Spanisches Problem mit Selbstbestimmungsrecht

Ralf Streck 07.10.2007 13:12 Themen: Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Es ist keine Frage, dass Katalonien und das Baskenland Nationen innerhalb Spaniens bilden, die sich durch eigene Sprachen und Kulturen auszeichnen. So ist verständlich, wenn Katalonien nun Gastland der Frankfurter Buchmesse ist. Einst wurde das auch in Spanien anerkannt, als das Land eine Republik war, die mit einem Putsch und dem Bürgerkrieg 1939 beseitigt wurde.
In so genannten Übergang zur Demokratie, nach dem Ableben des Diktators 1975, wurde es verpasst, an die Republik anzuknüpfen. Der Diktator konnte mit dem König sogar seinen Nachfolger bestimmen, der die Verfassung ausarbeiten ließ und die Regeln im Sinne derer festlegte, welche die Diktatur trugen. Dreh und Angelpunkt ist die "Einheit des Vaterlands", welche die Armee schützt, die der Monarch befehligt.

Da es nie zum Bruch mit der Diktatur kam, die Verbrechen gänzlich ungestraft und die opfer bis heute ohne Rehabilitation blieben, verwunderlich es nicht, wenn die Ultrarechten noch heute den Ton angeben und mit der Kirche noch immer die Definitionsmacht über die Geschichte haben. Die Sozialisten (PSOE) haben sich auch in ihrer zweiten Regierungsperiode nur zaghaft an die historisch drängenden Fragen gewagt. Statt einer zweiten Trancisión, lösten sie nicht einmal ihr Versprechen ein, den Senat in eine Art Länderkammer wie den Bundesrat zu verwandeln, um den Regionen mehr Einflussnahme zu bieten.

Ihre Angst vor der starken ultrarechten Volkspartei (PP) führte dazu, dass der Friedensprozess mit der ETA scheiterte, da die Sozialisten nicht an den Ursachen des politischen Konflikts rühren wollten. Stattdessen stimmten sie nun ein Geschrei an, als der baskische Regierungschef ankündigte, die Bevölkerung, in Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes, über den Status des Baskenlands abstimmen zu lassen. Seit einer Woche bestimmt die Debatte, wie das Referendum verhindert wird und ob die PSOE oder die PP dies effektiver kann. Gedroht wird, die Armee gegen das "illegale" Vorgehen einzusetzen oder die baskische Autonomie zu suspendieren.

Dass der Inhalt des demokratischen Votums zuvor mit Madrid ausgehandelt werden soll, geht im Getöse genauso unter, wie der Fakt, dass es nicht um die Unabhängigkeit geht. Dabei sollte auch das in demokratischen Staaten möglich sein. Das zeigen die Referenden in Quebec, zur Unabhängigkeit von Kanada. Auch Schottland will über die Unabhängigkeit von Großbritannien entscheiden. Hat Spanien nicht mit der EU die Abstimmung zur Unabhängigkeit Mazedoniens gefördert? Trägt es nicht die absurde Forderung der Albaner im Kosovo und stellt sich damit auch hinter deren gewaltsame Vertreibung der Serben? Die Basken dagegen dürfen nicht einmal eigene Sportteams aufstellen.

So bestimmt hier die Repression das Bild. So wurde am Dienstag unter anderen auch Joseba Alvarez verhaftet, der Auslandskoordinator der Partei Batasuna (Einheit). Nun folgte fast die gesamte Parteiführung nach. Mit ihm sollte in dieser Woche eigentlich ein Interview über die neuesten Entwicklungen erscheinen. Nach Parteichef Arnaldo Otegi wurde nun die zweite Person verhaftet, die Auskunft über den gescheiterten Friedensplan der Partei geben könnte. Als Vorwand diente, dass er vor Wochen an einer Demonstration teilnahm, die nach der Auflösung durch die Polizei in einer Straßenschlacht endete.

Dabei darf Rechtstaatlichkeit des Vorgangs bezweifelt werden. Der Marsch wurde verboten, weil dazu die verbotene Organisation Askatasuna (Freiheit) dazu aufgerufen hat. Die ist in Frankreich legal und in Spanien ist deren Verbot seit sieben Monaten hinfällig. Es wurde von einem Ermittlungsrichter verfügt, der es nur für vier Jahre anordnen darf und es wurde nie durch ein Urteil bestätigt.

Doch wegen des Referendums ist Madrid offenbar bereit auch schärfer gegen moderate Nationalisten vorzugehen. Dabei drückt sich damit nur der starke Willen aus, dass die Bevölkerung endlich eine friedliche Lösung und den Respekt vor ihrem Willen fordert. Das Autonomiemodell, auf das die Moderaten setzten, ist gescheitert, weil in 30 Jahren wesentliche Kompetenzen nie an die Basken übertragen wurden. Einen demokratischen Weg seine Anliegen zu vertreten, gibt es offenbar nicht. Dies wird dazu führen, dass die Forderung nach Unabhängigkeit stärker wird, weil in diesem Rahmen keine Lösung zu finden ist. Anders als im Kosovo wird der Prozess von der EU aber nicht unterstützt. Das liegt an der Tatsache, dass die starke linke Unabhängigkeitsbewegung der Motor ist. Die stellt gleichzeitig zur nationalen Frage in den täglichen Kämpfen auch die soziale Frage und tritt weiter für einen Sozialismus und ein antipatriarchalisches und ökologisches Modell ein. Das ist für die Planer des kapitalistischen Europas allerdings ein rotes Tuch.

© Ralf Streck, Donostia den 07.10.2007
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