Erfolgreicher Auftakt der de⋆fence Kampagne

freya fluten 04.11.2007 23:10 Themen: Antirassismus Repression
Heute fand in Berlin Köpenick die Auftaktdemonstration zur antirassistischen de⋆fence Kampagne statt. Fast 200 Menschen versammelten sich gegen 16:00 am S-Bahnhof Spindlerfeld um laut und kraftvoll gegen die die Inhaftierung von Menschen ohne Papiere in Abschiebeknästen und deren Abschiebung zu demonstrieren.
Die Bullen benahmen sich mal wieder so, wie es alle bei einem solchen Thema erwartet hatten. Aggressiv und überzogen versuchten sie, die TeilnehmerInnen durch rigide Vorkontrollen einzuschüchtern. Kurz vor dem Knast kam es zu handgreiflichen Rageleihen, als die kämpferische 1. Reihe versuchte, schneller als von den Bullen erlaubt zum Knast zu kommen. Leider wurden auch mehrer Menschen wegen vermeintlicher Vermummung kontrolliert und wir waren zu wenige und zu schlecht organisiert, um dies zu verhindern.
Trotz dieser Einschüchterungsversuche war die Demonstration kraftvoll und laut. Vor dem Knast angekommen wurden in verschiedenen Sprachen solidarische Grüße an die InsassInnen verlesen. Mehr als Solidarität durch ein Anschreien der Zäune und Mauern war dieses mal leider nicht möglich. Die Inhaftierten reagierten begeistert auf die Solidaritätsbekundungen, sie winkten hinter den Gittern und forderten lauthals bis zur Demo hörbar »Freiheit Freiheit Freiheit«. Allein solche Momente zeigen, dass Demonstrationen zum und gegen den Abschiebeknast in Grünau sinnvoll sind, denn auch wenn die Solidarität nicht gleich die Mauern einreißt, so zeigt sich doch denen, die drinnen interniert werden, dass sie nicht ganz alleine sind. Unsere Grüße erreichten die Internierten trotz nicht hinnehmbarer Auflagen von Seiten der Bullen. Die Lautsprecher mussten komplett vom Knast weggerichtet werden, mehrmals musste die Lauticrew aufs Dach des Autos steigen, um die Boxen exakt parallel zu stellen. Der deutsche Michel lässt grüßen. Doch unsere Rufe drangen offensichtlich bis hinter die Mauern, und nächstes Mal besorgen wir uns einfach eine noch größere Anlage.
Höhepunkt der Abschlusskundgebung waren mit Gas gefüllte Luftballons. Diese wurden verteilt und mit Wunderkerzen versehen. Zum Klang der Internationalen stiegen dann fast 100 brennende Ballons in den schwarzen Nachhimmel auf und brachten zumindest unsere Solidarität leuchtend hinter die Knastmauern. Eine wirklich tolle und gelungene Aktion! Danach gab es sogar noch warmes Essen und heiße Getränke von food for action, wie immer lecker und bei diesen Temperaturen ein toller Abschluss.

Für freies fluten und alles für alle ⋆ und zwar umsonst!!!

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Diese Demonstration war Auftaktveranstaltung der antirassistischen de⋆fence Kampagne. Deshalb hier der Redebeitrag zur Kampagne:

