Ermittlungen gegen Mono für Alle! - TEIL I

Julia Kötten 19.11.2007 18:44 Themen: Freiräume Kultur Medien Repression
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart, welche kürzlich das Tragen von durchgestrichenen Hakenkreuzen kriminalisieren wollte, hat nun einen weiteren Versuch der Einschränkung von Grundrechten gestartet: Diesmal geht es um die Kunstfreiheit. Der offizielle Vorwurf lautet: "Die Band 'Mono für Alle' hat ein Lied mit dem Titel 'Amoklauf' produziert, das derzeit Anlass von sogenannten School Shootings ist und war (Erfurt!)". Es handele sich dabei um eine "Anleitung zu Straftaten" gemäß §130a StGB.
Seit bereits knapp einem Jahr ermittelt der Staatsschutz in dieser Sache gegen die Musikgruppe. Mono für Alle! erfuhren erst kürzlich per Zufall von den Ermittlungen und haben nun über einen Rechtsanwalt Akteneinsicht erlangt. Dieser Artikel versucht das bisher Geschehene darzustellen, ein weiterer Artikel wird versuchen die Hintergründe näher zu beleuchten.
Das Material zu diesem Artikel lieferte die von MfA! veröffentlichte Presseerklärung sowie ein persönliches Gespräch mit der Gruppe, welches mir auch Einblicke in die Ermittlungsakte verschaffte.

Die Ermittlungsakte beginnt mit Aufzeichnungen vom Dezember 2006: Die Polizeidirektion Waiblingen beschäftigt sich mit dem Lied Amoklauf und beschreibt dieses in einer Email an den Stuttgarter Staatsanwalt Milionis als "sehr aggressiv und aufreisserisch". Die strafrechtliche Relevanz müsse überprüft werden. Milionis kommt schnell zu einem Ergebnis: "Die Band 'Mono für Alle' hat ein Lied mit dem Titel 'Amoklauf' produziert, das derzeit Anlass von sogenannten School Shootings ist und war (Erfurt!)". Er leitet ein Ermittlungsverfahren ein wegen "Anleitung zu Straftaten" gemäß §130a StGB. Es folgt ein Übernahmeersuchen an die zuständige Staatsanwaltschaft Gießen.

In Gießen beschäftigt sich nun Staatsanwalt Vaupel mit der Angelegenheit und beauftragt den Staatsschutz mit den Ermittlungen. Bereits 5 Tage nach Übernahme des Falles liefern die Staatsschützer einen ersten "Ermittlungsbericht" ab. Darin wird nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen der Identitätsfeststellung via Google-Internet festgestellt, dass es "bedingt durch das extrem konspirative Vorgehen der Band keinerlei Anhaltspunkte zur Identifizierung der Mitglieder gibt (...) nach Ansicht von Uz. besteht die einzige Möglichkeit der Identifizierung im Rahmen einer Kontrolle bei/im Vorfeld eines Konzertes."
Die folgenden Ermittlungen konzentrieren sich auf die Durchforschung des Internets, einer fingierten Fanklubanmeldung und der Bestellung von Tonträgern im Internet sowie der Auswertung von Fotos und Interviews. Trotz all dieser Recherche gelingt es den Ermittlern angeblich auch weiterhin nicht, die Identität der Bandmitglieder festzustellen. Auf die einfache und naheliegende Möglichkeit einer Whois-Abfrage des Domaininhabers wollen die Staatsschützer nicht gekommen sein.

Stattdessen zielen die Ermittlungen des Staatsschutzes darauf ab, eine Überprüfung von MfA! auf einem Konzert stattfinden zu lassen. In einem späteren Schreiben, unmittelbar nach Veröffentlichung neuer Konzertdaten auf der MfA!-Internetseite, erfolgt die Forderung an die Staatsanwaltschaft: "Zur Feststellung der Personalien der Bandmitglieder sollte die Akte umgehend direkt an eine der betreffenden Dienststellen - Rostock (2x), Hamburg, Chemnitz - mit Eilvermerk übersandt werden".
Staatsanwalt Vaupel entscheidet sich für ein Vorgehen mit besonderem Konfliktpotenzial: Er ordnet eine Überprüfung und "Vernehmung der Bandmitglieder als Beschuldigte" während des Festivals MusicAgainstG8 im Umfeld der G8-Proteste in Rostock an und beantragt ein entsprechendes Amtshilfeersuchen bei der Rostocker Polizei.
Einen Tag vor dem Konzert wird der Inhaber des Veranstaltungszentrums von Beamten des Staatsschutzes in eine Rostocker Bar beordert, zu einer Tasse Kaffee eingeladen und über das Konzert befragt. Am 6. Juni, dem Tag des Konzertes, erscheint gegen 18 Uhr ein Konvoi vollbesetzter Mannschaftswagen vor dem Veranstaltungsgelände. Nach einigen Videoaufnahmen ziehen die Beamten ab und beteiligen sich am Überfall auf das nahegelegene Camp Rostock. Später schreibt die Polizei Rostock an die Gießener Staatsschützer: "Auf Grund der hohen dienstlichen Belastung der Einsatzbeamten beim Weltwirtschaftsgipfel konnte die Realisierung ihres Amtshilfeersuchens nicht erfolgen."

