Afghanistan und kein Ende

Wal Buchenberg 28.10.2007 16:14 Themen: 3. Golfkrieg Militarismus Weltweit
Am 12.Oktober verlängerte der Bundestag den Einsatz von 3.500 Soldaten aus Deutschland in Afghanistan. Vorher hatte der Parteitag der Grünen den eigenen Abgeordneten empfohlen, gegen diesen Kriegseinsatz zu stimmen. An diese Empfehlung hielten sich nur 15 grüne Abgeordnete.
Auf dem jetzigen Parteitag der SPD in Hamburg distanzierte sich Außenminister Steinmeier zwar vom Irakkrieg, gleichzeitig ließ er vom Parteitag eine Resolution zur Fortführung des Krieges in Afghanistan verabschieden.
Am Wochenende demonstrierten auch zehntausende Kriegsgegner in den USA für den sofortigen Abzug der US-Truppen aus dem Irak.
Von einem Abzug ausländischer Truppen aus Afghanistan ist nirgendwo die Rede.
Am 12.Oktober verlängerte der Bundestag den Einsatz von 3.500 Soldaten aus Deutschland in Afghanistan. Vorher hatte der Parteitag der Grünen den eigenen Abgeordneten empfohlen, gegen diesen Kriegseinsatz zu stimmen. An diese Empfehlung hielten sich nur 15 grüne Abgeordnete.
Auf dem jetzigen Parteitag der SPD in Hamburg distanzierte sich Außenminister Steinmeier zwar vom Irakkrieg, gleichzeitig ließ er vom Parteitag eine Resolution zur Fortführung des Krieges in Afghanistan verabschieden.
Am Wochenende demonstrierten auch zehntausende Kriegsgegner in den USA für den sofortigen Abzug der US-Truppen aus dem Irak. Von einem Abzug ausländischer Truppen aus Afghanistan ist nirgendwo die Rede.

Ganz im Gegenteil. Weitsichtige Militärs in den USA wünschen sich einen schnellen Abzug aus dem Irak, um mehr Truppen für den Krieg in Afghanistan zur Verfügung zu haben.
Seit Januar diesen Jahres starben in Afghanistan rund 6.000 Menschen, doppelt so viel wie im letzten Jahr. Unter den Toten sind fast 200 Nato-Soldaten und geschätzte 3.000 Kämpfer der Taliban und lokaler Widerstandsgruppen. (Zahlen aus: The Economist, 27. 10.2007).



Fast alle westliche Beobachter gehen davon aus, dass der bewaffnete Widerstand in Afghanistan gegen die westlichen Koalitionstruppen noch lange Jahre anhalten wird. Die diesjährigen Verluste haben die Aktivitäten der Taliban und der lokalen Widerstandsgruppen nicht geschwächt. Sie finden weiterhin genügend Rekruten, um ihre Verluste auszugleichen und verfügen über dauerhafte Finanzquellen aus dem Opiumanbau und Drogenhandel.
Neben die fanatischen Taliban mit aktiven Kämpfern aus vielen verschiedenen Ländern treten zunehmend auch lokale Widerstandsgruppen.



Der "Economist" schätzt, dass vor allem im Süden des Landes 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung die Talibankämpfer und die lokalen Widerständler unterstützen.
Die meisten westlichen Beobachter glauben deshalb nicht, dass der bewaffnete Widerstand durch Tötung von Taliban und lokalen Kämpfern beseitigt werden kann.

In den letzten zwei Jahren konzentrierten sich die Spezialkräfte der USA und Großbritanniens darauf, die Führungsebene der Taliban ausfindig zu machen und zu töten. Im Mai wurde der vermutliche Oberkommandierende Süd der Taliban, Mullah Dadullah Akhund getötet. Im Süden sollen auch 50 Kommandeure der mittleren Ebene getötet worden sein. Trotz oder gerade wegen der alliierten Erfolge im Süden vermehren sich die Angriffe in Regionen, die bisher noch relativ friedlich waren.

