Erste Erfolge gegen §129a-Repression

Peter Schmidtke 25.10.2007 13:28 Themen: G8 G8 Heiligendamm Repression
Der Haftbefehl gegen den Berliner Soziologen und Aktivisten Andrej H. wurde aufgehoben. Er war Ende Juli gemeinsam mit drei weiteren Männern wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer "terroristischen Vereinigung" ("militante gruppe") inhaftiert worden. Am 22. August wurde ihm gegen Kaution und Meldeauflagen eine Haftverschonung gewährt, wogegen die Bundesanwaltschaft (BAW) Widerspruch einlegte. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass der Haftbefehl unrechtmäßig war und ihn aufgehoben. Von verschiedenen Seiten wird die Entscheidung als Niederlage für die BAW gewertet.

Das Verfahren nach Paragraf 129a gegen insgesamt sieben Beschuldigte läuft jedoch weiter. Drei von ihnen sitzen nach wie vor unter verschärften Bedingungen in Untersuchungshaft. Die AnwältInnen der Betroffenen und das Einstellungsbündnis fordern die Einstellung des Verfahrens gegen alle sieben Beschuldigten. (Bild: ostblog.de)

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Bisher auf Indy: Repression gegen die Linke geht weiter (08.08.) | §129a in Frage gestellt (30.08.)
Wie die Pressestelle des BGH mitteilte, entschied der zuständige 3. Strafsenat bereits am vergangenen Donnerstag über die Beschwerde der BAW gegen die Haftverschonung H's. Der BGH hat demnach nicht allein die Haftverschonung bestätigt, sondern den Haftbefehl aufgehoben. Das Rechtsmittel der BAW "hat keinen Erfolg; vielmehr führt es zur Aufhebung des Haftbefehls", heißt es in der Begründung des Beschlusses. Zwar hätten die Ermittlungen "die Einbindung des Beschuldigten in die linksextremistische Berliner Szene" und weitere Indizien belegen können, die einen "Anfangsverdacht" ausmachten, doch fehle für die Erlassung eines Haftbefehls der dringende Verdacht einer Straftat. Dieser könne aber mit "bloßen Vermutungen" nicht bejaht werden. Damit rechtfertigte der BGH zwar die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, sah aber für einen Haftbefehl keine Rechtsgrundlage.

AnwältInnen: Verfahren einstellen

Auf einer Pressekonferenz am Nachmittag begrüßten die Anwältinnen und Anwälte der Beschuldigten die Entscheidung des BGH. Der BGH habe bestätigt, "dass die Rückschlüsse der Bundesanwaltschaft überzogen und rein spekulativ sind", sagte Christina Clemm, die Andrej H. vertritt. "Sämtliche Grundrechtseingriffe, die mein Mandat in den vergangenen Monaten über sich ergehen lassen musste, sind damit rechtswidrig. Der nächste Schritt wird sein, das Verfahren einzustellen."

Auch Ulrich von Klinggräff, einer der Verteidiger von Florian L., bewertete die Entscheidung als einen Schritt zur Einstellung des Verfahrens. Die Ermittlungen beruhten "größtenteils auf Mutmaßungen und Konstruktionen", erklärte er. Da auch bezüglich der weiteren drei Beschuldigten kein dringender Tatverdacht nach Paragraf 129a vorliege, forderte er auch den Haftbefehl gegen Axel H., Florian L., und Oliver R. aufzuheben, die seit dem 1. August in Untersuchungshaft sitzen.

Für die BAW ist der Beschluss eine klare Schlappe. Dies sahen auch Volker Ratzmann (Anwalt und Fraktionschef der Berliner Grünen), Renate Künast (Fraktionschefin der Grünen im Bundestag) und Tobias Pflüger (MdEP der Partei Die Linke) so. Sie nannten das Ergebnis eine "Ohrfeige für die Bundesanwaltschaft". Die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke (Die Linke) forderte nach der Entscheidung, das Verfahren gegen alle sieben Beschuldigten einzustellen.

Fehlende Grundsatzentscheidung

Wider Erwarten hat sich der BGH nicht zu der Frage geäußert, ob die Anwendung des Paragrafen 129a gegen die Beschuldigten und die "mg" generell überhaupt rechtens ist. Denn der Paragraf beinhaltet, dass die durch ihn verfolgten Taten in der Lage sein müssen, "die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern" oder "Grundstrukturen eines Staates [...] zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen". Dass dies beim Anzünden von Fahrzeugen nicht gegeben ist, erklärte auch der Vorsitzende des Republikanischen Anwältinnen-und Antwaltsverein, Wolfgang Kaleck: "Eine Brandstiftung ist keine terroristische Straftat", sage er auf der Pressekonferenz am Mittwoch.

Die Erwartete Grundsatzentscheidung des BGH trat aber nicht ein. Der BGH war der Meinung, die Frage der Bewertung der "mg" noch nicht behandeln zu müssen. Eine solche Entscheidung war im Vorfeld angekündigt worden und ist für die drei noch Inhaftierten von großer Bedeutung. Denn nur durch den Ermittlungsparagrafen 129a sitzen sie seit nunmehr drei Monaten unter verschärften Bedingungen in Untersuchungshaft in Berlin-Moabit. Ohne den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer "terroristischen Vereinigung" bestünde gegen sie lediglich der Vorwurf der versuchten Brandstiftung. Die Verteidigung erwarte aber eine solche Entscheidung im Zusammenhang mit der Verhandlung der Haftbeschwerden der drei Beschuldigten, hieß es in einer Pressemitteilung des Einstellungsbündnisses.

ZeugInnenvorladungen: Weitere Repression

Unterdessen hat das Bundeskriminalamt (BKA) weiter ermittelt. Seit Dienstag waren mindestens 19 Menschen aus dem Umfeld der Beschuldigten für ZeugInnenaussagen geladen worden. Der Vorladung hatten sie Folge zu leisten und waren rechtlich zur Aussage verpflichtet, da sie von der Bundesanwaltschaft kam. "Bei diesen Vernehmungen geht es vor allem darum, das persönliche und berufliche Umfeld der Beschuldigten auszuforschen", erläuterte der rechtliche Beistand der ZeugInnen, Alain Mundt. Obwohl ihnen hohe Bußgelder und "Erzwingungshaft" zur Erpressung von Aussagen drohten, verweigerten einige der als ZeugInnen geladenen jede Aussage - nicht zuletzt, weil sie sich leicht zu Verdächtigen machen könnten. Betrachtet man das Konstrukt der BAW, dann reichen die Beschäftigung mit bestimmten Themen, politischer Aktivismus in der Linken und angeblich "konspiratives Verhalten", um einen Anfangsverdacht für ein Ermittlungsverfahren nach Paragraf 129a zu liefern. Um ein gemeinsames Vorgehen zu koordinieren ruft deshalb die ZeugInnengruppe alle, die Vorladungen bekommen, dazu auf, sich mit dem Eermittlungsausschuss (EA) in Verbindung zu setzen.

Neues in weiteren Verfahren

Auch im Zusammenhang mit den Verfahren vom 9. Mai konnte Rechtsanwalt Ulrich von Klinggräf neues berichten. Aus einem ihm zur Kenntnis vorliegenden Schreiben des BGH an die BAW gehe hervor, dass der BGH "erhebliche Zweifel an der Zuständigkeit des Generalbundesanwalts und damit des Ermittlungsrichters" habe. Dies bedeutet, dass die Anwendung des Paragrafen 129a rechtswidrig wäre und die Landeskriminalämter die Ermittlungen übernehmen müssten. Der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer "terroristischen Vereinigung" müsste gegen alle Betroffenen fallen gelassen werden.

Einen Monat vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm hatte die Bundesanwaltschaft über 40 Objekte in Norddeutschland durchsuchen lassen und bekannt gegeben, dass gegen mindestens 18 Personen nach Paragraf 129a ermittelt werde. Ein Teil betrifft das seit 2001 laufende Ermittlungsverfahren gegen angebliche Mitglieder der "militanten gruppe", die Mehrheit jedoch das Konstrukt einer "terroristischen Organisation", die eine "militante Kampagne" zur Verhinderung des G8-Gipfels geplant und durchgeführt habe.

