Todestrafe in den USA wackelt

Berliner Bündnis Freiheit für Mumi Abu-Jamal! 19.10.2007 10:45 Themen: Globalisierung Medien Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Vor 2 Tagen verfügte der Oberste Gerichtshof der USA faktisch ein Todesstrafen-Moratorium. Die öffentliche Wahrnehmung in den USA nähert sich immer mehr dem an, was Kritiker_innen der Todesstrafe schon seit Jahrzehnten sagen: sie ist rassistisch und trifft hauptsächlich Arme.
Die Todesstrafe in den USA wackelt

Derzeit ist in den USA die Todesstrafe umstritten wie seit ihrer letzten Einführung 1976 nicht mehr. So berichtet die American Bar Association in ihrem aktuellen Bericht über die Todesstrafe in Pennsylvenia, dass die selbige durch starke "Unregelmässigkeiten" gekennzeichnet sei. Die Gefahr, dass "Unschuldige" hingerichtet würden, sei extrem hoch ( http://go.philly.com/aba).
Wir finden es völlig unwichtig, ob Menschen nach geltenden Gesetzten schuldig oder unschuldig in den Hinrichtungszellen landen, wir fordern die weltweite Abschaffung der Todesstrafe. Aber es freut uns ungemein, dass selbst im bürgerlichen Lager offen ausgesprochen wird, was Todesstrafengegner_innen seit Jahrzehnten sagen: Die Todesstrafe in den USA trifft hauptsächlich Menschen mit einer anderen als weißen Hautfarbe und Menschen ohne eigene finanzielle Möglichkeiten, sich angemessen in einem Verfahren mit Mordanklage zu verteidigen.
Das Pflichtverteidiger_innenprogramm ist völlig unzureichend. Seit der Verschärfung der Revisionsmöglichkeiten in Todesstrafenverfahren durch die Demokratische Partei in der Amtszeit Clintons haben Verurteilte nur sehr eingeschränkte Chancen, nachträglich auftauchende Beweise ihrer Unschuld vor ein Gericht zu bringen. Das die ermittelnden Behörden von selbst kein Interesse an der Wahrheitsfindung haben, ist durch etliche von Verfahren bewiesen. Bisher mussten jedenfalls die meisten erfolgreichen Antragsteller_innen selbst dafür sorgen, dass ihre Fälle wieder vor einen Richter kamen. Das gelingt ihnen oft nur, wenn sie starke Unterstützung von aussen erfahren.
So fordern seit Sommer 2007 viele Kommentatoren in öffentlichen Medien ein Moratorium der Todesstrafe. Erste Reaktionen sind spürbar.
Der Oberste Gerichtshof der USA stoppt immer öfter Hinrichtungen mit der Giftspritze. Aufgrund einer als besonders qualvoll gewerteten Hinrichtung mit der Giftspritze (der Hingerichtete Christopher Emmett war über 80 Minuten im Todeskampf) hob das Gericht faktisch alle Exekutionstermine solange auf, bis die Anwendung der Giftspritze weiter juristisch und medizinisch untersucht sei ( http://www.mittelbayerische.de/index.cfm?pid=1354&pk=147635).
Natürlich ist das noch nicht der Durchbruch für die Bewegung zur Abschaffung der Todesstrafe. Aber die Befürworter_innen der Todesstrafe sind in der Defensive, hier kann öffentlich spürbarer Druck jetzt sehr viel erreichen.

