Die Geschichte des Schwarzen Blocks

Roland Ionas Bialke 21.10.2007 14:12
Der Schwarze Block ist eine linke Aktionsform. Doch gehört das "links" zur linken Bewegung? In diesem Artikel wird aufgezeigt, dass es im Kampf nicht um Namen und Symbole geht, sondern um die Durchsetzung von Inhalten. Zudem zeigt dieser Artikel auf, dass viele Menschen die oft negative Eigenschaft besitzen zu verallgemeinern und somit ihre eigenen Grundsätze zuwider handeln.
Eine Imagination

Die Aktionsform des Schwarzen Blocks wurde in der Zeit der Römischen Bürgerkriege (133 bis 30 v. Chr.) in Latium zum ersten Mal durchgeführt. Damals war die Republik Rom zur beherrschenden Macht des Mittelmeerraums aufgestiegen. Die Vergrößerung des Staatsgebietes erzeugte tiefgreifende soziale Spannungen zwischen adligen Grundgroßbesitzern (Optimaten) einerseits und römischen Kleinbauern beziehungsweise städtischen Proletariern (Popularen) andererseits. Bei Angriffen von Popularen auf Optimaten kam es, im Gewirr des Bürgerkrieges, immer wieder vor, dass Popularen Popularen versehentlich angriffen. Um eine Verwechslung auszuschließen bekleideten sich die Popularen bei Angriffen auf Optimaten nun in der typischen bäuerlichen schwarzen Kleidung. Alle Gruppenmitglieder (eigentlich alle Mitglieder der politischen Arten), egal ob Popularen oder Optimaten, verfolgten unterschiedliche und auch gegensätzliche Ziele. Nur die aritokratische Staatsform, die mit den Fasces durchgesetzt und symbolisiert wurde, wollten fast alle Römer. Durch Vertauschung von Machtverhältnissen und Inhalten übernahmen auch die Optimaten die schwarze Kampfbekleidung. Da viele Bauern in der römischen Legion gedient hatten wurden ihre schwarzen Trachten zur Zeit der Cäsaren die Farbe der Uniformen spezieller römischer Einheiten. Typische Inhalte und Ziele der römischen Aristokraten zu dieser Zeit waren Krieg, Imperialismus, Sklaverei und Massenmord.

In der französischen Revolution (1789 bis 1799) wurde die Aktionsform Schwarzer Block vereinzelt wieder angewandt. Der Vorteil der schwarzen Kleidung war, dass die Angreifer nicht ins "Friendly Fire" gerieten. Inhalte der Revolution waren ethnische Säuberungen und Ziele waren unter anderem Natonalismus und Gleichheit vor dem Gesetz. Das grösste Symbol der französischen Revolution wurde übrigens der Angriff auf ein leeres Gefängnis.

Ab 1809 kämpfte die Schwarze Schar, ein Braunschweiger Freikorps was durch Herzog Fiedrich Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg-Oels aufgestellt wurde, an europäischen Kriegsschauplätzen, gegen die napoleonische Vorherschaft in Europa und für eine deutsche Nation, in schwarzer Uniform mit silbernen Totenkopf.

In den Befreiungskriegen 1813 bis 1815 trug das deutsch-nationalistische Lützowsches Freikorps schwarze Uniform. Die Farbe der Uniformen rührte daher, dass Schwarz die einzige Farbe war, mit der sich durch Einfärbung der Alltagskleidung eine einheitliche Uniformfarbe herstellen ließ. Nach den Befreiungskriegen übernahmen die deutsche Burschenschaften Schwarz als Farbe ihrer Uniformen.

Die damalige, damals noch umgedrehte, Nationalflagge Deutschlands (gelb-rot-schwarz) war eine liberal-sozialistisch-christliche Erfindung. Oder galt das Schwarz sogar dem Anarchismus?