Was ist eigentlich Terrorismus?

Mit Sinn für Humor hat das Bündnis auf die Diskussionen um die Definition von Terrorismus reagiert. Es hat einen Wettbewerb gestartet und dazu aufgefordert, an Lösung der Frage mitzuarbeiten, was eigentlich Terrorismus ist. Bis zum 30. November sollen juristische, humoristische und politische Beiträge eingereicht werden. In dem Aufruf heißt es:

"Die Bundesanwaltschaft verfolgt ihn. Die rot-grüne Koalition hat versucht, ihn neu zu definieren. Der Bundesgerichtshof muss ihn prüfen und unsere Freunde sollen seinetwegen angeklagt werden. Das Phantom des 'Terrorismus'. Mit dem Paragraph 129a des Strafgesetzbuches sollen die Betätigung und die Mitgliedschaft in einer 'terroristischen Vereinigung' juristisch verfolgt werden, doch selbst die höchsten Richter der Republik sind sich nicht ganz sicher, was darunter verstanden werden soll. Die Bundesjustizministerin denkt, dass nicht mal der 11. September terroristisch war, aber alle haben davor Angst. Das Strafgesetzbuch, die UNO und auch die EU haben gar keinen festgelegten Terrorismusbegriff und auch wir fragen uns aktuell: Was ist eigentlich Terrorismus? Wer ist ein Terrorist? Und was eine terroristische Handlung?"
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Ergänzungen

15.12.2007 Bundesweite Demo gegen Repression

... 25.10.2007 - 16:29
Am 15.12.2007 findet in Hamburg eine bundesweite Demonstration von Soligruppen und -zusammenhängen gegen alle drei aktuellen Ermittlungsverfahren nach §129a statt. Zusätzlich wird gegen zunehmende Repression im Alltag und den Überwachungsstaat demonstriert.

Die Demonstration wird begleitet von einer Veranstaltungsreihe in verschiedenen Städten. Sie soll ein konkreter Ausdruck der Solidarität mit den Betroffenen der Repression werden und die Einschränkungen des Demonstrationsrechtes im Zusammenhang G8 und ASEM aufgreifen.

In Kürze folgen Aufrufe und weitere Informationen zum Demokonzept. Beginn der Demonstration ist um 13 Uhr vor der Roten Flora, die im Rahmen der bundesweiten Ermittlungen gegen die "militante Kampagne" durchsucht wurde. Die Route wird in die Innenstadt führen.

Informiert Euch und Unterstützt die Mobilisierung zur Demonstration:

Weg mit dem §129!
Gegen den kapitalistischen Normalzustand!
Für autonome Bewegungen und linksradikale Praxis!

Erste und einzige Erfolge

egal 25.10.2007 - 22:43
Die Aufhebung des Haftbefehls wird höchstwahrscheinlich der einzige Erfolg in den nächsten Monaten bleiben. Es ist davon auszugehen, dass die drei Gefangenen weiter im Knast sitzen müssen, weil das BKA sagt, sie hätten die drei auf dem Gelände des Rüstungskonzerns M.A.N. gesehen, wie sie Brandsätze unter Kriegsfahrzeuge gelegt hätten.

Insofern kann man sich für Andrej freuen, aber der Kampf für die Freiheit der politischen Gefangenen muss weitergehen. Sehr schön ist, dass sich inzwischen auch Andrej selbst zu Wort meldet. Diese Stimme hatten bisher viele vermisst. Ein gutes Zeichen ist auch, dass die Medien die redaktionelle Tätigkeit von Andrej in der bundesweiten Untergrundzeitung "radikal" nicht zum Anlass nahm, um die positive Stimmung für Andrej zu kippen. Die Medien sind und bleiben in diesem Punkt auf unserer Seite. Das haben wir der großen Solidaritätsarbeit in den Tagen von Andrejs Inhaftierung zu verdanken. Und das nutzt bis heute auch den linksradikalen Medien wie Interim, radikal, aber auch Indymedia.

weitere Gegenaktivitäten

egal 25.10.2007 - 23:24
Am 17.11.07 findet ab 14 Uhr in Rostock eine Demo gegen Justizwillkür und Überwachungsstaat statt. Anläßlich der gerade beginnenden Prozesswelle gegen G8-DemonstrantInnen vor Rostocker und Bad Doberaner Gerichten soll ein deutliches Zeichen der Solidarität gesetzt werden. Themen sind daneben auch: Kriminalisierung antifaschistischen Widerstandes, die neue Sicherheitstechnologie und Aufstandbekämpfungsstrategien der Polizei und die diesjährigen Anschläge und Durchsuchungen der Bundesanwaltschaft.
weiteres unter
 http://antirep.blogsport.de

Neben dem Erfolg nicht die Risiken übersehen!

Leser 26.10.2007 - 11:09

 http://delete129a.blogsport.de/ hat die Langfassung eines Textes von Paragraphenamazone veröffentlichen, der vor einer Woche in einer kürzeren Fassung in „ak. analyse und kritik“ erschienen ist. Diese Langfassung ist nach delete129a-Einschätzung nicht überholt, obwohl sie bereits vor der am Mittwoch bekannt gegebenen BGH-Entscheidung fertig gestellt wurde.
Der Text warnt vor Gefahren, die auch mit der jetzigen BGH-Entscheidung nicht vom Tisch seien:

1. Warnt der Text davor, das Beweis- oder Indizienmaterial der BAW gegen die drei weiterhin inhaftierten GenossInnen zu unterschätzen. Eine Kampagne, die die Vorwürfe der BAW schlicht und einfach als „absurd“ und „haltlos“ abtut, könne schnell zusammenbrechen, falls die BAW doch etwas in der Hand hat und ein Zeitpunkt kommt, wo es ihr opportun erscheint, das eventuell vorhandene Material zu veröffentlichen.

2. Insbesondere habe – jedenfalls bisher – die Strategie nicht funktioniert, die „Terrorismus“-Vorwürfe gegen die drei Inhaftierten darüber wegzubekommen, dass sie bei Andrej ausgeräumt werden.
2.1. Auch gegen Andrej werd weiterhin wegen des Verdachtes der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ermittelt – wenn auch nur noch wegen einfachen und nicht mehr wegen dringenden Tatverdachtes (dazu wird bei delete129 auf eine Presseerklärung von Ulla Jelpke verwiesen).
2.2. Nicht einmal der dringende Tatverdacht auf mg-Mitgliedschaft der drei Inhaftierten sei in einem Automatismus mit dem dringenden Tatverdacht gegen Andrej ausgeräumt worden. Vielmehr werde der BGH über diese Frage erst zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden. Wie diese Entscheidung ausfällt, sei zumindest offen.

3. Mindestens genauso offen ist die Frage, wie der BGH das Problem entscheiden wird, ob die mg überhaupt eine „terroristische Vereinigung“ im Sinne des Gesetzes ist (dazu wird auf Artikel im „Stern“ und im „Tagesspiegel“ verwiesen). Es wird befürchtet, dass das jetzige Schweigen des BGH zu dieser Frage darauf hin deutet, dass er den „Terrorismus“-Vorwurf am Ende bejaht. Die Frage, ob die mg eine „terroristische Vereinigung“ im Sinne des Gesetzes ist, sei die grundlegende Frage, von der das ganze Verfahren abhänge. Dass der BGH die Frage in der Entscheidung zu Andrej nicht behandelt, deute darauf hin, dass er sie stillschweigend bejahe. Würde er sie verneinen, so würde das Ermittlungsverfahren nämlich auch nicht wegen eines einfachen Verdachts auf Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung“ weitergeführt werden können! Delete129a macht folgenden Vergleich auf: Würde die BAW als nächstes gegen ein Sportteam, das nichts anderes mache, als Volleyball spielen, wegen Terrorismus-Verdachts ermitteln, so würde der BGH – hoffentlich – auch nicht erst prüfen, ob die einzelnen Beschuldigten Team-Mitglieder sind, sondern der BAW mitteilen, dass es schon an einer „terroristischen Vereinigung“ fehlt, so dass die Frage, wer Mitglied des Sportteams ist, strafrechtlich völlig irrelevant ist.
Deshalb sei auch weiterhin die strategische Schlussfolgerung des jetzt veröffentlichten Textes von Paragraphenamazone richtig: Statt Konzentration auf die Verteidigung speziell von Andrej vielmehr „den Angriff auf den § 129a in Zentrum rücken!“ – dies ist das Einzige, was definitiv ALLEN Beschuldigten helfen würde. Und dies – die Einstellung des Verfahrens „für alle sieben Beschuldigten“ – sollte in der Tat, wie Andrej im „Junge Welt“-Interview gesagt hat, weiterhin das Ziel sein; diese klare Haltung von Andrej sollte sich die Soli-Bewegung zu eigen machen, so wird plädiert - und in diesem Sinne wird auch die Initiative für eine bundesweite Demo gegen den § 129a am 15.12. in Hamburg begrüßt.

