SVP scheitert mit „Marsch auf Bern“

Autonomes Medienkollektiv Brennpunkt Bern 12.10.2007 01:41 Themen: Antifa Antirassismus Weltweit
 Am 6. Oktober, zwei Wochen vor den schweizer Parlamentswahlen, beendeten Autonome mit Straßenschlachten den „Marsch auf Bern“ der «Schweizerischen Volkspartei». Die Krawalle lösten ein enormes Medienecho aus und zerrten erstmals die faschistischen Tendenzen der SVP ins Licht einer weltweiten Öffentlichkeit.

Inhalt: Einleitung | Schweizer Pressespiegel | Politisches System der Schweiz | Schweizerische Volkspartei | Führungseliten der SVP | Affäre Roschacher | Ergänzungen

Gruppen: Das Schwarze Schaf | Kulturzentrum Reitschule | Bündnis Alle gegen Rechts | Antifa Bern | Revolutionärer Aufbau | Action Autonome | Autonome Antifa Freiburg
     Einleitung

Am 6. Oktober 2007 wollte die SVP zwei Wochen vor den National- und Ständeratswahlen einen „Marsch auf Bern“ durchführen – der letzte wurde vor 70 Jahren am 23. Mai 1937 von der «Nationalen Front» organisiert. Doch die SVP spielte mit ihrer Wortwahl noch auf zwei weitere historische Ereignisse an: Mussolinis „Marsch auf Rom“ vom 27. bis 31. Oktober 1922 und Hitlers „Marsch auf Berlin“ am 9. November 1923. Bereits vor sieben Monaten ließ sich die SVP ihren „Marsch auf Bern“ bewilligen und schloss damit ihre strategische Wahlplanung ab. Er sollte der Höhepunkt des diesjährigen Wahlkampfs werden und als Plattform für die rassistische Wahlpropaganda dienen. Das Phänomen von Massenmobilisierungen anlässlich von Wahlen ist für die Schweiz ein sehr untypischer Akt. Jedoch spiegelt sich im gesamten Wahlkampf ein verändertes politische Klima.


SVP-Demagogen in Bern
Patrick Freudiger Ueli Maurer Anonymer SVPler

In Bern versammelten sich am 6. Oktober zwischen 3.000 und 4.000 AnhängerInnen der SVP am Bärengraben vor den Toren der Stadt, unter ihnen über hundert Neonazis. Sie standen mehreren tausend GegendemonstrantInnen in den Gassen von Bern gegenüber, weitere 3.000 „Schwarze Schafe“ feierten ein friedliches Fest gegen Rassismus auf dem Münsterplatz. Die lediglich 400 Bullen versuchten mit aller Gewalt den Nazis den Weg freizuräumen und setzten dafür Gummischrot, Reizgas und einen Wasserwerfer ein. Eine anfängliche Blockade wurde im Tränengasnebel aufgelöst, doch die anschließenden Straßenschlachten verhinderten einen SVP-Marsch. Die Bullen waren völlig überfordert von dem militanten Kleingruppenkonzept, so dass sie ihre gesamten Kräfte in der Unterstadt konzentrierten und den geplanten Endpunkt des SVP-Marsches, den Bundesplatz, schutzlos zurückließen. Daraufhin konnten die Autonomen die SVP-Infrastruktur nachhaltig zerstören, woraufhin die SVP aufgab und ihre Abschlußkundgebung am Auftaktort abhielt.

Tageszusammenfassung Schweizer Fernsehen | Hintergrundbericht ARD Tagesthemen


Neonazis beim SVP-Aufmarsch
Schlägernazis Kindernazis Gabbernazis

Das Komitee „Das Schwarze Schaf“ veröffentlichte Beweise, dass beim Umzug der SVP auch Mitglieder der neonazistischen «Partei National Orientierter Schweizer» mitliefen: Der PNOS-Gründer Jonas Gysin, verurteilt wegen Körperverletzung und Rassendiskriminierung und Dominic Lüthard, verurteilt wegen Gewalt an einer türkischen Familie und Sachbeschädigung. Doch nicht nur auf der Straße arbeitet die SVP mit anderen Faschisten zusammen, auch in den Parlamenten kooperieren die Parteien. Am 03.09.06 schrieb beispielsweise der Jung-SVPler Patrick Freudiger in einer E-Mail an Stefan Wüthrich (alias Stibe), den Parteivorsitzender der PNOS Langenthal: „Es geht um das Verhalten der PNOS im Stadtrat. Mir ist in letzter Zeit verschiedentlich aufgefallen, dass Tobias Hirschi mit den Linken zusammen stimmt und bürgerliche oder sogar rechtskonservative Anliegen bodigt. [..] Damit Du mich richtig verstehst: Ich will nicht kritisieren und mich schon gar nicht in Eure Sachen einmischen, aber ich frage mich: Verfolgt die PNOS derzeit eine neue Strategie, um sich bei den Linken beliebter zu machen?“

Hintergrundberichte: Die Linken und Netten schlagen zurück | Rechten Strukturen entgegenwirken | Nazistrukturen am Bodensee | Hintergründe des Nazianschlags in Bern

     Schweizer Pressespiegel

Der folgende Pressespiegel zeigt die Reaktionen der schweizer Zeitungen mit Schwerpunkt Bern auf die Krawalle des 6. Oktobers. Einige Artikel der internationalen Presse sind in der Revue de presse des «Schwarzen Schafes» aufgelistet. Es werden beispielhaft einige Schlagzeilen zititert, eine generelle Linie des jeweiligen Tages gesucht und einige skurrile Anekdoten erwähnt. Insgesamt bleibt festzustellen, dass einige Lügen in der schweizer Presse so oft wiederholt wurden, dass sie mittlerweile als Fakten anerkannt sind. Insbesondere sei an dieser Stelle erwähnt, dass sich unter den 42 Festgenommenen 17 Neonazis befanden, was bis dato nirgendwo erwähnt wird.

Sonntag, 7. Oktober 2007

Die Sonntagszeitungen aus Zürich bringen die ersten, direkten Reaktionen auf die Ereignisse des Samstags. Die überregionale «Neue Zürcher Zeitung» titelt: „Chaoten verhindern Blochers Festumzug vors Bundeshaus“ und „Ausschreitungen auf der Insel der Glückseligen“. Ins gleiche Horn bläst die liberale «SonntagsZeitung» mit der Schlagzeile „500 Chaoten verhinderten SVP-Wahlfest in Bern“, während die größte Boulevardzeitung «Sonntags Blick», die in den letzten Jahren eher linkspopulistisch daherkommt, reißerisch titelt: „Die Schlacht von Bern“.

In allen Sonntagszeitungen werden die Vorfälle ausführlich beschrieben – teilweise mit Karten der Brennpunkte der Riots in der Altstadt – und die „neue Guerillataktik“ der GegendemonstrantInnen wird erwähnt. Die schweizer Zeitungen zeigen sich schockiert über die Gewalt und es herrscht allenthalben Empörung über Verhinderung einer bewilligten Demonstration der stimmenstärksten Partei der Schweiz. Nur vereinzelt gibt es vorsichtige Kritik an Polizeitaktik, die Alleinschuld sehen die JournalistInnen aber bei den linksradikalen GegendemonstrantInnen.


Blockade der Nydegg-Brücke
Wir fürchten weder Tod noch Teufel

Die Krawalle werden als Angriff auf die Demonstrations- und Meinungsfreiheit gewertet. Kritik an der SVP wird lediglich durch Zitate der Bundespräsidentin Calmey-Rey geübt: „Man soll aufhören, mit den Ängsten zu spielen, um ein paar Wählerstimmen zu gewinnen.“ Ansonsten übt der Sonntags Blick hähmische Kritik an Samuel Schmid als Repräsentant des gemäßigten „Berner“ Flügels der SVP (im Gegensatz zum extremeren „Zürcher“ SVP-Flügels um Blocher): „Und wo war Samuel Schmid? – Während die Blochers im Umzug mitschritten, verkroch sich Samuel Schmid (60) im Bundeshaus: Zum SVP-Volk wollte er erst hinuntersteigen, wenn es auf dem Bundesplatz eintriff. Dazu kam es wegen der Unruhen nicht. Schmid war im Bundeshaus blockiert: Aus Sicherheitsgründen durfte er nicht mehr hinaus.“ Außerdem wirft der Blick die Frage nach der Sicherheit des Austragungsorts Bern bei der Fußball Europameisterschaft 2008 auf.

Montag, 8. Oktober 2007

Die «Berner Zeitung» leckt in der Titelzeile die Wunden des Samstags: „Berns bittere Blamage“. «Der Bund», aus dem gleichen Hause wie die «Berner Zeitung», kopiert mit „Chaoten verhindern SVP-Umzug“ die Schlagzeilen vom Sonntag und fordert „Das Recht auf Meinunsäusserung gilt für alle“, während der rechte «Tages-Anzeiger» aus Zürich nach links tritt: „Bern erwägt Demo-Verbot“ und „Wahlhilfe für die SVP“, was auch das neue Umsonstblatt «.ch» mit „Chaoten stärken SVP“ macht. Das etablierte Umsonstblatt «20 minuten» bedient seine LeserInnen gewohnt reißerisch mit „Bern: Chaoten so brutal wie noch nie“ und der «Blick» blökt: „Die Schande von Bern“ und zitiert erste Reaktionen der ausländischen Presse: „Die Schlacht von Bern – da staunt das Ausland“. Auch am Montag dominieren die Beschreibungen der Vorgänge die Printmedien. Der «Blick» fasst sie gewohnt griffig zusammen: „Chaoten tricksten Polizei aus – dann schlugen sie alles kurz und klein!“ Das rechte Boulevardblatt «Le Matin» aus Lausanne konzentriert sich auf die Kritik des Berner Sicherheitskonzept bei der Europameisterschaft: „Berne saura-t-elle gérer l'Euro 08?“ („Soll Bern die Euro 08 austragen?“) und „On ne veut pas ça à l'Euro!“ („Das wollen wir nicht bei der Euro!“)

Die Sachschäden werden mit mindestens 100.000 Franken beziffert. Polizei wie städtische Sicherheitspolitik ist nicht nur deutlicherer Kritik, sondern teilweise auch massiven Vorwürfen ausgesetzt. Die Polizei habe die Bedrohung unterschätzt, den Anlass mangelhaft vorbereitet und vor Ort falsch reagiert. Der seit kurzem amtierende Sicherheitsdirektor und Gemeinderat Stephan Hügli (FDP) verteidigt das Vorgehen der Polizei und die Duldung des Gegenfestes auf dem Münsterplatz, bei dessen OrganisatorInnen er jedoch die Hauptschuld an den Ausschreitungen sieht. Der Stadtrat Daniele Jenni (Grün-Alternative Liste), der von den Medien im Vorfeld immer wieder als Kopf des Bündnisses «Schwarzes Schaf» aufgebaut wurde, zeigt sich hingegen zufrieden über den friedlichen Verlauf des Münsterfestes.


All Colors Are Beautiful
hilflos verwirrt deplatziert

Jörg Gabi, der erst vor anderthalb Jahren das Amt des Polizeikommandanten der Stadt Bern angetreten hat, räumt Fehler der Polizei ein und wird immer wieder auf die Auswirkungen auf die kantonale Einheitspolizei gefragt, die im nächsten Jahr das Nebeneinander von Stadtpolizei (StaPo) und Kantonspolizei (KaPo) Bern ablösen soll. Insgesamt konstatieren die Medien einen Vertrauensverlust in die Polizei. Der skurrilste Vorschlag kommt von Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP). Er will zwar am Grundsatz der Demonstrationsfreiheit in der Stadt Bern festhalten, aber in der Altstadt oder vor Wahlen gleich alle Demonstrationen verbieten.

Nur der FDP-Innenminister Pascal Couchepin attackiert offen die SVP. Von den Zeitungen hingegen wird die SVP nicht etwa für ihren rassistischen Wahlkampf kritisiert, sondern beispielsweise vom «Tages-Anzeiger» ihr „Drehbuch“ zum Ablauf des Samstags – einem inszenierten „Geheimplan“ – bewundert. «Der Bund» rühmt die „Cleverness eines Politmarketings, dem die grossen linken Parteien nicht Ebenbürtiges entgegenzusetzen haben“. Alle Zeitungen sind sich einige, dass die SVP von dem wird profitieren können, was die Medien öffentlich zelebrieren: „Empörung und Entsetzen“. SVP-Grossrat Thomas Fuchs, „auf den vermummte Chaoten Jagd gemacht hatten“, heult in «20 minuten»: „Es war wie im Krieg.“ Währenddessen hetzen die SVP-Granden gegen die „Linken und Netten“ – das ist schließlich ihr Metier.