Die deutschen Nationalisten des 19. Jahrunderts wurden von den Monarchisten im übrigen "links" genannt. Das hatte aber eher weniger mit deren Inhalte zu tun, sondern vielmehr damit, dass ab 1848 die Nationalisten und die Monarchisten links im Reichstag saßen. Links und Rechts sind somit Insrumente der Machthabe um Menschen zu kontrollieren. Die beiden Begriffe beschreiben keine Inhalte.

Im Jahr 1871 wurde das Konzept Schwarzer Block wieder angewandt. Die Rechten, also Kommunisten und Sozialisten, zogen sich in Paris schwarze Kleidung an um besser und koordinierter gegen die Nationalgarde kämpfen zu können und sich somit von der dritten französischen Republik zu separieren. Die so enstandene Pariser Kommune gilt als Vorbild für die Rätedemokratie.

Seit 1891 bezeichnen sich Menschen in italienischen Arbeiterzusammenschlüssen, zumeist Bauern, als Faschisten. Sie nennen sich "fasci siciliani" oder "fasci dei lavatori". (Kommt Lavatory nicht aus dem Englischen und bedeutet Toilette?) Es gibt Aktionen in schwarzer Kleidung. Nach einiger Zeit wird die Menschen dieser faschistischen Bewegung als Schwarzhemden bezeichnet. 1922 ergreift in Italien Benito Mussolini die Macht und wählt für die faschistische Bewegung das zeichen der Liktoren aus, das Fasces.

In Deutschland kommt es hingegen nach dem ersten Weltkrieg zu kriegerischen Auseinandersetzungen in der von Sozialdemokraten, Monarchisten, Nationalisten, Kommunisten, Sozialisten und Anarchisten die Aktionsform des Schwarzen Blocks angewendet wird. Die Novemberrevolution 1918/19 führte zur Umwandlung des Deutschen Reiches von einer konstitutionellen Monarchie in eine parlamentarisch-demokratischen Monarchie. Die Aktionsform Schwarzer Block wird verwendet um für die Polizei oder für andere Gegner nicht identifizierbar zu sein

Seit den 1920er Jahren gibt es in Deutschland nationalsozialistische und kommunistisch/anarchistische Schwarzhemden die gegen die Weimarer Republik und gegeneinander kämpfen. Am 1. April 1925 entsteht die Schutzstaffel der NSDAP die, unter Vorbild der Schwarzen Schar, in schwarzen Uniformen auftrat und zum persönlichen Schutz von Adolf Hitler gegründet wurde. 1934 wurde die SS zu einer paramilitärischen Organisation und übte "parteiinternen Polizeidienst" aus. Die Schutzstaffel der NSDAP war maßgeblich am Holocaust beteiligt und wurde nach 1945 als verbrecherische Organisation in Deutschland verboten.

Seit den 1970er Jahren nutzen Autonome die Aktionsform des Schwarzen Blocks. Sie kleiden sich schwarz um nach aussen hin nicht für die Polizei oder für andere Gegner identifizierbar zu sein und als Masse stärker zu wirken. Ziele sind unter anderen Frieden, Anti-Atomkraft, Antikapitalismus, Antifaschismus und Antisexismus. In den 1980er Jahren wird gegen den Schwarzen Block als Terroristische Vereinigung ermittelt.

Seit den 1990er Jahren treten Neonationalsozialisten und Nationalisten im Schwarzen Block auf, die hauptsächlich in Rahmen ihrer Anti-Anifa-Aktionen in schwarzer Kleidung auftreten um Antifaschisten abzufotografieren oder anderweitig anzugreifen. Daneben gibt es Demonstrationen von sogenannten Autonomen Nationalisten, die sich auf Demonstrationen tarnen um für die Polizei und ihre Gegner nicht identifizierbar zu sein.

Seit 2005 nutzt die bayerische Spezieleinheit USK (Unterstützungskommando) bundesweit die Aktionsform des Schwarzen Blocks. Dabei gehen die schwarz vermummten und gepanzerten Polizisten offensiv auch gegen friedliche Demonstranten vor indem sie auf diese schreiend losstürmen und vorher wie die alten Römer mit ihren Knüppeln auf ihre Schilder trommeln. Ausserdem bilden sie Ketten um bei brenzligen Situationen nicht in die Demonstration gezogen zu werden. Zudem trainiert das USK Zugriffe aus Krankenwagen.