Als Initiative gegen das Chipkartensystem in Berlin kämpfen wir seit mehr als sechs Jahren gegen das Sachleistungsprinzip für Flüchtlinge und MigrantInnen. Mit dieser Arbeit wollen wir dem staatlichen Rassismus etwas entgegen setzen und gleichzeitig konkret Menschen unterstützen, die von diesem Rassismus betroffen sind. Seit Anfang diesen Jahres hat endlich auch der letzte Bezirk in Berlin auf die Chipkarten verzichtet und zahlt den Betroffenen ihre sowieso gekürzte Sozialhilfe wenigstens in bar aus.
Deshalb machen wir jetzt eine neue Kampagne. Sie heißt „de-fence“, auf deutsch also „Weg mit den Zäunen!“. Anlass für die Kampagne „de-fence“ ist der 15. Jahrestag der Grundgesetzänderung 1993, mit der das Asylrecht der Bundesrepublik massiv eingeschränkt wurde. Gleichzeitig wurden vor fast 15 Jahren durch die Einführung des Asylbewerberleistungsgesetzes die Lebensbedingungen für die wenigen, die es noch schaffen hierher zu fliehen, eklatant verschlechtert. Im Zuge der Kampagne „de-fence“ werden wir staatlichen und alltäglichen Rassismus an sechs ausgewählten Themenbereichen problematisieren und angreifbar machen. Höhepunkt der Kampagne wird eine bundesweite Demo am 5. Juli 2008.
Wir wollen mit der Kampagne natürlich nicht die gesellschaftlichen Bedingungen für Flüchtlinge und MigrantInnen vor der faktischen Abschaffung des Asylrechts glorifizieren. Aber die Entwicklung, die zur Grundgesetzänderung führte, zeigt wie eng die bundesdeutsche Flüchtlingspolitik mit der kapitalistischen Verwertungslogik, Wirtschaftskrisen und dem innenpolitischen Klima zusammen hängt: Bei der Wirtschaftskrise der 70er Jahre waren die zu EinwanderInnen gewordenen ArbeitsmigrantInnen die Ersten, die ihre Arbeit verloren. Trotzdem wurden sie und die neu ankommenden Flüchtlinge von der Politik für die massenhaften Entlassungen und die steigenden Arbeitslosenzahlen verantwortlich gemacht. So konnte 1981 die Verabschiedung des Asylverfahrensgesetzes durchgedrückt werden, mit der Lagerunterbringung und Sachleistungen als Mittel gegen die sogenannte „Asylantenschwemme“ verkauft wurden. Die rigide Abschottungs- und Vertreibungspolitik sollte von den anstehenden Sozialkürzungen ablenken, die europaweit eine Reaktion auf die Krise waren.
Die Strategie der öffentlichen rassistischen Hetze ging auf: Rassisten und Nationalisten fühlten sich stark, Übergriffe auf MigrantInnen und Linke nahmen massiv zu, ebenso wie die Wahlerfolge rechtsextremer Parteien. Ab 1986 brannten in regelmäßigen Abständen Flüchtlingsunterkünfte. Mit der feindlichen Übernahme der DDR wurde das rassistische Gerede vom angeblichen Asylmissbrauch in die ‚neuen’ Bundesländer exportiert. Auch der gesetzlich geregelte institutionelle Rassismus galt nun in der Ex-DDR. Beide Formen des Rassismus dienten dazu, das neue Großdeutschland zu festigen und von den sozialen und ökonomischen Problemen der Einheit abzulenken. Mit dem Erfolg, dass im nationalistischen Taumel des ‚wiedervereinigten’ Deutschland täglich Flüchtlingsunterkünfte brannten. Von 1990 bis 1992 wurden 17 Menschen ermordet und 453 zum Teil schwer verletzt, es gab über 1.900 Anschläge. Diese Welle der Gewalt war politisch geschürt und gewollt. Sie diente als Begründung und Beleg, dass die Grundgesetzänderung sein müsse. Seit dem 1.7.1993 steht deshalb nicht mehr das uneingeschränkte Recht auf Asyl im Grundgesetz, obwohl es auch 1993 massive Proteste gegen diese Änderung gab. Damit wurde auch eine der wenigen Lehren, die der deutsche Staat aus seiner faschistischen Vergangenheit gezogen hatte, revidiert.
Die Abschaffung des uneingeschränkten Grundrechts auf Asyl 1993 stellt einen traurigen Höhepunkt in der bundesdeutschen Flüchtlingspolitik dar. Sie war die Voraussetzung für noch viel weitergehende Ausgrenzungen und Entrechtungen. Dazu gehört die Einführung angeblich sicherer Herkunftsländer und der Drittstaatenregelung, die es Flüchtlingen heute fast unmöglich zu machen, wirklich nach Deutschland zu kommen. Mit dem Asylbewerberleistungsgesetz wurde das bis heute zentrale Instrument zur Entrechtung hier lebender Flüchtlinge eingeführt. Es macht sie zu Menschen zweiter Klasse, denen u.a. nur ein gekürzter Sozialhilfesatz und eine verminderte Gesundheitsversorgung zustehen.
Schon 1997 wurden weitere Verschärfungen beschlossen, seit 1998 wurde gegen massiven und breiten gesellschaftlichen Widerstand der umstrittene §1a eingeführt. Nun kann Flüchtlingen, denen Missbrauch oder mangelnde Kooperation unterstellt wird, die staatliche Unterstützung soweit gekürzt werden, dass sie praktisch obdachlos ausgesetzt und ausgehungert werden. Seitdem hat es unter den wechselnden Regierungen jede Menge Verschärfungen, wie z. B. das Zuwanderungsgesetz, gegeben.
Dem wollen wir etwas entgegensetzen und haben deshalb als einen Baustein die Kampagne „de-fence“ entworfen. Wir wollen nicht in einem Land leben, das Menschen, die mittellos hierher fliehen oder auf der Suche nach einem besseren Leben sind, nach Verwertbarkeitskriterien sortiert, in Lager steckt, ausgrenzt und abschiebt. Wir wollen mit unserer antirassistischen Gesellschaftskritik dort ansetzen, wo Menschen marginalisiert werden. Alle Menschen, die hier wohnen, sind für uns gleichberechtigter Teil eines gemeinsamen gesellschaftlichen Lebens. Wenn das nicht durchgesetzt wird, ist nichts und niemand davor sicher, als überflüssig deklariert und ausgegrenzt zu werden. Wir lassen uns nicht spalten in die, die gerade ausgegrenzt werden und die, die gerade davon profitieren – und sei es nur dadurch, dass es sie in dem Moment nicht am Schlimmsten trifft.
Deshalb wollen wir den gemeinsamen Kampf um gleiche Rechte in den Mittelpunkt unserer Kampagne stellen. Das bedeutet für uns im Alltag und auf politischer Ebene mit allen Mitteln denen etwas entgegenzusetzen, die rassistisch spalten wollen. Dabei werden wir auch an die alltäglichen Widerstandsformen und das Unterlaufen von Gesetzen anknüpfen, die MigrantInnen mit und ohne Papiere täglich aufs Neue praktizieren.
Wir rufen alle migrantischen, flüchtlingspolitischen, antirassistischen Gruppen und Einzelpersonen auf, die Kampagne „de-fence“ aufzugreifen und sich im Laufe des nächsten Jahres an Widerstandsaktionen zu beteiligen! Wir begrüßen es auch, wenn Ihr selbst Aktionen initiiert!

