dass sie in der Spittelackerstraße nichts mehr ausrichten konnten, besetzten rund 20 von ihnen offenbar spontan in der Nähe ein leer stehendes Gebäude auf dem Gelände der Firma Hüttinger an der Elsässer / Türkheimer Straße, wo der Abrissbagger an jenem Tag zugange war. Die Folge: Ein Großaufgebot der Polizei fand sich am Gelände ein, Beamte drangen in das verbarrikadierte Gebäude vor und nahmen die Hausbesetzer in Gewahrsam, nachdem diese sich geweigert hatten, das Gebäude zu verlassen. Einer der Besetzer wurde bei der Räumung am Kopf verletzt — wie, blieb seinerzeit unklar.

Ein 23-jähriger Student, der an jenem Nachmittag unter den Hausbesetzern auf dem Hüttinger-Gelände war, stand am Mittwoch wegen Hausfriedensbruchs vor Gericht. Als Zeuge geladen waren zwei der damals eingesetzten Polizeibeamte. Sie erkannten den Angeklagten im Gerichtssaal wieder. Abgeführt worden sei der Angeklagte erst, nachdem er sich geweigert hatte, freiwillig das Gebäude zu verlassen, so einer der Polizisten. Allerdings bescheinigte der als Zeuge geladene Beamte dem Angeklagten auch, kooperativ gewesen zu sein.

Der Angeklagte, der einer Wagenburggemeinschaft angehört, war bereits in der Vergangenheit verurteilt worden. Unter anderem, weil er im November 2005 in Stuttgart am Rande einer Demonstration gegen Studiengebühren von der Polizei festgenommen worden, als er versucht hatte, zusammen mit Mitstreitern, als Clown verkleidet in den Landtag einzudringen. Zuvor hatte sich die Clown-Gruppe singend über Polizeibeamte mit den Worten "Ohne Bildung werd’ ich Polizist" lustig gemacht, was diese als Beleidigung auffassten. Der Angeklagte war deshalb im vergangenen Jahr zu einer Geldstrafe von 350 Euro verurteilt.

Unter anderem wegen dieser Vorgeschichte war der Angeklagte für den Staatsanwalt "ein gebranntes Kind" . Und auch für den Richter war die "strafrechtliche Vorbelastung" des Angeklagten relevant. Er verurteilte den mittellosen Studenten wegen Hausfriedensbruchs zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Euro, die dieser in 30 Tagessätzen zahlen kann.

Es geht immer weiter...

Autonom@ntifA 08.12.2007 - 00:39

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Solidarität

antifaschistischer Antikapitalist 22.11.2007 - 16:09
Wenn ich mir das so recht durchlese, komm ich nicht drumrum, an alle linken Kräfte der Stadt Freiburg und Umgebung, einen Appell zu richten, sich in den nächsten Tagen spontan zu versammeln und die Solidarität mit dem vollkommen zu Unrecht Verurteilten zu bekunden, sowie gegen diesen Willkürstaat und seine repressiven Organe (Legislative, Judikative, Exekutive) auf die Straße zu gehen und lautstark farbe zu bekennen.