Erstaunlicherweise erfasst nur «Le Matin» den Kontext der jüngsten Ereignisse: „Défilé politique à Berne, ouverture du Comptoir Suisse à Lausanne, évacuation de squats à Genève, tout devient prétexte au dérapage. En trois mois, les poubelles et les voitures ont brulé, les vitrines se sont briseé. La police s'est retrouvé ridiculisé, la politique inepte.“ („In Deckung gegangene Politik in Bern, Eröffnung des Comptoir Suisse in Lausanne, Räumung der Squats in Genf, alles wird zum Vorwand zum Losschlagen. In drei Monaten wurden Mülleimer und Autos angezündet, Schaufenster eingeschlagen. Die Polizei erscheint lächerlich und die Politik dumm.“)

Dienstag, 9. Oktober 2007

Am Dienstag dominiert die Suche nach den Schuldigen die Medienberichterstattung. Die Zeitungen in der Hauptstadt schießen sich wie «20 minuten» auf die Polizei ein. So macht die «Berner Zeitung» mit „Polizei im Kreuzfeuer“, «Der Bund» mit „Kritik an Berner Polizei“ und «20 minuten» mit „Berner Polizisten: Kritik an Führung“ auf. Rechte Blätter wie der «Tages-Anzeiger» hingegen brandmarken Daniele Jenni als Hauptschuldigen: „Scharfe Kritik an Demo-Organisator“. Die Umsonstzeitung «.ch» nimmt mit „Sorgen um das Image der Schweiz“ das dominierende Thema der Berichterstattung vom Mittwoch bereits vorweg.

Massiv gerät Daniele Jenni am Dienstag in die Kritik. Allen voran will die «Berner Zeitung» den „Brandstifter Jenni“ zum Schweigen bringen: „Wer schweigt, toleriert.“ Die Zeitung kann Jennis lapidare Antwort, „Wie man in den Wald rufe, so so töne es halt zurück“, nicht verkraften und begrüßt daher den Antrag der rechtesten der drei grünen Parteien Berns, die «Grün Freie Liste», auf Parteiausschluss Jennis. «Der Bund» lässt Jenni zumindest noch die Möglichkeit, sich gegen die „geradezu stalinistische Anklageschrift“ der GFL zu wehren. Der «Tages-Anzeiger» widmet seinem Angriff auf die rot-grüne Berner Stadtpolitik eine ganze Seite unter der gehässigen Überschrift: „Linke Kritik an Demo-Organisator Jenni“.


ganz Fest gegen Rassismus
schwarz weiß bunt

Die Boulevardzeitungen hingegen sorgen für kurzweilige Unterhaltung in ihren haltlosen Anschuldigungen und hilflosen Erklärungsversuchen. «Le Matin» fragt: „Qui sont les casseurs?“ („Wer sind die Chaoten?“) und bietet fünf Typen von Chaoten als Antwort: „Skinhead antiraciste et apolitique“ („Antirassistischer und unpolitischer Skinhead“), Néopunk métissé („Mischlingsneopunk“), „Rebelle sans label“ („Rebell ohne Label“), „Punk anticapitaliste“ („Antikapitalistischer Punk“) und „Style ‚artiste alternatif‘“ („Stil ‚alternativer Künstler‘“). Der «Blick» wiederum macht deutsche Antifas für die Krawalle verantwortlich: „Die Schande von Bern – Deutsche Chaoten wüteten“. Unter dem Titel „Chaoten: Man spricht Hochdeutsch“ heißt es: „Es wurde auffallend oft Hochdeutsch gesprochen bei den Krawallen in Bern. Deutsche Demotouristen – Tränengas und Wasserwerfer-erprobt – randalierten an vorderster Front gegen die SVP und düpierten mit ihrer Guerilla-Taktik die Polizei.“ Überall werden „Krawallzeugen gesucht“, dabei jedoch wie oben bereits erwähnt verschwiegen, dass sich unter den 42 Festgenommenen 17 Neonazis befanden.

Mittwoch, 10. Oktober 2007

Mittlerweile nimmt die Berichterstattung über die ausländische Berichterstattung die gesamte dritte Seite der «Berner Zeitung» ein. Die Naivität der schweizer Medien wird prägnant im Metakommentar zur Titelseite der New York Times „Immigration, Black Sheep and Swiss Rage“ zusammengefasst: „Die Ausschreitungen in Bern schafften es am Montag gar auf die Titelseite der renommierten amerikanischen Zeitung. Gerügt wurden nicht etwa die Chaoten, sondern die SVP: ‚Die SVP-Kampagne hat eine Welle ausgelöst, die das Bild der Schweiz als Ort des Wohlstands, der Ruhe und der Stabilität erschüttert – vor allem für die Wirtschaft.‘ Anders als Jean-Marie Le Pen in Frankreich, bei dessen Kampagnen auch Schwarze und Araber mitmachten, vertrete die Rechte in der Schweiz eine krude ‚Wir gegen Sie‘-Linie. Bemängelt wird in der vor allem bei der Demokratischen Partei beliebten Zeitung zudem die schweizerische Einbürgerungspraxis, die ‚vielleicht längste und strengste in ganz Europa‘.“

Der Vorstoß zum Ausschluss Jennis aus der Grünen Partei wird bereits einen Tag später wieder beerdigt. Der GFL-Präsident Manuel Widmer rudert unbeholfen zurück: „Wir wollen kein Jenni-Bashing betreiben. Uns geht es nur darum, dass das Image der Grünen keinen Schaden nimmt.“ Zur Rettung des durch die schweizkritische Auslandsberichterstattung stark ramponierten Images der Schweiz wird vom Tourismusdirektor und dem Präsidenten des Hoteliervereins ein Sonderkredit gefordert. Ansonsten nimmt das Interview mit einem 20jährigen Berner Philosophiestudenten den Hauptteil der Berichterstattung der «Berner Zeitung» ein: „Ich finde es legitim, die Infrastruktur des Fests einer rechtsradikalen Partei zu zerstören.“

Die ganzen Tage über geisterte Tschäppäts Vorschlag des Verbots aller Umzüge durch den Blätterwald, aber auch Polizeidirektor Hügli und CVP-Stadtrat Reto Nause machen sich damit nur lächerlich. Im «Bund» wird diesem Ansinnen mit „Kundgebungsreglement wird kaum verschärft“ eine Absage erteilt. Ansonsten widmet sich das Blatt einer neuen Polizeistrategie, die KaPo-Kommandant Stefan Blättler fordert: „Polizei übt den Nahkampf“. Stolz verkündet der Polizeichef, die Polizei lerne „schon in der Grundausbildungm wie man jemanden festnimmt“. Auch die Mär von der „ätzenden Flüssigkeit“, die gewalttätige Demonstranten im oberen Teil der Raushausgasse eingesetzt haben sollen, wird vom Stadtpolizeisprecher revidiert: „Nach derzeitiger Kenntnislage geht die Polizei davon aus, dass bei den Beamten eine Kombination von Tränengas, Pfefferspray und unbekannter Flüssigkeit in der Luft zu Atembeschwerden und Hautreizungen führte.“

«20 minuten» scheint bereits einen neuen Umgang mit der SVP zu pflegen, zumindest gerät die Partei mit einer Reportage über ein Interview der SVP-Nationalräte Hans Fehr und Ulrich Schlüer aus Zürich für die österreichische Nazizeitung «Zur Zeit» unter Druck. Weiter wird die Integrationspolitik der SVP kritisiert, wenn auch im totalitarismustheoretischen Gewand: „Beim SVP-Umzug marschierten Skinheads mit, an der linken Gegendemo nahmen gewalttätige Chaoten teil.“


Die Ypernisten von Bern
Im Krieg verboten Chemiewaffen Im Frieden erlaubt

Der «Blick» hingegen versucht erneut die deutsche Antifa verantwortlich zu machen. „Deutsche Chaoten tarnten sich als Touristen“ weiß das gewöhnlich schlecht unterrichtete Blatt zu berichten. „Dieses Konzept wurde von den Chaoten schon vor Jahren propagiert. Jetzt hat es in Bern erstmals richtig funktioniert.“ Weiter konnte das Hetzblatt absolute Insiderinformationen zu Tage fördern: „Beim Verfassungsschutz Baden-Württemberg hatte man Kenntnis davon, dass die SVP-Kundgebung in der linksextremen Szene zu reden gab. ‚Sie war Thema bei der Antifa in Freiburg im Breisgau‘, sagt ein deutscher Geheimdienst-Sprecher.“

Bereits im Vorfeld hetzten die schweizer Revolverblätter gegen deutsche Antifas. Am 28. September machte der «Blick» „Dicke Luft vor SVP-Demo“ aus: „Die extreme Linke ruft offen zur Gewalt auf – auch im Ausland. ‚Brennt Bern? Bern brennt!‘ steht auf der Homepage der Antifa Freiburg – wohlverstanden Freiburg im Breisgau, Deutschland.“ Und auch «20 minuten» schrieb unter dem Titel „Deutsche gegen Blochers Herde“: „Mittlerweile rufen nebst den hiesigen Autonomen auch Deutsche zum Marsch nach Bern auf. ‚Blochers Herde reissen‘ heisst es auf der Internetseite der Autonomen Antifa Freiburg.“

Donnerstag, 11. Oktober 2007

Auch am Donnerstag ist noch kein Ende der Pressereaktionen in Sicht. Die Polizei steht weiter unter Beschuss, die «Berner Zeitung» etwa macht mit „Polizeiarbeit im Visier“ auf. «Der Bund» hingegen kritisiert den Gemeinderat: „Regierung steht zusammen“. Allenorts wird weiter nach Schuldigen gesucht, aber niemand gefunden. Der PdA-Stadtrat Rolf Zbinden wird angegriffen, weil er die SVPler couragiert mit „welcome to HELL“ begrüßte und ein Polizeigrenadier heult sich anonym über das Versagen seiner Führung aus. Eine Einzelmeinung eines Reitschülers wird als offizielle Abgrenzung des Autonomen Zentrums wiedergegeben und die SP grenzt sich von ihrem eigenen Jugendverband ab. «Der Bund» stellt die SVP an den Pranger: „SVP betreibt Internet-Pranger“ – die Partei hatte schlechte Handyfotos von GegendemonstrantInnen auf ihre Website gestellt hat. Und auf einer ganzen Seite wird im «Bund» endlich das geradegebogen, was seit Samstag in der Presse schief läuft: „Die Attacken von Linksextremen gegen den SVP-Umzug waren durchaus nicht die schlimmsten Krawalle, die Bern je gesehen hat.“

     Politisches System der Schweiz

Die Schweiz ist eine sogenannte direkte Demokratie. Alle vier Jahre, das nächste Mal am 21. Oktober 2007, wird das Parlament (Legislative) gewählt, welches aus zwei Kammern besteht. Der Nationalrat setzt sich aus 200 ParlamentarierInnen zusammen, welche kantonsweise gewählt werden (bei Kantonen mit mehereren Sitzen gilt dabei das Proporzverfahren). Die Kantone haben dabei entsprechend ihrer stimmberechtigten Einwohnerzahlen unterschiedlich viele Sitze zugute, jedoch ist jeder Kanton mit mindestens einem Sitz vertreten. Der Ständerat besteht aus zwei VertreterInnen pro Kanton und die Auswahl der RepräsentatInnen wird zumeist im Majorzverfahren ermittelt. Tagen beide Kammern zusammen, so bilden sie gemeinsam die vereinigte Bundesversammlung.

Aufgabe der Vereinigten Bundesversammlung ist unter anderem alle vier Jahre die Wahl des Bundesrates, der Regierung. In der Regel werden dabei bisherige Bundesräte in ihrem Amt bestätigt. Die Reihenfolge der Bestätigungswahlen erfolgt nach der bisherigen Amtsdauer. Da alle großen Parteien im Bundesrat vertreten sind und für ihre eigenen BundesrätInnen möglichst gute Wahlergebnisse anstreben, wählen sie jeweils auch die BundesrätInnen der anderen Parteien, um Revancheaktionen dieser Parteien zu verhindern.

Der Bundesrat setzt sich aus sieben Personen zusammen, welche je für ein Departement (Ministerium) zuständig sind. Die Verteilung der Departemente erfolgt nach Absprache innerhalb des Bundesrates. Bis 2003 bestand bei der Zusammensetzung des Bundesrates die sogenannte Zauberformel (je zwei BundesrätInnen aus der christlich-bürgerlichen CVP, der (neo)liberalen FDP und der sozialdemokratischen SP sowie ein Vertreter der nationalkonservativen SVP).

     Schweizerische Volkspartei

Die Schweizerische Volkspartei ist aus den ehemaligen Bauern und Gewerbeparteien (BGB und DP) entstanden und hat sich 1971 offiziell formiert. Ihr ursprüngliches Ziel bestand in der Sammlung der Kräfte rechts der CVP und FDP. Im Selbstverständnis war die SVP eine Mittepartei mit teilweisen sozialen Elementen. Dieses Element ist noch im französischen Namen der Parteien zu sehen «Union Démocratique du Centre» (UDC). Die wichtigsten Elemte innerhalb der Partei waren die Bauern. So bestand auch eine starke Bindung an den schweizerischen Bauernverband.