Dass die USA im Irak intervenierten, um Osama Bin Laden und seine Religionskrieger zu bekämpfen, war ein schlecht erfundener Vorwand. Gegen den Willen der Bush-Regierung stellt sich nun heraus, dass mit zunehmender Kriegsdauer im Irak und in Afghanistan beide Kriege immer stärker miteinander verwoben sind. Wenn keine grundlegende Änderung eintritt, wird es wahrscheinlicher, dass die USA beide Kriege verlieren könnten. Die anhaltenden Kämpfe im Irak verhindern ein stärkeres Durchgreifen in Afghanistan. Die ungünstige strategische Situation der westlichen Koalition in Afghanistan könnte den Abzug der USA aus dem Irak beschleunigen.

Für beide Kriege stehen immer weniger irgendwelche "positiven" Zielsetzungen im Vordergrund. Für beide Kriege geht es immer stärker um Schadensbegrenzung für die USA und ihre Koalitionsarmee. Für beide Kriege gilt auch, was Perikles in dem verlustreichen Peloponnesischen Krieg seinen Athener Mitbürgern einschärfte:
"Die Herrschaft, die wir über andere ausüben, ist eine Tyrannei. Dass wir nach dieser Herrschaft gegriffen haben, mag ungerecht scheinen. Diese Herrschaft loszulassen, wäre aber für uns lebensgefährlich!" (Thukydides II, 63).
Die Fremdherrschaft von USA und Nato über den Irak und über Afghanistan ist eine Tyrannei, die den meisten Menschen ungerecht erscheint. Aber diese Herrschaft loszulassen, könnte gefährlich für die fremden Herren enden.

Wal Buchenberg für Indymedia, 28.10.2007.
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Ergänzungen

Britische Offensive im Süden des Landes

R. Göbel, N. Griebel 01.11.2007 - 07:28
Die NATO hat vor den Toren der südafghanischen Stadt Kandahar eine neue Offensive gegen die Taliban gestartet. Presseberichten zufolge ist die Zivilbevölkerung auf Motorrädern, Traktoren, in Autos und mit Tieren auf der Flucht. Wer nur irgendwie kann, verläßt das Kampfgebiet. Laut der mit der NATO verbündeten lokalen Polizei wurden bei den »heftigen Gefechten« 50 Taliban getötet, 200 weitere Kämpfer waren demnach am Mittwoch umzingelt. Über zivile Opfer wurden keine Angaben gemacht. Taliban-Sprecher Jussuf Ahmadi hatte am Dienstag behauptet, die Rebellen hätten den Bezirk Arghandab unter ihre Kontrolle gebracht und den gegnerischen Truppen schwere Verluste zugefügt. Die NATO und ihr gegenüber loyale afghanische Streitkräfte bestritten dies.


Angesichts des wachsenden Widerstands haben die Besatzungstruppen am Hindukusch offensichtlich Nachschubprobleme. Presseberichten zufolge könnte die britische Armee in naher Zukunft gezwungen sein, 20 private Hubschrauber zu mieten, um Material und Soldaten innerhalb Afghanistans zu transportieren. Forderungen an mehrere ­NATO-Länder, darunter auch Deutschland, entsprechende Maschinen zur Verfügung zu stellen, waren zuvor abgelehnt worden. Offiziellen Angaben zufolge sind in Afghanistan seit Invasionsbeginn vor sechs Jahren 18 Militärhubschrauber durch Unfälle oder Feindeinwirkung zerstört worden. Offenbar sind weder die USA noch Großbritannien in der Lage, weitere Helikopter zur Verfügung zu stellen. Dies läßt den Schluß zu, daß bislang deutlich mehr NATO-Hubschrauber abgeschossen worden sind als offiziell eingestanden – wofür zahlreiche entsprechende Meldungen der Taliban sprächen. Oder aber die Kämpfe sind mittlerweile derart eskaliert, daß eine erhöhte Transportkapazität benötigt wird.


Laut Jerome »Paddy« Ashdown, der als nächster »Superbotschafter« der Vereinten Nationen in Afghanistan gehandelt wird, ist die militärische Lage für die Besatzer praktisch aussichtslos. »Wir haben verloren, glaube ich, ein Erfolg ist jetzt unwahrscheinlich«, zitierte der britische Daily Telegraph den britischen Spitzenpolitiker, der zwischen 2002 und 2006 Hoher Repräsentant der UNO für Bosnien-Herzegowina war. »Ich glaube, in Afghanistan zu verlieren ist schlimmer, als im Irak zu verlieren. Es wird bedeuten, daß Pakistan fallen wird, und es wird ernste interne Folgen für die Sicherheit unserer eigenen Länder haben und einen ausgeprägteren schiitisch-sunnitischen regionalen Krieg im großen Maßstab herbeiführen.«

Kriegsrhetorik und Wirklichkeit im Frieden?

robin 01.11.2007 - 15:37
"Wenn keine grundlegende Änderung eintritt, wird es wahrscheinlicher, dass die USA beide Kriege verlieren könnten."

