Volkstrauertag 2007 in Südthüringen

Antifaschistische Gruppe Südthüringen [AGST] 20.11.2007 20:32 Themen: Antifa
„Wir gedenken auch der Juden und der Tiere, die an der deutsch-deutschen Grenze auf eine Mine traten“ - Volkstrauertag in Südthüringen

Es war mal wieder soweit. Große Teile der deutschen Gesellschaft und Neonazis im einigenden Gedenken an die vermeintlichen deutschen Opfer des Zweiten Weltkrieg. Wir berichten über eine gemeinsame Veranstaltung von NPD und BDV in Hildburghausen, über den Fackelmarsch Südthüringer Faschist_innen in Haina und wie die Polizei und dem Ganzen einen „würdigen“ Rahmen bot.
Über den geschichtsrevisionistischen Charakter dieses umstrittenen Feiertages möchten wir an dieser Stelle nicht viel anmerken, da an anderer Stelle bereits geschehen. Wir verweisen hier nochmals ausdrücklich auf unseren Artikel vom Vorjahr, insbesondere den Absatz „Volkstrauertag. What the hell?“.

NPD und BDV - da wächst zusammen, was zusammengehört

Gegen 14 Uhr trafen sich auf dem Hildburghäuser Zentralfriedhof ca. 10-15 junge Neonazis, ihnen voran der NPD-Kreisvorsitzende Tommy Frenck, und nochmal so viele Bürger_innen und „Vertriebene“. Die Faschist_innen, um Frenck versuchten schon in Schleusingen an der öffentlichen Gedenkveranstaltung teilzunehmen. Wurden dort aber abgewiesen. Als Redner in Hildburghausen trat Winfried Kothe auf. Kothe ist Vorsitzender des BDV-Kreisverbands Hildburghausen und saß 1990 – 1994 für die CDU im 1. Thüringer Landtag. Kothe störte sich nicht daran, dass er von Neonazis umringt wurde, die neben Reichskriegsfahnen auch eine Fahne mit der schwarzen Sonne trugen (drei ineinander geschlungene Hakenkreuze, ein Symbol, u.a. genutzt durch die SS). Kothe, der sich nach Angaben des Freien Wort „frei von jeder Ideologie“ wähnt, kommentierte diese Fahnen, als die Fahnen seiner Heimat. An seiner politischen Heimat ließ das CDU-Mitglied, dass man einst für den Landtag geeignet hielt, keinen Zweifel mehr. Kothe bestätigte in seiner perversen Rede, wessen Geistes Kind er ist. Nach einer ebenso großen, wie pathetischen Aufzählung des Leides, das Deutsche nach Kriegsende und in der DDR erfahren mussten, hielt er es geeignet auch den Juden zu gedenken und hetzte sinngemäß, man gedenke auch den Juden und im selben Atemzug den Tieren, die an der innerdeutschen Grenze auf Minen traten. Aus Kothes Rede ging nicht hervor, wer den Juden Leid zufügte und auch wenn er den Holocaust nicht offen leugnete, empfanden die anwesenden Antifaschist_innen es als untragbar diesen Mann weiter über sein holocaustrelativierendes Märchen vom Opfer Deutschland schwadronieren zu lassen.Ca. 10 anwesende Antifas protestierten mit Hilfe eines Transparents und brachten den sich selbst bezeichnenden Pfarrer desöfteren durch Einmischen aus dem Konzept.
Nach Absprache mit Kothe rief Tommy Frenck, die Polizei zur Hilfe und berichtete von 20-25 vermummten Linken, denen sie sich nicht mehr gewachsen sahen. Die anrückende Polizei hielt sich, ob der offensichtlichen Zählschwäche Frencks, zurück und schritt erst nach Beendigung von Kothes Hetztirade auf Seiten der Faschist_innen ein und erstattete Anzeige gegen einen Antifaschisten wegen Beleidigung. Nach ca. 30 Minuten war der Horror vorbei.

Fackelmarsch in Haina

Haina ist ein kleines Dorf am Fuße der Gleichberge, nahe Hildburghausen gelegen. Für den vergangenen Volkstrauertag diente der Ort als Aufmarschgebiet von ca. 50 Neonazis aus dem Landkreis Hildburghausen und Coburg. Ab ca. 16 Uhr versammelten sich die Nazis vor dem Kulturhaus und zogen schließlich mit Fackeln, Transparent und Schildern als Gedenkmarsch durch den ruhigen Ort bis zur Gedenkstelle am Fuße der Gleichberge.
Die hofierten Nazis konnten abgeschottet durch die Polizei ihren Marsch planmäßig durchführen. Gegen die anwesenden Antifaschist_innen gingen die Beamt_innen der Thüringer Bereitschaftspolizei neben den üblichen Schikanen (Rumschubsen, Abfilmen, Pöbeln) auch mit einfacher Gewalt vor, als diese es sich erdreisteten lautstark zu protestieren. Man sei ja belehrt worden, der Volkstrauertag ist ein ruhiger Feiertag. Die Lautsprecheranlage der Nazis sei davon freilich ausgenommen.
Einen besonders merkwürdigen Eindruck hinterließ der Protest der örtlichen christlichen Gemeinde, die zahlreiche Transparente mit wenig geistreichen und eher sekten-ähnlichen Bibelsprüchen im Ort aufhing, wie „Christus ist unser Friede!“ oder „O Herr, mach mich zum Werkzeug deines Friedens“. Den Krieg hatte den Christ_innen vor Ort jedenfalls noch niemand erklärt und den Naziaufmarsch wurde man so auch nicht los.

