OVG Münster: UN-Sozialpakt nicht bindend

The Pirate 22.10.2007 03:15 Themen: Bildung
Am 9.Oktober 2007 fand am Oberverwaltungsgericht NRW in Münster die Verhandlung einer Musterklage gegen Studiengebühren in NRW statt. Die Klage, die 14.000 UnterstützerInnen zählt, bezieht sich auf den UN-Sozialpakt. Etwa 250 Studierende protestierten für das "Menschenrecht auf Bildung" durch die Münsteraner Innenstadt.
Am 9.Oktober 2007 fand am Oberverwaltungsgericht NRW in Münster die Verhandlung einer Musterklage gegen Studiengebühren in NRW statt. Die Klage, die 14.000 UnterstützerInnen zählt, bezieht sich auf den UN-Pakt über soziale, kulturelle und wirtschaftliche Rechte. Dort heißt es, dass "der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss."
Das Oberverwaltungsgericht entschied in zweiter Instanz, der Pakt sei lediglich "programmatisch" zu verstehen und keinesfalls rechtlich bindend und für den/die Einzelne/n einklagbar. Damit wiedersprach es dem Verwaltungsgericht in Minden, dass dem Pakt noch eine größere Bedeutung beigemessen hatte, Studiengebühren jedoch für rechtens beurteilte, da eine Darlehensregelung jedem ein Studium ermögliche. Das Urteil steht auch der gängigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes entgegen. Das OVG ließ somit konsequenterweise auch keine Berufung zu. Diese wäre nur dann sinnig, wenn unter anderem Bundesrecht greifen würde. Ob die Klage dennoch vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt wird, entscheidet dieses Gericht jedoch selbst, nachdem die Seite der Studierenden eine "Nichtzulassungsbeschwerde" eingereicht hat.

Vor dem Gericht erwarteten etwa 250 Studierende gespannt das Urteil. Sie hatten zunächst, aus ganz NRW versammelt, in der Münsteraner Innenstadt für das "Menschenrecht auf Bildung" demonstriert und dabei noch den Hörsaal F1 gestürmt, in dem gerade eine Vorveranstaltung für Erstsemester lief. Die Demonstration schloß mit einer Kundgebung auf dem Aegidiikirchplatz vor dem Gericht, das durch eine Bannmeile abgesperrt war, ab. Besonderes Highlight der Veranstaltung war die Rede von Lothar Jansen, Leiter des Studienkollegs NRW und Vorsitzender des Philologenverbandes NRW, sowie CDU-Mitglied. Er sprach sich gegen die Einführung von Studiengebühren und die Abschaffung der Studienkollegs in NRW aus. Ausserdem sprach Gerda Benien, vom Kinderschutzbund Münster. Ebenso wie Jansen, solidarisierte sie sich mit den Studierenden, die sich aktiv gegen Studiengebühren wandten, nicht zuletzt, da auch ihre Kinder einmal studieren sollten. Sie machte auf den Zusammenhang von Kinderarmut und fehlender Bilung aufmerksam.

Zwar waren die Erwartungen der Anwesenden ob des Urteils nicht sehr hoch. Das Gericht überraschte dennoch mit seiner Dreistigkeit. Den meisten Studierenden war klar, dass es im Grunde nach ein "falsches" Urteil ist. Damit gehen sie konform mit dem Bericht des UN-Ausschusses, der über die Einhaltung des Paktes wacht und 2001 schrieb:
"Der Ausschuss ist besorgt darüber, dass Richter keine ausreichende Ausbildung im Bereich der Menschenrechte erhalten, insbesondere hinsichtlich der im Pakt gewährleisteten Rechte. Ein ähnlicher Mangel an Ausbildung im Bereich der Menschenrechte kann bei Staatsanwälten und anderen für die Umsetzung des Pakts zuständigen Akteuren festgestellt werden.
(AKZ E/C.12/1/Add.68)"

Der studentische Protest kann durchaus als Erfolg gewertet werden. Trotz der sehr kurzen Mobilisierungszeit und -kapazitäten von nur zweieinhalb Wochen, war die Demo ansehnlich. Viele Journalistinnen und Journalisten nahmen sich die Zeit, die Studierenden ausführlich zu befragen. Nicht zuletzt deshalb schrieb die Presse bundesweit wohl sehr neutral und ausführlich zum Thema Studiengebühren und UN-Sozialpakt. Die Berliner Umschau kommentierte und forderte sogar einen studentischen Streik angesichts der bisherigen Erfolglosigkeit vor Gericht. In dieser Woche reichte der studentische Dachverband fzs zunächst einmal Beschwerde vor dem UN-Ausschuss wegen der Einführung von Studiengebühren in Deutschland ein. Er soll die Bundesrepublik rügen und somit den Politikern und der Rechtsprechung ein wenig auf die Sprünge helfen. Die Bundesrepublik ist mit ihrem fünfjährigen Bericht im übrigen seit über einem Jahr überfällig.

Die Diskussion bleibt also spannend. In juristischen Fachkreisen ist man sich keinesfalls einig, ob und wie Studiengebühren mit dem UN-Sozialpakt vereinbar sind. In jedem Fall bleibt für den "Normalbürger" offen, wieso solche Pakte überhaupt geschlossen werden, wenn sich sowieso niemand daran halten muss. Und wie die Bundesregierung überall in der Welt Menschenrechte einfordern kann, während in Deutschland diese keine Beachtung finden. Sollten die Menschenrechte in Zukunft tatsächlich so programmatisch zu verstehen sein, wie die Wahlprogramme der Parteien, na dann "Gute Nacht".
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