Zweite Schlacht um die Exzellenz / Berlin

anna panek 17.11.2007 20:59 Themen: Bildung
Während in Frankreich die Geschehnisse sich zuspitzen, scheinen Berliner Studierende ruhig. Bis auf das weit draußen liegende Dahlem, wo sich heute während des SPD-Landesparteitags Studierende mehrerer Unis zu einer kleinen zweiten Schlacht um die Exzellenz versammelt hatten.
Während innerhalb der Mensaräume der Berliner Freien Universität die SPD ihren Landesparteitag unter dem Motto "Innovation in Berlin – Zukunft aus Tradition" abhielt, lieferten sich, von den Teilnehmern unbemerkt, da durch Polizeieinsatzkräfte auf den Campushof verbannt, Studenten der Alice-Salomon-Fachhochschule, der Humboldt Universität, der Humboldt Universität und der Universität der Künste eine zweite 'Schlacht um die Exzellenz', aus der wiederholt die ASFH als klarer Sieger hervorging.

Der Beginn der Schlacht zögerte sich hinaus, da ihm ein fragwürdiger Einsatz eines Zivilbeamten vorangeganen ist: ein Student der Ethnologie wurde wegen Mittragens eines Megaphons angesprochen und zum Verlassen des Geländes aufgefordert, falls er das Megaphon nicht ablege. Noch während das Gespräch mit der Polizeibeamtin darüber lief, wurde er bereits von einer ihm nicht näher bekannten Zivilperson hart angegriffen und gewaltsam weggezerrt. Obwohl der Student friedlich blieb, wude der Griff nicht gelockert, schließlich kamen beide zu Fall. Erst später identifizierte sich die Zivilperson als Kriminalbeamter. Ein weiterer Fall kopf- und geistloser, deplazierter und schlicht illegitimer Gewaltanwendung, die die Frage aufwirft, ob nach den werbewirtschaftlicher Studentenjägern auf der Jagd nach Abo- und kaufwilligen Studenten in Aula und Foyer nun auch Zivilbeamte die Studentenjagd für sich entdecken.

Kunst- und basteltechnisch hat die ASFH das Feld bereits für sich abgesteckt, noch bevor die Schlacht richtig beginnen konnte: ihre rosa Papp-Panzer und Schlachtschilde waren in ihrer Ausführung exzellent, das nach gewonnenem Kampf um die Pyramidenspitze der Forschungsförderung mit Ansprache, Preisüberreichung und Anschreiben quittiert wurde.

Hinter dem leicht und quirlig wirkenden Spaßeinsatz steckt jedoch eine ernstzunehmende studentische Kritik an den Auswirkungen der Hierarchisierung von Hochschulen und der Verzahnung von Wirtschaft und Wissenschaft - so kritisierte ein Student der FU, daß auf dem Gelände der Universität nun eine Privatuni eingerichtet werden soll, Ergebnis einer Kooperation zwischen Freier Universität und dem Klett-Verlag (DUW). Eine der Konsequenzen sei die Verdrängung des Fachbereichs Ethnologie: Umzug in kleinere Räume, Verlust der Bibliothek, Seminarräume, die kaum den Namen verdienen.

Weitere Folge der Bildungsökonomisierung sei ein zunehmender Verlust des wissenschaftlichen Autonomiegedankens sowie der - gerade an der FU spürbare - Anstieg undemokratischer Verhältnisse, der mit einer Verdrängung kritischer Wissenschaft einhergehe (vgl. hierzu Scharenberg-Affäre,  http://www.astafu.de/aktuelles/archiv/a_2007/presse_09-13 ).

Daß der Landesparteitag, in dessen Verlauf Bildungssenator Jürgen Zöllner sich für dei Bündelung exzellenter Berliner Forschungsbereiche in einer gemeinsamen Tochterinstitution der universitären und außeruniversitären Einrichtungen aussprach, von den Studenten nicht besucht werden konnte, daß hierin die Tendenz zum Ausschluß kritischer studentischer Stimmen aus der Diskussion um die Umgestaltung, Straffung und Marktorientierung der Bildung deutlich wurde, wurde von den Studierenden laut, wiewohl zunächst ungehört, beanstandet. Die generelle Kritik der studentischen Aktion richtete sich v.a. gegen die mangelnde Transparenz bei der Wettbewerbsantragsstellung.

Ein Student der UdK faßte gegen Ende der Aktion zusammen: "Das heutige Cluster-Klatschen war leider nur teilweise erfolgreich.", ein ASFH-Student ergänzte: "Wir hätten gerne die Chance erhalten, uns der SPD mitzuteilen", worauf ein HU-Student nur trocken nachfügen konnte: "unsere Exzellenzschlacht kollidierte offensichtlich mit dieser öffentlichen Veranstaltung". Ein junges Studentenpaar mit Kind konkretisierten: "Wir hätten der SPD gerne das Fragwürdige am Exzellenz-, Hierarchiedanken und der Durchsetzung eines auf ökonomische Erwartungen zugeschnittenen Leistungsprinzips vermittelt", während ein TU-Student an der Initiative vor allem kritisierte, daß die hereinfließenden Gelder wieder ins Facility Management fließen, wodurch wieder (ökonomische Erwartungen bedienende) Forschung, nicht Bildung, der Profiteur des Projekts sei.


Zu dem heutigen vehementen Anwachsen des Protestes gegen die Bildungsprivatisierung in Frankreich konnten in Anbetracht der Frische der Ereignisse noch keine studentischen Stellungnahmen eingefangen werden. Gelegenheit zu einem Gespräch über den französischen Studentenprotest wird sicherlich die Veranstaltung "Lak goes Bak" (bundesweiter studentischer Kongreß) vom 22.-25.11. an der Humboldt Universität geben können [Programm zum Querlesen auf  http://www.wiki.bildung-schadet-nicht.de/index.php/Bild:Lakbak.jpg]


Weitere Bilder der heutigen Aktion (in Farbe) sind unter dem Suchstichwort "Studentenprotest" auf  http://onpra.de zu finden.
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Ergänzungen

ein paar zusatzmotive

apk 17.11.2007 - 21:19
ein paar zusatzmotive

Demo für freie Bildung in Freiburg

studi 18.11.2007 - 02:59
(autonome-antifa.org) In Freiburg demonstrierten am 17. November über 500 Menschen für freie Bildung und gegen den CDU-Landesparteitag in der Neuen Messe. Die Demonstration führte durch die Innenstadt, die unhaltbaren Auflagen wurden selbstverständlich ignoriert. Die Bullen provozierten mit einem völlig unverhältnismäßigen Aufgebot und filmten von Anfang an massiv die Demonstrierenden. Als Reaktion flogen Böller und Farbeier aus dem linksradikalen Block. Die Bullen kesselten mehrfach und versuchten die Demonstration zu spalten. Anschließend gab es eine Fahrraddemo zur und eine Kundgebung auf der Neuen Messe.

presseecho

zum studentenprotest 19.11.2007 - 09:34
die einträge zum lebensmittel- und alkoholdiebstahl auf einer seite zur aktion der studierenden erscheinen leicht fragwürdig. vielen dank für die ergänzungen zu dieser seite, jedoch um zum thema zurück zu kommen:


über die aktion der studierenden am 17.11. berichtet die junge welt am 19.11.:
 http://www.jungewelt.de/2007/11-19/055.php

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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