In den 80er Jahren rutschte die Partei langsam nach rechts. Das Verschwinden der traditionellen Milieus verhalf der Partei zu ständigem Wachstum. Auch neue ideologische Elemente flossen in die Partei ein. So wurden langsam national konservative Töne laut, welche bald zum normalen Repertoire der SVP wurde. Die geänderte ideologische Richtung zeigte sich erstmals in der Abstimmung zur UNO-Mitgliedschaft 1986. Die SVP setzte sich vehement gegen einen Beitritt ein und war auch maßgeblich an der Gründung der «Aktion Unabhängige und Neutrale Schweiz» AUNS beteiligt, welcher Blocher als Präsident bis 2003 vorstand.


Nationalismus auf schweizerdeutsch
Leur suisse est notre cauchemar

Der große Aufschwung für die Partei kam nach dem erfolgreichen Referendum gegen die EWG-Mitgliedschaft. Die SVP und besonders Christoph Blocher setzten sich als einzige Partei gegen einen Beitritt ein. Blocher sprach an Veranstaltungen in alle Dörfer und Städte der Schweiz und vermochte den Beitritt zu verhindern. Durch den populären und prestigeträchtigen Sieg mauserte sich die SVP zur Sperrspitze der nationalkonservativen Bewegung. Es gelang ihr die Kleinstparteien am rechten Rand teilweise zu integrieren und auch deren Wählerschaft anzuziehen. Mit ihrem neoliberalen Programm wurde die SVP auch für den rechten Flügel der CVP und FDP interessant. 1999 erreichte die SVP einen Erdrutschsieg. Sie erhöhte ihre Mandate von 29 auf 44 Sitze. Im Jahr 2004 schaffte es die Partei auch die Zauberformel zu knacken und erreichte einen zweiten Bundesratssitz. Heute sitzen Christoph Blocher und Samuel Schmid für die SVP im Bundesrat.

Inhaltlich lässt sich die SVP als eine rechtskonservative Partei einstufen. Den inhaltlichen Schwerpunkt legt die SVP aktuell auf der Migrationsfrage. Sie fordert eine noch restriktiveres Asyl- und Ausländergesetz und setzt sich aktuell mit einer Ausschaffungsinitative für die „konsequent ausweisen“ so genannter „krimineller Ausländer“ ein. Dabei setzt die SVP immer mehr auf eurozentistische und ethnopluralistische Argumente der neuen Rechte. Sie sieht in der Zuwanderung eine „immer offensichtlicheren Unterwanderung der christlich-abendländischen Kultur unseres Landes“. So setzten sich auch diverse Exponente der SVP zusammen mit Christlichkonservativen für ein Minarettverbot ein.

Neben dem Thema Migration mobilisiert die SVP besonders über ihren Widerstand gegen supranationale Strukturen. Sie verhinderte mittels Referenden mehrmals die Aufnahme der Schweiz in die UNO. Erst 2002 wurde der Beitritt vom Volk und Ständen angenommen. Auch die EU zählt zu den Feindbildern der SVP. So will die SVP die schweizer Eigenheiten wie Neutralität und die direkte Demokratie gegen das „Diktat von Brüssel“ beschützen. Die SVP kämpft jedoch nicht nur gegen den Beitritt der Schweiz zu internationalen Organisationen, sondern lehnt auch internationale Verträge wie die Europäischen Menschenrechtskonvention ab. So argumentierte die SVP anlässlich der Umsetzung der Verwahrungsinitative, dass diese umgesetzt werden müsse, auch wenn sie gegen internationale Konventionen verstieße.

Seit dem Jahr 2001 hat die SVP ein drittes Wahlkampfthema für sich entdeckt. Sie ortet die hohen Ausgaben für die Sozialwerke bei den „vielen Missbräuchen“. Es seien „Ausländer, welche die Schweizer Sozialsysteme auspressen“. Unter dem Schlagwort „Sozialschmarotzer“ wird immer agressiver gegen Bezüger von IV-Renten polemisiert.

Gruppe Eiszeit: Zum Charakter der SVP

     Führungseliten der SVP

Christoph Blocher wurde 1940 geboren und absolvierte nachträglich das Gymnasium. Er studierte in Zürich Rechtswissenschaft und schloss 1971 ab. Beruflich arbeitete er später beim Konzern EMS-Chemie, den er 1983 übernahm. Als Unternehmer war erüberaus erfolgreich und erwirtschaftete mehrere Milliarden Schweizer Franken.

Politisch engagierte sich Blocher zu seiner Studienzeit in rechtsgerichteten Burschenschaften. Er saß im Studentenrat der Uni Zürich und wurde bereits 1974 Gemeinderat in Zürich. 1982 gründete Blocher die «Arbeitsgruppe Südliches Afrika» ASA, welche sich positiv auf die Zustände in Südafrika bezogen. Auch als Unternehmer pflegte Blocher gute Kontakte nach Südafrika, was er auch in der Öffentlichkeit vertrat. Er rechtfertigte in einem Interview mit der «Schweizer Illustrierten» seine Ansichten mit der Aussage: „Man muss immerhin sehen, von allen afrikanischen Staaten ist Südafrika wirtschaftlich und sozial der bestfunktionierendste Staat.“

Blocher machte in der SVP Karriere und übernahm bereits 1977 den Vorsitz. Er wurde schnell zur treibenden Kraft innerhalb der Partei und war maß an deren Neupositionierung beteiligt. Durch hohe finanzielle Zuwendungen stärkte er die Partei kantonal wie auch auf Bundesebene. 1985 scheiterten Blocher und seine Anhänger mit einem Referendum gegen die Gleichstellung von Mann und Frau in der Ehe knapp.


Bullen in Berns Gassen
Niemand mag euch

Als 1992 die Schweiz dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) beitreten sollte, ergriff die SVP und federführend Blocher das Referendum. In einem sehr polarisierenden Abstimmungskampf zog Blocher durch die ganze Deutschschweiz und hielt in jedem Dorf mit mehr als 3.000 EinwohnerInnen Ansprachen gegen den Beitritt zum EWR. Auch finanziell beteiligte sich Blocher stak an der Kampagne gegen den EWR-Beitritt. Diese Aktionen machten den Politiker bundesweit bekannt und zum Symbol für eine „eigenständige“ Schweiz. Bei den kommenden Wahlen konnte die SVP große Zuwächse verbuchen und erweiterte ihren Stimmenanteil von 15% (1995) auf 26,7% (2003).

Den Rechtsrutsch in der Schweiz ließ Forderungen der SVP nach einem zweiten Bundesratsitz immer lauter werden. 2004 konnte die SVP ihren Chefideologen Blocher gegen den Widerstand der parlamentarischen Linken in den Bundesrat wählen. Er übernahm das Departement für Polizei und Justiz. Viele Protagonisten der parlamentarische Linken erhofften sich durch diese Appeasement-Politik eine Mäßigung Blochers und auch eine Schwächung der SVP, was jedoch nicht eintraf. Blocher hat seine Geschäfte in der Partei seinen engsten Vertrauten überlassen und betreibt auch als Bundesrat gegen das Prinzip der Kollegialität Parteipolitik.

Bis zu seiner Wahl in den Bundesrat 2003 war Christoph Blocher der von der grossen Mehrheit der SVP-AnhängerInnen unbestrittene Führer der SVP. Sekundiert wurde er in seiner Rolle durch den Parteipräsidenten Ueli Maurer und die Nationalräte Christoph Mörgeli und Ulrich Schlüer, welche als promovierte Akademiker den ideologischen Rahmen lieferten und auch weiterhin liefern. Im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg fielen beide des öfteren durch verharmlosende Stellungnahmen auf.

Ueli Maurer gilt seit jeher als Marionette von Christoph Blocher. Seit der Wahl desselben in den Bundesrat versucht Maurer vermehrt, selbst die Führungsrolle zu übernehmen. Dies nicht zuletzt, weil Blocher als Bundesrat eigentlich an Konkordanz und Kollegialität gebunden ist. Das heisst, dass alle vier Bundesratsparteien gemeinsam die Exekutivverantwortung übernehmen. Die Haltung des Bundesrates wird per Mehrheitsentscheidung ermittelt und muss von allen Bundesräten, unabhängig ihrer jeweils persönlichen Einstellung mitgetragen und vertreten werden. Gerade in seiner Verpflichtung auf Konkordanz ist jedoch Blocher in den letzten Wochen im Zusammenhang mit dem sogenannten Fall Rohrschacher vermehrt in die Kritik geraten.

Der nationalkonservative Protest in der Schweiz

     Affäre Roschacher

Anfang September 2007 gerät der Wahlkampf in der Schweiz in eine neue Phase. Der ohnehin schon deutlich härter als in der Vergangenheit geführte Wahlkampf wird vollständig auf die Person Christoph Blochers konzentriert. Statt auf die Ausschaffungskampagne setzt die SVP nun auf eine Geheimplanpropaganda, welche suggeriert, dass die anderen Parteien einen Geheimplan entwickelt hätten, um Blocher aus dem Bundesrat abzuwählen.

Bevor wir zu den Ursachen dieses Strategiewechsels der SVP kommen, sei hier nur kurz erläutert, wie unwahrscheinlich die Abwahl Blochers tatsächlich ist. Die Reihenfolge der Bundesratswahlen ist wie folgt: Moritz Leuenberger (SP, seit 1995), Pascale Couchepin (FDP, seit 1998), Samuel Schmid (SVP, Berner Flügel, seit 2001), Micheline Calmy-Rey (SP, seit 2003), Christoph Blocher (SVP, seit 2004), Rudolf Merz (FDP, seit 2004), Doris Leuthard (CVP, seit 2006).


Angriff auf den Bundesplatz
Mort aux vaches

Daraus sichtbar ist folgendes: Die SP muss Blocher nicht wählen, würde dies aber sowieso nicht, was zudem auf Gegenseitigkeit beruht, die FDP muss Blocher wählen, will sie verhindern, dass ihr Rudolf Merz die Zeche für eine Nichtwahl Blochers zahlen muss, ebenso die CVP mit der als letztes zur Wahl stehenden Doris Leuthard. Eine Abwahl Blochers ist vor diesem Hintergrund unabhängig vom Ausgang der Wahlen schon von allem Anfang an nicht realistisch. Weshalb also diese „Angstmacher“-kampagne?

Die Gründe für den Strategiewechsel dürften weniger in einer real begründeten Angst als vielmehr in einer Verschleierungs- und Verwirrungstaktik zu finden sein. Blocher ist zuständig für das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), welches die administrative Aufsicht über die Bundesanwaltschaft innehat. Im Zusammenhang mit der Bundesanwaltschaft kam es im letzten Jahr jedoch zu einem Skandal, dessen politisches Nachspiel die aktuellen Wahlen stark beeinflusst. Hier eine kurze Chronologie der Ereignisse:

Der 1999 als Nachfolger von Carla del Ponte gewählte Bundesanwalt Valentin Roschacher (CVP) beschließt 2002 den kolumbianischen Drogenboss Ramos als V-Mann einzusetzen um unter anderem im Verfahren gegen den SVP-nahen und mit Blocher befreundeten Bankiers Oskar Holenweger Informationen zu beschaffen. Obwohl die Beweislage gegen Holenweger auch nach dem Einsatz Ramos äußerst dünn bleibt, wird gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und Holenweger kommt in Untersuchungshaft. Blocher, entzürnt über das Vorgehen Roschachers, versucht, sich zunehmend in die inhaltlichen Geschäfte der Bundesanwaltschaft einzumischen.


Zerstörte SVP-Infrastruktur
Scherben bringen Glück

Als im Juni 2006 publik wurde, dass Roschacher Ramos eingesetzt hatte, kam es zu einem ersten Skandal. Die der SVP nahestehende Wochenzeitung „Weltwoche“ startete eine regelrechte Hetzkampagne gegen Roschacher. Diese Kampagne und die sachlichen und persönlichen Konflikte zwischen Roschacher und Blocher führten schließlich im Juli 2006 zum Rücktritt Roschachers. Praktisch gleichzeitig startete die Geschäftsprüfungskommission des Parlaments (GPK) eine Untersuchung über die Vorkommnisse in der Bundesanwaltschaft. Darauf blieb es ein Jahr lang einigermaßen ruhig. Nur vereinzelnt drangen vertrauliche Ergebnisse der GPK nach draußen. Nach heutigen Erkenntnissen ist jedoch davon auszugehen, dass zumindest die SVP-Führung von ihren Delegierten in der GPK verbotenerweise über die laufenden Untersuchungen informiert wurde.