 http://delete129a.blogsport.de/2007/10/26/nach-dem-bgh-beschluss-wir-bleiben-kassandra-treu-und-plaedieren-dafuer/

Panne bei der Terroristenfahndung

Taz 28.10.2007 - 15:22
Wegen Brandanschlägen und dem Buch "Autonome in Bewegung" ermittelt das BKA gegen 18 Personen. Eine vertrauliche Anfrage an eine Autovermietung wurde nun durch deren E-Mail-Verteiler öffentlich.

Berlin

Tobias K.* staunte nicht schlecht. Ende August fand er in seinem E-Mail-Postfach ein Schreiben der Autovermietung CC Raule, dem eine Anfrage des Bundeskriminalamts (BKA) beigefügt war. In dieser Anfrage, die der taz vorliegt, bitten die Ermittler um Mithilfe bei der Fahndung gegen mutmaßliche Terroristen - unter anderem mit der Frage, "ob einer der nachfolgend aufgeführten Personen jemals als Anmieter eines Fahrzeugs der Autovermietung CCUniRent bzw. deren Systempartner in Berlin, Bremen und Hamburg in Erscheinung getreten ist".

Bei den "nachfolgend aufgeführten Personen" handelt es sich um 18 namentlich und mit Geburtsdatum genannte Beschuldigte, gegen die das BKA im Auftrag der Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ermittelt. Aufsehen erregten die Fahnder bereits, als sie kurz vor dem G-8-Gipfel in Heiligendamm zahlreiche Wohn- und Geschäftsräume in Berlin und Hamburg durchsuchten, darunter auch den Buchladen "Schwarze Risse" in Berlin-Kreuzberg. Gegenstand der Ermittlungen ist - neben zahlreichen Brandanschlägen - auch ein Buch mit dem Titel "Autonome in Bewegung". Nicht zuletzt wegen der dünnen Beweislage wurde den Ermittlern der Vorwurf gemacht, sie hätten die Stimmung in der Szene vor dem Gipfeltreffen in Heiligendamm angeheizt.

Weil für einige Brandanschläge, die den Beschuldigten zur Last gelegt werden, Mietfahrzeuge genutzt worden sein sollen, konzentrieren sich die Ermittlungen des BKA nun auf die Autovermietungsfirmen in Berlin und Hamburg. Wie die Marketing-Chefin der Nürnberger Firma CCUniRent, Daniela Weber, der taz bestätigte, sei das BKA deshalb an sie herangetreten. "Sie baten uns, Ihnen bei den Ermittlungen behilflich zu sein", so Weber. Die Fahnder interessierte nicht nur, ob besagte 18 Personen jemals ein Auto mieteten, sondern auch, wer in den Tagen vor insgesamt 17 Anschlägen ein Auto gemietet hatte.

Die entsprechende Anfrage des BKA verschickte Weber als PDF-Datei zusammen mit einem eigenen Begleitschreiben per E-Mail an ihre "Systempartner". Das sind zahlreiche kleine Autovermietungen, darunter auch CC Raule, die unter dem Dach der CC UniRent gemeinsam vermarktet werden.

Pech für die Ermittler: Obwohl sowohl das BKA als auch Daniela Weber um Vertraulichkeit baten, "da sonst der Ermittlungserfolg gefährdet wäre", landete das Schreiben samt BKA-Datei nicht nur bei den Autovermietungen, sondern auch bei Tobias K. Der hatte einige Monate zuvor mit CC Raule Geschäftskontakt gehabt und befindet sich seitdem, wie er sagt, in deren E-Mail-Verteiler.

Wie viele andere Personen auch noch die Post der Terrorfahnder bekommen haben, konnte Daniela Weber nicht sagen. "Was die einzelnen Firmen mit der Mail gemacht haben, entzieht sich meiner Kenntnis."

Offenbar hatte ihr Unternehmen bei der Rundfrage im Auftrag des BKA von Anfang an kein gutes Gefühl. Im Begleitschreiben an die Systempartner heißt es: "Leider arbeiten nicht alle Kollegen ,sauber' und aus diesem Grund weisen wir noch einmal darauf hin, dass es sich hierbei um streng vertrauliche Daten handelt. Die betroffenden Personen sind für das Ermittlungsverfahren sehr wichtig und sollen nicht darüber in Kenntnis gesetzt werden." Das Bundeskriminalamt wollte den Fall auf Anfrage der taz nicht kommentieren.

* Name von der Redaktion geändert

Kommt jetzt eine Kampagne gegen den § 129a?

Querverweis 30.10.2007 - 12:20

Wie alles anfing mit dem §129a-(mg)-Verfahren

Aktenkundige 31.10.2007 - 13:25
Der nachfolgende Text eines Beschuldigten führte nach Aktenlage zur Einleitung des §129a-Verfahrens wegen angeblicher Mitgliedschaft in der militanten gruppe. In diesem Text befinden sich, wie in einem Papier der militanten gruppe aus dem Jahr 2004, neun übereinstimmende Wörter, darunter drakonisch, marxistisch-leninistisch, Reproduktion und politische Praxis. Nach dem Autor gerieten zunächst drei weitere Personen aus dem Freundeskreis des Autors ins Visier der Fahnder. Darunter auch Andrej. Danach erst die drei bei Brandenburg festgenommenen.

Hier ist der Text zu finden:
 http://www.telegraph.ostbuero.de/3_4-98/bernt.htm

Neues vonner TAZ

hinweisender 06.11.2007 - 11:20
TAZ vom 6.11.07:

Staatsanwälte vor neuer Schlappe
Der Bundesgerichtshof zweifelt in Verfahren gegen die "militante gruppe". Die Vereinigung wird nach taz-Informationen wohl nicht als Terrorbande eingestuft. VON CHRISTIAN RATH

"Nach dem Ergebnis der Vorberatungen" sieht der 3. Strafsenat "nicht den dringenden Verdacht begründet", dass es sich bei der militanten Gruppe um eine terroristische Vereinigung handelt, heißt es in dem Schreiben der Richter, das am 24. Oktober an die Bundesanwaltschaft ging. Infrage komme eher die Mitgliedschaft in einer "kriminellen Vereinigung".


 http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/staatsanwaelte-vor-neuer-schlappe/?src=MT&cHash=4de2daddff

Zur Einschätzung des taz-Artikels

Lesende 06.11.2007 - 16:57

Gefunden bei:
 http://delete129a.blogsport.de/2007/11/06/taz-von-heute-611-prognostiziert-schlappe-fuer-bundesanwaltschaft/

Wir unterstellen der taz, was die Existenz des Schreibens des BGH an die BAW und dessen Inhalt anbelangt, zutreffend zu berichten.
Wir wollen allerdings - pessimistisch wie immer - darauf hinweisen, dass der Umstand, dass der BAW das “Ergebnis der Vorberatungen” mitgeteilt wird, heißt, dass die BAW dazu Stellung nehmen und versuchen kann, den Senat umzustimmen.
Sollte der BGH - wie die taz vermutet - einen terroristischen Charakter der mg unter dem Gesichtspunkt der Frage, “ob die Anschläge den Staat ‘erheblich schädigen’ können“, verneinen, so würde dies die Wichtigkeit eines Umstandes zeigen, auf den wir von Anfang an hingewiesen haben.

