Aktion gg. Vorratsdatenspeicherung in Berlin

Bernd Kudanek alias bjk 07.11.2007 12:59 Themen: Globalisierung Medien Repression
6.11.07 - bundesweiter Aktionstag gegen die geplante Vorratsdatenspeicherung


Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hatte für den 6. November zu bundesweiten Protesten gegen die geplante Vorratsdatenspeicherung initiiert und zu Kundgebungen in über 40 Städten aufgerufen. In Berlin wurde für den gestrigen Dienstag eine entsprechende Kundgebung unmittelbar an der Grenze der sogenannten Bannmeile direkt vor dem Reichstag angemeldet - - - und sie wurde von der Behörde sogar genehmigt.
Eigentlich nicht sonderlich überraschend, jedenfalls nicht, wenn mensch sich erinnert, wie schäbig erbärmlich sich der gleiche AK VDS als (Mit-)Veranstalter der Großdemo vom 22. September ebenfalls hier in Berlin verhalten hat. Die damalige Demoleitung hatte sich nämlich nicht nur schlimm unsolidarisch verhalten als der auch zwar friedliche aber ihnen unliebsame autonome Internationale Block (auch als Schwarzer Block bezeichnet) von staatsmachtlichen Prügelhorden willkürlich brutalst zusammengeschlagen wurde, nein, die Demoleitung besaß auch noch die Niederträchtigkeit, sich artigst devot bei der Staatsmacht für die "Demo-Begleitung" zu bedanken. Unter  http://www.carookee.com/forum/freies-politikforum/1/Widerstand_gegen_den_UEberwachungsstaat_Kommentare.18436096.0.01105.html wird von dieser Demo berichtet. Tagsdarauf haben zwar einige Abgeordnete der mitregierenden Berliner Linkspartei, die auf dieser Demo mitgelatscht sind, wohl eine (Feigenblatt-)Anfrage wegen der nicht wegzulügenden Prügelexzesse gestellt, von deren Verlauf oder gar Ergebnis aber wie so oft später nichts bekannt wurde. Tja, ... übrigens hatten die damals mitlatschenden GenossInnen bei den Polizeiübergriffen bezeichnenderweise wieder einmal mehr schnell das Weite gesucht.

Wen wundert's also wirklich, daß die gestrige Kundgebung direkt vor dem Reichstag so problemlos von der Ordnungsmacht genehmigt wurde?! In geradezu gönnerhafter Geste signalisierte die Behörde nämlich augenzwinkernd, weil ihr ja am 22.September so brav staatstragend gewesen seid, dürft ihr jetzt auch vor den Reichstag, denn der erklärte "Staatsfeind" Schwarzer Block wird aus (berechtigt !!!) grollendem Zorn wegen Eurer schäbigen Unsolidarität am 22. September sowieso nicht zu Eurer Kundgebung kommen. Ihr dürft dann ruhig ein bißchen schimpfen und PolitikerInnen auf der Tribüne zuhören, das Zwangs-Fernsehen filmt ein bißchen, berichtet später noch weniger - und alle sind glücklich mit und in der Friede-Freude-Eierkuchen-BRD-Demokratur!

Na ja, nicht ganz aber so ähnlich war's dann doch. Als ich kurz nach 17 Uhr aus dem 100er Bus an der Haltestelle Reichstag/Bundestag ausstieg, war es schon dunkel und ich mußte mich zunächst orientieren, wo denn nun die Kundgebung war. Als Erstes fiel mir ein gut 100 Meter entfernter einsamer Polizei-Mannschaftswagen am Straßenrand auf. Doch dann sah ich ebenfalls auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen kaum beleuchteten großen Klotz, die Rückwand der Rednertribühne wie sich gleich herausstellte. Dahinter hatten sich im Dunkeln bereits vielleicht 200 - 300 KundgebungsteilnehmerInnen versammelt. Daß die Tribüne, eigentlich von Aufwand, Größe und Beschallung (und sicher auch Kosten!) her durchaus für mehrere Tausend DemonstrantInnen geeignet, vom Reichstag abgewandt auf den Tiergarten gerichtet war, hat wohl mit den Demoauflagen zu tun. Die Außenwirkung der in der Dunkelheit kaum wahrnehmbaren Tribünenrückwand auf die Touristen vom Platz der Republik und direkt vom Reichstag aus war entsprechend mickrig.

Zum ungemütlichen stürmischen Nieselregenwetter paßte das aber irgendwie, ebenso wie die, na sagen wir mal, brave Moderation. Auflockernde und/oder fetzige Musik gab's eh keine, jedenfalls nicht solange ich dabei war. Also wurden, weil die als Redner angesagten PolitikerInnen auf sich warten ließen, solche Dinger losgelassen wie sinngemäß "eigentlich sind wir ja keine Politikveranstaltung" oder "wenn wir im nächsten Jahr wieder demonstrieren, kommt ihr alle dann auch wieder" oder "weil die RednerInnen von der Politik ja noch nicht da sind, können die Leuchtplakat-TrägerInnen sich mal ein bißchen bewegen, hin und her laufen um die Wartezeit zu überbrücken" und ähnliche Klopse. Auf jeder Schülerdemo wird pfiffiger und intelligenter moderiert.

