Solidarität mit Moritz

Soligruppe 19.10.2007 18:34 Themen: Militarismus Repression
Seit dem 1.10.07 unterliegt der Kriegsdienstverweigerer Moritz aus Neumünster der direkten Militärverwaltung. Er verweigert die Zusammenarbeit mit dem Militärapparat. Seine Festnahme durch Feldjäger oder Polizei ist jederzeit möglich.
Was die Position von Moritz angeht, gibt es kaum offene Fragen. Es gibt keine Flucht oder ein Versteckspiel vor den Häschern der Armee, sei es in Feldjäger oder Polizeiuniform.. Sie haben ihn am 14.10.07 aus seinem Alltag herraus verhaftet und durch Feldjäger nach Strausberg verfrachtet.
Sie kriegen ihn nicht

Seit dem 1.10.07 unterliegt der Kriegsdienstverweigerer Moritz aus Neumünster der direkten Militärverwaltung. Er verweigert die Zusammenarbeit mit dem Militärapparat. Seine Festnahme durch Feldjäger oder Polizei ist jederzeit möglich.
Was die Position von Moritz angeht, gibt es kaum offene Fragen. Es gibt keine Flucht oder ein Versteckspiel vor den Häschern der Armee, sei es in Feldjäger oder Polizeiuniform.. Sie haben ihn am 14.10.07 aus seinem Alltag herraus verhaftet und durch Feldjäger nach Strausberg verfrachtet.
Moritz wird einen begrenzten Zeitraum im Bundeswehrarrest verbringen, bis die Armee ihre Möglichkeiten der Abschreckung (mehrmaliger, jeweils bis zu 21 Tage dauernder Arrest) verbraucht hat und der „Fall“ den zivilen Staatsanwaltschaften übergeben wird. So beginnt ein Leben als totaler Kriegsdienstverweigerer in Deutschland.

Die Entscheidung für eine totale Kriegsdienstverweigerung ist niemals einfach oder eben mal so gefallen. Immer galten die Männer, die sich für diesen Weg des Antimilitarismus entschieden als besonders verwerflich, als religiöse Spinner oder als Leute, die fern von der Realität agieren. Traditionell sind sie Vaterlandsverräter, die die Verachtung und das Unverständnis der bürgerlichen Gesellschaft zuspüren bekommen.
In den 50iger und 60iger Jahren wurden in Westdeutschland schon Antimilitaristen, die ihr neu erschaffenes Recht auf Zwangsdienst ohne Waffe einforderten, vom reaktionären Mob geradezu körperlich spürbar gehasst. Um klarzustellen, wie man im postfaschistischen Deutschland mit totalen Kriegsdienstverweigerern und Fahnenflüchtigen umzugehen gedenkt, wenn man nur könnte, wurden die NS- Todesurteile gegen Deserteure und andere „Drückeberger“ offen als legales Recht bezeichnet.
Die seit 1989 nicht mehr zu den historisch Lebenden zu zählende DDR kam zur selben Zeit auf die grandiose Idee, Spatensoldaten als legale Form des Antimilitarismus zu verkaufen. Wer da nicht reinpasste oder reinpassen wollte, unterlag dem hässlichen Gesinnungs- und Kriminalisierungsterror des „mobilen Sozialismus“. Harte Zeiten für all diejenigen, die aus der militärischen Hierarchie herrausbrachen und sich nicht unterwarfen. Wenn es auch kaum etwas zu vergleichen gab zwischen der BRD und dem „realen“ Sozialismus, in der Kriminalisierung oder psychatrisierung totaler Kreigsdienstverweigerer waren sie sich einig.

Die meisten Kriegsdienstverweigerer des Adenauerdeutschland haben durch mehrmalige Demütigungsversuche hindurch (Prüfungsausschüsse für Gewissensdefinition und Ausgrenzung) für ihr Recht gekämpft, den Staatsdienst ausserhalb der Armee ableisten zu können. Dabei wurde quasi jedem Mann, der nicht zur Armee wollte, eine psychologisierende Gewissensnot aufgedrängt. Wer daran nicht litt oder sich nicht zur bürgerlichen Form des moralischen Dilemmas bekannte, ging entweder gleich zur Armee oder klinkte sich ganz aus bei Strafe der Ausgrenzung aus fast allen sozialen Zusammenhängen und zwangsweise Knast.