Wir hatten hier bereits am 16.08. darauf hingewiesen (und es vorher erfolglos bei soli.blogsport.de gepostet) - und versucht zu erklären, warum das politisch wichtig ist. Sorry für das lange Selbstzitat:

Mir scheint die Erklärung der Verteidigung läuft in eine Falle, die die aktuelle Gesetzeslage den Beschuldigten und der Linken im allgemeinen bereit hält. Die Verteidigung bezieht sich im zweiten Absatz ihrer Erklärung auf das Merkmal „bestimmt ist“. Damit bezieht sich die Verteidigung positiv (um den 129a-Vorwurf abzuwehren) auf das Merkmal, das den Gesinnungsjustiz-Charakter des neugefaßten § 129a StGB am deutlichsten macht. Dies ist grundsätzlich problematisch. Denn es verlangt den Beschuldigen ab, ihre Harmlosigkeit zu behaupten – nach dem Motto: ‚Wir haben zwar ein bißchen gezündelt, aber das sollte nicht dazu dienen (in der Sprache des Gesetzes: war nicht dazu bestimmt), den Staat erheblich zu beeinträchtigen.’ (s. zu den damit verbundenen politischen Folgeproblemen genauer:  http://delete129a.blogsport.de/2007/08/13/aamazone-lieber-weniger-pathos-und-mehr-argumente/).
Diese Argumentation ist nicht nur eventuellen politischen Absichten der Gefangenen schädlich, sondern darüber hinaus ist sie auch völlig unnötig. Denn der neugefaßte § 129a nennt für „terroristische Vereinigungen“, die ‚leichte Delikte’ begehen, zwei Merkmal: zum einen das schon erwähnte Merkmal ‚dazu bestimmt ist’; zum anderen muß die Tat aber auch objektiv geeignet sein, den Staat „erheblich [zu]schädigen“.
Gemäß der vom Bundesjustizministerium im internet ( http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/stgb/gesamt.pdf) bereitgestellten Fassung des Strafgesetzbuches vom 20.07.2007 lautet der § 129a StGB in seinem zweiten Absatz nämlich wie folgt:
„Ebenso [die in Absatz 1 vorgeschrieben] wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,
1. [… blabla, blabla — es folgt eine lange Aufzählung, eben u.a. Brandstiftung]
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied
beteiligt, wenn
++ eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, […] die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen,
++ und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.“
Die Verteidigung hätte sich also, wenn sie schon den 129a-Vorwurf nicht grundsätzlich, sondern mit einer gesetzes-immanenten Argumentation abwehren will, auf das zweite (objektive) Merkmal beziehen und dadurch Behauptungen (oder, vielleicht besser gesagt: Andeutungen) über die von den Beschuldigten vorgenommenen politischen Bestimmungen ihrer vermeintlichen Tat vermeiden können. –

Paragraphenamazone schrieb in der Langfassung ihres ak-Artikels (Seite 6, Anm. 2):

Damit [mit ihrer Erklärung] verkürzt die Verteidigung, nebenbei bemerkt, zu allem Überfluss auch noch zwei Kriterien des Gesetzes (nämlich ein subjektives: „bestimmt“ und ein objektives: „kann“) zu einem einzigen – und beteuert nun auch noch ausgerechnet, die Harmlosigkeit der Absichten der vermeintlichen Täter, anstatt es denn wenigstens (wenn es denn überhaupt sein muss), bei der Feststellung der objektiven Ungeeignetheit zu belassen.
Tatsächlich lautet das Gesetz an der fraglichen Stelle: Eine „terroristische Vereinigung“ liege vor, wenn eine der Taten, die gesetzliches Definitionsmerkmal für „terroristische Vereinigungen“ sind (und Brandstiftung ist in der Tat aufgezählt), „bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, UND durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.“ ( http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/stgb/gesamt.pdf; Stand: 20.07.2007). Die fett hervorgehobenen Wörter sind in der Erklärung der Verteidigung zu einem Kriterium zusammengezogen: So wie die Verteidigung das Gesetz (falsch) zitiert, verknüpft sie die subjektive Bestimmung (= Funktion) der Tat direkt mit dem „erheblich schädigen“-Kriterium. Letzteres ist aber ein objektives Tatbestandsmerkmal, wie die Wörter „und […] kann“ zeigen. Zur subjektiven Bestimmung gehört nicht „erheblich schädigen kann“, sondern „(bestimmt ist,) … erheblich zu beeinträchtigen“.
Das heißt: Während das Gesetz einen doppelten Nachweis als Voraussetzung für die Bestrafung verlangt (1. subjektive Bestimmung; 2. objektive Eignung: ‚ist nicht nur bestimmt, sondern kann auch tatsächlich …’), spricht die Verteidigung kurioserweise – zu Lasten der Beschuldigten – nur von einem Kriterium! Wer soll das verstehen?

Und wir hatten zuletzt aus Anlaß der Presseerklärung von Ulla Jelpke am 24.10. erneut darauf hingewiesen.

Schließlich wollen wir darauf hinwiesen, dass auch der § 129 (Bildung Krimineller Vereinigungen) nicht von Pappe ist - bis fünf Jahre Knast auch für bloße Mitgliederwerbung oder sonstige Unterstützung oder bloßer Mitgliedschaft ohne Nachweis von konkreten Tatbeteiligungen:

(1) Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt oder sie unterstützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,
1. wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat,
2. wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder
3. soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten nach den §§ 84 bis 87 betreffen.
(3) Der Versuch, eine in Absatz 1 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar.
(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern oder liegt sonst ein besonders schwerer Fall vor, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen; auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Zweck oder die Tätigkeit der kriminellen Vereinigung darauf gerichtet ist, in § 100c Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a, c, d, e und g mit Ausnahme von Straftaten nach § 239a oder § 239b, Buchstabe h bis m, Nr. 2 bis 5 und 7 der Strafprozessordnung genannte Straftaten zu begehen.
(5) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung nach den Absätzen 1 und 3 absehen.
(6) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter
1. sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder
2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können;
erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.

(Quelle:
 http://bundesrecht.juris.de/stgb/__129.html)


Vgl.: Falco Werkentin, Zur Archäologie des politischen Strafrechts, Die rechtshistorischen Wurzeln der heutigen Vereinigungs-Delikte 129/129a, in: aufruhr. widerstand gegen repression und § 129a. Zusammengestellt und bearbeitet von der Gruppe *wüster haufen*. Hrsg. vom ID-Archiv im Internationalen Institut für Sozialgeschichte Amsterdam, Edition ID-Archiv: Berlin, 1991, Seite 11 – 25.

unter:
 http://delete129a.blogsport.de/images/Werkentin1125.pdf

zu: " Wie alles anfing mit dem §129a- ..."

Jemand 06.11.2007 - 19:03

Aktenkundige behaupten: "Der nachfolgende Text eines Beschuldigten führte nach Aktenlage zur Einleitung des §129a-Verfahrens wegen angeblicher Mitgliedschaft in der militanten gruppe. In diesem Text befinden sich, wie in einem Papier der militanten gruppe aus dem Jahr 2004, neun übereinstimmende Wörter, darunter drakonisch, marxistisch-leninistisch, Reproduktion und politische Praxis. Nach dem Autor gerieten zunächst drei weitere Personen aus dem Freundeskreis des Autors ins Visier der Fahnder. Darunter auch Andrej. Danach erst die drei bei Brandenburg festgenommenen.

Hier ist der Text zu finden:
 http://www.telegraph.ostbuero.de/3_4-98/bernt.htm"


Unabhängig davon, ob dass tatsächlich in den Akten steht, frage ich mich, ob das der Autor hier lesen will. Mir scheint, der Name des Autors wurde bisher nicht öffentlich als Beschuldigter genannt. Falls mich meine Erinnerung nicht täuscht, sollten vermeintlich oder tatsächlich Aktenkundige ihr Wissen wohl besser nicht an die öffentliche Glocke hängen, und auch indy das einfach veröffentlichen.