Erst 8 Monate nach dem offiziellen Beginn der Ermittlungen führen die Staatsschützer laut Ermittlungsakte die Whois-Abfrage im Internet durch. Anschließend suchen die Staatsschützer Familienangehörige auf, informieren diese über die angebliche Straftat und stellen Fragen, z.B. zur politischen Ausrichtung der Musikgruppe. Bekannten wird am Telefon mitgeteilt, ein Bandmitglied werde seit "langer Zeit von der Polizei gesucht". Eine StaatsschützerIn erklärt am Telefon, es solle ein "Persönlichkeitsprofil der Bandmitglieder erstellt werden". Ebenso wird in den Schulakten einer Gießener Schule nach ehemaligen Schulbands und deren Mitgliedern recherchiert. Alsbald weiß die Nachbarschaft in mehreren Orten von den Ermittlungen, so dass letztlich auch die Musiker selbst davon erfahren.

Ein anderer Artikel bei Heise.de berichtete bereits:
 http://www.heise.de/newsticker/meldung/99105

Die "Anleitung zu Straftaten" bei Youtube:
 http://www.youtube.com/watch?v=sb25aGP9nm8

Einige Webseite(n) der Band:
 http://www.monofueralle.de
 http://www.monofeuralle.net
 http://www.sanpedrokonzert.de.vu
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Ergänzungen

Staatsanwalt Vaupel

Alles wird schön! 19.11.2007 - 19:03
Dieser Vaupel war wohl auch bei den skandalträchtigen Ereignissen mit Nazi-Charakter um die Projektwerkstatt Gießen beteiligt, gegen ihn dürfte nun wohl auch wegen diverser Vergehen auf Anordnung des OLG Hessen ermittelt werden.

 http://www.projektwerkstatt.de

"In diesem Magazin sind 16 Schuss,
und ich weiß genau,
was ich damit machen muss!"

Kunstfreiheit

felix 19.11.2007 - 19:06
Das ist ja mal ein starkes Stück. Aber halt StA Stuttgart - die halten eh nicht viel von Rechtsstaatlichkeit und geben sich lieber der Lächerlichkeit preis.
MfA! sollte sich - soweit noch nicht geschehen - eineN linkeN Rechtsanwältin/Rechtsanwalt zu Hilfe nehmen. Das Anklagekonstrukt steht auf ziemlich tönernen Beinchen. Ein Strafverfahren wäre ein staatlicher Eingriff in die Kunstfreiheit (Art. 5 III GG: "Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei."). Um einen Eingriff in dieses Grundrecht zu rechtfertigen, müßten andere gleichwertige Grundrechte verletzt sein (lernt mensch schon im ersten Semester Staatsrecht an der Uni - aber offenbar nicht in Stuttgart). Eine Verletzung anderer Grundrechte ist hier offensichtlich nicht gegeben, so daß das Ding also spätestens beim BVerfG kassiert wird. Es lohnt sich also gegen dieses Vorgehen der Staatsanwaltschaft auf dem Verwaltungsgerichtswege zu klagen. Nehmt mal Kontakt zur nächstgelegenen Roten Hilfe-Gruppe auf, um entsprechend gemeinsam Soli-Arbeit zu organisieren.
Im Grunde zielt das in genau die gleiche Richtung wie die aktuellen 129a-Verfahren: Ausspähen, Einschüchtern, Diskreditieren von systemoppositionellen linken Positionen.

download

kommerzgandalf 19.11.2007 - 21:06
hier kann man sich das lied runterladen:  http://rapidshare.com/files/70858092/04_-_Mono_fuer_Alle__-_Amoklauf.mp3

greetz

What the fuck??