Die Sozialdemokratie mit ihrer „mehr Demokratie wagen“ Parole veränderte den Charakter des Zivildienstes im Laufe ihrer Regierungsperiode erheblich. Sie machte aus dem Gemeinschaftsdienst für Leute, die nicht ganz dicht oder religiöse Spinner sind einen Zwangsdienst zum Wohle des Kranken,-Sozial,-und Kulturwesens. Die Ableistung des Zivildienstes verliert als antmilitaristische Handlung seine Unschuld. Die Zivis sind in der bürgerlichen Gesellschaft angekommen. Man musste sich nicht mehr zum Affen machen, konnte seinen schon immer vernachlässigten karitativen Neigungen nachgehen. Ein Gewissen zu haben war praktisch und wer es formulieren konnte, kam durch. Die Zahl der Verweigerungen vermehrte sich drastisch. Tausende von sozialen Einrichtungen verlängern den Zwangsdienst in die Sozialarbeit hinein, aus deren Zivis sich die Militärs im Kriegsfall bedienen
So leicht es aber war, sich dem Kriegsdienst mit der Waffe zu entziehen, so schwer war es, sich dem Zwangsdienst als Ganzes zu widersetzen. 1000de von Männern haben sich dieser Entscheidung entzogen, indem sie sich in die bundeswehrfreie Zone nach Berlin (entmilitarisierter Status) flüchteten.
Ab 1989 liegt die Generalmobilmachung als Modell kriegerischer Auseinandersetzungen brach. Die Bundesrepublik bereitet sich unmittelbar nach Erweiterung ihres staatlichen Territoriums akribisch auf die militärische Durchdringung ihres aussenpolitischen Machtbereichs vor. Aus Herrschaftssicht ist der Zivildienst jetzt hauptsächlich ein Instrument, das pazifistisches oder gar antimilitaristisches Gedankengut von den immer dichter an die realen Kriegsschauplätze herranrückenden Wehrpflichtigen fernhält . Es ist ein Angebot an latente Kriegsgegner, sich aus der Sache herrauszuhalten. Durch die Professionalisierung der Kriegsmaschine verliert der Zwangsdienst in der Armee zunehmend seine militärische Bedeutung. Nur Freiwillige werden in die reale Kriegsgebiete geschickt, der Rest organisiert die Versorgungsgrundlagen in der Infrastruktur. Die werdende Berufsarmee entledigt sich Stück für Stück aller Probleme, die das Konzept der Generalmobilmachung gegen die Sowjetunion hinterlassen hat. Jede Bundeswehreinheit, die von der Abhängigkeit von Zwangsrekrutierten befreit ist, wird als Kriegstauglich an die Fronten der militärisch abgesteckten Interessensspähren entlassen.

Jeder totale Kriegsdienstverweigerer stand zu jeder Zeit vor existentiellen Fragen. Die Entscheidung spricht immer für sich, weil allen Drohungen, Ausweichmöglichkeiten und Apellen an die Vernunft zum Trotz der staatliche Anspruch auf seine Person verweigert wird. Hinter den Sachzwängen der kapitalistischen Gesellschaft tauchen Menschen auf, die ihr „Recht“ auf die eigene Person einfordern. Quer zum allgemeinen Verhalten gegenüber dem Militär bezahlen sie einen hohen persönlichen Preis für ihre Verweigerung. Deshalb sind es immer wenige. Sie haben viel zu erzählen über die Entscheidung, Zwangsdienste und männerbündische Hierarchien als „feindlichen Angriff“ auf die eigenen Lebensvorstellungen und Planungen zu verweigern.
Moritz trifft seine Entscheidung in einer Zeit, in der immer deutlicher wird, wie weit sich die „Rot- Grüne“ Regierung 1998 mit ihrer Strategie der „ moralischen Kriegführung“ aus dem Fenster gehängt hat. Mit dem Jahr1989 wurde die Bundeswehr offiziell wieder zum aussenpolitischen Akteur erklärt. Deutsche Interessen werden seit dem in organisierter Eskalation mit militärischer Gewalt durchgesetzt. Die „Rot“-Grüne Regierung hat „auftragsgemäss“ die Hürde zum Angriffskrieg übersprungen, als das Kosovo mit militärischer Gewalt abgetrennt und der „serbische“ Rest bombardiert und unterworfen wurde. Als allgemeine Erfahrung lässt sich seit dem sagen: Wenn in Deutschland und der dazugehöhrigen Natowelt über irgend eine Region der Welt von „Nation Building“ und „temporary Governance“ gesprochen wird: Sofort flüchten! Nach dem militärisch sicheren Sieg der Nato Hightechtruppen bleibt mit grosser Warscheinlichkeit kein Stein auf den anderen. Im besten Fall wie in Teilen Jugoslawiens, entwickelt sich aus dem Trümmern der völkisch-rassistischen „Bürgerkriege“ eine verarmende Arbeitsgesellschaft mit innerstädtischer Vorzeigeborgeosie ( Bedingung: Tourristische Vorzeigeregion zur „Fremdkapitalbeschaffung“) Im schlechtesten Fall besteht das Leben der Betroffenen aus dem Warten auf dem nächsten Lebensmittelkonvoi der UNO. Es bleiben hundertausende zerstörter Lebensentwürfe ohne die ökonomischer Grundlage für einem Neuanfang.

