Stuttgart: Demo "Freiheit statt Angst"

Demo-Chronist 06.11.2007 23:21 Themen: Repression
Auch in Stuttgart versammelten sich mehrere hundert Menschen zu der - bundesweiten - Demo gegen die allerneuesten Überwachungsgesetze
und die steigende staatliche Repression. Chaos Computer Club und Piratenpartei hatten zu einer Demo vor dem Rathaus aufgerufen.
Menschen- & Lichterkette und eine Unterschriftensammlung beendeten die demo zwischen 17 und 19 Uhr.
Die Veranstalter hatten mit einer Teilnehmerzahl von 100 gerechnet, doch es kamen zwischen 200 und 500, die gemeinsam ihre Meinung über die neuen - verschärften - Überwachungsgesetze und die sich stetig verschärfende Repression im Land ausdrücken wollten.
Unter der Parole "Freiheit statt Angst" hatten Mitglieder des libertären Chaos Computer Clubs und der liberalen Piratenpartei zu einer Demo gegen den stattlichen Überwachungswahn vor dem Stuttgarter Rathaus aufgerufen. Gekommen waren meistens Mitglieder der Studi-Scene und ältere Mitglieder christlicher Basisgruppen.
Proletarier, Ein-Euro-Jobber, Prekäre, Asylanten waren dagegen nicht zu sehen. Radikale oder revolutionäre Linke fehlten ebenfalls. Es gab keine roten Fahnen und keine radikalen Parolen, aber Lichterketten und demonstratives Händchenhalten.
Die Eröffnungsrede hielt einer - namentlich unbekannter - Pfarrer (Mitglied im CCC), der den Überwachungswahn und die neuen Überwachungsgesetze anprangerte und der auch an einen "Soziologen" erinnerte, welcher im Rahmen der laufenden MG-Verfahren (§ 129) mehrere Tage im Knast verbringen mußte. Das immer noch mehrere Personen aus diesem Verfahren - wg. angeblicher Mitgliedschaft in einer terroristischen verreinigung - sich in Haft befinden, weil sie Bundeswehrfahrzeuge abgefackelt hatten, schien dem Paffen allerdings entgangen zu sein.
In seiner Rede setzte der Pfaffe aus dem CCC seine ganze Hoffnung auf das Bundesverfassungsgericht, das - angeblich - schon viel für die Bürgerrechte in Land getan hätte. Danach legten Mitglieder der Piratenpartei Unterschriftenlisten aus, um in irgendeiner Form beim Verfassungsgericht vorstellig zu werden.

Nach Rede und Unterschriftenaktion rief der Pfaffe vom CCC zu einer Lichterkette mit demonstrativem Händchenhalten auf, und alle zündeten auch brav ihre mitgebrachten Kerzen an und hielten Händchen im beginnenden Nieselregen und der einsetzenden Dunkelheit. Auf die Idee, zu einem Spontanbesuch beim Oberbürgermeister Wolfgang Schuster CDU aufzurufen, und die Kälte - draußen vor der Rathaustür - spontan mit der Wärme im Rathaus zu vertauschen, kam niemand. Hätte einer der Demonstranten sich das Mikro geschnappt und zu einer Spontanbegehung des Rathauses aufgerufen, hätten die Demonstranten aus dem Studi- & Christen-Millieu wohl auch sicher nicht mitgemacht.
Um 18 Uhr hatte die Lichter- & Menschenkette schon merkliche Lücken bekommen, und bestand nur noch aus kleinen Grüppchen, die sich um einige Kerzen scharten. Es sah aus wie eine vorgezogene Adventfeier:
"Advent, Advent, ein Lichtlein brennt!...!"
Um 19 Uhr sollte die angemeldete Demo offiziell beendet werden, doch vermutlich wurde sie schon früher wg. Dauer-Nieselregens - abgebrochen.