Am 5. September 2007 wurde der Bericht der GPK zum Fall Roschacher veröffentlicht. Bereits Stunden vor der Veröffentlichung gelangten Informationen an die Öffentlichkeit. Offenbar habe Blocher die Gewaltenteilung mißachtet und sei zudem in einen Geheimplan zum Rücktritt Roschachers verwickelt gewesen. Die SVP dementierte diese Vorwürfe noch bevor die GPK offiziell ihren Bericht vorstellte. Die SVP – Christoph Mörgeli dabei an vorderster Front – warf der GPK sogleich eine unkorrekte Arbeitsweise vor und versuchte der Präsidentin der GPK Lucrezia Meier-Schatz zu unterstellen, dass sie inkompetent sei und der Bericht der GPK reines Wahlkampfmanöver sei, das letztlich dazu diene, Blochers Abwahl vorzubereiten.

Die forsche und personalisierte Kritik von Mörgeli am GPK-Bericht führte schliesslich dazu, dass Frau Meier-Schatz Personenschutz erhielt, weil befürchtet wurde, dass aggressive SVP-Anhänger die verbalen Angriffe Mörgelis in physische Angriffe übertragen könnten. Mit ihrem Auftritt gelingt es der SVP vom eigentlichen Thema abzulenken. Wie dem Bericht der GPK zu entnehmen ist, hat Blocher in mehrfacher Weise die Gewaltentrennung zwischen Exekutive und Justiz missachtet.


Riots gegen Rassismus
S brönnt gärn ds Bärn

Dieser, in einer bürgerlichen Demokratie sehr schwere Vorwurf, wurde von der SVP kaum kommentiert. Tatsächlich gibt es daran ja auch nichts zu beschönigen. Zuweilen erfolgte nämlich diese Mißachtung der Gewaltentrennung in aller Öffentlichkeit. So hatte er 2006 der Türkei versprochen, vier kurdische Aktivisten auszuliefern, obwohl deren Rekursverfahren beim Bundesgericht (oberstes Gericht in der Schweiz und letzte Entscheidungsinstanz) noch anhängig waren. In der alljährlich stattfindenden Albisgüetli-Rede Blochers, bezeichnete dieser zwei Albaner als „Kriminelle“, obwohl diese von den ihnen vorgeworfenen Straftatbeständen freigesprochen worden waren.

Später, als Blocher im Parlament auf diesen Vorfall angesprochen wurde, behauptete er, dies so nie gesagt zu haben. Filmaufnahmen bestätigen aber, dass er das Parlament angelogen hatte. Blocher hat seine Kompetenzen zudem insofern überschritten, als dass er sich in die Medienpolitik der Bundesanwaltschaft eingemischt und dem Bundesgericht in finanziellen Angelegenheiten Vorschriften gemacht hat, obwohl die dazu nötigen Kompetenz beim Gesamtbundesrat bzw. beim Parlament lagen. Als Erklärung für sein Vorgehen in diesen Fällen schieben Blocher und seine SVP immer wieder die besonderen Führungskompetenzen Blochers vor. Was die SVP „offensiver Führungsstil“ nennt, kann jedoch ohne weiteres als Machtanmaßung bezeichnet werden.

Noch in der selben Woche, in der der GPK-Bericht veröffentlicht wurde, entschied sich die SVP, ihren Wahlkampf völlig neu zu gestalten. Innerhalb weniger Tage ersetzten Plakate der Art „Blocher stärken – SVP wählen“ die weißen und schwarzen Schäfchen der vergangenen Wochen. Das vollständige Ausrichten des Wahlkampfs auf die Person Christoph Blocher hat, wie FDP-Bundesrat Pascale Couchepin bemerkte, durchaus Ähnlichkeit mit der Duce-Propaganda im faschistischen Italien in den 1930er Jahren. Das geschickte Ablenken der SVP vom Vorwurf der Missachtung der Gewaltentrennung hin zum Vorwurf, dass alle andern Parteien nur zum Ziel haben würden Blocher, den „einzigen Hoffnungsträger für die Zukunft der Schweiz“, abzuwählen, scheint wahlkampfstrategisch besser zu ziehen als die selbst von der UNO kritisierten und der von der NPD geliebten Schäfchenkampagne, wie auch die neusten Wahlprognosen zeigen.


Jeder Aufruhr ist immer nützlich
Besonders dann wenn er erfolgreich ist

     Ergänzungen
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Ergänzungen

Artikel bei Telepolis zum Thema

Smithers 12.10.2007 - 02:36
Bei Telepolis erschien vor 2 Tagen ein Artikel zum Thema, der die Dinge ein bischen anders darstellt. Vielleicht ganz interessant als Zusatzinformation...

Die weißen und die schwarzen Schafe
Jetzt haben sich in der Schweiz die schwarzen Schafe, die von der rechten SVP für den Wahlkampf so werbewirksam dargestellt wurden, in Bern verkörpert und auch noch zugeschlagen. Autonome haben in Bern die ihnen zugewiesene Rolle der Bösen eingenommen und sich mit der Polizei eine Schlacht geliefert, wodurch sie eine Demonstration der SVP störten, die umgelenkt werden musste. Gleichzeitig haben sie damit deren kleinbürgerliche und rückwärts gerichtete Propaganda zumindest vorübergehend unterstützt. Jetzt sind die Kritiker aus dem eigenen Land auch gleich als diejenigen identifiziert, die man am besten mitsamt den Ausländern aus der Schweiz der Glückseligen hinausschmeißen sollte.
 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26366/1.html


Kleine Kritik am Artikel: wenn Ihr nicht nur Eure eigene Peergroup erreichen wollt, weniger "Bullen sind Schweine" und lieber mehr Sachlichkeit. Wir haben das Niveau nicht nötig, weil die wesentlichen Fakten auf unserer Seite sind.

Zur Kritik an den Bullenschweinen

Autonomer 12.10.2007 - 11:21
Die Kritik, die Herabsetzung der Ordnungsmacht in Artikeln mittels despektierlicher Bezeichnungen beschränke deren Rezeption auf die eigene Peergroup, wurde bereits mehrfach geäußert. Aus diesem Grund gehe ich an dieser Stelle nicht weiter darauf ein, sondern antworte mit einem Foto unserer Freunde und Helfer:



SVP maschiert - Schwarzes Schaf reagiert

radio corax 12.10.2007 - 12:56
Werfen wir einen Blick auf Bern. Dort war auch mächtig was los am Wochenende. Und zwar wollte die rechtsgerichtete Schweizer Volkspartei (SVP) durch die Stadt marschieren. Hintergrund ist die bald anstehenden Wahlen in der Schweiz und da will man sich platzieren: zum einen in den Köpfen der Wähler und zum anderen natürlich im Parlament. Das das wiederum eine große Menge Menschen in der Schweiz gerade nicht wollen, zeigt sich eben an besagtem Samstag, denn die Veranstaltung der SVP wurde von massiven Gegenaktivitäten der ANTI-SVP-Bewegung Schwarzes Schaf begleitet. Am Telefon begrüßte Radio Corax das schwarze Schaf Dino, der am Samstag offenbar auch dabei war.

Antirep - Aufruf

Genossin A 12.10.2007 - 13:50

SVP heisst Fremdenfeindliche Stimmungsmache

radical.action 12.10.2007 - 16:37
Wie wir alle wissen, hat Deutschland einen wesentlichen geschichtlichen Hintegrund wenn es um Rassismus, Faschismus etc. geht.
In der Schweiz ist das Geschichtsbewusstsein weniger ausgeprägt, dafür aber weiss fast jeder das die Schweiz als "sicheres", neutrales Land bekannt ist.
Die SVP benutzt Randgruppen und Ausländer um für ihre Partei zu werben. Sie müssen herhalten und werden tendenziell pauschal als Verbrecher abgestempfelt. Als Gefahr für die Schweiz.
Die Plakate, die eine "sichere Schweiz " fordern, sind mit rassistischem Hintergrund versehen(zumB.Weisse vs. Schwarze Schafe), genau diesem Hintergrund der längst in breiten Gesellschaftsschichten angekommen ist, sind zwar immer wieder Thema in der ganzen Welt. Dennoch es ist nicht das erste Plakat dieser Art... "Wir sind nicht die Neger" etc. gabs ja auch schon.
Wer sich gegen diese SVP, wohlgemerkt die grösste Schweizer Partei, und ihrer Fremdenfeindlichkeit entgegenstellt, wird schnell einmal mit dem Schlagwort "Meinungsfreiheit" konfrontiert. Man sei "gegen die Demokratie".

"Meinungsfreiheit" - Dafür warb Blocher auch schon in der Türkei, und forderte die Abschaffung des Anti-rassismus Artikels samt Komission, die sich seit Jahren für Toleranz - gegen rassismus etc. Damit wollen sie sämtliche Neonaziveranstaltungen zusätzlich legalisieren.
Erst kürzlich forderte eine Schweizer Partei(jung FDP) mit einer "Petition für demokratische Werte", das man alle politischen Gruppen respektieren solle. Dazu gehören auch Neonazis. das heisst: Neonazis sollen auf der Grundlage der "Meinungsfreiheit" durch die Schweizer Städte ziehen können, wer sich dagegen stellt, ist ein Gegner der Demokratie.Sogar Sozialdemokraten sehen heute Neonaziaufmärsche we Sempach als "Zeichen der Vielfalt". Konkret heisst das das es quer durchs Band fast aller etablierten parteien geht, das auf der grundlage von "Meinungsfreiheit" gegen AusländerInnen gehetzt werden soll dürfen, ohne rechtliche Konsequenzen.

Wie sagte es erst kürzlich eine ausländische Zeitung? "Man könnte meinen das die SVP eine kleine Neonazi-partei ist, dabei ist sie aber die grösste in der Schweiz!"

Die Schweiz, das dunkle Herz Europas.
Rassismus wegfegen - Solidarität mit den Blockierern!


Brennt Bern?

Autonome Antifa Freiburg 12.10.2007 - 19:18

Communiqué Action Autonome: Berne brûle-t-il ?

Mussolini a marché sur Rome, Blocher n'a pas réussi à Berne. Nous ne laisserons pas le national-libéralisme se propager plus longtemps. Ils voudraient nous résumer à de l'incivilité mais nous sommes beaucoup plus.

Nous souhaitons défendre la liberté et la paix, nous sommes des fédéralistes et nous nous battons pour une démocratie directe et autogestionnaire où le mot justice ne sonnerait pas creux.

L'UDC est devenue le modèle de l'extrême droite en Europe, elle a réussi l'impensable en instaurant des lois criminelles dans une société silencieuse. Les attentats à la bombe se sont succédé à un rythme effréné cet été sur ceux qui tentent de résister.

On nous accuse d'avoir mis à mal des droits démocratiques qui ne nous ont jamais été reconnus. Quelle hypocrisie! Au cours de l'histoire nous avons été massacrés par les pouvoirs de toutes les couleurs politiques, en Espagne nous avons été livrés aux fascistes par les démocrates européens et avons résisté au fascisme en France. Nous avons choisi le noir, portant le deuil de nos morts et de nos illusions. Samedi nous avons gagné une manche mais pas la guerre.

¡No Pasarán!
Action Autonome



Communiqué der Autonomen Aktion: Brennt Bern?

Mussolini marschierte nach Rom, Blocher scheiterte in Bern. Wir lassen es nicht zu, dass sich der Nationalliberalismus weiter breitmacht. Sie bezeichnen uns als QuerulantInnen, aber wir sind viel mehr.

Wir wollen die Freiheit und den Frieden verteidigen, wir sind FöderalistInnen und wir kämpfen für eine direkte und selbstverwaltete Demokratie, in der das Wort Gerechtigkeit nicht hohl klingt.

Die SVP ist zum Vorbild der extremen Rechten in Europa geworden, die das Undenkbare geschafft hat, indem sie kriminelle Gesetze in einer schweigenden Gesellschaft errichtet hat. Die Bombenanschläge reihen sich diesen Sommer in einem zügellosen Rhythmus aneinander gegen alle, die sich widersetzen.

Man bezichtigt uns demokratische Rechte schlecht zu machen, die wir niemals anerkannt haben. Welch' Heuchelei! Im Laufe der Geschichte wurden wir von Herrschenden jeder politischen Farbe massakriert, in Spanien wurden wir den FaschistInnen von den europäischen DemokratInnen ausgeliefert und wir haben den Faschismus in Frankreich stand gehalten. Wir haben das Schwarz gewählt, die Trauer über unsere Toten und unsere Illusionen tragend. Samstag haben wir eine Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg.