TV-Beitrag vom polylux mit Andrej Holm

militante genossen 07.11.2007 - 02:28
Die Nahaufnahme: "Mein Leben als Terrorist". Mit Andrej Holm und seiner Lebensgefährtin Anne. Ein Filmbeitrag von polylux, hier zu sehen:

 http://www.youtube.com/watch?v=nbxZCuSa3DY

Demonstration am 24.11.2007 in Köln

Drokzid 09.11.2007 - 05:13
Hoffentlich sieht man jetzt hier den passenden Banner

Links: Website und Mailingliste zur Demonstration

Kurzes Update und Hinweis auf Veranstaltung

weg mit den §§ 129,a,b 11.12.2007 - 19:27

Das Verfahren ist inzwischen auch juristisch weitergegangen. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die militante gruppe (mg) nicht als terroristische, sondern nur als kriminelle Vereinigung nach § 129 (ohne "a") einzustufen ist. Und zwar deswegen, weil sie die BRD eben nicht wirklich gefährdet. Die U-Haft der drei Beschuldigten ist gegen Meldeauflagen und hohe Kautionen ausgesetzt worden. Leider bleibt die Bundesanwaltschaft, die eigentlich für kriminelle Vereinigungen gar nicht zuständig ist, es in diesem Fall eben doch. Für die drei bedeutet das, dass sie erst mal raus sind, die Ermittlungen und Überwachungen laufen aber weiter und in Bezug auf eine mögliche verurteilung wegen eines Organisationsdeliktes hat sich die möglichste Höchststrafe mit dem Übergang von § 129a auf § 129 von 10 auf 5 Jahre verringert. Siehe hierzu: BGH-Entscheidung über Haftbeschwerde: Entlassung auf Kaution, Zur Haftverschonung der drei inhaftierten Antimilitaristen, Zur Entscheidung des BGH über die Haftbeschwerde von Axel H., Florian L. und Oliver R. und den Pressespiegel zum Verfahren.

Wer genaueres wissen will sollte am 16.12.2007 um 10:30 in die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz kommen, zu dieser Veranstaltung:

Wir sind alle Terroristen!

Der § 129a und seine Folgen für Politik und Alltag. Szenische Lesung zu den Ermittlungen und Podiumsdiskussion mit Beschuldigten aus vier aktuellen § 129a-Verfahren

Moderation: Constanze Kurz (Chaos Computer Club)

So., 16. Dez. '07 // 10:30-13:00 Uhr // Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz

U2 Rosa-Luxemburg-Platz // S-Bahn Alexanderplatz // Bus 200, 240, TXL // Tram M2, M8 an der Torstraße

Was bedeutet die "heimliche Umständlichkeit der Vereinbarung persönlicher Treffen"? Warum stehlen BKA-Beamte Aschenbecher aus Kneipen? Wie lebt es sich mit abgehörten Telefonen und einem Peilsender unter dem Auto? Über ein leben mit der Überwachung und deren Folgen für Politik und Alltag diskutieren Beschuldigte aus aktuellen § 129(a)-Verfahren.

Die Bundesanwaltschaft führt mehrere Terrorismusverfahren gegen linke Aktivisten, Publizisten und Wissenschaftler. Diese Ermittlungen werden mit dem Protest gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm sowie Anschlägen der "militanten Gruppe" und anderer Gruppierungen begründet, die sich unter anderem gegen Militärfahrzeuge richteten. Ein Beschuldigter saß über drei Wochen, weitere drei Beschuldigte saßen rund vier Monate in Untersuchungshaft, insgesamt über 40 Personen werden verdächtigt; von Ermittlungen sind Tausende "Kontaktpersonen" betroffen.

Das gesamte Arsenal strafprozessualer Überwachungsmaßnahmen kommt zum Einsatz: Von der Telefonüberwachung und Aufzeichnung der Handy-Koordinaten, der Kontrolle von E-Mails und Internetnutzung über Observationen bis hin zu Peilsendern. Hauseingänge wurden videoüberwacht, Gespräche in Autos und Wohnungen abgehört. Es wurden Geruchsproben genommen und systematisch Postsendungen an Medien kontrolliert. Von der Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten ist dabei kaum noch etwas übrig -- das Bundesamt für Verfassungsschutz mischt kräftig mit.

Der Eintrit ist gratis. Dies ist eine Veranstaltung des Bündnisses für die Einstellung der § 129a -Verfahren: http://einstellung.so36.net.

Informationen zum Konstrukt der BAW

Kundige 10.04.2008 - 18:12
Das Konstrukt ist haarsträubend. Nur weil einer der Beschuldigten mal einen Text über einen Kongress geschreiben hat, wurde er Beschuldigter im mg-Verfahren. Dieser Text, der in den Akten erwähnt wird, erschien in der Jungen Welt vom 7. Juni 2005 über den Kongress “In Bewegung bebleiben”, der vom 3. bis 5. Juni 2005 im Berliner Mehringhof stattfand, bei dem vor allem die Geschichte der „Bewegung 2. Juni“ beleuchtet werden sollte.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 7 Kommentare

ihr irrt, wenn ihr folgendes schreibt:

egal 25.10.2007 - 17:39
...:
"Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass der Haftbefehl unrechtmäßig war und ihn aufgehoben."

der haftbefehl war keineswegs unrechtmäßig!
vielmehr bedarf es im strafprozessrecht anfangs weniger tatsachen, um einen haftbefehl zu erlangen.
dies ändert sich im laufe und länge des verfahrens, wo wesentlich mehr vorliegen muss, um einen "dringenden" tatverdacht zu rechtfertigen, der für die ausstellung eines hb erforderlich ist.
das gericht hat nunmehr entschieden, dass immer noch ein "einfacher tatverdacht" vorliegt, aber eben kein "dringender", der wie beschrieben u.a. (auch aftgründe müssen natürlich vorliegen)erforderlich ist, um menschen in haft zu nehmen.

BITTE VOLSTÄNDIG UND RICHTIG BERICHTEN, SONST WIRD ES ALBERN!

@egal

Oberlippenbartnichtliebhaber 25.10.2007 - 19:46
Da hast du eine andere StPO als ich... meine spricht eindeutig sowohl in § 112, als auch 112a von "DRINGENDEM Tatverdacht".

uuups

so 26.10.2007 - 11:34
Ach so is des die Bundesanwalltschaft setzt das Grundgesetz ausser Kraft
aber eine Wehrsportgruppe darf ich Gründen ?
Bei so nem politischem Schwachsinn brauch man sich nich wundern das hier alles den
Bach runter geht.

@ Oberlippenbartnichtliebhaber 25.10.2007 -

egal 27.10.2007 - 17:24
nicht nur lesen, auch verstehen will gelernt sein ;-)

Contra egal & contras Mods

Ernst Haft 27.10.2007 - 19:56

egal schreibt in seinem von den Mods versteckten Beitrag:

"der haftbefehl war keineswegs unrechtmäßig!
vielmehr bedarf es im strafprozessrecht anfangs weniger tatsachen, um einen haftbefehl zu erlangen.
dies ändert sich im laufe und länge des verfahrens, wo wesentlich mehr vorliegen muss, um einen 'dringenden' tatverdacht zu rechtfertigen, der für die ausstellung eines hb erforderlich ist.
das gericht hat nunmehr entschieden, dass immer noch ein "einfacher tatverdacht" vorliegt, aber eben kein "dringender", der wie beschrieben u.a. (auch aftgründe müssen natürlich vorliegen)erforderlich ist, um menschen in haft zu nehmen."

Es ist wenig hilfreich, so etwas zu verstecken, ohne es zu widerlegen.

Der Oberlippenbartnichtliebhaber versuchte dies mit seinem gleichfalls versteckten Beitrag wie folgt zu widerlegen:

"Da hast du eine andere StPO als ich... meine spricht eindeutig sowohl in § 112, als auch 112a von 'DRINGENDEM Tatverdacht'."