Auf der politischen Ebene als Kollateralschaden abgetan, ist die Zerstörung ökonomisch wichtiger Struckturen die perfide, aktuell gültige Form der militärischen Unterwerfung.
Allerdings stecken die Militärmaschinen des Weltmarktes im Sumpf ihrer eigenen Zerstörungswut fest. Afghanistan, Tschetschenien und der Irak zerfallen in clangesteuerte Kriegsgebiete zurück, in den sich die Bandenführer entweder gegenseitig abschlachten oder mehr oder minder zusammen die neue, Menschenleben verachtende, hoch korrupte Borgeosie stellen. Der Grad der Zivilisierung ( Vertragsfähigkeit) der neureichen gesellschaftlichen Elite misst sich an der Anzahl der Weltmarkfirmen, die sich mit ihnen einlassen. Wenn das „Renditepotential“ der Region aus spezifischen regionalen Gründen ( keine Strassen, „zu faule Menschen“ oder zu viele Selbstmordattentäter) nicht abrufbar ist, zerfällt der Prozess des Nationbuilding in eine mehr oder minder haltlose Armutsspirale. Afghanistan; Tschetschenien und der Irak sind die Grossfriedhöfe der „Demokratie durch Krieg“ Kampagne, die Deutschland mit seiner „Krieg wegen Ausschwitz“ Propaganda federführend mitentwickelt hat.

Die weltweite Verelendungspolitik schafft neben unzähligen Toten auch den Hass des Elends.
Die Nato- US- Russischen Besatzungskriege haben unkontrollierbare männerbündische Guerillaarmeen geschaffen, die das Leben in den entsprechenden Gegenden zur wahren Hölle machen. Ihre Toteskommandos dringen bis in die Zentren der kriegführenden Staaten vor und sorgen für den nächsten Militarisierungschub in der Innenpolitik, Schäuble und die Taliban sind feindliche Brüder.

Sosehr sich die Methoden der Gewalt von hochindustrialiserter Kapitalmetropole und deindustrialsierter Elendsregion unterscheiden, so sehr sind beide an einer bewaffneten Kontrolle geselschafftlicher Widersprüche interessiert. Für Jede Tote in Afghanistan wird eine neue Überwachungskamera im öffentlichen Raum mehrer Natostädte instaliert, weil „sie“ die innere Sicherheit „instabiler macht“. Die weiterhin wuchernde Überwachungsindustrie lässt darauf schliessen, das weitere unzählige Tote geplant sind. Im gleichen Prozess werden wir in Feinde, Gegner, Kriminelle, Störfaktoren, beobachtungsbedürftig oder in Bürger eingeteilt und digital erfasst. Die Kategorie Bürger wird erteilt für alle, die unter dem Motto „Ich hab nichts zu verbergen“ ihr Leben digital zur Verfügung stellen, zum Beweis der absoluten Unschuld für was auch immer. Die Militarisierung der „globalen Bezeihungen“ zieht Kreise bis in das engste Lebensumfeld einer Jeden und eines Jeden hinein. Der persönliche Unterschied liegt nicht in den Tatsachen der Überwachung und Kontrolle selber, sondern in der Frage, wie weit Mensch sich von ihr beeindrucken lässt.
Moritz hat uns durch seine Entscheidung und sein konsequentes Handeln zur praktischen Unterstützung aufgefordert und auch zu einer Stellungnahme zu seinem Weg.