¡No Pasarán!
Action Autonome



Anmerkung der Übersetzerin: Der vorletzte Satz ist ein Zitat der französischen Anarchistin Louise Michel (en français): « Plus de drapeau rouge mouillé du sang de nos soldats. J'arborerai le drapeau noir, portant le deuil de nos morts et de nos illusions. » („Keine weitere rote Fahne, getränkt vom Blut unserer Soldaten. Ich zeige die schwarze Fahne, die Trauer über unsere Toten und unsere Illusionen tragend.“)

Diskussion um Bildunterschrift

Editors 13.10.2007 - 09:42
Die Bildunterschrift „Alle Bullen sind Schweine“ löste auch auf der Editorial Mailingliste eine kontroverse Diskussion aus und wurde als Kompromiss in „All Colors Are Beautiful“ geändert.



angebliche Schlägernazis

egal 13.10.2007 - 17:36
auf dem ersten Bild sind ein paar Glatzen mit Hunden zu sehen die dann als angebliche Schlägernazis Untertitelt werden.
Ich kenne die Typen, sind garantiert keine Nazis sondern irgendwelche Homeboys aus Region.
Warum fotografiert ihr irgendwelche hübschen Sujets, anstatt euch in die nähe der SVP Demo zu begeben um die richtigen Faschoglatzen abzulichten?
Wenn möglich löschen, Grüsse aus Bern

Angebliche „Homeboys aus Region“

Autonomes Medienkollektiv Brennpunkt Bern 13.10.2007 - 18:26
Die unten abgebildeten Nazis kamen vor dem SVP-Marsch zum Münsterplatz, pöbelten BesucherInnen des Gegenfestes an und zertrampelten ein antifaschistisches Transparent. Sie drohten den „Zecken“ ihre Hunde loszulassen und wurden von den Bullen daran gehindert, zwei Fotografen körperlich anzugreifen. Später stand der Nazi links zusammen mit anderen Nazis auf der Nydegg-Brücke und pöbelte erneut Linke an.


Schlägernazis in Bern
Wir kriegen euch alle!

Wahlvideo der SVP

Raclette 14.10.2007 - 02:01
Noch interessant: das heiss diskutierte und nun auch von der SVP zurückgezogene Wahlvideo: "Himmel und Hölle"

 http://www.youtube.com/watch?v=nrfV9VwcQgU

auf schweizerdeutsch aber sehr amüsant:

 http://www.svp-udc.ch/internet-tv.html

Partei der Heuchelei

Fondue 14.10.2007 - 02:37
Einige Zeitungsberichte über die Vorführung des Propagandavideos „Himmel oder Hölle“, in dem zum Schluss der Kühnen-Gruß gezeigt wird, durch den Zür­cher SVP-Kantonsrat und Nationalratskandidaten Bruno Walliser am 4. Oktober bei einer SVP-Wahlveranstaltung in Schwer­zenbach – trotz des Wissens um das Verbot durch ein Bieler Gericht:

Tages-Anzeiger | 20 minuten | Bieler Tagblatt | zisch.ch

SVP maschiert - Schwarzes Schaf reagiert

mole 14.10.2007 - 17:30

Artikel bei sonntagszeitung

Dein Name 14.10.2007 - 22:51
Hauptstadt der Anarchie

"Die Chaoten gingen nicht nach Bern – sie leben da
[...] indymedia.org: die Diskussionsplattform für alle Berner Politsekten, von der Anarchistischen Aktion über die Antifa bis zu den Autonomen und von der SIKB (Schülerinnen Koordination Bern für die Gassenküche) bis zur Fauch (Freie Arbeiter/innen Union Schweiz Murifeld). Jubel bei Indymedia: 'Alle Aktionen rund um Bern können als Erfolg auf der ganzen Linie gewertet werden.'"

 http://www.sonntagszeitung.ch/dyn/news/fokus/802311.html

videos im netz

antifa 16.10.2007 - 01:08
es gibt viele nette und interessante videos zu dem tag im netz - fight svp!

Bundesplatz Riots - Anti SVP Demo in Bern -  http://www.youtube.com/watch?v=Msn4F0jHf2k&mode=related&search=

Chaos in Bern -  http://www.youtube.com/watch?v=9ZTVoByRowY&NR=1

Anti-SVP-Demo 06.10.07 -  http://www.youtube.com/watch?v=Z9mpwAR4lZY&mode=related&search=

Ausschreitungen in Bern vom 06.10.2007 Totales Chaos -  http://www.youtube.com/watch?v=3-w-3spOm1c&mode=related&search=

Es geht immer weiter...

Autonom@ntifA 18.10.2007 - 13:53

Tumulte in der Schweiz

Taz 18.10.2007 - 19:01
Randale, Festnahmen, Verletzte - in Bern sprengten ein paar Hundert Autonome eine Wahlkampfveranstaltung der rechtskonservativen SVP.

BERN dpa/ap Bei gewalttätigen Protesten gegen die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) sind am Samstag in der Hauptstadt Bern 21 Menschen verletzt worden, davon 18 Polizisten. 42 Personen wurden festgenommen, wie die Polizei am Sonntag bestätigte. An der SVP-Veranstaltung für die Parlamentswahl am 21. Oktober hatten sich mehrere tausend Anhänger beteiligt.

Einige hundert gewaltbereite Demonstranten schafften es, die SVP- Anhänger von der Wahlveranstaltung direkt vor dem Regierungsgebäude zu vertreiben. Dort wollten die SVP-Bundesräte Christoph Blocher und Samuel Schmid Wahlkampfreden halten. Rund 50 Vermummte stürmten den Bundesplatz und demolierten die dort aufgebauten SVP-Stände und Imbissbuden. Autos wurden angezündet, Restaurants verwüstet. Der Sachschaden wurde mit zehntausenden Franken angegeben. In den engen Gassen der Berner Altstadt lieferten sich Polizei und Demonstranten Straßenschlachten. Die Polizei habe sich mit einem "Mehrfrontenkrieg in bester Guerillamanier" konfrontiert gesehen, sagte ein Mitglied des Berner Stadtrates.

Vor den gewaltsamen Ausschreitungen hatten zunächst rund 3000 Menschen friedlich gegen die SVP demonstriert. Aufgerufen dazu hatte unter anderem eine Anti-SVP-Koalition "Schwarzes Schaf". Sie spielt auf ein Wahlplakat der SVP an, das zeigt, wie drei weiße Schafe ein schwarzes aus der Schweiz herausdrängen. Dieses Plakat war von einem Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen als fremdenfeindlich und diskriminierend gerügt worden.

Die Ereignisse in der Haupstadt Bern mit brennenden Autos und Ständen, Barrikaden und Tränengas sind der Höhepunkt eines vor allem durch die SVP auch mit ausländerfeindlichen Parolen aufgeputschten und für die Schweiz völlig unüblichen Wahlkampfs. Der SVP- Spitzenkandidat und Justizminister Christoph Blocher zeigte sich empört. Er bezeichnete die Kundgebung der SVP als eine Demonstration für Frieden und freie Meinungsäußerung. Es sei offenbar nicht mehr möglich, dass die größte Partei der Schweiz auf den Bundesplatz gehen könne. Die Vorkommnisse zeigten, wo die Gewalttätigen seien, die das freie Wort nicht ertrügen. Doch die SVP werde sich nicht unterkriegen lassen, sagte Blocher und rief die Anhängerschaft dazu auf, zusammen die erste Strophe der Schweizer Nationalhymne zu singen.

In der Verurteilung der gewalttätigen Demonstranten waren sich alle Parteien einig. Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey bezeichnete es als unzulässig, dass einige Extremisten das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit beeinträchtigten. Sie betonte aber auch, man solle aufhören, mit Ängsten zu spielen, nur um ein paar Stimmen zu gewinnen. Sie selbst hatte im Wahlkampf die SVP als die am wenigsten schweizerische Partei bezeichnet.

Fotoserie

Sodom 18.10.2007 - 19:36
Bilder sagen mehr als tausend Worte...

Artikel in der Jungle World

international 19.10.2007 - 10:33

Der Holzfäller von Bern
Am Sonntag wird in der Schweiz ein neues Parlament gewählt. Der Wahlkampf war laut und aggressiv. Es gab rassistische Wahl­plakate, Demonstrationen und Krawalle. Alles drehte sich um eine Person: den Justizminister und Vorsitzenden der rechts­populistischen SVP, Christoph Blocher. Und alles spricht dafür, dass er den Wahlerfolg von 2003 wiederholen könnte. von hans stutz, luzern

Nachdem am 7. Oktober eine Gruppe von rund 500 Autonomen eine Demonstration der rechts­populistischen Schweizerischen Volkspartei in Bern erfolgreich verhindert hatte, berichteten schweizerische sowie ausländische Medien über nie da gewesene Kriegszustände im idyllischen Alpenland.

Die Süddeutsche Zeitung zum Beispiel sah in den Ereignissen einen »Ausbruch von Hass und Gewalttätigkeit« den man bislang nur aus anderen Ländern gekannt habe. Dem Schweiz-Korrespondenten der Süddeutschen Zeitung – und einigen seiner Kollegen – sind offenbar die Bauernkundgebungen unbekannt, die zwar selten stattfinden, aber eine starke militante Komponente haben. Einst hatten sie sogar versucht, das Parlamentsgebäude in Bern zu stürmen. Seit vielen Jahren veranstalten die Autonomen in Zürich am 1. Mai die so genannte Nachdemo. In Bern nehmen Tausende von Menschen an den »Antifaschistischen Spaziergängen« teil. Auch bei anderen Wahlkundgebungen der SVP versuchten Autonome und Linke Präsenz zu zeigen. 1995 zum Beispiel, als sie von der Polizei gestoppt wurden. Aus der SVP-Kundgebung hatten sich damals Rechtsextreme herausgelöst und – von der Polizei beschützt – Steine gegen linke Demonstranten geworfen. Dass die Autonomen Anfang Oktober die schweizerische politische Idylle kaputt machten, stimmt also keineswegs.

Es gehe den Schweizern doch gut, lautet ein in der Öffentlichkeit verbreitetes Klischee, das nach den Krawallen in den Medien wiederholt wurde. Für eine Mehrheit der Bevölkerung trifft dies sogar zu, doch eine wachsende Minderheit – vornehmlich Ausländer mit geringen beruflichen Qualifikationen sowie die unteren Gesellschaftsschichten – wird seit einigen Jahren wirtschaftlich und sozial an den Rand gedrückt.

Die Arbeitslosenzahlen sind zwar gesunken, weniger als 100 000 (2,5 Prozent) verzeichnete die Statistik im September. Doch diese Zahl ver­harm­lost die Realität. Menschen, die den Anspruch auf Arbeitslosengeld verloren haben, wurden nicht mehr erfasst. Dazu kommt, dass die Zahl der Menschen, die Sozialhilfe beziehen, in allen größeren Städten seit 2000 merklich zugenommen hat. Gleichzeitig sind die Mittel gekürzt und das Existenzminimum um rund 100 Franken monatlich gesenkt worden. Auch das derzeitige konjunkturelle Hoch, das bereits rund zwei Jahre andauert, hat die Anzahl an Arbeitslosen nur wenig sinken lassen. Auch die Schweiz kennt eine Sockelarbeitslosigkeit, die von den Statistiken nicht erfasst wird. Es ist diese Angst vor dem gesellschaftlichen Abstieg, den die Rechtspopulisten politisch bewirtschaften.

Die Umverteilung von unten nach oben ist ein Prozess, der sich in den vergangenen drei Jahren in der Schweiz extrem beschleunigt hat, in der Wirtschaft sowie in der Politik. In der Wirtschaft führt sie zu gestiegenen Kapitalerlösen und zu höheren Löhnen für die obersten Klassen. In der Politik wurden neue Steuergesetze durchgesetzt, die die Besserverdienenden erheblich entlasten. Die sinkenden Staatseinnahmen werden mit Sparprogrammen ermöglicht, die häufig bei Sozial- und Bildungsausgaben Einschnitte vorsehen. Vor kurzem hat die Boulevardzeitung Sonntagsblick auch noch enthüllt, dass die Landesregierung in Erwägung zieht, in den kommenden Jahren im sozialen Bereich rund fünf Milliarden Franken einzusparen. Die Umverteilung soll also weitergehen. Den Linken und Grünen ist es bislang nicht gelungen, diese Themen in den Wahlkampf einzubringen.

Dies alles gehört zum gesellschaftlichen und politischen Hintergrund, vor dem sich in diesem Herbst der Wahlkampf für die beiden Kammern des Schweizer Parlaments abspielt. Wie der Verteilungskampf härter geworden ist, so auch die politische Auseinandersetzung. Verschärft hat das Klima insbesondere die SVP, die zwar von einem Unternehmer angeführt wird, sich jedoch als Vertreterin der gebeutelten Lohnabhängigen und Gewerbetreibenden aufspielt. Seit Christoph Blocher in der einstigen Klientelpartei für Bauern und Gewerbe als starker Mann den politischen Takt vorgibt – das heißt seit über 20 Jahren –, verunglimpft die SVP missliebige Personengruppen und politische Gegner. Bereits in den achtziger Jahren wurden Linke und Grüne als »Filzläuse« bezeichnet. Mit diesem Politstil hat die Partei immer wieder die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Medien gefunden.