Tatsächlich verhält es sich folgendermaßen:

1. Der Oberlippenbartnichtliebhaber hat recht, Haftvoraussetzung ist in jedem Fall ein dringender Tatverdacht ( http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/stpo/gesamt.pdf).

2. Dies geht aber an dem Argument von egal vorbei. Egal schreibt:

"dies ändert sich im laufe und länge des verfahrens, wo wesentlich mehr vorliegen muss, um einen 'dringenden' tatverdacht zu rechtfertigen, der für die ausstellung eines hb erforderlich ist."
Dies soll anscheinend besagen, dass der Begriff des "dringenden Tatverdachtes" von den Gerichten - je nach Verfahrensstadium - unterschiedlich ausgelegt wird. Umso länger die U-Haft dauert, umso mehr Tatverdachtsgründe verlangen sie.

Dies mag stimmen oder nicht; und dies mag man ggf. juristisch und politisch so oder zu bewerten. Fakt ist aber

3.: Im vorliegenden Fall sagt der BGH klippt und klar, dass ein dringender Tatverdacht auch bei Erlaß des Haftbefehls, d.h. am Anfang der U-Haft, NICHT gegeben war:

"Die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls liegen nicht vor; denn weder die bis zur Anordnung der Untersuchungshaft am 1. August 2007 noch die danach angefallenen Ermittlungsergebnisse begründen gegen den Beschuldigten einen dringenden Tatverdacht im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO." ( http://delete129a.blogsport.de/images/BGHBeschluss181007.pdf, S. 3, Randnummer 4).

"weder ... noch" - da gibt es eigentlich nichts misszuverstehen, oder?

weitere infos zur antirep.demo am 15.12 in HH

egal 29.10.2007 - 23:03
15.12.2007 | 13 Uhr | Rote Flora/Achidi-John-Platz | Hamburg

BUNDESWEITE DEMO UND INTERVENTIONSRAUM
Out of Control

*Out of Control ist global. Im bundesweiten Trend eines ungebremsten Sicherheitsdiskurses, hat sich Hamburg zu einer Hochburg autoritärer Formierung und sich polizeilicher Aufrüstung entwickelt. Das bundesweite Konstrukt gegen die militante Kampagne im Vorfeld des G8 hatte ebenso einen Focus in dieser Stadt, wie das Konzept der totalitären Einkesselung von Demonstrationen. Die Bilder vom sechsreihigen Polizeispalier während der Demo gegen den ASEM-Gipfel gingen um die Welt. Sie waren als Symbol gedacht und trugen eine repressive Botschaft: Zugunsten der staatlichen Ordnung und inneren Sicherheit werden ohne zu zögern rechtliche Minimalstandards außer Kraft gesetzt. Protest ist legitim wird allerorten beschworen, gleichzeitig aber auch unmissverständlich deutlich gemacht, dies ist nur der Fall, solange er den Ablauf des Protokolls nicht stört und wir uns an die Spielregeln halten. Diese Botschaft und die Abschaffung von rechtlichen Minimalstandards zugunsten staatlicher Kontrolle ist kein lokaler, sondern ein globaler Prozess der Aufrechterhaltung von bestehenden Herrschaftsordnungen. Der Widerstand gegen staatliche Repression und Obrigkeitsdenken ist weltweit der Ausgangspunkt und Beginn von emanzipatorischer Veränderung überhaupt. Und wir haben eine Menge zu verändern.
Zuallererst die Regeln des Spiels!

*Out of Control ist Solidarität. Wir gehen auf die Straße, weil FreundInnen von uns im Knast sitzen, weil wir SymphatisantInnen sind, weil wir abgehört und überwacht werden. Wir fordern die Freiheit der Inhaftierten aus dem linken Widerstand. Die Abschaffung des §129a und noch so eine Menge mehr. Wir wissen, Freiheit entsteht als kämpfende Bewegung. Im Streit untereinander und oft auch in notwendigen Brüchen. Mehr noch als alles andere aber im Bewusstsein einer kritischen Solidarität, die eigene Rollen hinterfragt und subjektive Wirklichkeiten in einer Welt der objektivierenden Normierung zulässt. Es gibt keine gemeinsame Linke, keine gemeinsame Vorstellung und Utopie. Es gibt uns aber als jene unzufriedenen Frustrierten, lustbetonten EinzelgängerInnen, streitlustigen Kollektive und eigenbrötlerischen Wahlverwandschaften, die sich immer wieder an Orten des Widerspruchs zusammenfinden. Unsere temporäre Gemeinsamkeit steht im Gegensatz zum Bestehenden. Wir wollen keine Reformen. Wenn schon dann echtes Aufbegehren. Wir wollen alles: Anders!

*Out of Control ist Ausbruchsstimmung. Wir wollen mit dieser bundesweit angelegten Mobilisierung nach Hamburg die Praxis der Spaliere, Auflagen und Wanderkessel durchbrechen. Nicht mit dem Kopf gegen die Wand sondern überall sein, uns zusammenfinden und ebenso schnell zerstreuen. Wir sind immer dort, wo die Bullen mit dem Rücken zu uns stehen. Immer außerhalb von Kesseln und Einschließungen, immer am Rande der restlichen, gleichzeitig weiterlaufenden Demonstration. Immer in Kontakt und Rufweite. Immer versucht, mehr zu werden und Eigendynamik zu entwickeln. Dieses Konzept lebt davon, dass wir mit den Freiräumen, die wir uns aneignen auch etwas anfangen. Wir haben einiges dazu im Kopf, aber wir sind uns ganz sicher, dass euch auch selber eine Menge und manches Überraschende dazu einfällt.

*Out of Control ist Bewegung. Ein Signalfeuer gegen Sicherheitswahn und den Überwachungsstaat. Wenn wir auf der Demo gehen, dann in Ketten. Wenn wir uns zerstreuen, dann flüchtig wie fünf Finger, um uns hinter Spalieren und Sperren wieder zu treffen. Die erste Regel lautet: Wir lassen uns nicht erwischen! Erfolg haben wir, wenn es uns gelingt genügend Schwerkraft zu entwickeln, immer wieder laut und aktiv zusammen zu finden. *Out of Control ist dabei nicht beliebig sondern konsequent. Geht am Anfang nicht alle in der Demo. Geht am Rand drumrum, vornweg oder hinterher. Seid dabei aktiv. Ihr alle seid die Demo. Achtet immer darauf, dass ein Teil von uns auch die Demo kraftvoll aufrechterhält.

*Out of Control ist keine normale Demonstration. Es ist neu und auf deine Teilnahme angewiesen. Es lebt von unserer Beweglichkeit und unserem Chaos, unserer Geschlossenheit und Entschlossenheit. Es wird zum Trend des Jahres oder der Flop des Jahrhunderts. Seid mit dabei. Unterstützt dieses Konzept. Bildet Gruppen, überlegt euch was und organisiert die völlige Dekonstruktion der polizeilichen Begleitung. Greift eure liebsten Gewohnheiten auf, macht was Neues draus, macht alles anders und seid Teil einer spektakulären Form von unkontrollierbarem Protest.

Laßt euch nicht erwischen!
Gegen Repression, Überwachungsstaat und §129a!
Für autonome Bewegungen und linksradikale Praxis!

AK Out of Control

Infos: www.regierung-stuerzen.de
Kontakt: wageninfo.ät.gmx.de


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Aufruf des Demobündnisses zur Bundesweiten Demonstration
am 15.12.2007 Hamburg

Nach einer Phase relativer und vermeintlicher Ruhe hat es in den letzten Monaten drei norddeutschland- bzw. bundesweite Durchsuchungen der Bundesanwaltschaft auf Grundlage des §129a StGB (Bildung einer terroristischen Vereinigung) gegen linke AktivistInnen und Strukturen gegeben.

