Präventiv-Observation rechtswidrig

AAP Göttingen 22.10.2007 23:49 Themen: Atom Repression
Am 2. Oktober gelang einem Atomkraftgegner vor dem Verwaltungsgericht Göttingen ein Erfolg gegen den immer weiter ausufernden Polizei- und Überwachungsstaat. Die Bullen mussten einsehen, dass die 14x24h-Observation im Jahr 2004 rechtswidrig war. Ob die betreffenden Paragrafen 34 und 35 des Niedersächsischen Polizeigesetzes (NSOG) verfassungswidrig sind, bleibt aber ungeklärt.

Klage gegen polizeiliche Präventiv-Observation erfolgreich

Der Göttinger Student hatte gegen eine zweiwöchige Observation und den Einsatz verdeckter technischer Hilfsmittel im Jahr 2004 geklagt. Diese waren zusammen mit einer Telefonüberwachung von der Polizeidirektion Göttingen auf Grund der fadenscheinigsten Argumente angeordnet worden, da sie die einzige Möglichkeit wären, angeblich geplanten militanten Castor-Blockaden auf die Schliche zu kommen.

Allerdings konnten die von den Bullen vorgelegten angeblichen Beweise, (falsch zitierte) Zeitschriftenartikel und Plakate, kaum als direkte Aufrufe zu Blockaden gewertet werden. Die meisten konnten nicht einmal direkt dem AntiAtomPlenum, geschweige denn dem Observierten als Verfasser zugeordnet werden. Selbst die vom Castor ungebremst durchfahrene Regenschirm-Blockade 2003 wurde ihm zu Last gelegt. Dem Betroffenen wurde sogar unterstellt, er wolle ein Fahrzeug auf die Schienen stellen, um den Castor-Zug anzuhalten. Dieser absurde Vorwurf führte sogar zum Anbringen eines Peilsenders am Auto eines Bekannten. Gegen die Telefonüberwachung hatte er bereits 2005 erfolgreich geklagt, der entsprechende Paragraf im NSOG ist verfassungswidrig.

Rückzug auf ganzer Linie

In der Vor-Verhandlung am 2. Oktober äußerte der Richter erhebliche Zweifel, ob die Bullen das Verfahren überhaupt gewinnen könnten. Daraufhin sahen sich die PolizeivertreterInnen gezwungen, die Anordnung zur Überwachung rückwirkend zurückzuziehen und alle gespeicherten Daten zu löschen. Mal sehen, ob's passiert... In allen verfahrensrelevanten Punkten stimmte der Richter mit der Klage überein: Der Anordnung fehlt die im Gesetz notwendig vorgeschriebene Begründung, außerdem basiert sie auf einer fehlerhaften Gefahrenprognose. Selbst die prognostizierten Straftaten sind nicht „von erheblicher Bedeutung”, wie im Gesetz vorgesehen. Weil schon jeder einzelne dieser Punkte vermutlich zum Gewinn der Klage ausgereicht hätte, war eine Überprüfung des Gesetzes beim Bundesverfassungsgericht leider nicht möglich. Diesen Schritt muss nun wohl jemand anderes selbstständig durchführen! Wer hat Lust?

So schön ein Sieg vor der Justiz auch ist, die langfristige Wirkung auf Polizeiwillkür und Verfolgungswahn des Staates bleibt leider fraglich. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass die Bullen auch andere Wege finden wird, ihre Überwachungsphantasien auszuleben. Was ursprünglich mit der Verhinderung von Terroranschlägen begründet wurde, erhält dann in der Realität ganz andere Anwendungsbereiche. Dass im vorliegenden Beispiel potentielle AtomkraftgegnerInnen und Castorblockaden ins Visier der Fahnder geraten, spricht für sich. Wie um diese These zu bestätigen, patrouillierten auch während der Verhandlung bis zu acht zivile und uniformierte Bullen in drei Fahrzeugen um das Gerichtsgebäude.

Seit Jahren werden die öffentlichen Treffen des AntiAtomPlenums Göttingen und selbst Vorträge immer wieder von zivilen Polizeibeamten beobachtet. Über manche AtomkraftgegnerInnen existieren darüber hinaus bei der Göttinger Polizei und auch beim Landesverfassungsschutz genaue Auflistungen über sämtliche Teilnahmen an Demonstrationen. Vergangenes Jahr ist der Versuch des Verfassungsschutzes aufgeflogen, einen Informanten zur Bespitzelung der Göttinger Antiatomszene anzuwerben. Das AAP wird sich aber weiterhin offensiv gegen diese Kriminalisierung und Einschüchterung der Antiatombewegung einsetzen.

Kriminell sind Atomindustrie und Kapitalismus, nicht der Widerstand dagegen! Für eine Abschaffung des Niedersächsischen Polizeigesetzes!

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Ergänzungen

Wunderbare Vorlage...

Hinz und Kunz 23.10.2007 - 11:17
Nach diesem Erfolg sollte eine Amtshaftungsklage gegen den Verantwortlichen folgen, ggf. auch eine Klage aus aufopferungsgleichem Eingriff. Schmerzensgeld, bzw. zumindest eine Entschädigung sollte da drin sein.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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