In diesem Wahljahr treibt es die SVP aber inhaltlich besonders derb. Seit Monaten überzieht sie das Land mit einer kostspieligen Inserate- und Plakatflut. Wer die Geldgeber sind, ist allerdings nicht bekannt. Im Visier hat die SVP Ausländern, die gerne als »Sozialschmarotzer« hingestellt werden, die die »Schweizer Sozialwerke«, insbesondere die Arbeitslosen- und die Invalidenversicherung, gefährden würden. Auf den Plakaten, die in ganz Europa für Skandal sorgten, kicken drei weiße Schafe ein schwarzes Schaf über die Grenze, der Text lautet: »Sicherheit schaffen«. Die Kampagne dient der Propagierung einer »Volks­initiative für die Ausschaffung krimineller Ausländer«. Die Initiatoren behaupten, das Volksbegehren richte sich nur gegen »Ausländer, die in unserem Land schwere Verbrechen« begangen hätten, doch zu diesen angeblich schwer kriminellen Taten zählen sie auch den »missbräuchlichen« Bezug von Leistungen der Sozialversicherungen oder der Sozialhilfe. Der Rassismus-Sonderberichterstatter der Uno, Dodou Diène, hat gegen dieses Plakat offiziell bei der Schweizer Regierung protestiert, es schüre den »Religions- und Rassenhass«. Das Plakat der SVP hat auch deutsche Rechtsextremisten inspiriert, die NPD in Hessen hat das Plakat übernommen.

Die Kampagne mit den Schafen wurde von den Medien weltweit skandalisiert, sie ist aber nicht die einzige, die sich gegen Minderheiten richtet. Eine weitere Initiative von Exponenten der SVP fordert beispielsweise ein Verbot für den Bau von Minaretten. In der Öffentlichkeit beschwören die Initiatoren, die Glaubensfreiheit nicht antasten zu wollen, und argumentieren, ein Minarett sei ein Symbol für religiös-politischen Machtanspruch. Auf dem Initiativbogen wird allerdings das Ziel der Kampagne deutlicher: Die »christlich-abendländische Kultur« solle gestärkt werden, darum müsse man »die Ausbreitung des Islam bremsen«.

Der Wahlkampf war ganz auf die Person von Christoph Blocher zugespitzt, noch mehr als bei den vorigen Wahlen vor vier Jahren. Der Spiegel bezeichnet ihn zutreffend als »Alleskleinhacker«, eine Anspielung darauf, dass der Justizminister das berühmte Gemälde »Der Holzfäller« von Ferdinand Hodler in seinem Büro hängen hat. Er glaubt an den freien Markt und möchte den Sozialstaat am liebsten ganz abbauen. Sein Programm ist eine Mischung aus Neoliberalismus und Volkstümlichkeit und richtet sich ganz einfach in erster Linie »gegen die da oben«. Das heißt: gegen die EU und die UN, für Steuersenkungen, für die nationale Unabhängigkeit. Von Rechtsextremisten wollte und konnte sich Blochers Partei nie glaubwürdig abgrenzen.

Blocher liebt es, sich als verfolgten Staatskritiker zu stilisieren. Oder sogar als Opfer einer Verschwö­rung. In den vergangenen Wochen behauptete er, es gebe einen »Geheimplan« zu seiner Abwahl, als ob ein Regierungsmitglied nicht auch wieder abgewählt werden dürfte. Die Partei startete daraufhin eine neue Plakatsoffensive: »Blocher stärken! SVP wählen!« Eine solche personenzentrierte Kampagne war bereits einmal erfolgreich: Bei der Volksabstimmung über die neuen Asyl- und Ausländergesetze im Herbst vergangenen Jahres hat vor allem Blochers Einsatz die Auseinandersetzung entschieden, wie die regelmäßigen Analysen der Abstimmungsforscher ergaben. Die Schweiz hat heute wohl das schärfste Asyl- und Ausländerrecht in Europa.

Der Wahlkampf wurde dieses Jahr außergewöhnlich hart geführt, die politischen Verschiebungen werden jedoch vermutlich gering sein. Die neuesten Umfragen sehen weiterhin die SVP als stärkste Partei, rund 27 Prozent, vor vier Jahren waren es 26,7 Prozent gewesen. Insgesamt dürften die bürgerlichen Parteien (Freisinnig-Demokratische Partei, Christlich-Demokratische Volkspartei und einige Kleinparteien) geringe Verluste einfahren, die Sozialdemokraten, vor vier Jahren mit 23 Prozent zweitstärkste Partei, und die Grünen zusammen geringfügig zulegen – die Verluste der Sozialdemokraten werden wohl die Gewinne der Grünen sein.

Quelle:  http://jungle-world.com/seiten/2007/42/10806.php

...that decided to oppose them.

free europe 19.10.2007 - 12:54
Swiss vote after ugly campaign

By Imogen Foulkes

BBC News, Bern

Swiss voters go to the polls on Sunday after a general election campaign marred by riots and accusations of racism.

The right-wing Swiss People's Party (SVP), already the largest party in the parliament, is leading in the opinion polls and now expects at least 27% of the vote.

But the party's campaign has focused almost entirely on immigrants.

Its controversial poster, showing three white sheep kicking a black sheep out of Switzerland, brought sharp criticism from the UN's special rapporteur on racism, Doudou Diene.

An even more graphic SVP video contrasts the "heaven" of a Switzerland in which trains run on time and families hike in the Alps, with the "hell" of veiled Muslim women, immigrant teenagers attacking Swiss girls and black men standing idly in the street.

Edgy community

The SVP's charismatic leader, Christoph Blocher, who is also justice minister, dismisses charges that the campaign has been racist, explaining that the party simply wants to gain support for its policy to deport foreigners who commit crimes.

"The People's Party has said clearly we have to set rules for foreigners and immigrants," Mr Blocher told journalists at a campaign rally.

"We've got to be strict with them. We've got a rising crime rate - people from the Balkans especially are committing crimes - we think they and their families should be deported."

But of Switzerland's population of just 7.5 million, 1.5 million are immigrants, or the children of immigrants, and they are growing nervous of the SVP's rhetoric.

Glenda Loebbell Ryan, a black woman originally from South Africa, has been a Swiss citizen for years. She is concerned by the black sheep posters.

"I got off the train in Bern and those posters were everywhere," she said.

"And all of a sudden I had a sense I was back in South Africa, during the apartheid years, and I was in the middle of all the white racist apartheid rulers," she said.

"It made me feel very uneasy, and it was the first time I had that feeling in Switzerland."

Andrew Katumba, son of a Ugandan father and a Ukrainian mother, is also a Swiss citizen and now running for parliament. He sees the SVP's vision of Switzerland as clichéd and outdated.

"Switzerland is a multicultural country. It's a reality," he insists.

"It's not about Heidi and cows and chocolate anymore. This country has changed immensely - there are new Swiss, immigrants, and they want to participate and to vote and to realise their vision of Switzerland."

Bern riots

A big factor in this election campaign has been the fact that none of the other major parties has challenged the SVP's campaign style.

The Liberals and Christian Democrats are offering bland posters with head-and-shoulder shots of their candidates. Their main policies are complicated proposals on tax reform.

The Social Democrats, currently second in the opinion polls with around 22%, have run a low-profile campaign focussing primarily on the environment.

So when the SVP decided to hold a march and rally in Bern's historic old town earlier this month, it was Switzerland's dedicated extreme left-wing groups, seen more often at anti-globalisation demonstrations, that decided to oppose them.

The ensuing riots, with scenes of tear gas and burning cars, made headlines around the world and spread shock among the Swiss, who are used to a much calmer, more consensus-based political style.

"I think many Swiss will be happy when this election is over," says Georg Lutz, a political analyst at the University of Bern.

"There's been a lot of provocation, especially from the People's Party, and I think that although that may win votes, it will also lose votes."

'We need each other'

A visit to Bern's weekly farmers' market does indeed reveal some concern at the tone of this election campaign.

"It's all so silly I can hardly bear to comment on it," says one young father, as he straps his son into his pushchair. "They are making a lot of noise about nothing, it's too stupid."

"I don't like that sheep poster," says a young woman. "It's a shame for Switzerland, we're not really like that."

"And we're making ourselves look ridiculous to the rest of the world," adds her friend.

Older shoppers, however, have some different views.

"I think if you commit a crime you should leave," says one farmer, busy selling her produce.

"About 20% of our population is foreign now and some of them are very aggressive. I think portraying them as sheep is too nice - I like sheep," she says.

A flower seller shakes her head at these words.

"Personally I am for living together, with people," she says.

"We need to stop thinking that Switzerland is something very special and we have to keep the foreigners out, because we need each other, very much."

'Migrant economy'

For Mr Lutz of the University of Berne, that is the important fact behind all the rhetoric about immigration to Switzerland.

"One thing we all agree on is that Switzerland needs foreigners," he explains.

"If we were to throw all the foreigners out our economy would collapse from one day to the next. Everyone knows that, even the People's Party knows that."

Despite its lead in the opinion polls, the SVP cannot hope for an overall majority in parliament.

Switzerland's complicated system of proportional representation means the election is likely to deliver a coalition government once again.

Mr Lutz believes that once the sound and fury of the election is over, the big task will be to promote better integration and acceptance of Switzerland's immigrants.

One solution, he suggests, would be to offer them the vote.

"At some stage, we will have to consider whether giving foreigners the vote will help to integrate them better," he says.

"I do think that is by far the biggest challenge ahead of Switzerland, rather than trying to keep as many foreigners away as possible," Mr Lutz says.

 http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/7050498.stm

"Die Welt" mit Nazipropaganda

sdfhl 19.10.2007 - 22:31
Unglaubliches in Springers Welt:

"Von außen gesehen war es ein Blitz aus dem heiteren Herbsthimmel, der am 6. Oktober über der beschaulichen Altstadt von Bern niederging. Auf der Bühne spielte eine renommierte Brass Band; vor dem Bundeshaus trafen Bäcker, Metzger, Ton- und Bildtechniker, lokale Politiker und Dutzende von Helferinnen und Helfern die letzten Vorbereitungen, um die 10000 angekündigten Sympathisanten der Schweizerischen Volkspartei (SVP) zu empfangen. Ein bieder-bürgerliches Wahlfest sollte gefeiert werden.
Die Polizisten waren schon abgezogen, als eine Horde von hundert bis 150 Vermummter das Areal stürmte, alle Verpflegungsstände zerstörte, Autos in Brand steckte, Politiker und Helfer mit Eisenstangen und Sitzbänken angriff, die Musikanten mit schweren Metallteilen, Steinen und Gittern bewarf, mehrere Menschen verletzte, Freudentänze aufführte, das Wechselgeld raubte und sich erst aus dem Staub machte, als nach zwölf Minuten die Polizei wieder aufmarschierte: Schäden in Höhe von Hunderttausenden von Franken, Fassungslosigkeit von Genf bis an den Bodensee."
www.welt.de/politik/article1280845/Vom_Wahlkampf_zum_Kleinkrieg.html

In den Kommentaren darunter toben sich die Nazis aus. Typische Welt-Leser?

Schweiz nicht mehr neutral

taz-LeserIn 20.10.2007 - 11:38
Wahlkampf in der Schweiz

Marsch auf Bern

Niedrige Arbeitslosigkeit, boomende Wirtschaft, hohe Löhne - eigentlich gehts den Schweizern gut. Trotzdem herrscht Angst vor dem "Fremden". Die SVP schürt diese Ängste und profitiert davon. VON ANDREAS ZUMACH

GENF taz Es war der aggressivste und schmutzigste Wahlkampf, den die Schweiz jemals erlebt hat. Und alle Prognosen gehen davon aus, dass er sich für die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei (SVP) lohnen wird. Wie schon im Jahr 2003 dürfte sie am Sonntag bei den Wahlen zum Parlament, dem Nationalrat, zur stärksten Partei werden. Möglicherweise wird die vom jetzigen Justizminister Christoph Blocher geführte SVP ihren Anteil von zuletzt 26,6 Prozent sogar noch steigern.

Ihren Wahlkampf betrieb die SVP mit rassistischer und ausländerfeindlicher Hetze, mit Islamophobie und der Verhöhnung Andersdenkender. Wegen des Führerkults um Blocher und der Symbolik der SVP - so nannte sie ihren Aufmarsch, der später in Straßenschlachten zwischen Autonomen und der Polizei untergehen sollte, anfangs "Marsch auf Bern" - fühlten sich manche Beobachter, darunter der liberale Wirtschaftsminister Pascal Couchepin, an den "Duce" Benito Mussolini und den italienischen Faschismus erinnert.