Ein bißchen Journaile war auch anwesend und 2 Bullen im Polizeiwagen.
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Ergänzungen

Überheblicher Beitrag

Tut nix zur Sache 07.11.2007 - 02:33
Warum der Verfasser nicht selbst "zu einem Spontanbesuch beim Oberbürgermeister Wolfgang Schuster CDU" aufgerufen hat verbirgt sich im Nebel seiner Arroganz. Die Aktion war kurzfristigst organisiert worden und die Mobilisierung musste sich gegen Widerstände an der Uni usw. durchsetzen. Zur Widerlegung der diffamierenden Behauptungen und Dokumentation hier die gehaltene Rede:

"Liebe anwesenden Freundinnen und Freunde der Privatsphäre,

Wir demonstrieren heute gegen die geplante Vorratsdatenspeicherung, die diesen Freitag im Bundestag zur Abstimmung gebracht werden soll. Für sechs Monate soll zukünftig gespeichert werden, wer mit wem telefoniert, wem eine eMail schreibt, wann online geht und wo ein Handygespräch führt.

Wir demonstrieren auch dagegen, dass in den letzten Jahren der Datenschutz mit dem Holzhammer demontiert wurde, selbstverständlich immer im Namen der Sicherheit. Biometrische Pässe mit Funkchips, erhebliche Ausweitung der Telefonüberwachung, Videokameras an fast allen öffentlichen Orten. Mit der Sicherheit lässt sich allzu viel rechtfertigen.

Aber ist das überhaupt ein Problem? »Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten« heißt es gerne.

Das Argument »Ich hab ja nichts zu verbergen« ist ein fadenscheiniges. Es geht davon aus, dass Strafverfolgungsbehörden ihre Machtmittel niemals mißbrauchen. Dass dies auch in Deutschland weit von der Realität entfernt ist, durfte vor kurzem der berliner Soziologe Andrej Holm erfahren - er wanderte, wegen Verdacht auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung - für mehrere Tage in den Knast. Die Begründung der Bundesanwaltschaft liest sich wie eine Satire, leider ist sie bittere Realität. Andrej hatte die falschen Bekannten, mit denen er sich traf, und, noch schlimmer, er tat dies sogar, ohne sein Handy mitzunehmen. Desweiteren sei er intellektuell in der Lage, die Texte der »militante gruppe« mitverfasst zu haben. So schnell wird man in Deutschland Terrorist.

Wer immer noch glaubt, dass die bei der Vorratsdatenspeicherung erhobenen Daten in sicheren Händen sind, dem sei gesagt, dass neben deutschen auch mehrere duzent ausländische Strafverfolgungsbehörden Zugriff erhalten sollen.

Das allein wäre schon schlimm genug - jedoch wollen noch mehr Menschen wissen, wer wann online geht und mit wem telefoniert. Inhaber sogenannter geistiger Eigentumsrechte, also in erster Linie die Musik- und Filmindustrie, sollen direkten Zugriff auf die Vorratsdaten erhalten - ohne Richtervorbehalt, ohne externe Kontrolle.
Dass diese Industrien in der Vergangenheit nicht gerade sorgsam bei der Ermittlung von mutmaßlichen Raubkopierern vorgingen, dürfte bekannt sein. So wurden schon Menschen verdächtigt, illegales Filesharing zu betreiben, die garkeinen Computer besaßen. Auch gegen bereits gestorbene Menschen hat die Musikindustrie schon ermittelt.

Eine alte Datenschützerweisheit lautet: Wo Daten anfallen, entstehen Bedürfnisse. Deshalb haben bereits weitere Gruppierungen interesse an den Vorratsdaten angemeldet, so forderte etwa der Philologenverband den Zugriff für Schulleitungen, um aufmüpfige Schüler zurechtweisen zu können.