Wal sollte glaube ich vorsichtiger sein, wenn er über den internen Zustand eines Kriegsgebietes redet. Für wen es wo gefährlich ist und wann jemand glaubt, verloren zu haben, ist keine Frage von Dogmen und verlorenen Ideologien.
Auseinandersetzungen gibt es ja auch zwischen der Linken und werden toleriert, wenn hier eine Gruppe glaubte, dass sie verloren habe, würde sie dann aufgeben oder weiter bis zum Tod kämpfen?
Vielleicht sollten sich die Kriegführenden fragen, was sie schon vorher an Gewissheiten verloren, bevor sie in den Krieg zogen.
"Krieg ist Fortführung der Politik mit anderen Mitteln" (Clausewitz).

Politische Auseinandersetzungen wird es immer geben, dessen bin ich mir gewiss, und bedingen für die Streitenden Kompromisse und Veränderungen...

Ich finde den letzten Teil des Artikels schlecht, weil vage recherchiert und Wal argumentiert hier mit populistischen Medienphrasen. Wenn eine aktuelle Position zum Militäreinsatz in Afghanistan bezogen werden soll, muss man sich, wenn über Rückzug geredet wird, mit den Möglichkeiten dazu beschäftigen.

Und wer geht hier davon aus, die gesammelte anti-westliche Front dann den Gegner verfolgen wird?

Hierzu ein guter Artikel aus der le Monde Diplomatique, über die inneren Kämpfe zwischen Taliban, al Quaida und regionalen Gruppen:

 http://www.monde-diplomatique.de/pm/2007/07/13.mondeText.artikel,a0015.idx,1

Irakkrieg als Teil des "Kampf gegen Terror"

Quelle 23.11.2007 - 17:38
Ist zum Beipiel hier belegt
Bundeszentrale für politische Bildung

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 7 Kommentare

gefährlich für die fremden Herren ?

Ich 28.10.2007 - 16:37
das Desaster ist nicht unbedingt, dass es gefährlich für die fremden Herren werden würde, das erst in zweiter Linie. In erster Linie würde es für alle, die mit dem Westen kooperiert haben, gefährlich werden, weil sie nach einem Truppenabzug von Taliban oder islamistischen Widerständlern abgeschlachtet werden würden. Das gilt für alle PolitikerInnen, Frauen, die sich nach der Entmachtung geöffnet haben, Anhängern der neu geschaffenen Polizei und Armee etc. Allein deshalb "können" die Soldaten nicht abgezogen werden - man steckt in einer Zwickmühle, aus der es kein Entrinnen gibt.

Deshalb erachte ich es für unmöglich, die Truppen abzuziehen. Mir geht dieses ergraute Anti-Imperialismus-Gelaber der Linken dermaßen auf die Nerven, die seit eh und je mit dem selben scheiß Argument kommt und vor den Realitäten die Augen verschließt.

Ich-Kommentar ist Bullshit

muss ja 28.10.2007 - 16:49
Das typische Beispiel für Pseudolinke, die ihr politisches Weltbild angand Spiegel und RTL-News aufgebaut haben. "Ich" scheint nicht mal zu wissen, daß die Nato zuvoe die Taliban unterstützt hat und es vielleicht in ein paar Jahren wieder tun wird. Je nachdem, wer besser als nützlicher Idiot taugt. Die Ansicht, die Nato wäre aus selbstlosen, humanistischen Erwägungen in Afghanistan eingefallen lässt auf völlige Verblödung schliessen.

statement

Ich 28.10.2007 - 16:59
Ich habe nie behauptet, die Nato sei aus humanistischen\selbstlosen Zwecken dort eingefallen. Ich meine dies nur als sozusagen globalpolitisches Argument ; es würde zu einem Desaster der US-Außenpolitik werden, wenn nach einem Truppenabzug die Nachrichten voll wären mit Meldungen alá "500 Oppositionelle in Baghdad erschossen". Das kann man sich einfach nicht leisten.