Geschadet hat Blocher diese Kritik nicht. Ebenso wenig wie die Lügen, Rechtsbrüche und zumindest unterschwellig antisemitischen Reden, mit denen er in seinen ersten vier Jahren als Mitglied der Regierung immer wieder für negative Schlagzeilen gesorgt hat. Im Gegenteil: Der milliardenschwere ehemalige Unternehmer, der seine Aktienmehrheit an Ems-Chemie inzwischen an seine Kinder abgegeben hat, spielt erfolgreich eine Doppelrolle. Einerseits ist er ein verantwortliches Mitglied der Regierung, andererseits inszeniert er sich als oppositioneller Volkstribun, der die Kritik, Ängste und Sorgen "des Volkes" gegenüber dieser Regierung in der Sprache des Volkes artikuliert. Kommunikationsexperten aller politischen Coleur attestieren der SVP eine "brillante Wahlkampfstrategie", der die anderen drei im Bundesrat vertretenen Parteien - Sozialdemokraten, Christliche Volkspartei und Liberale - kaum etwas entgegenzusetzen hatten.

Doch die Schwäche der anderen Parteien allein kann nicht erklären, warum so viele Schweizer den Rattenfängern der SVP mit ihren Angstparolen und der Hetze gegen alles Nichtschweizerische auf den Leim gehen. Zumal es in der Schweiz und ihren 7,6 Millionen Einwohnern im internationalen Vergleich immer noch sehr gut geht. Der Lebensstandard ist höher als in den umliegenden Staaten, und die Arbeitslosigkeit liegt bei unter zwei Prozent, während es im EU-Durchschnitt knapp zehn Prozent sind. Noch die niedrigsten Löhne sind deutlich höher als etwa in Deutschland und Großbritannien. Die Unternehmen fast aller Branchen haben volle Auftragsbücher und klagen über fehlende Produktionskapazitäten und einen Mangel an Facharbeitern.

Doch "Ängste gibt es trotz oder gerade wegen des Wohlstandes", analysierte der Zürcher Tagesanzeiger zu Beginn der letzten Wahlkampfwoche die Befindlichkeit der Schweizer. Seit dem bilateralen Abkommen mit der EU über Personenfreizügigkeit erleben diese erstmals eine verschärfte Konkurrenz um gut bezahlte Stellen durch Zuwanderer aus EU-Staaten, vor allem aus Deutschland. Diese Zuwanderung dämpft den Lohnanstieg.

Zu den unterschwelligen Ängsten trägt auch bei, dass ausländische Billigunternehmen verstärkt in den Schweizer Markt drängen. Aldi und Fielmann sind schon da, der Lebensmitteldiscounter Lidl und die Discountwerkstatt ATU beginnen gerade ein Netz von Filialen zu gründen. Und nachdem die Nachfolgerin des nationalen Heiligtums Swissair in die Hände der Lufthansa gefallen ist, sorgen sich manche, dass auch das dichte und effiziente Zugsystem der Schweiz eines Tages von der Deutschen Bahn betrieben werden könnte. Obwohl die Schweiz und auch ein auf den internationalen Markt ausgerichteter Unternehmer wie Blocher von der Globalisierung fast nur profitiert hat, ist die Furcht groß, das Land könne dadurch seine Identität verlieren.

Die SVP appelliert an die unterschwelligen Ängste der Schweizer und präsentiert in der Gestalt von Blocher den "starken Mann". Ablehnung der EU, Verhöhnung der UN und des Völkerrechts, Begrenzung des Ausländeranteils, Verschärfung des Asylrechts, Ausschaffung straffällig gewordener Ausländer samt ihrer Familien oder Verbote des Baus von Moscheen heißen die "Lösungen", die die SVP anbietet. Dabei hat das Land schon heute, seit der von der SVP initiierten Volksabstimmung im Herbst letzten Jahres, das wohl härteste Ausländer- und Asylrecht in Europa.

Verantwortlich für alle vermeintlichen und tatsächlichen Probleme des Landes macht die Partei "die Grünen und die Linken". Die Tatsache, dass im Bundesrat, im Nationalrat sowie im am Sonntag ebenfalls neu zu wählenden Ständerat seit Jahrzehnten die bürgerlichen Parteien SVP, CVP und FDP eine deutliche Mehrheit gegenüber den Sozialdemokraten, Grünen und kleinen linken Parteien haben, geht im propagandistischen Trommelfeuer der SVP unter.

Bei dieser Konstellation wird es auch nach diesen Wahlen bleiben. Die Sozialdemokraten - bis 2003 noch die stärkste Partei im Nationalrat - werden nach den letzten Prognosen deutliche Verluste erleiden und bei höchstens 22 Prozent landen; Christlichsoziale und Liberale dürften jeweils um die 15 Prozent erhalten. Die relativ größten Gewinne mit einem Zuwachs von derzeit 7,4 Prozent auf über 10 Prozent werden für die Grünen vorausgesagt, die bislang nicht der Regierung angehören.

Unklarer als die Wahlergebnisse ist die Frage, wie es weitergeht. Am 13. Dezember muss das neue Parlament die Mitglieder der Regierung bestimmen, der derzeit neben Blocher ein weiteres Mitglied der SVP, zwei Sozialdemokraten, zwei Liberale und ein Christlichsozialer angehören. Die Grünen und die Sozialdemokraten haben angekündigt, dass sie zwar andere Kandidaten der SVP wählen werden, aber Blocher "auf keinen Fall". Um Blocher zu verhindern, brauchen sie allerdings Unterstützung aus der CVP und der FDP. Für diesen Fall hat Blocher angedroht, dass die SVP sich aus der Regierung zurückziehen werde. Die Frage ist, ob sich Sozialdemokraten und Grüne von dieser Drohung einschüchtern lassen werden.

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Wahlkampf in der Schweiz
"Konkordanz ist mit Demagogen nicht möglich"

Das Schweizer Konsensprinzip ist am Ende, sagt der Künstler Thomas Hirschhorn und fordert eine klare Konfrontation mit der SVP.

taz: Herr Hirschhorn, was ist das Besondere an der Schweizerischen Volkspartei?

Thomas Hirschhorn: Dass sie pure Demagogie betreibt und zugleich Opposition und Regierungspartei ist.

Warum findet die Linke kaum eine Antwort auf deren Rechtspopulismus?

Deshalb. Und weil es die Linke in der Schweiz schon vor Jahren verpasst hat, in die Opposition zu gehen. Die Sozialdemokratische Partei ist nur beschränkt glaubwürdig, denn als Regierungspartei stützt sie das desolate "Konkordanzsystem", das für den heutigen Zustand verantwortlich ist. "Konkordanz" aber ist mit Demagogen nicht möglich.

Was hätte die Linke tun sollen?

Als Regierungspartei hat die SP die Wahl Blochers in den Bundesrat wenn auch nicht unterstützt, so doch vier Jahre mitgetragen. Ihr Argument lautete: "Wir haben ihn lieber drinnen als draußen." Die Kurzsichtigkeit und Gefährlichkeit dieses Arguments ist nun offensichtlich geworden. Nur eine glasklare Konfrontation kann die SVP zurückdrängen.

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Ist das Schweizer Konsensprinzip am Ende?

Genau, denn es entspricht schon lange nicht mehr der Realität, in der klare, für den Bürger nachvollziehbare und messbare Ziele und Richtlinien notwendig sind. Hinzu kommt, dass die SVP und Blocher im Bundesrat das Konkordanzprinzip vollständig ausgehöhlt haben.

Wegen der vielen Volksabstimmungen gilt die Schweiz doch als Musterdemokratie.

Aber der Begriff Demokratie wird von innen ausgehöhlt. Die Schweiz wurde zunehmend "demokratisiert". Die Schweizer Demokratie wird zur "heiligen Kuh", der alles geopfert wird, ohne zu merken, dass dabei zukunftsorientierte und innovative Entscheidungen unmöglich gemacht werden. Über alles und jedes soll "demokratisch" entschieden werden. Doch dabei geht es nur noch um Interessenverteidigung. Ein "demokratisierter" Bürger ist kein wirklicher, freier Demokrat mehr, sondern ein mit dem Wort "Demokratie" domestizierter und anästhetisierter Interessenvertreter.

Sie haben vor vier Jahren, beim ersten großen Erfolg der SVP, von einem "schleichenden Faschismus" gesprochen. Sehen Sie das heute noch so?

Es ist schlimmer als vor vier Jahren, trotz der laufend wiederholten, mutlosen und einschläfernden Beschwichtigung, dass alles gar nicht so schlimm sei. Denn tatsächlich nehme ich wahr, dass in der Schweiz - der es sehr gut geht - mehr und mehr Leute Angst haben vor dem Anderen, vor dem Fremden und allem, "was nicht auf eigenem Boden gewachsen" ist. Die jahrelange Politik der Abschottung hat zu dieser Angst geführt, und ich schäme mich dafür, dass in meinem Land Ressentiments und Fremdenfeindlichkeit offen propagiert werden können.

Wir wirken sich diese Dinge auf die Öffentlichkeit und die Kulturproduktion aus?

Das Bild einer ängstlichen, abwehrenden und zugeknöpften Schweiz geht um die Welt. Und dieses Bild hilft niemandem im Land, die Herausforderungen der heutigen Welt mit Mut, mit Vertrauen ins eigene Können und mit Kreativität anzupacken. Zudem findet eine Depolitisierung statt - aus Angst anzuecken und Probleme zu kriegen.

Halten Sie sich noch häufig in der Schweiz auf?

Ich fahre aus privaten Gründen gelegentlich dorthin. Aber seit Ende 2003, seit Blochers Wahl in den Bundesrat, stelle ich aus Protest nicht mehr in meinem Land aus. Dennoch bleibt die Schweiz mein Land, auf das ich stolz sein will wegen der Errungenschaften und der Werte, die es sich erobert und errungen hat und die es weiterzuentwickeln und zu teilen gilt. Das Projekt "Schweiz" darf nicht auf Fremdenfeindlichkeit und Angst vor der Zukunft reduziert bleiben.

INTERVIEW: DENIZ YÜCEL / ANDREAS FANIZADEH

"Die Schweiz ist in Aufruhr"

Schweizer Gemütlichkeit 22.10.2007 - 09:41
Schlussresultat

Sitze Prozent
2007 2003 2007 2003 +/-
SVP 62 55 29.0 26.7 +2.3
SP 43 52 19.5 23.3 -3.8
FDP 31 35 15.6 17.3 -1.7
CVP 31 28 14.6 14.4 +0.2
Grüne 20 13 9.6 7.4 +2.2
EVP 2 3 2.4 2.3 +0.1
LPS 4 4 1.8 2.2 -0.4
EDU 1 2 1.3 1.3 0.0
PdA/SOL 1 3 1.1 1.2 -0.1
SD 0 1 0.5 1.0 -0.5
CSP 1 1 0.4 0.4 0.0
Lega 1 1 0.5 0.4 +0.1
GLP 3 0 1.4 0 +1.4
Übrige 0 0 1.8 1.6 +0.2

Quelle: BFS
 http://tagesschau.sf.tv/wahlen07/wahlen_2007/alle_resultate/nationalrat

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Schweizer Demokratie

Schluss mit Kuscheln

Die Schweiz ist berühmt für ihre Kuscheldemokratie. Doch diese Wahl zeigt erneut: Immer mehr Schweizer hätten viel lieber eine Richtungsregierung statt der Berner Super-Koalitionen.

Ein Kommentar von Gerd Zitzelsberger

Seit beinahe 50 Jahren regiert in Bern eine Art Super-Koalition. Sie reicht von links von den Sozialdemokraten bis zur Schweizerischen Volkspartei (SVP) nach rechtsaußen.

Diese Konkordanz-Demokratie, wie die Schweizer das Modell nennen, hat der Eidgenossenschaft den Ruf eingebracht, eines der politisch stabilsten Länder auf der Welt zu sein. Die ersten Ergebnisse der Wahlen vom Sonntag deuten daraufhin, dass dieses Machtverhältnis Bestand haben wird.

Langfristig jedoch wackelt die Konkordanz. Das Parteiengefüge ist stärker in Bewegung, als es die geringen Mandats-Verschiebungen suggerieren.

Bei jeder einzelnen Wahl fallen, wie am Sonntag, zwar die Änderungen klein aus. Aber Trends halten sich lange. Beinahe 40 Prozent beträgt mittlerweile der Anteil der Wähler, die offenbar lieber eine Richtungsregierung als eine Super-Koalition hätten.

Es sind dies zunächst die Anhänger der Grünen. Diese Partei schließt für sich eine Regierungsbeteiligung aus, wenn die rechtspopulistische SVP mit am Tisch sitzt.

Auch den SVP-Wählern liegt nichts an der Konkordanz. Schließlich hat die Partei sich im Wahlkampf geriert, als wäre sie Oppositionspartei und es gälte, das ganze Land umzukrempeln.