In der Unterstützungsarbeit für Mumia Abu-Jamal fordern wir seit Langen die weltweite Abschaffung der Todesstrafe. So findet derzeit in Berlin eine Veranstaltungsreihe vom Berliner Mumia-Bündnis statt. Mehr Infos:  http://www.mumia-hoerbuch.de/termine.htm

Im Laufe unserer Kampagne fiel uns auf, dass es zwar eine Menge Menschenrechtsorganisationen gibt, die gegen die Todesstrafe arbeiten, deren Kräfte aber sehr schwach und deren Willen zur Zusammenarbeit mit Gefangegnsolidaritätsgruppen wie z.b. uns sehr gering ist. Grundsätzliche politische Unterschiede und das Fehlen einer klaren Position zum Thema auf Seiten der Linken generell scheinen die Gründe hierfür zu sein.
Natürlich besteht in Teilbereichskampagnen und Bündnissen immer die Gefahr, sich in reformistischer Reparatur der „schlimmsten Auswüchse“ zu verlieren. Andererseits verändert sich die Gefängnissituation auch in Deutschland rapide.
Private Knäste werden mit Zuschüssen der Bundesregierung bereits gebaut. So z.B. mit 500 Millionen Euro nahe Magdeburg. Dort wird ein Knast für 700 Gefangene gebaut, der den Betreibern die „Nutzungsrechte“ auf 20 jahre festschreibt. Langzeitverurteilungen und privatisierte Gefängnisindustrie wie in den USA oder England gehen Hand in Hand ( „Eine Gesellschaft ohne Gefängnisse“, Angela Y. Davis,Schwarzer Freitag 2004 oder „Wettlauf gegen den Tod“, Michael Schiffmann, Promedia 2006).
In Bezug auf die Todesstrafe sind im Augenblick die Nazis der NPD dabei, dass Thema durch die Hintertür einzuführen. Ob es ähnlich dem Interessensgemisch von Regierung und Nazis zur Abschaffung des Asylrechts Anfang der 90er Jahre auch hier zu einem öffentlichen Durchbruch kommt, ist natürlich im Augenblick nicht vorstellbar. Aber Vorsicht scheint geboten.




Weitere Links über die Todesstrafe in den USA:

 http://www.nodeathpenalty.eu/
 http://todesstrafe-usa.de/
 http://deathpenaltyusa.blogspot.com/2007/09/innocence-matters-chapter-four.html
 http://www.mumia-hoerbuch.de/stopptodesstrafe.htm

Link über privatisierte Knästen:
 http://media.de.indymedia.org/images/2003/01/37934.jpg
 http://www.anleger-nachrichten.de/archiv/3030-Bilfinger-erhaelt-PPP-Auftrag-fuer-Gefaengnisbau-in-Sachsen-Anhalt.
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Ergänzungen

statistischer Überblick Todesstrafe USA 2007

Info-Punk 20.12.2007 - 20:47

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versteh doch

out 19.10.2007 - 13:08
die angeklagten der nürnberger prozesse waren für hunderttausende tote verantwortlich, nicht zu therapieren und ein ansporn für die hunderttausenden nazis die noch da draußen waren, schade das es so wenige getroffen hat,
diese menschen jetzt in den todestrakten kommen aus gesellschaftssystemen die mit dem organisierten Verbrechertum der Nazis nicht vergleichbar sind, sie sind therapierbar und glücklicherweise wurde nach dem krieg auch über manches nachgedacht und dem staat das recht abgesprochen menschen zu töten.

Todesstrafe in Kaltland

ist geheim 19.10.2007 - 15:16
Auch in Hessen ist die Todesstrafe noch Teil der Verfassung, aber aufgrund der Rechtslage Bundesrecht bricht Landesrecht ist sie eigentlich abgeschafft, warum man den Passus nicht aus der Verfassung streicht weiß ich allerdings auch nicht?!??

@egal

... 19.10.2007 - 16:10
De Facto gilt auch in Bayern: Bundesrecht bricht Landrecht. Die Todesstrafe ist in Deutschland abgeschafft. Und das in Bayern die "Verfassung" nicht angenommen wurde, bedeutet leider nicht, dass sie nicht gilt. Sonst wär Deutschland zu großen Teilen rechtsfreie Zone, da mehrer der alten Bundesländer sie nicht annahmen und die neuen dazu nie gefragt gewurden.

@ist geheim

-... 19.10.2007 - 18:52
Naja, wer weiß, vielleicht kann mans nochmal gebrauchen ;-)