anonym 19.11.2007 - 22:39
Ist in diesem Lied irgendwo -auch nur irgendwo ansatzweise- eine Aufforderung zum Amoklauf?? Ich glaube ja wohl nicht.
Der Staat sucht sich wieder einmal Sündenböcke für sein Versagen genauso wie es bei den "Killerspielen" der Fall war und ist.
Amokläufe sind ein gesellschaftliches Problem.
Wenn das eine Aufforderung sein sollte, muss man genauso fast jede Punkband auseinandernehmen. Am besten man verbietet jegliche kritische Musik gleich, dann hat der Staat nichts zu befürchten! Aber nein, geht ja nciht, dann gibt es ja keine Sündenböcke für Amokläufe mehr -.-

Aggressiver Song? Wohl nicht

Peter Lustig 19.11.2007 - 23:20
Die Machart des Songs kann man ja wohl kaum als aggressiv bezeichnen. Da ist die Pippi Langstrumpf Version von Heiter bis wolkig eindeutig krasser. Und wenn man bedenkt, daß die Aggressivitätsskala von Musik allgemein wohl seit damals viel weiter ausgeschlagen ist, dann kann man Amoklauf eher als Popsong betrachten. Die spinnen, die Römer. Das sollte man jetzt richtig ausschlachten und die Dummheit des Staates nutzen. Daß der sich immer wieder mit solchen altersängstlichen Menschen wie Vaupelt so blamieren muss. Nein, nein, nein.

Verteidigung der Werte

Schwarzer Stern 20.11.2007 - 00:01
Auf heise.de gab es einen Artikel, welcher sich mit der Problematik der Killerspiele auseinander gesetzt hat und die derzeitige Diskussion unter dem Blickwinkel von gesellschaftlich geduldeter Werte betrachtet wurde. Entsprechendes gilt nicht nur für diese Form von Spielen sonder eben auch für Musik oder andere Formen der Kunst. Repressionen sind folglich für nicht als 'adäquat' empfundene Formen des künstlerischen Ausdruckes zu erwarten; wie in diesem Falle die Band 'Mono für alle'.

 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26569/1.html

Einschüchterungseffekt

Huxley 20.11.2007 - 00:42
Das is ja wirklich völlig unglaublich. Ich mußte erst zweimal lesen bevor ich das überhauot gecheckt hab. Das größte Problem was ich darin seh ist der Einschüchterungseffekt. Der Ottonormalverbraucher ließt doch nur Amoklauf-Lied = Ermittlungsverfahren = Strafbar. Was passiert? Wen sowas die Runde macht traut sich bald kein Musiker oder Dichter mehr irgendwas in der Richtung zu veröffentlcihen. Dann haben wir bald nur noch Harry Potter, DJ Ötzi, Sido und wie sie alle heißen. Welcome to brave new world!

Liedtext

Hey Ho 20.11.2007 - 02:26
Der Liedtext der hier gepostet wurde ist nicht ganz korrekt, den richtigen Text gibt es hier:
 http://free.pages.at/monofueralle/amoklauf.htm

Vaupel, Cofsky & Co.

k.o.b.r.a. 21.11.2007 - 12:38
Die ErmittlerInnen gegen Mono für alle! sind in der Tat weitgehend identisch mit denen, die seit Jahren gegen politische AkteurInnen in Gießen vorgehen. Das ist nicht für für den Staatsanwalt Vaupel ( http://www.staatsanwalt-vaupel.de.vu), sondern auch für die StaatsschützerInnen ( http://www.ver-puff-dich.de.vu) und insgesamt ( http://www.polizeidoku-giessen.de.vu) gut dokumentiert. In diesem Jahr läuft deshalb das Projekt "Fiese Tricks von Polizei und Justiz" ( http://www.projektwerkstatt.de/fiesetricks), u.a. ist das Buch "Tatort Gutfleischstraße. Die fiesen Tricks von Polizei und Justiz" mit den wichtigen Rechercheergebnissen erschienen ( http://www.seitenhieb.info).
Schade, dass es ein Zufall war, dass wir von den Ermittlungen gegen Mono für alle! mitbekommen haben. Die ganzen Grenzziehungen und die fehlende Offensivkultur gegen Repression nützt vor allem Polizei und Justiz. Hier wäre eine Zusammenarbeit sinnvoll gewesen - und bleibt es weiter.

Mono für alle! amoklauf mp3 auch hier

deinName 06.10.2008 - 05:49
Wie verrückt sind die denn?
Da kann man doch nur zusehen dass viele links zum download der mp3 amoklauf verbreitet werden!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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egall — egal

@egal — net egal

Mag ja sein, dass — Erwin

interessant! — nomo

muss man denn immer gleich was nötig haben? — Freud lässt grüßen...

selbst schuld — tja

Phantasialand — Das Gegenüber