Die Aktionsform des Schwarzen Blocks verfällt ab Ende der 1990er Jahren immer mehr zum modischen Trend innerhalb der "linken" Szene. Im Jahr 2007 werden Sympathisanten der rechten SPD als Angehörige des Schwarzen Blocks erkannt.


 http://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%B6mische_B%C3%BCrgerkriege
 http://de.wikipedia.org/wiki/Fasces
 http://de.wikipedia.org/wiki/Tracht_%28Kleidung%29
 http://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_Schar
 http://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%BCtzowsches_Freikorps
 http://de.wikipedia.org/wiki/Franz%C3%B6sische_Revolution
 http://de.wikipedia.org/wiki/Befreiungskriege
 http://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%BCtzowsches_Freikorps
 http://de.wikipedia.org/wiki/Schwarz-Rot-Gold
 http://de.wikipedia.org/wiki/Pariser_Kommune
 http://it.wikipedia.org/wiki/Fasci_siciliani
 http://de.wikipedia.org/wiki/Novemberrevolution
 http://de.wikipedia.org/wiki/SS
 http://de.wikipedia.org/wiki/Autonome
 http://de.wikipedia.org/wiki/Schwarzer_Block
 http://de.wikipedia.org/wiki/Unterst%C3%BCtzungskommando
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Verständnis-Problem

X 21.10.2007 - 16:02
Ich habe mal eine Frage, wie das gemeint ist:
"Im Jahr 2007 werden Sympathisanten der rechten SPD als Angehörige des Schwarzen Blocks erkannt."

Danke

Historischer Unsinn

k.u.c.k.u.c.k 21.10.2007 - 16:02
Tut mir ja wirklich leid, aber diese Fleißarbeit ist ahistorischer und eurozentristischer Unsinn. Eine völlig wahllose Auswahl geschichtlicher historischer Akteure und Militarismusformen als "Schwarzen Block" zu bezeichnen und darüber dann Analogien zu den tatsächlichen oder vermeintlichen autonomen "Schwarzen Blöcken" ab Anfang der 80er des 20. Jahrhunderts herzustellen, ist gänzlich unseriös. Niemand aus dieser beliebigen Auflistung hat sich jemals als "Schwarzer Block" bezeichnet. Du machst sie dazu, das ist ihre einzige Verbindung zu dem Konstrukt. Wenn du dich schon in Beliebigkeiten ergehen willst, würde ich dir empfehlen deinen Blick ein wenig über den europäischen Tellerrand hinausschweifen zu lassen. Da kannst du dann in der Historie noch jede Menge andere Gruppen finden, die du in dein Konstrukt verwurschten kannst. Der "schwarze Block" war eine originäre "Erfindung" und Bezeichnung der Hausbesetzerbewegung der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. Schwarz war er, neben gelegentlichen Sympathien für das Schwarz der Anarch@s, vor allem deswegen, weil seinerzeit der Dresscode zwingend eine schwarze Lederjoppe vorsah.

Historischer Unsinn

Roland Ionas Bialke 21.10.2007 - 16:38
K.u.c.k.u.c.k. hat recht! Das ist eine Imagination. "Imagination ist die Fähigkeit, Konzepte, Ideen oder Bilder zu entwickeln oder zu erinnern, die materiell nicht vorhanden sind." Ich habe es mir nur vorgestellt. Was dieser Artikel bezwecken soll, dass habe ich im dritten und vierten Satz geschrieben. Es soll zur Diskussion und zum Nachdenken über die Begriffe wie "links", "die" Antifa, "der" Schwarze Block aber auch andere Begriffe, Symbole und Verhaltensweisen (z.B. lookism) anregen. Aber nicht hier, auf Indymedia, sondern in Eurem Kopf und mit Euren Mund.