Dass die USA in Zeiten des Kalten Krieges zB faschistische Diktaturen oder eben die Taliban unterstützt haben (Was sich übrigens auch aus Spiegel und Co herausfinden lässt, mein ach so nicht-bürgerlicher Linker ;) ) ist mir natürlich bekannt. Dein Schwarz-Weiß-Denken, wonach die bösen bösen US-Imperialisten, die sich jede Bosheit auch vor internationaler Kulisse leisten könnten weil sie so geheime böse Strippenzieher haben, die die armen armen, im Kern ja gar revolutionären und sozialistischem anspruch genügenden, Völker des Nahen Ostens unterdrücken, lässt sich übrigens auch durch das Studieren von 5 Demo-Flyern und ner Zeitung der DKP mit 13 Jahren schon konstruieren. Nur, um mal auf deinem Niveau zu argumentieren.

so sehr

auch 28.10.2007 - 17:19
so sehr auch ich diesen krieg hasse, und auch den einfall im irak, stehen sie jetzt doch vor einer zwickmühle. klar haben die usa völkerrechtswidrig gehandelt. aber was passiert wenn man plötzlich alle trupppen abzieht? in afghanistan setzen sich wieder die taliban durch und im irak schlagen sich sunniten und schiiten die köpfe ein. wie kann man angesichts dieser katastrophalen lage die hundertausende von menschenleben auslöschen würde, ein fach sagen "alle raus"?
das argument von selbstbestimmten völkern/menschen zieht bei dieser problematik nicht.
schon gar nicht ist diese dituation mit phrasen zu lösen.

Ja ja

El Gordo 28.10.2007 - 17:54
Freiwillige Kooperation von der Bevölkerung gibts zum einen weder mit dem Westen, noch mit der Taliban. Alle Gruppen, die in Afghanistan operieren, tun dies im Interesse irgendeines Staates, und nicht der Afghanen. Indien, Pakistan, die USA und der Iran dürften wohl die wichtigsten sein. Afghanistan ist geografisches Zentrum von vier Atommächten (Indien, Pakistan, China und Russland) und wer dieses beherrscht, der hat die militärstrategisch besten Karten!
Deutschland möchte gern wieder eine Rolle in der neuen Weltordnung spielen, daher das Angagement! Im Sudan, wo die selben Gotteskämpfer seit Jahren hundertatusend Menschen umbrachten, rührte die Bundesregierung bisher keinen Finger.
Meine Prognose für die Zukunft: Auch in 10 Jahren werden noch deutsche Soldaten in Afghanistan stationiert sein!
Die Lage der Bevölkerung vor Ort hat sich nicht verbessert. Es ist gerade schon lächerlich, wenn für die Presse z.B. Mädchenschulen oder gar gemischte Schulen auf dem Dorf gezeigt werden, die nur als Holzattrappe existieren. Wenn dann noch der Dorfmullah den gemeinsamen Unterricht als islamisch bezeichnet, ist der Gipfel der Unglaubwürdigkeit erreicht.
Unsere Politiker sind weder doof, noch haben sie samariterhafte Anwandlungen. Es dürfte wohl daher klar sein, woher der Wind weht...

Wer dafür ist, Afgahnistan zu einem

Aufmarschgebiet 28.10.2007 - 20:16
gegen China und Russland mit noch mehr Krieg in der Region zu beführworten, der dreckig mit den Massenmördern aus der Karsai Regierung lacht, wer schon vergessen hat, dass die Lehrer und Frauen zuerst von denjenigen ausgerottet wurden, die über Brezinsikis Terrorliste finanziert wurde, lange bevor es die Taliban gab, der tickt in seinem dämlichen deutschen Mittelstandschädel schon lange nicht mehr richtig.

schlecht gedachtes Schreiben:

Dr. Seltsam 19.11.2007 - 22:00
"Dass die USA im Irak intervenierten, um Osama Bin Laden und seine Religionskrieger zu bekämpfen, war ein schlecht erfundener Vorwand."

... und dies wiederum ist mangels alternativer Erklärungen nur eine durch rein gar nichts legitimierte Behauptung, die Wal Buchenberg sich mal eben so aus den Fingern gesogen hat.