Ein letztes noch: Ich habe kürzlich gelesen, dass momentan die erste Generation heranwächst, die mehr Geld für Technik als für Kleidung ausgibt. Für die meisten Anwesenden vermutlich kaum vorstellbar, dass es jemals anders war. Man spricht auch von der Generation MySpace.
Ich finde diese Entwicklung einerseits spannend, andererseits besorgniserregend. Was ich mir wünschen würde, wären Menschen, die technikbegeistert sind, die aber gleichzeitig auch kritisch mit Technik umgehen. Die zwar wissen, wie man ein Blog schreibt oder ein Podcast betreibt, aber nicht unbedingt alle persönlichen Details im StudiVZ ausbreiten. Teil einer solchen Bewegung würde ich gerne sein. Ich hoffe ihr seid dabei. Danke."

Quelle:  http://hboeck.de/archives/560-250-in-Stuttgart-gegen-die-Vorratsdatenspeicherung.html

Klarstellungen

Hanno 07.11.2007 - 13:58
Also, da ich der Redenhalter bin, dem hier ja auch einiges an den Kopf geworfen wird, möcht ich doch ein paar Sachen klarstellen:

- Ich bin kein Pfarrer. Wer auch immer sich das halluziniert hat, wie auch immer man darauf kam, keine Ahnung. Im Rest der Welt werd ich oft für meinen kompromisslosen Atheismus kritisiert. Ich kann mir grad auch beim besten Willen nicht erklären wie ich diesen Eindruck erweckt haben soll.

- Das mit dem christlichen Gruppen scheint ebenfalls eher Halluzination gewesen zu sein. Ich hab ein Flugblatt irgendwann in die Hand bekommen, in dem ein Zusammenhang von der Bibel zu RFID-Chips gezogen wurde. War ziemlich krude, aber bestimmt keine relevante Anzahl von Menschen auf der Demo.

- Ich hab ein Grüppchen mit roten Fahnen gesehen, die nach Antifa-Spektrum aussahen.

- Frage an den Autor: Warum hast Du keine Fahne, kein Transparent mit radikalen Parolen mitgebracht?

- Im übrigen: Zur Lichterkette aufgerufen hatte ich auch nicht, das war ne andere Person, aber das nur Detail am Rande.

So, jetzt noch ein bißchen was zu den Kritikpunkten, die ich ansatzweise ernst nehmen kann, auch wenn's mir beim Rest des Artikels schwer fällt:

Nichterwähnung der andern 129a-Gefangenen: Haste bedingt recht. Hätte ich tun sollen. Das ganze war ziemlich spontan, ich hab mir den Redebeitrag auf der Hinfahrt aus den Fingern gesaugt, ich wusste über Andrej H. bescheid, weil ich in den letzten Wochen viel über ihn gelesen hab, über die Situation der andern wusste ich nicht genau bescheid.
Hätte ich den Redebeitrag nicht gehalten, hätte es vermutlich niemand getan. Es gab auch im Vorfeld keine Anfragen von anderen Menschen, die Reden halten wollten.

Hoffen auf Bundesverfassungsgericht etc.:
Also, so wie's im Artikel stand, hab ich das auch nicht gesagt. Ich halte das BVerfG auch keinesfalls für eine leuchtende Institution, die man verherrlichen sollte.
Es ist in dem Fall für mich eher eine ganz pragmatische Frage: Ich halte die Vorratsdatenspeicherung ernsthaft für ein Problem. Ich will sie verhindern. Ich glaube im Moment, dass die realistischste Variante hierfür ist, dass sie vor den Gerichten kippt.
Das kann man nun natürlich abfällig »Realpolitik« nennen. Ich seh aber prinzipiell keine Widerspruch darin, auch als radikaler Linker zu Gerichten ein funktionales Verhältnis zu haben. Man muss sie nicht toll finden, aber wenn es in einer bestimmten Situation realistisch erscheint, dass Gerichte eine negative Entwicklung abwenden, sollte man das versuchen.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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@Gegendarsteller

Demo-Chronist 07.11.2007 - 20:50
Ich bleibe bei meiner Darstellung!