Und querfront bin ich nicht. Ich will antinationalistisch, satanistisch (antagonistisch), antikapitalistisch, etc. sein. Aber z.B. antikapitalistisch zu sein fällt mir schwer! Wenn Du denkst, dass ich ein Nazi bin, dann komme zu meiner Gerichtsverhandlung und schau mich die ganze Zeit böse an!

 http://repression.fateback.com/

Aus dem Grundkurs Psychologie weiss ich, dass ich zum Beispiel nicht Wir sagen soll, da ich nur für mich reden kann. Und sowas nervt mich dann. Eine andere Weisheit aus dem angesprochenen Grundkurs war, dass ich nicht verallgemeinern soll. "Der (eine) Schwarze Block", dass gibt es doch nicht. Die Schwarzen Blöcke waren auch nicht die Themen meines Artikels, sondern andere Gedankengänge denen ich mich fast para-emphatisch hingab.

Besser ein Spinner als niemals reflektieren und kaum was machen. Und verzeiht mir meine Fehler!! [;

Die "rechte" SPD war nur auf das links-rechts-umdrehen bezogen und die SPD als Black Block auf eine Beobachtung, die ich gemacht habe. Und das Schwarz der USK ist kein SCHWARZ! :P

zu den fasci 1919ff.

informator 21.10.2007 - 17:43
"Seit 1891 bezeichnen sich Menschen in italienischen Arbeiterzusammenschlüssen, zumeist Bauern, als Faschisten. Sie nennen sich "fasci siciliani" oder "fasci dei lavatori". (Kommt Lavatory nicht aus dem Englischen und bedeutet Toilette?) Es gibt Aktionen in schwarzer Kleidung. Nach einiger Zeit wird die Menschen dieser faschistischen Bewegung als Schwarzhemden bezeichnet. 1922 ergreift in Italien Benito Mussolini die Macht und wählt für die faschistische Bewegung das zeichen der Liktoren aus, das Fasces."

Da hast Du verdammt schlecht recherchiert. Die sich zuerst squadri und spaeter dann fasci nennenden Verbaende der faschistischen italienischen Schwarzhemden entstanden ab etwa 1919 in verschiedenen Gebieten Italiens, um gegen kommunistische Arbeiter und Bauern vorzugehen, die in den ersten Jahren nach Ende des 1. Weltkriegs ein "Bewegungshoch" erlebten. Die squadri/fasci rekrutierten sich vornehmlich aus ehemaligen Frontsoldaten des 1. WK und wurden von Grossgrund- und Fabrikbesitzern finanziell unterstuetzt.

Mehr Infos im folgenden Artikel  http://de.wikipedia.org/wiki/Schwarzhemden

In einem aber hast Du Recht: die Farbe Schwarz wurde in der Geschichte sowohl von linken wie von rechten Kraeften benutzt. Die rechtsextremen Freikorps, die in der Novemberrevolution gegen die revolutionaere Raetebewegung kaempften, hatten zumeist schwarze Fahnen. Dies wohl auch als symbolische Referenz an die Freikorps genannten Freiwilligenverbaende in der Zeit der Befreiungskriege gegen Napoleon.

fasci de lavatori

sind 21.10.2007 - 17:50
"Meist wird davon ausgegangen, dass die Bezeichnung Faschismus vom Begriff der fasces abgeleitet worden ist. Ein solcher Zusammenhang ist jedoch nicht sichtbar; vielmehr tauchte der Begriff fasci in der italienischen Politik erstmals im Jahre 1891 auf. Die als eine Art von außerparlamentarischer Opposition gegründeten Landarbeiterzusammenschlüsse fasci dei lavatori oder fasci siciliani waren offenbar die Wortschöpfer dieses Begriffs." ( http://de.wikipedia.org/wiki/Fasces)

Fasci dei lavatori bedeutet Landarbeiterbuende. Zur Geschichte Italiens zwischen 1900 und 1945 empfehle ich den Film "1900". Siehe dazu auch  http://de.wikipedia.org/wiki/1900_(Film)