Alles in allem zwei Veranstaltungen unter Vielen in Südthüringen, an denen sich auch Neonazis beteiligten. Wobei die Unterscheidung zwischen Nazis und „Normal“-Bürger_innen zunehmens schwerer fällt, wenn einmal die vermeintlich „Guten“ und zum anderen die vermeintlich „Bösen“ den deutschen Täter_innen von einst gedenken.

Die Antifaschistische Gruppe Südthüringen (AGST) gedenkt den Opfern des deutschen Vernichtungswahns, nicht derer, die dafür Verantwortung trugen, dass Auschwitz betrieben werden konnte.

Deutsche Täter_innen sind keine Opfer!
Volkstrauertag abschaffen!
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Ergänzungen

Selbst die Lokalpresse findet kritische Worte

Jan Hus 20.11.2007 - 20:45
Freies Wort vom 19.11.07

Volkstrauertag
Auch Gedenken kennt Grenzen
Demokratische Kräfte wiesen Neonazis in die Schranken / Die Polizei war vor Ort

Hildburghausen – Wie heißt es so schön: „Einigkeit macht stark“. Doch von dieser Einigkeit war am Volkstrauertag in der Kreisstadt nichts zu spüren. Die Junge Union Hildburghausen-Henneberg, die Stadt selbst und das Bündnis gegen Rechtsextremismus hatten zu Gedenkfeiern und Kranzniederlegungen eingeladen. Doch jeder für sich. Ob sich so in Verbindung an das Gedenken der Opfer der Weltkriege ein Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen lässt? Genau das sollte es aber sein. Nicht so beim Bund der Vertriebenen, der am Sonntag, 14 Uhr, auf den Zentralfriedhof eingeladen hatte. Winfried Kothe, Vorsitzender des BdV-Kreisverbandes, der sich selbst als „frei von jeglicher Ideologie“ bezeichnete, wurde eskortiert von jugendlichen Neonazis – ja, es waren fast noch Kinder die sich da um den NPD-Kreisvorsitzenden Tommy Frenck geschart hatten –, die Flaggen hielten. Keine verbotenen – Flaggen der einzelnen Landsmannschaften der Vertriebenen waren zu erkennen, aber auch Fahnen des Nationalen Widerstands und eine mit der schwarzen Sonne im Zentrum. Deutliche Zeichen. Noch deutlichere durften sie nicht öffentlich präsentieren. Solche etwa, die „Heldengedenken“ anmahnen. Sind das tatsächlich Zeichen des Gedenkens im Sinne des Volkstrauertags? Winfried Kothe beharrte darauf. „Wir gedenken der Millionen Soldaten und Zivilisten die in den beiden Weltkriegen getötet wurden, der 15 Millionen Heimatvertriebenen, der Stalinopfer, der Opfer des Luftangriffs auf Hildburghausen am 23. Februar 1945, der Opfer der sowjetischen Besatzungszone und der DDR . . .“

Auch Jugendliche der linken Szene hatten sich auf dem Zentralfriedhof der Kreisstadt eingefunden. Sie unterbrachen Winfried Kothe immer wieder, zeigten ihre Empörung lautstark. Die Polizei beobachtete das Geschehen – eingreifen mussten die Beamten nicht.

Schleusingen – Auf eine gemeinsame Veranstaltung, ein stilles Gedenken, am Denkmal für die Opfer von Krieg, Vertreibung und Gewaltherrschaften am Schmuckplatz hatten sich die Kirchen, der Bund der Vertriebenen und die Stadt am Volkstrauertag verständigt. Alle Teilnehmer darum gebeten, auf Fahnen und Symbole zu verzichten. Und das war eine kluge Entscheidung, die alle Versuche, den Volkstrauertag für revanchistische und rechtsradikale Absichten zu missbrauchen, letzten Endes vereitelten.

Zwar hatten das gestern auch Neonazis erneut versucht. Als die Repräsentanten der Kirchen, Vertreter von Parteien, der Stadt und des Landkreises, des Bundes der Vertriebenen am Denkmal eintrafen, wurden sie von einer Gruppe junger Rechtsextremisten, darunter der NPD-Kreisvorsitzende Tommy Frenck, mit Fahnen und Plakaten empfangen. Erst nach mehrmaligen energischen Forderungen der Veranstalter rollten sie ihre Flaggen ein und drehten ihre Plakate um. Das offenbar beabsichtigte Heldengedenken wurde von den demokratischen Kräften vereitelt. Und vielleicht haben die eindringlichen Worte von Pfarrerin Dorothea Söllig und Schleusingens Bürgermeister Klaus Brodführer die Gebete und Fürbitten bei einigen der sehr jungen Leute zumindest Zweifel ausgelöst, ob die ihnen eingeimpfte Ideologie die Richtige ist. Friedlich ging die Veranstaltung der Stadt zu Ende, in der das demokratische Schleusingen sich klar dazu bekannte, dass es Verantwortung übernimmt für ein Leben in Frieden und Freiheit, ohne Gewalt und jegliche Form von Menschenverachtung. Und, dass es Neonazis in die Schranken weist. ks/kat

Frage

dr37 21.11.2007 - 10:48
Steht das Kürzel BDV bzw. BdV in diesem Zusammenhang für "Bund der Vertriebenen" oder für irgendeine andere lokale oder regionale Vereinigung?

Bund der Vertriebenen = BDV / BdV

ich 21.11.2007 - 14:33
ganz richtig, dieser geschichtsrevisionistische greisenverband

btw. wieso nicht ins newswire mods?

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