Ja, Moritz, wir finden deine Entscheidung richtig. Wir müssen der Militarisierung unseres Lebensumfeldes etwas entgegensetzen. Die persönliche Verweigerung ist als Bekenntnis zu einem antimilitaristischen Weltbild eine entscheidende Möglichkeit, sich vom bewaffneten Kapitalismus abzugrenzen. Wir als Freunde, GenossInnen und MitbewohnerInnen schliessen uns seiner Abgrenzung an. Die für den mörderischen Zustand in grossen Teilen der Welt verantwortlichen Männerhorden, seien es Armeen, Industriekonglomerate oder Regierungen haben kein Recht, uns als „Humankapital zu verplanen. Nicht als Kanonenfutter, nicht als Arbeits-und Dienstleistungsmaschinen und nicht als KonsumentInnen, denen man den Kaufzwang tagtäglich mit zunehmender Penetranz aufnötigt.
Leben im Sinne von Spass, Komunikation, sozialen Kontakten in einer Umgebung, in der mensch sicher davor ist, angeschissen zu werden findet in ihrer Welt nur unter ihrer Kontrolle einen Platz, also gar nicht! Wir halten es deshalb lieber mit Moritz, sich Räume zu erhalten und zu erkämpfen, in denen Kontrolle nicht nötig (möglich?) ist und gegenseitige Solidarität der Inhalt der eigenen Beziehungen wird.
Moritz im Bundeswehrknast bedeutet für uns und hoffentlich für einige Andere auch, so viel wie möglich Kontakt von aussen in die Zelle dringen zu lassen. Helft uns, bekannt zu machen, das ein „Antimilitarist“(Vorsicht:Schublade) im Knast sitzt. Vielleicht unterhaltet ihr euch anhand unseres Flugblattes über Krieg und Militarismus. Aber am wichtigsten: Lasst uns die Einsamheit, die Moritz in seiner Zelle erlebt, in eine einzige Solidaritätsbekundung verwandeln. Jede Postkarte und jeder Brief erhöht den Sinn seiner Verweigerung. Zeigt ihm, das seine Arrestzeit wahrgenommen wird.


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Ergänzungen

Solikundgebung

Soligruppe 19.10.2007 - 21:35
Solidarität mit Moritz

Moritz aus Neumünster sitzt jetzt seit 5 Tagen im Arrest weil er am 1. Oktober nicht zum Kriegsdienst angetreten ist ! Am Sonntag den 14.10.07 holten die Feldjäger und die Polizei von ihn Zu hause ab und brachten ihn in die Barnim - Kaserne nach Strausberg, seit dem sitzt er in Arrest.
Seine erste Arrestzeit beträgt 7 Tage. Am Dienstag wird entweder eine nächste Arrestzeit verhängt oder er wird der Staatsanwaltschaft übergeben !

Heute den 19.10.07 ab 11.00 Uhr fand vor der Barnim – Kaserne in Strausberg eine Solidaritäts Kundgebung statt. Die ersten Leute die Vorort waren konnten mit Moritz reden. Er saß in einer Zelle mit dünnem Glas. Nachdem sich abzeichnete, dass noch mehr Leute kommen, wurde er in eine Zelle mit gesicherten Glas und Schalusien verlegt. Zur Kundgebung kamen ungefähr 25 Menschen, die ihre Solidarität mit Transparenten und einem Megaphone ausdrücken wollten! Nach etwa 20 Minuten kamen 4 Streifenwagen, ein Mannschaftsbus und 3 Zivilautos der Polizei an !
Die Kundgebung konnte erstmal weiter gehen, aber nach und nach wurde uns untersagt Megaphone durchsagen zu machen und Musik über einen 15 Watt Recorder abzuspielen, weil es zu laut sei und die Bundeswehrsoldaten sich gestört fühlen.
Die Kundgebung verlief trotzdem ruhig, die Menschen konnten ihre Solidarität zeigen und nach 2 Stunden löste sich die Kundgebung auf.


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Adresse und andere TKDVler

egal 20.10.2007 - 15:04
Moin,

Ein grandiose Analyse der Gründe für TKDV. Danke dafür. Wenn wir Moritz aber Briefe schreiben wollen brauchen wir die Adresse der Kaserene. Wäre gut wenn die hier geposted wird.
Ausserdem: Schade das ihr die anderen beiden diesjährigen TKDVler nicht erwähnt habt die das ganze Prozedere auch auf sich genommen haben, bzw. immer noch im Knast sitzen oder vor Verurteilungen stehen.
Siehe:

 http://www.kampagne.de/Presse/Presse2007.php

Ausserdem solltet ihr vorsichtig sein mit dem Ausdruck "religiöse Spinner"... Nur weil Menschen AUCH aus religiösen Gründen den Kriegsdienst total verweigern ist das nicht zwangsläufig weniger politisch...

Saludos Libertarios!

Adresse

Soligruppe 20.10.2007 - 21:41
Schreibt an Moritz

Moritz Kagekmann
Barnim Kaserne
Umgehungsstraße 1
15344 Strausberg