In der Konkordanz-Demokratie haben die Parlamentswahlen nur begrenzte Bedeutung - zumal die Schweizer über die wichtigen Fragen per Volksentscheid bestimmen.

Doch in Trippelschritten werden die Wahlen wichtiger. Vorbereitet ist das Land darauf nicht: Wie die SVP ihre üppig gefüllten Wahlkampfkonten gespeist hat, bleibt im Dunkeln.

Von den kleinen Leuten, als deren Vertreterin sie und ihre Galionsfigur, der Milliardär Christoph Blocher, sich ausgeben, kam das Geld sicher nicht.

(SZ vom 22.10.2007)

Skandalvideo

Schnuggl 23.10.2007 - 19:00
Hier kann man das Video noch sehen, das erste wurde von U Tube runter genommen und als privat gekennzeichnet:

 http://www.youtube.com/watch?v=H6gZj3DYK6k

Rolf Zbinden wird mit Berufsverbot gedroht

schockiert 24.10.2007 - 18:12

Blocher abgewählt!

Haben wir gelacht... 19.12.2007 - 11:03
Spiegel Online vom 19. Dezember 2007

SCHWEIZ

Blocher-Debakel stürzt Rechtspopulisten ins Chaos

Von Mathieu von Rohr

Aggressiv in die Opposition - diese Parole gab der Schweizer Rechtspopulist Blocher nach seiner spektakulären Abwahl in der vergangenen Woche aus. Tatsächlich kommt es ganz anders: Seine SVP wirkt plötzlich ratlos und konfus, die Partei kämpft mit sich selbst.

Hamburg - Sie streiten sich in aller Öffentlichkeit. Ihre Aussagen über den künftigen Kurs der Partei widersprechen sich. Sogar eine Spaltung schien zunächst möglich - nach der Abwahl ihres Anführers Christoph Blocher aus der Regierung gibt die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) ein Bild des Jammers ab.

n der vergangenen Woche verabschiedeten sich Blocher und seine SVP noch mit flammenden Worten in die Opposition – sie kündigten das System der gemeinsamen Regierung aller vier großen Parteien auf, das seit 1959 funktioniert hatte. "Sie haben unser bewährtes Regierungssystem zerstört", rief der Fraktionschef am Donnerstag in den Saal, in dem die Vereinigte Bundesversammlung tagte. "Von nun an dienem wir unserem Land außerhalb der Regierung." Für den Fall von Blochers Abwahl hatte die SVP stets mit einem Schreckensszenario gedroht: Der Oppositionsführer und Milliardär würde die Partei auf einen aggressiven Oppositionskurs führen und das Land mit Volksinitiativen und Referenden lahmlegen. Die stabile Schweiz würde erschüttert.

Doch nun, da Blocher tatsächlich abgewählt ist, wirkt die Partei überrumpelt. Und ratlos. Sie fragt sich: Was heißt das überhaupt – Opposition? Die SVP weiß es selber noch nicht.

"Opposition - ich will wissen, was das ist"

"Alle reden von Opposition", sagte etwa Rudolf Joder, Präsident der SVP des Kantons Bern. "Ich will wissen, was das ist."

Jasmin Hutter, 29-jährige SVP-Nationalrätin aus dem Kanton St. Gallen, sagte dazu am vergangenen Donnerstag: "Ich sehe das so: Wir machen einfach weiter wie bisher, nur haben wir keine Bundesräte mehr."

In dieser Antwort zeigt sich das ganze Dilemma der SVP. Jahrelang genoss sie die komfortable Situation, an der Regierung beteiligt zu sein und sich dennoch wie eine Oppositionspartei verhalten zu können. Sie kämpfte hart, verhöhnte ihre Gegner und stand oft allein gegen alle anderen – etwa wenn es um die Annäherung an die EU ging oder den Umgang mit Einwanderern.

Volksabstimmungen gewann sie relativ selten. Trotzdem profitierte die SVP von dieser Doppelrolle, gewann Profil und Wählerstimmen und legte binnen zwei Jahrzehnten stetig zu, auf heute 29 Prozent - sie wurde zur größten Partei. Die beiden entscheidenden Fragen sind nun: Kann sie ihren bisherigen Oppositionskurs überhaupt noch verstärken? Und wie viele Wähler könnte sie dadurch noch gewinnen?

Beides wird der SVP schwerfallen. Christoph Blocher gibt sich in seiner neuen Rolle als designierter Oppositionsführer auffallend zurückhaltend: Die SVP wolle das Land nicht lahmlegen, keine Obstruktionspolitik betreiben, nicht zu allem Nein sagen. "Blockaden führen zu einem Scherbenhaufen", sagte er der "Sonntagszeitung".

Zusammenraufen für die Oppositionsrolle

Von Parteifreunden, die jetzt am liebsten den Vorschlaghammer einsetzen möchten, setzt er sich ab. Er will zum Beispiel die Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf die neuen EU-Staaten Rumänien und Bulgarien nicht um jeden Preis bekämpfen. Auch von der Volksinitiative eines SVP-Mannes, der Minarette verbieten möchte, will Blocher nichts wissen. Was ändert sich also wirklich in der Opposition?

Es ist ja auch alles sehr kompliziert: Erstens sitzen weiter zwei Parteimitglieder der SVP in der Regierung – die neugewählte Eveline Widmer-Schlumpf und Verteidigungsminister Samuel Schmid. Zwar sieht die SVP die beiden nicht als ihre legitimen Vertreter an und hat sie aus der Fraktion ausgeschlossen. Der Partei gehören sie trotzdem an.

Zweitens wird sich die Politik der Regierung durch die Abwahl Blochers nicht massiv verändern. Obwohl die neuen SVP-Bundesräte liberaler sind als Blocher, vertreten beide rechte Positionen. In der Regierung sitzen neben ihnen zwei Sozialdemokraten, zwei Freisinnige (FDP), eine Christdemokratin (CVP) – eine klare konservative Mehrheit. In vielen Fragen wird sich die SVP nicht gegen eine Regierung profilieren können, die ähnliche Positionen vertritt.

Drittens stehen gar nicht alle Abgeordneten der SVP hinter dem Oppositionskurs – der kleine liberale Flügel, dem etwa ein Dutzend der 62 Abgeordneten im Nationalrat angehört, überlegte sich zeitweise gar, eine neue Fraktion zu gründen und die beiden ausgestoßenen Bundesräte zu stützen. Erst nach einer zweieinhalbstündigen lebhaften Diskussion rauften sich die Abgeordneten am Dienstag zusammen und beschlossen mit 60 zu 3 Stimmen erneut den Gang in die Opposition.

Ob dieser Beschluss der Fraktion reicht, die Geschlossenheit der Partei wiederherzustellen, ist fraglich. Denn in den Tagen zuvor hatten sich SVP-Politiker in aller Öffentlichkeit gestritten. Liberale und Wirtschaftsnahe kritisierten die engste Entourage von Blocher und die Parteiführung, die der SVP den Oppositionskurs verordnete. "Er sollte mal wieder das Hirn einschalten" – das sagte etwa Peter Spuhler vom Wirtschaftsflügel der Partei über den SVP-Vizechef und Blochers politischen Ziehsohn Toni Brunner. Der hatte jetzt schon angekündigt, die Partei werde im kommenden Jahr die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit bekämpfen.

Der hemdsärmlige Unternehmer Ulrich Giezendanner – seinerseits selten um ein klares Wort verlegen – fordert gar eine Abkehr vom oft beleidigenden Stil der SVP. Giezendanner will einen "Ausdrucks-Kodex" und griff den Blocher-Intimus und Parteistrategen Christoph Mörgeli an. "Seine persönlichen Angriffe sind nicht mehr tolerierbar", er müsse "seine Tonart ändern". Nicht zuletzt darüber sei Blocher gestolpert. Mörgeli hatte zuletzt der neugewählten Bundesrätin Widmer-Schlumpf vorgeworfen, sie habe Blocher "gemeuchelt" und sei "eine Verräterin".

Nur 26 Prozent der Schweizer finden Blochers Opposition gut

Schon vor Blochers Sturz hatten sich liberale SVP-Abgeordnete gegen den "diktatorischen Stil" der Parteiführung gewandt, die Linksabweichler aus Parlamentskommissionen verbannen wollte. Interne Kämpfe und Orientierungslosigkeit prägen die SVP in den Tagen nach Blochers Demütigung.

Auch die Bevölkerung ist der Partei in einer ersten Umfrage nicht wohlgesonnen. 60 Prozent der Befragten finden die Abwahl Blochers gut, nur 26 Prozent schlecht. 67 Prozent sind dagegen, dass die SVP ihre beiden gewählten Bundesräte aus der Fraktion ausgeschlossen hat, zu 55 Prozent sogar die SVP-Sympathisanten. Und nur 26 Prozent der Befragten finden es gut, dass die SVP sich entschieden hat, in die Opposition zu gehen. Diesen Zahlen zufolge haben im Moment nicht mal alle ihre Wähler Verständnis für die SVP.

Die Wut von Blochers Sympathisanten über die Probleme seit dem Wahl-Debakel ist groß. Die neue Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf lebt unter Polizeischutz. Sie erhielt zahlreiche Drohungen – eines Nachts wurde gar ihr Wohnhaus in Felsberg im Kanton Graubünden verschmiert.

Blocher ist tief getroffen

Die Abwahl ihres Anführers ist eine schwere Niederlage für die SVP und auch für Blocher selbst. Der Nimbus der Unbesiegbarkeit, der ihn umgab, seit er 1992 im Alleingang den Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verhinderte, hat Schaden genommen. Viele Linke sind überzeugt, dass sie Blocher einen Schlag versetzt haben, von dem er sich nicht mehr erholen wird. Abgeordnete der Sozialdemokraten und der Grünen, aber auch der Christdemokraten vertraten schon die Auffassung, für Blocher sei dies der Anfang vom Ende.

Blocher ist seit mehr als 20 Jahren die überragende politische Figur der Schweiz. Er spricht Themen an, die in der Bevölkerung ankommen und mit denen sich die meisten anderen Parteien nicht die Finger schmutzig machen wollen. Immer wieder findet er weit über die Wählerschaft seiner Partei hinaus Gefolgschaft. Auch weil sie der Überfigur Blocher nichts entgegensetzen konnten, verloren die Sozialdemokraten und die Parteien der Mitte die Wahlen im Oktober.

Seine Abwahl war nun wie ein Befreiungsschlag – und zumindest vorläufig zeigt sie Wirkung. Der Verlust seines Amtes hat ihn offensichtlich getroffen. Seine gekränkte Abschiedsrede vor dem Parlament hat ihn Sympathien gekostet. Bis jetzt hat er noch nicht klar gesagt, ob er nun die Parteiführung übernehmen wird und ob er sich wieder um einen Sitz im Parlament bemühen wird. Im Moment häufen sich in den Medien die Absagen von SVP-Abgeordneten, die ihren Platz nicht für Blocher räumen möchten. Wird er die Partei wirklich in die Zukunft führen?

Am Ende bleibt vielleicht alles, wie es war

Die SVP hat ein Nachfolgeproblem: Blocher ist inzwischen 67, und es gibt in der Partei keine Persönlichkeit von seinem Format. Vor allem Blocher hält diese SVP zusammen, in der Nationalkonservative, Wirtschaftsliberale, Bauernvertreter und Fremdenfeinde versammelt sind. Die einen kämpfen gegen den Staat, die anderen für Agrarsubventionen. Die einen brauchen hochqualifizierte Zuwanderer, die anderen wollen am liebsten sämtliche Grenzen dicht machen. All diese Widersprüche sind in den letzten Tagen aufgebrochen.

Der Gang in die Opposition hat der Partei bisher eher geschadet. Im Moment sieht sie aus wie eine schlechte Verliererin. Ihre künftige Rolle muss sie erst noch finden, Schlagkraft und Selbstvertrauen zurückgewinnen.

Und dann? Was heißt das nun – Opposition? Wird sie mit fliegenden Fahnen in Abstimmungskampf um Abstimmungskampf ziehen? Oder wird sich am Ende alles relativieren?

Nachdem sich der erste Zorn gelegt hat, könnte sich die SVP offiziell weiter "Opposition" nennen - die Beziehung zu ihren verstoßenen Bundesräten aber zumindest inoffiziell normalisieren. Damit wäre sie weiter Teil der Regierung und in der Opposition. Also wie bisher.

Und in der Schweiz hätte sich in Wahrheit wieder mal so gut wie gar nichts geändert.

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Sauber — khkcv

Schon wieder dieser Begriff — All Trolls Are Bastards

abklärung — @aufklärung

Kant versenken — Kohland Roch

Blogger — antifa-blogger

kommentar — pink

Die Nazis — Eugen

vielen, vielen Dank! — Regensburger

anonymer svp´ler — xdanielx

what? — what?

Kontraproduktiv ! — ottifan

nazi — hunter

Fassungslos — burns