Am 9. Mai 2007 waren 40 Objekte und insgesamt 18 Beschuldigte und sogenannte „Zeugen“ im Zusammenhang mit der Mobilisierung gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm von einer Durchsuchungswelle betroffen. Sie sollen nach Ansicht der Bundesanwaltschaft eine terroristische Vereinigung mit dem Zweck der Durchführung einer militanten Kampagne gegen den G8-Gipfel gebildet haben. Vier Wochen später, am 13. Juni, kam es zu einer weiteren Durchsuchungsaktion auf Grundlage des §129a gegen Personen aus Bad Oldesloe, Hamburg und Berlin. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, an antimilitaristischen Anschlägen beteiligt gewesen zu sein. Zuletzt wurden am 31. Juli vier Personen wegen der angeblichen Mitgliedschaft in der „mg“ (Militanten Gruppe) in Berlin festgenommen. Nur bei einem der Beschuldigten wurde nicht zuletzt aufgrund des großen öffentlichen Druckes der Haftbefehl zumindest vorübergehend außer Vollzug gesetzt. Die drei anderen Personen sitzen nach wie vor unter Sonderhaftbedingungen im Knast.
UNSERE SOLIDARITÄT GEGEN IHRE REPRESSION
GEGEN DEN KAPITALISTISCHEN NORMALZUSTAND

„Wir haben in den Busch geschossen, nun sehen wir weiter, was und wer sich dort bewegt“ (Zitat eines Ermittlers im Zusammenhang mit den Hausdurchsuchungen vom 9. Mai 2007)

Obwohl sich die Verfahren gegen unterschiedliche politische Zusammenhänge richten, macht die Willkürlichkeit der Ermittlungen deutlich, dass es der Staatsmacht um ein zusammenhängendes Ziel geht: die Durchleuchtung und Kriminalisierung linker Strukturen, mit dem Ziel sie zu zerschlagen.
Aus dem immensen Umfang der durchgeführten Überwachungs- und Durchsuchungsmaßnahmen resultiert die totale Offenlegung der Privatsphäre der Beschuldigten gegenüber staatlichen Behörden, aber auch gegenüber Mitbeschuldigten, ZeugInnen und AnwältInnen. Die ersatzweise Beschaffung beschlagnahmten Eigentums und die notwendige Inanspruchnahme anwaltlicher Unterstützung bringen zudem enorme finanzielle Belastungen mit sich. Auf diese Weise wird versucht, die Betroffenen zu Stillstand und Passivität zu zwingen.

Obwohl 95% der §129a-Verfahren vorzeitig eingestellt werden, führt die staatliche Repression dennoch dazu, dass die Beschuldigten und ihr politisches Umfeld von ihrem eigentlichen Vorhaben abgehalten werden: die Revolution zu machen…!

Das kann ja heiter werden…

Seit Jahren wird der Ausbau des Überwachungsapparates unter Nutzung immer neuer technischer Möglichkeiten weiter vorangetrieben. Einige Schlagwörter hierbei sind: Online-Überwachung, Vorratsdatenspeicherung, die Nutzung des Mautsystems zur Anlegung von Datenbanken oder die Speicherung biometrischer Daten auf Ausweisdokumenten. Zur allgemeinen Sicherheitsdebatte gehört auch der Einsatz der Bundeswehr im Inneren, die Diskussionen um den Abschuss ziviler Flugzeuge und um die gezielte Tötung sogenannter „Terroristen“. Begleitet werden diese Entwicklungen von einer erheblichen Ausweitung polizeilicher Befugnisse und einer Aufhebung der Trennung zwischen Geheimdiensten und Polizei, so basieren polizeiliche Ermittlungen heute zunehmend auf Erkenntnissen des Verfassungsschutzes. Die Lehren aus dem Nationalsozialismus, auf die sich die Trennung dieser Behörden einst bezogen, spielen keine Rolle mehr.

Als Legitimierung für den Ausbau des sogenannten „Präventivstaates“ und den Abbau bürgerlicher Rechte wird eine ständige Bedrohung konstruiert. Eine Politik mit der Angst vor dem Terror, u.a. inszeniert durch reißerische Medienkampagnen, in denen das Ausmaß der Bedrohung in immer neuen Superlativen präsentiert wird, soll den Nährboden für eine bereitwillige Abänderung der Grundrechte mit sich bringen.

Woher diese Angst?

Der Ausbau des modernen Sicherheitsstaates ist die Reaktion auf eine weltweite Zuspitzung sozialer Konflikte. Angefacht durch die erzwungene Öffnung von wenig entwickelten Märkten durch und für die führenden Industrienationen, treibt ein wachsender Konkurrenzdruck Menschen in noch größere Armut. Während regionale Verteilungskonflikte eskalieren, gibt es immer mehr Menschen, die in den Ländern der Verursacher Zuflucht suchen. Deutschland erlangt im Rahmen seiner EU-Politik im Kampf um Märkte und Ressourcen gleichzeitig eine geoplitische Machtausweitung. Aber auch im Inneren spitzt sich die Verteilungsungerechtigkeit zu: Der Kapitalismus ist durch die zunehmende ökonomische Konkurrenz nicht mehr gewillt, eine minimale Gewinnbeteiligung der Lohnabhängigen aufrecht zu erhalten. Die sozialen Komponenten des bürgerlichen Staates werden vielmehr gegen die Leitgedanken einer offensichtlich autoritären Formierung ausgetauscht, deren Inhalte von der Gesellschaft weitreichend bereitwillig akzeptiert und verinnerlicht werden.

Eine ideologische Kriminalitätsprävention ist ein elementarer Bestandteil dieser Formierung. So wurde mit Beginn der 90er Jahre eine Debatte um polizeiliche „zero-tolerance“-Konzepte initiiert, die vermeintliches oder tatsächliches sozial abweichendes Verhalten zur Ursache für zunehmende Kriminalität behauptete. Folgerichtig wurden auf kommunaler Ebene Sicherheits- und Sauberkeitsprogramme aufgelegt, mit denen u.a. Graffiti-Sprayer oder Obdachlose stigmatisiert und kriminalisiert wurden. Stadtentwicklungspolitische Ansätze orientieren sich an dem Gedanken, innerstädtische Bereiche als zu befriedenden Kern der Metropolen durch gezielte Maßnahmen so anzupassen, dass Menschen, die nicht in das Muster des „einwandfreien“ Bürgers passen, in die urbane Peripherie abgedrängt werden.

We want the whole bakery!

Die derzeitige Zuspitzung der sozialen Verhältnisse ist keine Krise des Kapitalismus, sondern das, was ihn ausmacht; sie ist dem System immanent. Dementsprechend dient die Hochrüstung des staatlichen Sicherheitsapparates neben einer generellen Aufstandsprävention vor allem der Aufrechterhaltung und Absicherung der ökonomischen Machtverhältnisse. Die staatliche Repression ist somit ein sichernder Pfeiler des Kapitalismus. Der Schlag gegen die Linke dient der Kriminalisierung einer Bewegung, die die skizzierte Entwicklung entschieden ablehnt und bekämpft. Doch nicht der Grad tatsächlicher oder vermeintlicher „Gefahr“ von links bestimmt staatlich repressives Handeln, sondern die Tatsache, dass überhaupt linke Widerstandsstrukturen existieren, ist für die Repressionsorgane Grund, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln anzugreifen.

Wir sind nicht gekommen, um uns zu beschweren. Denn wo immer Menschen die herrschenden Verhältnisse bekämpfen, wird staatliche Repression die Antwort sein.

Wir wollen die Verhältnisse, die den kapitalistischen Normalzustand immer wieder aufs Neue bedingen, überwinden. Wir betrachten den Kapitalismus mit seinem Prinzip der totalen Ökonomisierung der Lebenswelt als menschenfeindlich – als unseren Feind.
Unsere Utopie ist die einer menschlichen und solidarischen Gesellschaft und die der Freiheit aller Menschen von Ausbeutung und Unterdrückung. Unsere Perspektive ist die von emanzipatorischen, politischen und sozialen Bewegungen, lokal und global, die solidarisch und kollektiv die kapitalistischen Bedingungen konsequent ablehnen und ihnen Widerstand entgegen setzen. Genauso wie unser Kampf um Befreiung kollektiv und solidarisch geführt werden muss, muss auch unser Umgang mit staatlicher Repression sein. Nur gemeinsam werden wir Angriffe auf die radikale Linke beantworten und zurückschlagen können.