Wie auch immer, das Publikum nahm's teils brav klatschend teils spöttisch schmunzelnd auf und skandierte sogar ein fröhliches JA, als um ihre Teilnahme an einer nächsten Demo gefragt wurde. Unter dem Publikum entdeckte ich auch einige "heimatlos" gewordene Fossile aus der exwestberliner Käseglocken-Linken-Szene. Eine ausgezeichnete Idee und hervorragend umgesetzt waren dagegen die vielen innenbeleuchteten Demoplakate, die mit Kurzinfos zu 18 Artikeln des Grundgesetzes beschriftet waren. Auch ein blauer "Staatsfeind" war darunter.

Als die Erstrednerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger noch immer nicht gekommen war, bat der Moderator Petra Pau von DIE LINKE auf die Rednertribüne. Kaum hatte diese ein paar Sätze ins Mikro gesprochen, da fielen ihr wie auf Kommando bestellt ein Zwischenrufer-Pärchen mit oft dämlichen Bemerkungen lautstark ins Wort, Petra sei eine Wendehälsin, hätte als SED-Genossin und Stasi-Helferin kein Recht, hier zu reden und ähnliches mehr. Petra Pau versuchte, den beiden mit ihr in etwa gleichaltrigen ZwischenruferInnen Wind aus den Segeln zu nehmen, indem sie zustimmte, daß es sinngemäß in der DDR tatsächlich eine Stasi gab und zu Verstößen gegen RegimekritikerInnen gekommen sei. Ob es nicht klüger gewesen wäre, einfach mal zu fragen, wie alt denn sie selber und das Zwischenrufer-Pärchen waren, als die Mauer gefallen ist, sei mal dahingestellt. Aber damals etwa Zwanzigjährige für Verfehlungen des Realsozialismus verantwortlich machen zu wollen, ist entweder grottendämlich oder perfide verleumdend. Da stellt sich doch gleich die Frage "cui bono", wem nützen solche ZwischenruferInnen, die sich hier anerkennungsheischend den Anschein von verfolgten DDR-Bürgerrechtlichen geben. Es dürfte nicht schwer sein, die politischen Drahtzieher bei den bürgerlichen Staatsmacht-Parteien zu orten.

Aber mein Mitgefühl für Petra Pau hielt sich trotzdem in Grenzen, denn gerade sie selber und viele ihrer Funktionärs-GenossInnen gieren ja förmlich danach, endlich richtig in der BRD "ankommen" zu dürfen. Denn eine andere Zwischenruferin hat völlig recht mit ihrer lauten Frage, warum denn ausgerechnet die mitregierenden Berliner Linkspartei-SenatorInnen der Verschärfung des Polizeigesetzes zustimmen wollen, wonach Videoüberwachung, Handyortung und andere staatsmachtliche Folterinstrumente gesetzlich sanktioniert werden sollen. Eine Kennzeichnungspflicht für (Prügel-)Polizisten ist dagegen trotz Koalitionsvereinbarung von 2002 nicht einmal ansatzweise in Sicht. Petra Pau, jetzige Bundestags-Vizepräsidentin, war übrigens eine der InitiatorInnen der rotroten Koalition in Berlin.

Als danach Sabine Leutheusser-Schnarrenberger auf die Rednertribüne vors Mikro trat, wurde der Nieselregen stärker. Ich machte noch ein paar Aufnahmen und trat dann den Heimweg an, denn Ströbele, der ja als Redner ebenfalls angesagt war, wollte ich mir nicht auch noch antun. Ob es später bei der FDP-Politikerin Zwischenrufer gab, weiß ich nicht aber ich hörte aus der Entfernung noch einige Buhrufe.

Brave Proteste wie der gestrige sind trotz einiger guter Ideen wie die Leuchtplakate von ungefähr gleicher Qualität wie staatstragende Gewerkschaftsdemos, auf denen Sommer, Bsirske und andere hochbezahlte Funktionäre labern und labern und labern. Die GDL mit ihrem Lokführerstreit scheint da ja eine lobenswerte Ausnahme zu sein! Meine Sympathie haben sie jedenfalls!

Fazit. viel herumkommen wird in Sachen Datenvorratsspeicherung aufgrund des gestrigen bundesweiten Aktionstages nicht, außer "es war gut, daß wir darüber geredet haben". - Viel zu wenig für ein Thema, das eigentlich in der Bevölkerung einen gewaltigen Proteststurm bundesweit und europaweit auslösen müßte!

bjk
ALG II-Unterschichtler
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Ergänzungen

Demo am 22./Bullenübergriffe/AK Vorrat

Dabeigewesen 07.11.2007 - 19:19

So einfach, wie es hier dargestellt wird, ist die ganze Auseinandersetzung um die bundesweite Großdemo am 22. nicht. Vor allem hat sich nicht _der_ AK Vorrat unsolidarisch verhalten, sondern Teile (!) des AK und der Großteil der Demoleitung. Fehler wurden aber auch von Seiten des "Kein Friede"-Block gemacht. Und weil Wiederholungen langweilen: Eine Diskussion darüber gibt es schon unter einem anderen Beitrag zum dezentralen Aktionstag in Berlin:

http://de.indymedia.org/2007/11/198715.shtml

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