...autsch

schwarzer block e.v. 21.10.2007 - 20:29
der schwarze block ist eine erfindung der westdeutschen polizei, die anfang der 1980er jahre eine überschaubare, linksradikale kriminelle vereinigung ausgemacht haben will, die sich selbst als "schwarzer block" bezeichnete. die anklageschrift beinhaltete genau dieses konstrukt, welches daraufhin zuerst mitleidig belächelt, anschliessend aber fröhlich aufgegriffen und fortan tatsächlich benutzt wurde. eine ernsthafte (militärisch-strukturelle) organisierung des schwarzen blockes gab es niemals, allerdings durchaus verbindliche absprachen zwischen autonomen zusammenhängen. sind und zweck war und ist in erster linie, den größtmöglichen schutz eines individuums innerhalb einer kollektiv handelnden masse herzustellen.

"ethnische Saueberungen"

korrektor 21.10.2007 - 21:04
Es ist hanebuechener Unsinn, im Zusammenhang mit der Franzoesischen Revolution von "ethnischer Saeuberung" zu sprechen. Dem terreur der Jakobiner fielen damals Franzosen und Nicht-Franzosen zum Opfer, die der "konterrevolutionaeren Konspiration" gegen die Republik verdaechtigt und vor Revolutionstribunalen zum Tode verurteilt wurden. Die Nationalitaet des Angeklagten spielte dabei nur eine untergeordnete Rolle. Dieses teilweise fragwuerdige Vorgehen muss im Kontext der bewaffneten Agression der feudalen europaeischen Maechte gegen die buergerliche Revolution in Frankreich gesehen werden.

Zur Vertreibung und Ermordung von Nicht-Franzosen aus rassistischen Gruenden ("Du bist kein Franzose, Du gehoerst nicht hierher, verschwinde!") kam es meines Wissens waehrend der Franzoesischen Revolution nicht.

In einem hat der Autor des Textes aber Recht. Es kommt nicht auf Symbole, sondern auf die politischen Ziele und deren sozialen Gehalt an, die sich eine Bewegung oder Partei auf die fahne schreibt. Deshalb ist das Geheule von Antifas ueber den Klau ihrer Symbole durch Nazis einfach nur laecherliche Kinderkacke.

Für mehr sicherheitskritisches Verhalten!

six hills 21.10.2007 - 21:33

Kampagne gegen den “11. Europäauml;ischen Polizeikongreß” am 29./ 30. Januar 2008 in Berlin


Gegen eine "globale Sicherheitsarchitektur"
Füuuml;r mehr sicherheitskritisches Verhalten



Im Verlauf der letzten Monate ist einiges öouml;ffentlich geworden üuuml;ber Ermittlungsmethoden von Sicherheitsbehöouml;rden: Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung, so genannte "Textanalyse von Taterkläauml;rungen" (angewandt in den Ermittlungsverfahren nach §129a gegen G8-AktivistInnen) etc. Polizei und Nachrichtendienste wollen ungehinderten Zugriff auf Personendaten und User-Profile im Internet. Internetanbieter müuuml;ssen ihren Traffic dafüuuml;r langfristig speichern und damit polizeiliche Datenbanken entlasten.

Die Debatte um die Einfüuuml;hrung biometrischer Päauml;sse hat in Erinnerung gerufen, dass die Industrie läauml;ngst komplexe Üuuml;berwachungssysteme entwickelt hat: Iris-Scanning, RFID-Chips (z.B. zum Einkauf im Supermarkt oder auf Ausweisen), automatische Gesichtserkennung etc. Im Bereich der "Border Control" sollen "privilegierte Reisende" mit biometrischen Päauml;ssen "automatisch einreisen" köouml;nnen. Die neue "Europäauml;ische Agentur füuuml;r die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen" (FRONTEX) ist beauftragt, eine permanente "Risiko- und Gefahrenanalyse" der EU-Außengrenzen zu erstellen und füuuml;r mehr Koordinierung und Üuuml;berwachung zu sorgen. Die technische Aufrüuuml;stung steht im Mittelpunkt.

