Berlin: Gedenkspaziergang in Mahlsdorf

Bündnis "Kein Vergessen" 10.11.2007 18:29 Themen: Antifa Antirassismus Kultur
Berlin Marzahn-Hellersdorf: Anlässlich des Gedenktages an die antisemitischen Novemberpogrome von 1938 fand im antifaschistischen Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus am 09.November ein Spaziergang durch Mahlsdorf statt. Dem Aufruf der VeranstalterInnen folgten auch bei strömendem Regen ca. 20 hauptsächlich junge Menschen aus Marzahn und Hellersdorf.
Antifaschistischer Gedenkspaziergang in Mahlsdorf

Anlässlich des Gedenktages an die antisemitischen Novemberpogrome von 1938 fand im antifaschistischen Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus ein Spaziergang durch Mahlsdorf (Berlin Marzahn-Hellersdorf) statt. Auch in Marzahn-Hellersdorf wurden Menschen von den Nazis verfolgt, verschleppt oder ermordet, daher führte die Route vorbei an ehemaligen Wohnorten von Jüdinnen und Juden oder kommunistischen WiderstandskämpferInnen und anderen historischen und symbolischen Orten der Mahnung im Bezirk. Dem Aufruf der VeranstalterInnen folgten auch bei strömendem Regen ca. 20 hauptsächlich junge Menschen aus Marzahn und Hellersdorf.

Einleitend am Treffpunkt dem S-Bhf. Mahlsdorf wurden die TeilnehmerInnen kurz über die Pogrome im November 1938 informiert, welche den Übergang antisemitischer Praxis in Deutschland von Ausgrenzung und Diskriminierung hin zur systematischen Verfolgung und Vernichtung jüdischer Menschen markierten. 

Der Spaziergang führte zuerst an der Lohengrinstraße 2 vorbei, wo die SchülerInnen-Initiative "Stolpersteine gegen das Vergessen" daran erinnerte, dass dort bis zum 15.02.1943 fünf Mitglieder der Familie Lange wohnten, bevor sie wegen ihres jüdischen Glaubens nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurden. Die SchülerInnen berichteten, dass sie sich mit ihrer Initiative für das Einsetzen von insgesamt 6 "Stolpersteinen" zur Erinnerung an die Familie Lange, sowie an Walter Reissner engagieren. Der jüdische Maler und Bildhauer Reissner lebte bis zu seiner Deportation am 04.03.1943 im Eichenhofweg in Mahlsdorf-Süd. Er ist nach letzten Angaben in Auschwitz verschollen.

Als nächstes führte der Spaziergang zur Hönower Straße 67, wo das jüdische Ehepaar Herbert Leo und Liselotte Holz (geb. Cohn)bis zum 19.02.1943 lebte. In unmittelbarer Nähe, in der Treskowstraße 16, wohnten die Eltern Ernst Siegfried und Hedwig Holz (geb. Korytowski). Alle haben Auschwitz nicht überlebt.

Im Mahlsdorfer Musikerviertel, an einer Gedenktafel für den Kommunisten und antifaschistischen Widerstandskämpfer Arthur Weißbrodt, wurde eben diesem gedacht. Ein Beitrag informierte über seine Aktivitäten in KPD, der Roten Hilfe und im Widerstand in Berlin und Magdeburg. Weißbrodt wurde erstmals 1934 wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt. Am 06.07.1944 wurde er erneut festgenommen, angeklagt und vom Volksgerichtshof am 19.09.1944 wegen "Vorbereitung zum Hochverrat unter erschwerenden Umständen" und "Feindbegünstigung im Kriege" zum Tode verurteilt. Seine Enthauptung wurde am 06.11.1944 im Zuchthaus Brandenburg-Görden vollzogen.

Als letztes führte der Spaziergang symbolisch vorbei an der Friedrich-Schiller-Grundschule. Dort fand im Februar 2006 ein von der CDU organisiertes BürgerInnen-Forum bezüglich der am 16.Mai 1938 aus antisemitischen Gründen umbenannten Straßen im Mahlsdorfer Musikervierel statt. Die ablehnende Haltung der CDU und der (anwohnenden) BürgerInnen gegenüber der Rückbennung, welche den Versuch diesem noch immer existenten nationalsozialistischen Unrecht zu begegnen und die durch die ehemalige Namensgebung ausgesprochenen Würdigung der jüdischen KünstlerInnen wiederherzustellen erkennen lassen würde, wurde bei dieser Veranstaltung deutlich. Seitdem hat das Bündnis „Kein Vergessen“ verschiedene Informationsmaterialien herausgegeben, Diskussions- und Infoveranstaltungen organisiert und einen Antrag zur Rückbenennung in die BVV eingebracht, welchem allein die Linksfraktion zustimmte. Nicht zu letzt das konsequente Fernbleiben lokaler PolitikerInnen und AnwohnerInnen verdeutlicht die Heuchelei vor allem der SPD, "das Gedenken" auf ihre Art – mit Schlussstrichpositionen – zu betreiben.

Im Anschluss an den Gedenkspaziergang wurde im AJZ "La Casa" der Film „Die Fälscher“, ein Drama über KZ-Gefangene, die im Auftrag der Nazis Geld fälschten, vorgeführt. Der Film basiert auf den Erinnerungen von Adolf Burger, welcher am 19.11.07 im Siemens-Gymnasium in Marzahn auf einer Zeitzeugenveranstaltung referieren wird.

VeranstalterInnen:
>> Bündnis "Kein Vergessen"
>> Antifaschistisches Bündnis Marzahn-Hellersdorf [ABM]
>> SchülerInnen-Netzwerk "MuT"
>> SchülerInnen-Initiative "Stolpersteine gegen das Vergessen"

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Ergänzungen

Infoveranstaltung am 12.12.07

Bündnis "Kein Vergessen" 10.11.2007 - 18:35
Infoveranstaltung "Antiziganismus und "Dr." Robert Ritter"
Mi, 12.12.07 - 18Uhr - Alice-Salomon-Fachhochschule (U5-Bhf. Hellersdorf)

Infoveranstaltung mit Erich Schmidt zum Thema „Antiziganismus und „Dr." Robert Ritter". Robert Ritter war Leiter des „Kriminalbiologischen Institutes der Sicherheitspolizei (KBI)" und zuvor als Wissenschaftler maßgeblich am Völkermord gegenüber Sinti und Roma beteiligt. So mussten sich im Rahmen der von ihm mit verantworteten pseudowissenschaftlichen Beurteilungspraktiken bis 1945 fast 24.000 Menschen in ihrer „rassischen Zugehörigkeit" klassifizieren lassen. Diese Einordnung entschied oft über Leben und Tod, so auch im Sinti- und Roma-Zwangslager Berlin-Marzahn.

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