Für freies Fluten und alles für alle!

Wir rufen auf zur

zum Antirassistischer Einkauf in Brandenburg, anlässlich des internationalen Tags der MigrantInnen am 15.12.07

Aktionen zum Thema Abschiebelager schließen! im März 2008 –gegen das Abschiebelager in der Motardstraße in Berlin Spandau

und im Juli 2008 – Bundesweite Demo in Berlin zur Wiederherstellung des Grundrechts auf Asyl und Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetz!
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Ergänzungen

feine sache

exilLBG 05.11.2007 - 01:06
ich persönlich fand die demo gelungen.
schade das relativ wenig leute da waren, denn dann wäre die
demo sicher noch kraftvoller & lauter gewesen, zudem hätte
man besser/geschlossener auf die völlig überzogenen Polizei-
provokationen (grundloses Aufhalten & Abfilmen der Demo und
ihrer Teilnehmer) reagieren können. VoKü war köstlich, auch
wenn sie die Menschen hinter den Mauern sicher nötiger gehabt
hätten. besonders herausheben möchte ich zudem die Redebei-
träge, die durch die Bank wirklich klasse waren. Die Aktion
mit den Luftballons war ebenfalls ein tolle Idee. Muss ja
nicht immer kopflos-radikaler Aktionismus sein ;)

Tolle Kampagne, der sich hoffentlich bis zum Sommer noch viele
Menschen anschließen werden.

No Borders! No Nations! For Freedom Of Movement!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 6 Kommentare an

Berlin=lasch? — Derderimmmastinkt

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@Derderimmmastinkt — ---.----

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