Kontrolle, Normierung und Üuuml;berwachung sind keine neuen Phäauml;nomene. Der Rüuuml;ckbau sozialer Sicherung im globalisierten Kapitalismus geht einher mit der Umstrukturierung von Innenstäauml;dten, "Gated Communities" mit Kameras, Zäauml;unen und Security oder Video-Üuuml;berwachung am Arbeitsplatz. Neben der Bewegungsfreiheit wird die freie Nutzung des Internets zunehmend eingeschräauml;nkt. Gegen politisch missliebige Bewegungen werden neue Gesetze erlassen.

Mit Rüuuml;ckendeckung von Polizei-Gewerkschaften, BKA- und Polizei-Hardlinern wollen Innenpolitiker politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen füuuml;r die Einfüuuml;hrung neuer Sicherheitstechnologie schaffen. Dieser Umbau soll zu einer "globalen Sicherheitsarchitektur" beitragen, die auf Ansäauml;tzen des US-Heimatschutzministeriums (Department of Homeland Security) aufbaut. Dessen "Mission" ist, "Bedrohungen voraussehen, zuvorkommen und abwenden".

Das Thema "Sicherheit" ist läauml;ngst zum umkäauml;mpften Markt in der IT-Branche geworden. Dutzende Anwender konkurrieren wenn es darum geht, Informationen füuuml;r beteiligte Behöouml;rden schnell verfüuuml;gbar zu machen, Kommunikation üuuml;ber Digitalfunk zu verschlüuuml;sseln oder Software zu programmieren, damit unterschiedliche Datenbanken miteinander harmonisieren. Dabei handelt es sich um Software, die kommerziell vertrieben wird, etwa füuuml;r Hochschulen, Behöouml;rden oder private Anwender, und auf den Betrieb bei Polizei und Nachrichtendiensten abgestimmt wird. Unterschiedliche technische Standards anderer Läauml;nder stellen dabei ein Problem polizeilicher Zusammenarbeit dar. Auf der näauml;chsten Konferenz wollen deutsche Polizeigewerkschaften einen Aufruf zur Einfüuuml;hrung einheitlicher Software veröouml;ffentlichen.

Der "Europäauml;ische Polizeikongreß" ist ein Forum, auf dem sich Politiker, Polizeibehöouml;rden, Nachrichtendienste, Bundeswehr und Sicherheitsindustrie üuuml;ber die Implementierung neuer Verfolgungsmaßnahmen verstäauml;ndigen. Der jäauml;hrliche Kongreß hat den Charakter einer "Sicherheits-Messe", in den ersten Jahren stand die technische Ausrüuuml;stung auf der Tagesordnung. Inzwischen stehen Verfolgungsbehöouml;rden allerdings vor der Frage wie der immense Umfang an Daten sinnvoll verarbeitet werden soll. Eine Antwort darauf ist das sogenannte "Data-Mining", ein Prozeß mit dem Texte, Abhöouml;rmitschnitte oder Videos auf Schlüuuml;sselwöouml;rter oder Redewendungen untersucht und Personen zugeordnet werden. Einige Anbieter entwickeln Software die es ermöouml;glichen soll, die Wahrscheinlichkeit zuküuuml;nftiger Gesetzesüuuml;bertretungen mathematisch zu berechnen. Die Firma SPSS beschreibt diesen Vorgang in einem Referat auf dem "Europäauml;ischen Polizeikongreß" als "Die Evolution in der Verbrechensbekäauml;mpfung... Vom Reagieren... Zur Eigeninitiative... Zur Vorhersage...". Damit wäauml;re der erste Schritt der "Homeland Security"-Ideologie vollzogen: Das "Vorhersehen von Bedrohungen".