Die Demonstration am 15.12. in Hamburg soll zeigen, dass das staatliche Kalkül von Kriminalisierung, von Einschüchterung und Spaltung scheitern wird. Kommt zur Demonstration gegen Repression und Sicherheitsstaat! Zeigen wir ihnen auch auf der Strasse, dass wir die Verhältnisse zum Tanzen bringen können!

Axel, Florian und Oliver müssen raus!
Sofortige Einstellung aller Verfahren!
Freiheit für unsere gefangenen Genossinnen und Genossen!
Für die soziale Revolution weltweit!

Demobündnis Hamburg

Infos:  http://www.antirepressionskampagne-hamburg.de


Freiheit für Florian, Axel und Oliver

Interim 663 vom 9.11.2007 17.11.2007 - 15:47
Wieweit zu sabotieren ist, steht in der Entscheidung der Gruppe, des Augenblicks, der Konstellation, das erörtert man nicht theoretisch. Aber das Recht zum Kampf, das Recht auf Sabotage gegen den infamsten Mord: den erzwungenen - das steht außer Zweifel. Und, leider, außerhalb der so notwendigen pazifistischen Propaganda. Mit Lammsgeduld und Blöken kommt man gegen den Wolf nicht an.
(Kurt Tucholsky „Über wirkungsvollen Pazifismus", 1927)


Freiheit für Florian, Axel und Oliver

Die Anfänge der Autonomen werden oft mit den Protesten gegen das erste öffentliche Rekrutengelöbnis der Bundeswehr im Bremer Weserstadion im Mai 1980 verbunden, als es zu Straßenschlachten kam, Pflastersteine und Molotow-Cocktails flogen und Militärfahrzeuge in Flammen aufgingen. Antimilitarismus und die Gegnerschaft zur NATO (anlässlich 25-jähriger NATO-Mitgliedschaft fand das Rekrutengelöbnis statt) war für die autonome Bewegung konstituierend. Diese Themen blieben auch zukünftig Themen der Autonomen.


Krieg dem Krieg

Die autonome Bewegung kommt aus der 1968er-Revolte, wie Geronimo in seinem Frühwerk „Feuer und Flamme" fundiert ausführt. Schon die Studentenbewegung zeichnete sich durch teils militante Proteste gegen imperialistische Kriege aus, vor allem gegen den US-amerikanischen Krieg in Vietnam. Der SDS startete 1968 eine Bundeswehrkampagne. In den Jahren um 1970 gab es wiederholt Anschläge gegen Einrichtungen des US-Militärs und der Bundeswehr sowie deren Fuhrpark. In Vietnam und anderen Trikont-Ländern kämpften bewaffnete Befreiungsbewegungen. Alle im SDS diskutierten damals über den bewaffneten Kampf. Einige nahmen ihn in den kommenden Jahren auf und praktizierten das aus Lateinamerika stammende Konzept Stadtguerilla. Bis in die 1990er waren eine fünfstellige Zahl von Menschen wegen Mitgliedschaft, Unterstützung und Werbung für die Rote Armee Fraktion (RAF) im Visier der staatlichen Repressionsbehörden. Ermittelt, angeklagt und verurteilt wurde auf Grundlage des §129a StGB. Die Autonomen hatten ein zwiespältiges Verhältnis zur RAF und teilten nicht alle deren Mittel und Wege. Eins war jedoch immer klar: Die Aktivist/innen der RAF sind Genoss/innen. Wenn sie im Knast landen, ist man solidarisch. Dass die Gemeindienste ihren riesigen Apparat inzwischen auch zur Aufklärung von Brandanschlägen autonomer Gruppen einsetzen, ist nur möglich, weil es die RAF nicht mehr gibt.


Solidarität ist eine Waffe

Die gesellschaftlichen Verhältnisse haben sich in den vierzig Jahren nach 1968 nicht grundlegend verändert. Dementsprechend finden sich auch die politischen Inhalte und Praxen der 1968er-Revolte zu großen Teilen in den heutigen sozialen Bewegungen wieder. Dazu gehören nicht nur Krieg und Militarisierung, sondern auch Sozialabbau, Sicherheitswahn, Überwachung, politische Repression bis zu institutionellem Rassismus. Allesamt Themen, zu denen die militante gruppe in den letzten Jahren Anschläge verübt hat. Eine Antwort auf die kontinuierlichen militanten Aktionen und Debatten waren die Hausdurchsuchungen vor dem G8-Gipfel im Mai und die Verhaftungen Ende Juli 2007. Als Ausdruck der Solidarität riefen viele auf den spontanen Demonstrationen nach den Durchsuchungen und auf der 2. Juni-Demonstration gegen die G8 die Parole: „Militante Gruppe: Salz in der Suppe".
Seit den Verhaftungen Ende Juli 2007 sind viele militante Aktivist/innen vorsichtiger und ihre Anschläge selten geworden. Militante Aktionen werden momentan sehr vermisst, denn die beste Solidarität gegen staatliche Repression ist, das aufzugreifen, was kriminalisiert wird, sowohl inhaltlich als auch praktisch. Solidarität sollte auch als Waffe eingesetzt werden.


Für linke Politik auf militanter Basis

Linke Politik kann Spaß machen und erfolgreich sein. Das haben die Proteste in Rostock und Heiligendamm gezeigt. Der Reiz und der punktuelle Erfolg dieser Proteste lag insbesondere in der Regelverletzung und dem massenhaften Infragestellen des staatlichen Gewaltmonopols. Wenn auf dieser Grundlage in klandestinen Aktionen beispielsweise Bundeswehrfahrzeuge abgefackelt werden, können und wollen viele eine klammheimliche Freude nicht verhehlen. Solche Aktionen stehen in einem Zusammenhang mit der deutschen Kriegspolitik. Und gegen die muss sich linke Politik organisieren, denn weltweite Kriegseinsätze stehen ebenso wie eine Militarisierung im Inneren jeder emanzipatorischen Entwicklung entgegen. Aber nicht nur jede antimilitaristische Aktion, auch der militante Kampf ist immer richtig.


Für eine revolutionäre Organisierung

Militante Aktionen sind legitim und notwendig. Sie allein sind jedoch noch nicht revolutionär und systemsprengend. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Am Anfang stehen Diskussionen um revolutionäre Perspektiven und um Formen des Kampfes. Aus einer Kontinuität militanter Aktionen - und deswegen werden sie auch mit Repression verfolgt - kann sich ein bewaffneter Kampf gegen Staat und Kapital entfalten. Rote Armee Fraktion, Bewegung 2. Juni und Revolutionäre Zellen sind in einer anderen Zeit entstanden. Aber die Verhältnisse gegen die sie angetreten waren, sind harmlos verglichen mit den heutigen und dem, was sich die Herrschenden gegenwärtig trauen durchzuziehen. In Deutschland sind die weltweiten Bundeswehreinsätze und die Umsetzung der Pläne von Schäuble und Co nur zwei von vielen Beispielen dafür. Angesagt wären Protest, Widerstand und Angriff. Jetzt sieht es gerade nicht so aus, als ob die heutige Zeit bewaffnete Bewegungen hervorbringt. Wer aber die gesellschaftlichen Verhältnisse grundlegend verändern möchte, muss auch offen sein für Gedanken über bewaffnete Kämpfe, deren Vorbereitung schon in vorrevolutionären Epochen zur Praxis werden muss, damit es nicht einmal zu spät dafür sein wird. Dies wird an dieser Stelle betont, um mit den Genoss/innen einen Streit anzuzetteln, die einen Reflex zur unnötigen Abgrenzung und Distanzierung zeigen.


Für den Kommunismus

Anarchist/innen und Kommunist/innen stehen für eine antagonistische Politik und die Unversöhnlichkeit mit den herrschenden Verhältnissen. Ein Schritt um letztere zu überwinden ist es, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Ob die befreite Gesellschaft dann Kommunismus oder Anarchie genannt wird, steht noch in den Sternen.