Auch füuuml;r das "Zuvorkommen von Bedrohung", erfüuuml;llt der "Europäauml;ische Polizeikongreß" eine Funktion: eine Vernetzung internationaler Polizeibehöouml;rden, die weit üuuml;ber bereits bestehende Strukturen hinausgeht (Europäauml;isches Polizeiamt EUROPOL, Schengen-Informationssystem SIS). Die Bundeswehr ist in die Neustrukturierung der Sicherheitsbehöouml;rden eingebunden. Im In- und Ausland ist mehr Einsatz im Innern vorgesehen ("Zivil-Militäauml;rische Zusammenarbeit"). Im "Kampf gegen Internationalen Terrorismus", füuuml;r "Border Control" oder die "Bewäauml;ltigung polizeilicher Großlagen" wie Gipfeltreffen oder Sportereignisse sind neue Agenturen, Institute, Arbeitsgruppen und Forschungsprogramme entstanden. Zentrale Themen sind diskrete Aufkläauml;rung und Intervention. Dabei geht es um Kommando- und Kontrollsysteme, Zugriff auf Geheimdienstdatenbanken, den Umgang mit Beschwerden gegen Polizei, IT-Infrastruktur, Zäauml;une, "Handhabung von Menschenmassen" ("Crowd Management") sowie Medien- und PR Strategien.

Charakteristisch füuuml;r diese neue polizeiliche Vernetzung ist ihre Arbeit im Verborgenen. Nationale und supranationale Polizeibehöouml;rden stellen sogenannte "Verbindungsbeamte" ab, die sich in "Closed door meetings" üuuml;ber Sicherheitsfragen abstimmen. Das neue Wissen um die Kontrolle "sicherheitskritischen Verhaltens" wird auf regelmäauml;ßigen Konferenzen, Workshops oder in Seminaren der Polizei-Akademien weitergegeben. Ziel ist die Entwicklung internationaler Standards. Die internationale Vernetzung von Sicherheitsbehöouml;rden setzt sich üuuml;ber limitierende politische Regelungen hinweg und agiert ohne rechtsstaatliche Kontrolle.

Die "globale Sicherheitsarchitektur" hat eine neue Qualitäauml;t. Der Focus auf "vorhergesagte Risiken" setzt Menschen einem Generalverdacht aus. Dies stellt Soziale Bewegungen vor eine große Herausforderung. Wir schlagen deshalb eine Kampagne gegen den "11. Europäauml;ischen Polizeikongreß" im Februar 2008 in Berlin vor. Die Kampagne hat zunäauml;chst folgende, eher allgemeine Ziele:

  • Protest gegen die Architekten der "globalen Sicherheitsarchitektur" des Neoliberalismus

  • Eine Intervention in den Diskurs von Bedrohungsszenarien, die neue Sicherheitsmaßnahmen begrüuuml;nden sollen

  • Das Sichtbarmachen informeller Strukturen europäauml;ischer Polizei-Zusammenarbeit

  • Die Sensibilisierung füuuml;r neue Üuuml;berwachungsmethoden im IT-Bereich

  • Die Skandalisierung des Einflusses der Industrie auf die "globale Sicherheitsarchitektur"

  • Füuuml;r mehr sicherheitskritisches Verhalten


  • Der Polizeikongreß 2008 steht unter dem Motto "Informationstechnologie - Ermittlung - Einsatz". Am Dienstag den 29. Januar um 15.30 Uhr referiert Innenminister Schäauml;uble im "Forum der europäauml;ischen Innenminister". Zusammen mit anderen Gruppen organisieren wir zu diesem Termin eine Kundgebung, evtl. eine Demonstration.

    Wir wollen mit der Kampagne ein breites Spektrum von Gruppen erreichen und denken, dass der "11. Europäauml;ische Polizeikongreß" eine Gelegenheit zur Verläauml;ngerung bestehender Kampagnen sein kann: Gegen Vorratsdatenspeicherung, gegen 129abc, Frontex, Oury Jalloh, Antimilitarismus etc.

  • Hintergrund zum "Europäauml;ischen Polizeikongreß": http://gipfelsoli.org/Home/4223.html



  • Offizielles Programm: https://gipfelsoli.org/static/Media/Repression/euro-police-program-2008.pdf


  • six hills

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 5 Kommentare an

Bitte? — Schonhaus